«Ich lasse mich nicht einspannen»
Obwohl die SVP dagegen ist, will Christoph Blocher die erweiterte Personenfreizügigkeit „wagen“. Euphorisch stimmt sie ihn allerdings nicht.
05.07.2005, Neue Luzerner Zeitung (Isabel Drews)
Was passiert, wenn die Schweiz am 25. September Nein zur Ausweitung der Personenfreizügkeit auf die neuen EU-Länder in Osteuropa sagt?
Christoph Blocher: Wenn die Abstimmung bachab ginge, wäre unsere Situation mit der EU ziemlich schwierig.
Doch weder die Schweiz noch die EU gingen deswegen unter.Keine Katastrophe also, aber dennoch schlimm?
Blocher: Es würde sich negativ auf die Schweiz auswirken. Eine neue Lösung wäre wohl nicht besser.
Wie stark werden Sie sich im Abstimmungskampf engagieren?
Blocher: Sie müssen wissen: Ich bleibe meiner Auffassung treu. Die Landesregierung hat keine Kampagnen zu führen. Ich gehe nicht an Podiumsgespräche und ich werde mich nicht in ein Abstimmungskomitee einspannen lassen. Aber dort, wo ich auftrete, werde ich darlegen, warum man dieses Wagnis eingehen sollte.
Denken Sie, dass Sie ein gefragter Redner sein werden?
Blocher: Das weiss ich nicht. Das werden wir sehen.
Aber wie werden die nächsten Monate ablaufen: Werden Sie doch noch bei den Gegnern auftreten?
Blocher: Nein.
Ist es für Sie schwierig, dass die eigene Partei gespalten ist?
Blocher: Nein. Bei einem Wagnis gibt es immer solche, die sagen, dass es zu gross sei. Es gibt aber auch andere, die es eingehen wollen. Diese geteilte Meinung kann eine gesunde Partei ertragen. Das schlimmste wäre, wenn sie der einen oder der anderen Seite einen Maulkorb anhängen würde. Zudem: Ein Bundesrat vertritt den Bundesrat. Das bringt mit sich, dass Partei und Bundesrat manchmal nicht die gleiche Meinung vertreten.
Welche Vorteile bringt die Personenfreizügigkeit?
Blocher: Der Wirtschaft bringt sie ein grosses Reservoir an Arbeitskräften, aus dem sie die besten auslesen kann.
Was sagen Sie ihrem Parteikollegen Hans Fehr, Geschäftsführer der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns), der vor einer steigenden Arbeitslosigkeit warnt?
Blocher: Ich muss ihm nichts sagen, er kann selber denken.
Aber rechnen Sie damit, dass die Arbeitslosigkeit zunehmen wird?
Blocher: Die Arbeitslosigkeit wird gegenüber heute eher ansteigen. Aber die Kontingente, der Vorrang der Schweizer vor den Arbeitskräften aus den neuen Ländern, der bis ins Jahr 2011 dauern wird, sowie das neue Ausländergesetz, dass für Arbeitskräfte aus Ländern ausserhalb der EU restriktiver wird, sollte die steigende Arbeitslosigkeit in Grenzen halten.
Wie stark wird der Druck auf die Löhne zunehmen?
Blocher: Der Lohndruck wird dort, wo die flankierenden Massnahmen greifen, beschränkt sein. Bei anderen Berufsgattungen werden die Lohnsteigerungen gedämpft. Wenn wir die Personenfreizügigkeit aber nicht einführen, werden viele Unternehmen in Billiglohnländer abwandern, so wie es gegenwärtig in Deutschland der Fall ist. Diese Gefahr ist grösser als ein gewisser Lohndruck.
In welchen Branchen wird der Lohndruck am grössten sein?
Blocher: In den gehobeneren Berufen wird der Lohndruck grösser, etwa bei Banken, Versicherungen oder im Kaufmännischen. Denn sie werden weniger durch die flankierenden Massnahmen geschützt als andere Branchen.
Wie schätzen Sie die Wirkung der flankierenden Massnahmen ein?
Blocher: Das werden wir sehen. Sie können sehr wirkungsvoll sein, dürfen aber nicht zu starr sein, sonst erhalten wir einen regulierten Arbeitsmarkt. Damit würden wir einen grossen Vorteil der Schweizer Wirtschaft preisgeben.
Und der Landwirtschaft, wird sie einfacher zu Billiglohnarbeitern kommen?
Blocher: Um Kurzarbeitskräfte zu holen, wie sie die Landwirtschaft benötigt, sind wir nicht auf die Personenfreizügigkeit angewiesen. Aber das Kontigent, das aus den Billiglohnländern zur Verfügung steht, sollte für die Landwirtschaft reichen.
Ist Ihr vorsichtiges Ja auch das Ja des Unternehmers Blocher?
Blocher: Ich habe nur als Bunderat zu sprechen.