Referat von Bundesrat Christoph Blocher, Vorsteher des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements

Medienkonferenz vom 19. Januar 2004 über die Volksinitiative «Lebenslange Verwahrung»

19.01.2004

Es gilt das gesprochene Wort

Zusammenfassung

Im Mittelpunkt der Problematik steht die Beurteilung der Gefährlichkeit eines Täters. Davon hängt ab, ob eine lebenslange Verwahrung verhängt werden muss, wann dem Täter allenfalls Urlaub gewährt werden und wann er entlassen werden darf. In diesem Bereich sind in der Vergangenheit Fehler gemacht worden, die bei vielen Leuten zu einem Verlust an Vertrauen in die verantwortlichen Instanzen geführt haben. Die Verwahrungsinitiative ist Ausfluss dieses Misstrauens. Die gleiche Sorge um den Schutz der Gesellschaft vor gefährlichen Tätern hat auch zur Revision des Strafgesetzbuches geführt, das eine verschärfte Form der Verwahrung vorsieht.

Die Initiative und das neue Strafgesetzbuch haben das gleiche Ziel, gehen jedoch für extrem gefährliche, nicht therapierbare Sexual- und Gewaltstraftäter verschiedene Wege, um dieses Ziel zu erreichen. Die rigorose Regelung der Initiative nimmt bewusst in Kauf, dass auch Täter, die nicht mehr gefährlich sind oder nachträglich therapierbar werden, in der Verwahrung bleiben müssen. Das revidierte Strafgesetzbuch sieht hingegen eine periodische Überprüfung der Voraussetzungen der Verwahrung vor. Um Fehler bei dieser Überprüfung zu vermeiden, stützt sich die verantwortliche Behörde bei ihrem Entscheid, ob ein Täter aus der Verwahrung entlassen werden soll, auf das Gutachten eines Sachverständigen, den Bericht der Anstaltsleitung und die Beurteilung der Fachkommission. Gemäss Initiative „kann die Verwahrung nur aufgehoben werden, wenn durch neue, wissenschaftliche Erkenntnisse erwiesen“ wird, dass der Täter geheilt werden kann und keine Gefahr mehr bedeutet.

Bundesrat und Parlament sind klar der Meinung, dass der neue Allgemeine Teil des Strafrechtes, der 2006 in Kraft tritt, den besseren Weg darstellt, auch für extrem gefährliche, zur Zeit des Urteils nicht therapierbare Sexual- und Gewaltverbrecher.

Referat

Sehr geehrte Damen und Herren

Was bedeutet „Verwahrung“? Verwahrung bedeutet, jemanden zum Schutz der öffentlichen Sicherheit einzusperren und zu überwachen, weil er gefährlich ist, das heisst, weil er schwere Straftaten begangen hat und die Gefahr besteht, dass er wieder solche Taten begehen wird. Die Verwahrung ist unabhängig von Schuld- und Sühneaspekten, sie basiert allein auf Sicherheitsüberlegungen. Deshalb kann sie bereits nach geltendem Recht so lange dauern, als sie aus Sicherheitsgründen notwendig ist, also wenn nötig bis zum Tod des Täters.

Im Mittelpunkt der Problematik steht die Beurteilung der Gefährlichkeit eines Täters. Von ihr hängt ab, ob eine lebenslange Verwahrung verhängt werden muss; von ihr hängt auch ab, wann dem Täter allenfalls Urlaub gewährt werden und wann er entlassen werden darf.

Eine zu large Praxis bei der Urlaubsgewährung und der Entlassung aus Freiheitsstrafe oder Verwahrung hat dazu geführt, dass das Vertrauen in das geltende Strafrecht und in die Verantwortlichen des Strafvollzuges verloren gegangen ist. Die Verwahrungsinitiative ist Ausfluss dieses Misstrauens. Darum verlangt die Verwahrungsinitiative, dass extrem gefährliche und nicht therapierbare Sexual- und Gewaltverbrecher grundsätzlich immer verwahrt bleiben müssen. Die Vorbehalte der Initianten gegenüber dem geltenden Strafrecht und Strafvollzug teilte auch der Gesetzgeber, was zur Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches führte, welches 2006 in Kraft tritt. Diese Bestimmungen gelten nicht nur für Sexual- und Gewaltverbrecher, sondern für alle gefährlichen Straftäter.

Die Initiative und das neue Strafgesetzbuch haben dasselbe Ziel. Sie gehen jedoch verschiedene Wege, um dieses Ziel zu erreichen.
Die Initiative will, dass die, die zum Zeitpunkt der Verurteilung als untherapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter gelten, von Gesetzes wegen lebenslang verwahrt werden – auch dann, wenn sie später als ungefährlich bezeichnet werden können. Neue Gutachten für eine allfällige Entlassung sollen nur möglich sein, wenn durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse erwiesen wird, dass der Täter geheilt werden kann und somit für die Öffentlichkeit keine Gefahr mehr darstellt. Mit dieser rigorosen Regelung nimmt die Initiative bewusst in Kauf, dass Täter, die zum Beispiel infolge Altersschwäche oder Invalidität nachweislich nicht mehr gefährlich sind, oder Täter, die nachträglich therapierbar werden, in der Verwahrung bleiben müssen.

Hier liegt denn auch der zentrale Unterschied zum revidierten Strafgesetzbuch, welches eine periodische Überprüfung der Voraussetzungen der lebenslangen Verwahrung ausdrücklich vorsieht. Um dem Risiko zu begegnen, dass ein Täter im Zuge dieser Überprüfungen zu früh aus der Verwahrung entlassen wird, müssen gemäss neuem Gesetz drei verschiedene Gutachten vorliegen – nämlich durch einen unabhängigen Sachverständigen, die Anstaltsleitung, und schliesslich muss eine ganze Fachkommission die Voraussetzungen für eine allfällige Entlassung prüfen, bevor die Behörde entscheidet.

Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab, weil sie zu restriktiv ist, weil das revidierte Strafgesetzbuch eine bessere und umfassendere Lösung bietet und weil die Initiative nur durch eine weite Auslegung ihres Wortlautes mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar ist. Das Volk wird am 8. Februar darüber bestimmen können, welchen Weg es gehen will.

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