«Meist hat er halt Recht»
Interview mit Silvia Blocher in der „Weltwoche“ vom 9. Oktober 2003
Eignen sich Frauen für Führungspositionen? Wie müssen Kinder erzogen werden? Wie lebt es sich an der Seite des umstrittensten Politikers der Schweiz? Ein Gespräch mit Silvia Blocher.
von Roger Köppel und Markus Somm
Sie hatten ein Mathematikstudium angefangen und als Lehrerin gearbeitet, bevor Sie Christoph Blocher heirateten. Warum haben Sie diesen Beruf aufgegeben?
Silvia Blocher: Wir wollten eine Familie gründen, und für mich war klar, dass ich mich um die Kinder kümmere.
Haben Sie das jemals bedauert? Hätten Sie lieber das Studium abgeschlossen und eine berufliche Laufbahn eingeschlagen?
Silvia Blocher: Ich glaube nicht. Natürlich ist das hinterher schwer zu sagen. Mathematik liegt mir heute eher fern. Damals habe ich mich leidenschaftlich gern damit befasst, davon ist bloss die Freude an kniffligen Denkaufgaben und Kreuzworträtseln übrig geblieben. Eine Familie zu managen, war eine grosse Aufgabe. Es mag Frauen geben, die ihre Erfüllung allein am Schreibtisch finden können – für mich trifft das nicht zu.
Was haben Ihre Eltern Ihnen an Lebenszielen mitgegeben? Kinder haben, einen guten Job oder einfach einen erfolgreichen Mann heiraten?
Silvia Blocher: Erfolgreich war er ja damals noch nicht: ein mittelloser Student. Nein, ich habe studiert, um nachher einen Beruf auszuüben. Ich wollte nicht einfach einen Mann mit Doktortitel heiraten, sondern war überzeugt: Den mache ich selber.
Als Sie Mathematik studierten, war das für eine Frau ein aussergewöhnlicher Akt. Fühlten Sie sich nie benachteiligt?
Silvia Blocher: Nein. So, wie ich aufgewachsen bin, kannte ich dieses Gefühl nie. Was Buben machten, das durfte auch ich: Ich ging in die Primarschule, die Sek und die Mittelschule wie sie. Ich konnte gar für ein Jahr als Austauschschülerin nach Amerika – was damals ja noch sehr ungewöhnlich war. Ohne weiteres hatten meine Eltern das erlaubt. Schliesslich studierte ich, was ich wollte. Aus diesem Grund konnte ich die Frauenrechtlerinnen nie verstehen, die sich dermassen benachteiligt fühlten und es ganz furchtbar fanden, wenn eine Frau „nur“ Mutter und Hausfrau sein wollte.
Hat es Sie geärgert, dass Ihre Arbeit als Mutter und Hausfrau so eingeschätzt wurde?
Silvia Blocher: Zeitweise schon. Vor allem, dass die so genannt emanzipierten Frauen die Mutterrolle stark abgewertet haben. Sie wollten um jeden Preis arbeiten, um von der Familie wegzukommen. Die Kinder wurden als störende Belastung betrachtet.
Welche Werte haben Sie Ihren Kindern mitgegeben, worauf kommt es an?
Silvia Blocher: Das weiss man ja theoretisch nie so genau, sondern entscheidet von Fall zu Fall. Zentral ist, dass Sie Kinder so nehmen, wie sie sind, und sie nicht zu etwas anderem umerziehen wollen. Das, was in ihnen steckt, ihre Stärken muss man fördern. Nur so entwickeln sie sich zu dem, was in ihnen angelegt ist. Das gibt ihnen Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein.
Oft leiden Kinder unter einem erfolgreichen Vater. Sie können ihm nie das Wasser reichen, und sie verzweifeln oder versagen. Wie haben Sie dem vorgebeugt?
Silvia Blocher: Als unsere Kinder klein waren, war ja der Vater noch nicht so prominent, das war sicher eine Erleichterung. Wenn wir jetzt kleine Kinder hätten, wäre das schwieriger. Wahrscheinlich hat auch geholfen, dass mein Mann nie das Ziel hatte, reich und prominent zu werden, sondern es ging ihm immer um die Sache. Politik hat ihn beschäftigt, weil er die Lebensumstände verbessern und nicht weil er Nationalrat werden wollte. Im Geschäft war es ähnlich: Er sah Probleme, und die musste er lösen. So kam er voran und nicht weil er Karriere machen und das Unternehmen am Ende besitzen wollte.
