«Ich werde nicht dominieren»

Interview mit der „Südostschweiz“ vom 11. Dezember 2003

von Daniel Foppa, Bern

Der neue Bundesrat Christoph Blocher bekennt sich zum Kollegialitätsprinzip und will das Siebnergremium nicht dominieren. Blocher hat zudem grossen Respekt vor dem ihm aufgetragenen Amt.

Südostschweiz: Herr Bundesrat Blocher, haben Sie Ruth Metzler Ihr Mitleid ausgesprochen?

Christoph Blocher: Ich habe Frau Metzler mein Bedauern ausgesprochen. Ich habe ihr auch gesagt, dass sie nicht wegen ihrer Person und ihrer Amtstätigkeit nicht wieder gewählt worden sei. Die SVP hat Frau Metzler in der vierten Wahlrunde ja auch wieder ins Spiel gebracht.

Sie sind die starke Figur der SVP. Ist nun anzunehmen, dass Sie den Bundesrat ähnlich dominieren werden?

Blocher: Nein, ich werde keine dominierende Rolle einnehmen. Ich werde mit allen Mitteln versuchen, meine Überzeugungen, Ideen und Lösungen in den Bundesrat einzubringen. Ich hoffe, dass das alle sieben Bundesräte machen.

„Wie verhalten Sie sich bei Vorlagen, die Sie „contre-coeur“ mittragen müssen, etwa bei der von Bundesrätin Metzler vorbereiteten Einbürgerungsvorlage?

Blocher: Mit diesem Übel wird man leben müssen. Es ist auch heute nicht so, dass alle Bundesräte alle Vorlagen mit derselben Begeisterung vertreten.

Sie würden also – gegen den Willen Ihrer Partei – die Einbürgerungsvorlage vertreten?

Blocher: Wenn ich es müsste, würde ich dem Volk sagen: „Der Bundesrat ist dieser Meinung und hat aus diesem Grunde das beschlossen.“ Und meine Meinung interessiert nicht. Das ist klar, das ist so.

Ihre Wahl polarisiert. Es kam zu Kundgebungen, die Gewerkschaften warnen vor „sozialer Kälte“. Gibt Ihnen das zu denken?

Blocher:
Es gibt sehr viele Leute, die gegen mich hetzen. Das kann solche Gegenkräfte auslösen. Zum Vorwurf der „sozialen Kälte“ ist zu sagen, dass ein wirklich sozialer Staat nur derjenige ist, der sich um Arbeitsplätze und Investitionen sorgt. Ich habe keine Mühe mit den Gewerkschaften.

Sie präsidieren die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns). Wie lange noch?

Blocher: Ich werde das Amt auf Ende Jahr abgeben.

Werden Sie der Auns auch als Bundesrat verbunden bleiben?

Blocher: Ich werde die Auns auch in Zukunft nicht verachten. Das ist eine Organisation, die sich für die Unabhängigkeit und Neutralität der Schweiz einsetzt. Auch ich unterstütze diese Ziele und begrüsse es, dass es die Auns gibt.

Würden Sie allenfalls ein Ehrenpräsidium der Auns annehmen?

Blocher: Nein, als Bundesrat werde ich kein Ehrenpräsidium annehmen.

Mit Ihrer Wahl hat Zürich nun zwei Bundesräte. Sind Sie stolz, dass Sie Zürich zu dieser Doppelvertretung verholfen haben?

Blocher: Bei dieser Bundesratswahl hat die Kantonszugehörigkeit nie eine Rolle gespielt. Der Kanton Zürich ist aber wirtschaftlich ein enorm wichtiger Kanton. Er generiert einen Viertel der Bundeseinnahmen. Deshalb sollte man auch schauen, dass es diesem Kanton gut geht. Ob ein zweiter Bundesratssitz für Zürich aber bedeutungsvoll ist, bezweifle ich. Bundesratssitze sind vor allem für die kleinen Kantone wichtig.

Sie verzichten auf eine öffentliche Wahlfeier in Ihrem Kanton. Ist das Ausdruck echten Sparwillens oder eine populistische Showeinlage?

Blocher: Diese Bewertung überlasse ich Ihnen. Sie sollten merken, was dahinter steckt. Die öffentlichen Wahlfeiern sind Feiern für die Würdenträger von Wirtschaft, Politik, Armee und Verwaltung. Etwa 1000 Leute würden dazu eingeladen. Ist diese Zeit der knappen Ressourcen nun wirklich die Zeit für eine solche Feier? Anders verhält es sich mit der Feier auf Gemeindeebene, wo man die Bevölkerung einlädt auf ein Glas Wein und eine Bratwurst. Diese Feier wird stattfinden.

Sie werden die Nachfolgeregelung der Ems-Chemie am Donnerstag bekannt geben. Sind damit alle Interessenskonflikte ausgeschlossen?

Blocher: Ich kann mich nicht erinnern, dass sich der Bundesrat, seit ich in Besitz des Unternehmens bin, je mit der Ems-Chemie befasst hat. Ich sehe keinen Interessenskonflikt, und wenn es einen gäbe, müsste ich in den Ausstand treten. Gefühlsmässig nimmt jedoch jeder Bundesrat „Beziehungen“ aus dem Vorleben mit in das Amt.

Gemäss Ihrem Bruder fallen Sie nach einem Sieg jeweils in ein Vakuum. Ist das nun auch der Fall?

Blocher:
Ja, das ist so. Ich habe neben der Freude auch Angst und Sorge, ob ich diese schwere Aufgabe bewältigen kann. Das gehört dazu. Die Situation ist ähnlich wie damals, als ich vor 20 Jahren die Ems-Chemie übernommen habe. Das war eine unglaubliche Herausforderung, die ich gemeistert habe.

Wie füllen Sie nun dieses Vakuum?

Blocher: Also psychologische Betreuung benötige ich nicht. Jetzt beginnt die innere Arbeit, die Entscheidungsfindung. Ich stelle mir das ähnlich vor wie bei der Geburt eines Kindes; das wächst und muss jetzt raus. Das hat man doch auch heute im Rat verspürt; das sitzt, das steht, das hat Hände und Füsse.

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