«Ich will verantwortungsvoll handeln»
Er frage sich immer, ob seine Kritiker Recht hätten, sagt Bundesrat Christoph Blocher. Aber er kenne auch die Motive der Gegner.
31.08.2006, Berner Zeitung, Markus Eisenhut, Michael Hug, Andreas Z’Graggen
Wie leben Sie eigentlich mit dem Vorwurf, ein Unmensch zu sein, der übermässig hart mit Flüchtlingen umgeht? Fragen Sie sich in stillen Momenten, ob daran etwas Wahres sein könnte?
Sicher frage ich mich das immer wieder. Wenn ich kritisiert werde, frage ich mich immer, ob die Kritik berechtigt ist. Aber mit der Zeit weiss ich auch, wer mich auf diese Art angreift und warum. Viele Gegner wollen einfach in die Welt posaunen, welch gute und soziale Menschen sie sind, da ist es am Besten, die Andern zu erniedrigen. Aber das sind billige Bekenntnisse, denen nur selten Taten folgen.
Und welche Ueberlegungen stellen sie bezüglich des eigenen Handelns an?
Ich frage mich, ob ich verantwortungsvoll handle. Würde ich die Gesetze verschärfen, weil ich die Menschen nicht gern habe, dann wäre das nicht in Ordnung. Aber ich weiss doch, dass unser Land eine Personenfreizügigkeit für die ganze Welt – was die Gegner der Gesetze wollen – niemals verkraften könnte. Stellen Sie sich vor, was das für die Arbeitslosigkeit, unsere Sozialwerke, die Fürsorge bedeuten würde, welche Spannungen das gäbe. Die Schweiz ist nicht fremdenfeindlich. Bei uns leben 21,8 Prozent Ausländerinnen und Ausländer, das ist einer der höchsten Anteile in ganz Europa. Tiefgreifende Spannungen kennen wir heute nicht. Würden sich die Gegner durchsetzen, befürchte ich, wären Fremdenfeindlichkeit und Hass die Folge.
Unterstützen Sie als Privatmann soziale Projekte?
Ja, aber ich rede nicht gern darüber. Ich tue es, um zu helfen, nicht um den Gutmenschen ins Schaufenster zu stellen. Nicht alle meine Unterstützungen waren erfolgreich.
Würden Sie es nicht mehr tun?
Nicht mehr oder zumindest nicht so. Besser wäre ohnehin, die Industrialisierung armer Länder zu vollziehen. Das würde den Druck verringern. Das habe ich als Unternehmer auch getan. Aber nicht aus sozialem Engagement, sondern weil ich als Industrieller tätig war. Die Welt funktioniert nicht zuletzt dank Unternehmern, die investieren und Arbeitsmöglichkeiten schaffen. Die Moralisten, die ständig austeilen, würden besser Arbeit schaffen. Das schafft Wohlfahrt und mindert die Armut!
Wie stimmen Sie eigentlich ab? Schriftlich oder an der Urne?
In der Regel geh ich an die Urne, ich bin da ein wenig altmodisch. Wenns nicht geht, stimme ich auch ab und zu schriftlich ab. Jedenfalls stimme ich ab, diesmal sogar mit zweimal Ja.
Wie gefällt es Ihnen in Bern?
Ich wohne zwar unter der Woche in Bern, aber ich bekomme nicht allzuviel mit von der Stadt. Am Morgen gehe ich jeweils von meiner Wohnung ins Bundeshaus, das ist meine schönste Zeit des Tages. Wir, die um diese Zeit schon an der Arbeit sind, kennen uns mittlerweile, grüssen uns schon von Weitem und witzeln: „Wir sind die Schwerarbeiter“.
Nehmen Sie auch am kulturellen Leben teil?
Nicht sehr viel. Ab und zu gehe ich ins Theater. Der Bundesrat hat dort eine eigene Loge. Aber ich habe wenig freie Abende und am Wochenende bin ich zuhause. Ich gehe auch gerne nach Hause, ich möchte nicht die ganze Zeit so nah beim Bundeshaus sein.
Was sagen Sie zu den Ereignissen der letzten Tage um Swissfirst?
Ich kann dazu nicht viel sagen, ich kenne die Angelegenheit nur aus der Zeitung.
Es heisst, Sie hätten enge Beziehungen zu Swissfirst-Chef Thomas Matter.
Kürzlich hat mir jemand aus einer Zeitung ein „Beziehungsgeflecht“ von Swissfirst gezeigt. Bei meinem Namen stand: „Kennt ihn“. Darauf sagte ich: In dem Fall gehöre ich auch zum Beziehungsgeflecht von Jean Ziegler und Peter Bodenmann und von wem weiss ich was alles. Gut kenne ich den Vater von Thomas Matter, der nach seinem Rücktritt bei Roche zwei Jahre in meinem Verwaltungsrat war. Dadurch kenne ich auch den Sohn. Aber mehr als Sie weiss ich auch nicht, was dort geschehen ist. Aber die Amtsstellen klären jetzt ja alles ab.
Muss die Insidernorm verschärft werden?
Das muss sie unabhängig von diesem Fall. Voraussagen für Geschäftszahlen gehören in die Insidernorm, das wissen wir schon lange. Zu den Pensionskassen: Wenn es dort Probleme gibt, dann haben die Aufsichtsorgane den Chef zu kontrollieren. Neue Gesetze braucht es da nicht. Immer wenn einer Pleite macht, geht das Geschrei nach einer neuen Regulierung los. Ich frage dann jeweils: Wollt ihr ein Gesetz, Pleite machen sei verboten? Dabei hat hier gar niemand Pleite gemacht.