Hatten Ihre Kinder nie das Bedürfnis, sich von ihrem Vater abzugrenzen? Zum Beispiel politisch, indem sie Steine warfen und Häuser besetzten?
Silvia Blocher: Das überhaupt nicht; selbstverständlich hatten auch unsere Kinder die üblichen Ablösungsprobleme, und es ging manchmal laut zu und her.
Wie beurteilen Sie die heutige Elterngeneration? Machen sie es gut?
Silvia Blocher: So pauschal kann ich das nicht sagen. Aber ich habe den Eindruck, dass viele Eltern heute ihre Kinder oft überfordern, indem sie viel zu hohe Erwartungen in sie setzen, etwa in der Schule oder im Sport. Zugleich geben sie ihnen im Alltäglichen zu viel Entscheidungsfreiheit und damit zu viel Verantwortung. Einverstanden, man sollte einem Kind Verantwortung übertragen, so früh wie möglich, aber stets entsprechend seinen Möglichkeiten. Sonst verliert es sein Selbstvertrauen, weil es verantwortlich ist für Dinge, die es eigentlich nicht entscheiden kann.
In den sechziger und siebziger Jahren, als Sie Ihre Kinder hatten, galt die „antiautoritäre Erziehung“ als chic. Ein gutes Rezept?
Silvia Blocher: Ich hielt nie viel davon. Kinder erziehen heisst: Sie fähig machen, das Leben zu meistern. Es ist doch nicht so, dass man im Leben alles machen darf und kann. Das Kind muss lernen, Schwierigkeiten zu überwinden und negative Erfahrungen zu verkraften.
Ihre Familie ist nicht bloss bekannt, sie ist auch reich. Wie haben Sie dafür gesorgt, dass Ihre Kinder nicht völlig verzogen wurden und mit 18 einen Ferrari kauften?
Silvia Blocher: Jedes hat sich sein erstes Auto selbst verdient! Wir haben unsere Kinder normal erzogen, wie in jeder Schweizer Durchschnittsfamilie: Sie gingen in die Volksschule, dann in die Sek – weil ich fand, sie sollten noch zu Hause zu Mittag essen. Erst danach gingen sie in die Kantonsschule. Ich wollte nie, dass sie meinten, sie seien etwas Besonderes. Sie sollten sich durch Leistung und Verhalten auszeichnen und nicht durch Herkunft. Zum Glück hatten sie nie Probleme in der Schule.
Waren Sie allein zuständig für die Kinder? Wo war Ihr Mann?
Silvia Blocher: Es stimmt, ich war für den Alltag der Kinder verantwortlich und musste die Regeln durchsetzen. Doch wir hatten die gleichen Ziele und Vorstellungen und versuchten, uns nicht vor den Kindern zu widersprechen.
Finden Sie es gut, wenn beide Eltern, wie das heute oft der Fall ist, Teilzeit arbeiten und Kinder betreuen, oder bevorzugen Sie die traditionelle Rollenteilung?
Silvia Blocher: Das kann jede Familie für sich entscheiden, ich habe da keine strikte Meinung. Etwas erstaunt bin ich, wenn ich höre, dass Frauen, die mit einem oder zwei Kindern zu Hause bleiben, dennoch erwarten, dass ihr Mann im Haushalt die Hälfte der Arbeit übernimmt. Da werden die Kinder überbetreut, oder die Frauen werden unzufrieden, weil sie nicht ausgelastet sind. Falsch finde ich, wenn man die Kindererziehung dem Staat überlässt. Da hat man ja weder zur Erziehungsmethode noch zur Qualität der Betreuer etwas zu sagen.
Ihrer Tochter scheint es nicht zu genügen, Hausfrau und Mutter zu sein, sie leitet noch eine Firma. Geht das gut?
Silvia Blocher: Es geht erstaunlich gut. Sie ist richtig aufgeblüht als Chefin und als Mutter. Sie hat eine liebe Nanny angestellt, und am Abend kann ihr Mann für das Kind sorgen. Hätten aber beide so unregelmässige Arbeitszeiten wie meine Tochter, ginge es wohl nicht. Man findet keine Angestellte, die 24 Stunden arbeitet.
Gab es Forderungen der Feministinnen, mit denen Sie sympathisierten?
Silvia Blocher: Nein. Ich habe nie ganz verstanden, über welche Diskriminierung sie klagten. Besonders hatte ich Mühe mit ihrer Verbissenheit. Ich wurde den Verdacht nie ganz los, sie machten das aus purem Männerhass. Das stiess mich ab.
Waren Sie gegen das Frauenstimmrecht?
Silvia Blocher: Nein, nein, sicher nicht, ich war von Haus aus sehr an Politik interessiert und wollte daran teilnehmen. Doch abgesehen davon, brauchte ich die Frauenbewegung nicht. So wie ich gelebt habe, schien sie mir schon veraltet.
Ihre Tochter ist in der Führung der Ems-Chemie tätig. Das wäre kaum möglich gewesen vor vierzig Jahren.
Silvia Blocher: Das liegt nicht am Feminismus. Frauen mussten schon früher Führungsrollen übernehmen. Denken Sie an die Königshäuser. Diese Frauen erfüllten ihre Aufgaben auch ohne Gleichstellungsbüros.
Manche beklagen den Zerfall der Familie, wenn beide Eltern arbeiten. Ihr Befund?
Silvia Blocher: Bei meiner Tochter habe ich nicht den Eindruck, da zerfalle etwas. Meine Enkelin ist herzig, und es geht ihr offensichtlich gut.
Haben Sie Ihren Buben anders erzogen als Ihre Töchter?
Silvia Blocher: Sicher nicht bewusst. Doch gibt es immer wieder Unterschiede zwischen Buben und Mädchen. Mein Sohn hat sich nie für Puppen interessiert.
Eignen sich Frauen für Führungspositionen?
Silvia Blocher: Ja, offensichtlich, ich sehe das bei meiner Tochter. In der Firma geniesst sie einen guten Ruf. Aber Frauen führen bestimmt anders als Männer, ich habe das selbst festgestellt, als ich dieses Haus baute. Weil mein Mann keine Zeit hatte, war ich allein dafür verantwortlich. Wenn mein Mann etwa einem Handwerker eine Anweisung geben würde, dann würde er sagen: Dieses Lavabo kommt hierhin, sechzig Zentimeter weg von der Wand. Und der Handwerker macht das. Ich dagegen sage: Ich habe mir gedacht, wir könnten dieses Lavabo hier hinmachen, vielleicht sechzig Zentimeter weg von der Wand, was meinen Sie? Möglicherweise rät mir dann der Handwerker, es anders zu montieren, weil es doch so viel praktischer sei. Einmal gebe ich ihm Recht, das andere Mal nicht. Sie sehen, es ist ein etwas offenerer Prozess.
Auf der schweizerischen Aufregungsskala liegt Ihr Mann ganz oben. Besonders während der Abstimmung über den EWR war er enormen Anfeindungen ausgesetzt. Wie haben Sie das erlebt – sozusagen im Auge des Hurrikans?
Silvia Blocher: Im Auge des Hurrikans ist es windstill! Bei uns dagegen war es manchmal schon stürmisch. Gottlob brach der Sturm nicht plötzlich los. Aber es war eine furchtbare Zeit der öffentlichen Niederträchtigkeiten, die es durchzustehen galt. Wenigstens waren wir nicht allein. Den Medien mag es so erschienen sein, als seien wir völlig isoliert. Dabei schrieben uns Tausende von Bürgern, sprachen meinem Mann Mut zu und schickten ihm Geschenke: Sie können sich nicht vorstellen, wie viele handgestrickte Socken wir bekommen haben! Je schärfer mein Mann angegriffen wurde, desto mehr hatten die einfachen Leute das Gefühl, etwas könne da nicht stimmen und man müsse ihn unterstützen.
Tut es nicht weh, wenn der eigene Mann mit Haider, Le Pen, ja Hitler verglichen wird?
Silvia Blocher: Das empört mich, weil es so absurd ist. Ernst meinen kann man solche Anwürfe ja nicht, also ist es reine Boshaftigkeit. Als mein Mann einmal in Fribourg eine Rede hielt, titelte die lokale Zeitung: Le diable arrive à Fribourg! Aber daneben gibt es ja noch die alltäglichen Stiche in den Medien: falsche Berichterstattung, Parteilichkeit, das unendlich Kleinkarierte. Wenn jemand so bekannt ist wie mein Mann, muss er gut aufpassen, dass er das Bild, das sich die Öffentlichkeit von ihm macht, nicht mit seiner privaten Persönlichkeit verwechselt. Und zwar ganz gleich, ob das Bild nun schmeichelhaft oder vernichtend ist.
Wie erklären Sie sich diese starken Affekte, die Ihr Mann auslöst?
Silvia Blocher: Vielleicht reagieren viele Leute so heftig, weil sie nicht ganz sicher sind, ob mein Mann halt doch Recht hat. Er hat eine klare Meinung, kann sie überzeugend vortragen und setzt sich auch oft durch. Während die meisten andern halt einfach mit dem Strom schwimmen. Beim EWR war das sehr deutlich zu beobachten, gerade bei Bürgerlichen. Niemand rechnete mit Widerstand gegen diesen Vertrag, alle hatten schon zugestimmt, und dann kam mein Mann und war anderer Meinung. Viele sassen schon im falschen Boot; sie konnten nicht mehr zurück. Jahre später haben sie zugegeben, dass sie sich geirrt hatten. Meist sagten sie ihm das nur unter vier Augen. Eine der besonderen Fähigkeiten meines Mannes ist es, Dinge viel früher als andere zu merken. Wenn etwas faul ist, dann riecht er es irgendwie, das ist ein Instinkt. Nehmen Sie den EWR: Zuerst kam ihm die Sache bloss etwas spanisch vor, ein mulmiges Gefühl. Also kniete er sich ins Dossier, verbiss sich geradezu darin und liess erst wieder los, als er es ganz genau wusste: Dieser Vertrag ist schlecht für die Schweiz. Eine Position, die er sich so gründlich erarbeitet hat, gibt er nicht mehr leichtfertig auf, selbst wenn er ganz allein gegen alle steht. Diese Hartnäckigkeit irritiert manche.
Sind allein die andern schuld? Oder hat Ihr Mann manchmal zu heftig angegriffen?
Silvia Blocher: In der öffentlichen Diskussion, finde ich, hat er nie jemanden schlecht gemacht. Im persönlichen Gespräch, das mag sein, kann er jemanden recht scharf und persönlich kritisieren. Doch meist hat er halt Recht, und viele Menschen sind Heuchler. Und vergessen Sie den Neid nicht. Ich habe den Eindruck, in der FDP und der CVP ist die Abneigung fast grösser als in der SP. Da geht es um viele Pfründen in Verwaltungsräten und andere Ämtli, die es nun mit der SVP zu teilen gilt.
In freisinnigen Kreisen hält sich das Gerücht, Christoph Blocher sei aus einem anderen Grund so erbarmungslos mit der FDP. Er habe seinerzeit in die Partei eintreten wollen, sei aber von den damaligen FDP-Granden verschmäht worden.
Silvia Blocher: Sagen sie das? Unsinn. Wie so vieles hat sich auch die SVP-Mitgliedschaft einfach ergeben. Als wir 1969 nach Meilen gezogen waren, erfuhren wir bald, dass die Alusuisse hier ein riesiges Verwaltungsgebäude bauen wollte – für 5000 Angestellte, in einem Dorf von 8000 Einwohnern! Und das in der grünen Freihaltezone. Meinen Mann hat das sofort auf Trab gebracht, wir haben Argumente gesammelt und den Widerstand organisiert, um die Abstimmung gegen die nötige Umzonung zu gewinnen. Alle Parteien waren gegen uns. Aber nach einer grossen Orientierungsversammlung in dieser Sache kamen sofort SVP wie FDP auf meinen Mann zu, um ihn als Mitglied zu gewinnen. Mein Mann entschied sich für die SVP, weil er Bauer gelernt hatte und sich hier am wohlsten fühlte. Später bin ich dann auch der SVP beigetreten.
Was lehrte Sie der Kampf gegen den EWR über das Wesen der Schweiz?
Silvia Blocher: Schon immer fühlte ich mich sehr eng verbunden mit unserem Land. Der Kampf gegen den EWR brachte uns in jede Ecke der Schweiz, denn das war ja die einzige Methode, die meinem Mann blieb: möglichst überall öffentlich aufzutreten. Dabei lernte ich zwei Dinge schätzen. Erstens, die Schweiz ist so ungeheuer vielfältig, dass es eine Freude ist. Und zweitens, die Leute befassen sich gründlich mit den Dingen, die politisch anstehen, und überlegen sich ihren Entscheid gut. Das hat mich beeindruckt.
Haben Sie nur positive Erinnerungen? Stört es Sie nicht, wie Ihr Mann seit dem EWR systematisch von der Macht fern gehalten wird?
Silvia Blocher: Sicher beelendet mich das, vor allem weil ich weiss, über welche Kapazitäten er verfügt. Er wird dermassen gelähmt und könnte so viel bewirken! Und das Verrückte ist: Das Land selbst wird damit gelähmt.
Hätte Ihr Mann nicht ab und zu etwas netter auftreten können? Musste er fast alle Parlamentarier verärgern? Er wäre längst Bundesrat.
Silvia Blocher: Das ist ja nicht das Ziel: Es geht nicht um „Nett-Sein“ oder darum, Bundesrat zu werden, sondern um das Wissen, wie man die Missstände verbessern könnte. Er hat die Voraussicht, den Überblick, das Wissen und die nötige Energie, es durchzusetzen. Die Gegner meines Mannes haben dagegen selbst nichts zu bieten. Sie haben alle Mittel, aber sie tun nichts.
Wird die Blockade erst überwunden, wenn Ihr Mann in Pension geht?
Silvia Blocher: Ich kann mir einige andere vorstellen, deren Pensionierung mehr bringen würde!
Wenn Ihr Mann wieder einmal sehr heftig attackiert wurde: Hatten Sie nie das Gefühl, nun reicht es? Macht euren Dreck allein.
Silvia Blocher: Es gibt Momente, wo ich denke, jetzt langt es! Wir könnten ja wegziehen, uns ein schönes Leben machen.
Welches ist das grösste Missverständnis über Christoph Blocher?
Silvia Blocher: Er habe keine Ideen, und seinen Ideen folgten keine Taten. So absurd!
Wollten Sie selber nie Politikerin werden?
Silvia Blocher: Zwei in der Familie geht nicht.
Sie hätten sich politisch gestritten?
Silvia Blocher: Nein, das nicht. In den Grundhaltungen stimmen wir überein. Aber für die Familie wäre das zu viel gewesen.
Was treibt eigentlich Ihren Mann an, sich seit Jahren dermassen abzukämpfen?
Silvia Blocher: Er erkennt etwas, das so nicht sein sollte, und das lässt ihn nicht mehr in Ruhe, bis er es geändert hat.
Ihr Mann ist zu 150 Prozent für sein Unternehmen da, zu 150 Prozent macht er Politik. Wo sind eigentlich die Prozente für Sie? Haben Sie sein ausserhäusliches Engagement nie als Kränkung empfunden?
Silvia Blocher: Es war sicher nicht immer einfach. Aber es hat sich allmählich entwickelt, so konnte ich mich daran gewöhnen. Man muss das lernen.
Nie ein Stich für das Selbstvertrauen?
Silvia Blocher: Hätte ich mein Selbstvertrauen nur von meinem Mann abhängig gemacht, vielleicht schon. Aber das ist nicht der Fall.
Woher beziehen Sie Ihr Selbstvertrauen?
Silvia Blocher: Ich bin stolz auf meine Kinder, mein Haus, den Garten – und meinen Beitrag zum Sieg beim EWR. Seither bin ich dauernd politisch tätig.
Was ist das Geheimnis einer guten, langen Ehe?
Silvia Blocher: Man braucht einen Grundvorrat von gemeinsamen Werten. Sachen, die beiden lieb und teuer sind. Dann ist es entscheidend, dass eine gewisse Offenheit herrscht: Neues muss möglich sein, jeder soll seine Interessen pflegen können, ohne allerdings das Gemeinsame zu vernachlässigen. Wir hatten das Glück, dass wir stets ein gemeinsames Projekt verfolgen konnten. Erst war es die Familie, dann das Geschäft, schliesslich die Politik. Jeder nimmt teil – wenn nötig tatkräftig – an dem, was den andern bewegt und beschäftigt.
Wer ist der Chef in Ihrer Ehe?
Silvia Blocher: Das lässt sich nicht so klar beantworten. Zum Beispiel habe ich dieses Haus gebaut, mein Mann war ursprünglich dagegen. Umgekehrt gibt es Beispiele, wo er sich durchsetzte.
Muss man Ihren Mann vor sich selbst schützen?
Silvia Blocher: Ja, belastungsmässig. Dass er nicht zu viel macht.
War es je eine Belastung, Frau Blocher zu sein?
Silvia Blocher: Das ist für mich kein Problem. Sie sind ja auch nur da, weil ich die Frau dieses Mannes bin. Ich erfahre eigentlich mehr Positives: Anerkennung statt Ablehnung. Allerdings ist es auch schön, sich ab und zu im Ausland aufzuhalten, wo uns niemand erkennt.
Ist Ihr Mann auf Ihre Unterstützung angewiesen?
Silvia Blocher: Natürlich.
Würden Sie im Rückblick alles gleich machen? Den gleichen Mann heiraten?
Silvia Blocher: Ab und zu hänge auch ich dem Gedanken nach, wie schön wäre es doch, ich hätte einen Mann geheiratet, der um vier Uhr nachmittags nach Hause kommt und im Garten etwas häckelt. Doch wenn ich ehrlich bin, würde mir die geistige Auseinandersetzung fehlen.
Welche Eigenschaft muss ein Mann haben?
Silvia Blocher: Er sollte nicht langweilig sein.
Was heisst das?
Silvia Blocher: Er soll eine Meinung haben und die vertreten. Offen sein für vieles, begeisterungsfähig, ursprünglich und echt.
Worauf schauen Frauen bei Männern? Auf den Erfolg?
Silvia Blocher: Ich bin für diese Frage die falsche Adressatin. Ich habe seinerzeit einen armen Studenten geheiratet.
Spielt das Aussehen eine Rolle?
Silvia Blocher: Die Ausstrahlung, würde ich sagen. Ob die Nase gekrümmt ist, darauf kommt es nicht an. Und ich glaube, die Männer halten es auch so.
Vielleicht überschätzen Sie die Männer.
Silvia Blocher: Meinen Sie?
Es gibt Forscher, die behaupten, Frauen würden bei einem Mann zwischen einem Liebhaber und dem Vater ihrer Kinder unterscheiden. Sie nehmen sozusagen einen Gen-Check vor.
Silvia Blocher: Das macht man wohl kaum bewusst, aber bestimmt überlegt man es sich besser, wen man heiratet.
Als Sie Ihren Mann kennen lernten, war Ihnen klar, dass er einst so erfolgreich sein würde?
Silvia Blocher: Überhaupt nicht. „Was willst du einen Studenten und Bauernknecht heiraten?“, fragte meine Mutter. „Du hättest doch andere Möglichkeiten.“
Warum haben Sie ihren Rat missachtet?
Silvia Blocher: Aus Liebe.
Was war es denn nun, das Sie bewegt hat, Christoph Blocher zu heiraten? Welches ist die Ur-Anekdote?
Silvia Blocher: Die gibt es nicht. Ich habe ihn über längere Zeit kennen gelernt und gewann die Überzeugung, er könnte der Richtige sein.
Welche Eigenschaften hatte er, die Sie so sicher machten, dass Sie noch mit achtzig Freude an ihm haben?
Silvia Blocher: Mein Mann hat Energie. Extrem viel Energie. Das hat mir gefallen. Und dann war er ein Mann, dem ich mich nicht überlegen gefühlt habe.
Oft hört man, starke Persönlichkeiten vertragen sich auf Dauer nicht.
Silvia Blocher: Dieser Meinung bin ich nicht. Im Gegenteil, anstrengender ist es schon, vor allem wenn noch vier Kinder kommen, die natürlich alle auch so viel Energie haben. Aber das macht es noch spannender.
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