Mehr Disziplin könnte uns nur gut tun!
„Bundesrat Christoph Blocher ist ein profilierter Politiker, der niemanden kalt lässt. Seine Meinungen formuliert er klar und unmissverständlich. So auch zu den Belangen, die für die Polizei und die Sicherheit, aber auch für Eltern und Lehrer wichtig sind.“
27.06.2007, protect-it, Anton Wagner
Was denken Sie zu den 1.-Mai-Unruhen in Zürich? Die Presse hat erregt darüber geschrieben, Schuldige gesucht, die Polizei ins Visier genommen und die Hintergründe ausgeleuchtet.
Natürlich darf es nicht vorkommen, dass eine Horde von Chaoten, ob es nun am 1. Mai oder zu einem anderen Zeitpunkt geschieht, derart Gewalt ausübt. Es liegt ein klarer Verstoss gegen die Rechtsordnung vor. Es muss analysiert werden, ob ein Fehler der Polizei vorliegt, das ist Sache der Kantone und der Stadt. Zusätzlich zur polizeiinternen Analyse haben wir seitens der Politik zu untersuchen, ob die rechtlichen Grundlagen angepasst werden müssen, damit solche Ausschreitungen verhindert werden können. Dabei geht es nicht nur um die Randalierer, sondern auch um die Verantwortung der Organisatoren. Ich meine, die Organisatoren sind auch dazu verpflichtet, vorausschauend mögliche Konflikte zu erkennen und in Zusammenarbeit mit den Ordnungsdiensten und der Polizei diese durch geeignete Massnahmen zu verhindern.
Ist es nicht so, dass die Polizei in solchen Fällen nach dem Eingreifen abgestraft wird und sie deshalb ein starkes Auftreten möglichst vermeidet oder hinauszögert?
Es gibt tatsächlich Polizisten, die resignieren, da sie interne Untersuchungen und Verfahren fürchten. Unsererseits analysieren wir diese Situation genau. Gerade jetzt sind wir daran, über die rechtlichen Einsatzmittel der Polizei nachzudenken, um die Gesetzeslage zu verbessern. Was mich jedoch betrübt, ist, dass in vielen Fällen die politisch Verantwortlichen nicht konsequent hinter der Polizei stehen und im Zweifelsfall die Polizei im Regen stehen lassen. Politiker müssen wieder klar hinter der Polizei stehen, auch wenn die Medien anderes wollen. Weiter entsteht Resignation unter den Polizisten auch deshalb, weil viele Verfahren gegen Straftäter zu lange dauern. Es nützt nichts, wenn man jemanden in Untersuchungshaft nimmt und ihn dann einfach wieder freilassen muss, weil alles so langsam geht und sich hängige Verfahren gegen die gleichen, gerade festgesetzten Personen hinziehen. Da ist es doch begreiflich, dass sich die Polizisten aufregen. Ich erwarte aber auch, dass die Verantwortlichen der Polizei signalisieren, welche Mittel sie benötigen, um Ihre Aufgabe zu erledigen, dann können die Gesetzgeber handeln.
Besonders redet die Bevölkerung vom Rütli, vom WEF, vom 1. Mai und ähnlichen Anlässen. Dann werden nicht nur die Polizeien sondern auch deren vorgesetzte Behörden an den Pranger gestellt – ein Fest für die Presse!
Ja, das ist schon so, nur lässt sich die Presse nicht beeinflussen, und das ist sicher gut so, denn in unserer Demokratie soll sich der Bürger selbst seine Meinung bilden. Das Spannungsfeld ist offensichtlich: Auf der einen Seite steht die bürgerliche Freiheit und auf der anderen Seite die Behörde, die eingreifen muss und für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen hat. Dabei ist die Verhältnismässigkeit der Massnahmen zu beachten, das ist die Aufgabe der Polizei. Die Polizei schützt die Bürger vor Unsicherheit, Zerstörung, Gewalt und Pöbeleien. Sicher gibt es dann und wann auch bei der Polizei zu viel Eifer, so dass jemand sich schikaniert fühlt oder einzelne Polizisten zu hart vorgehen. Doch das sind Ausnahmen, welche die Presse gern lautstark aufgreift. Die Polizei ist eben nicht nur für die „normalen“ Fälle da. Gerade in Ausnahmesituationen müssen wir uns auf unsere Polizei verlassen können, und gerade dann braucht die Polizei die Rückendeckung der Politik.
Müsste man künftig die Armee aufbieten, wenn die Polizei die Sicherheit nicht gewähren kann?
Das ist ein heikles Thema. Die Armee kann die Polizei nur dann unterstützen, wenn polizeiliche Aufgaben verstärkt werden müssen. Die Armee kommt nur subsidiär zum Einsatz. Selbst aber ist die Armee keine Polizei. Unsere Armee hat eine andere Aufgabe, sie hat in erster Linie das Land zu schützen gegen aussen. Sie leistet zudem Katastrophenhilfe und hilft punktuell mit bei der weltweiten Friedenssicherung. Soldaten müssen aber notfalls den Krieg gewinnen und töten können. Die Polizei hingegen hat zu sichern, zu verhindern und nicht zu töten. In speziellen Fällen kann die Armee auf Bitte einer zivilen Behörde Raumsicherungsaufgaben übernehmen, Zutrittskontrollen wahrnehmen sowie logistische Unterstützung bieten und so die Polizei verstärken. Soldaten sind aber keine Polizisten und können die Polizei nicht ersetzen. Wir sehen die Problematik auch am Beispiel des Botschaftsschutzes. Dies wäre eigentlich eine polizeiliche Aufgabe und nicht die von Soldaten, und hier wird es ja auch Anpassungen geben.
Uns interessiert auch der Bereich des Asylwesens, wo die Polizei im Massnahmenvollzug aktiv ist. Sie haben das Asylwesen mit starken Vorgaben gestrafft. Wie sieht die heutige Migrationssituation aus?
Die Massnahmen, die wir bereits vor dem Inkrafttreten des Asylgesetzes getroffen haben, zeigen erstaunliche Wirkungen. Da wirkt der Wille, konsequent zu sein, und die Sensibilisierung der Leute, die mit dem Asylwesen betraut sind. Und die Politik stärkt den Ausführenden den Rücken. Dies drückt sich in konkreten Zahlen aus. Im Jahr 2003, vor meinem Amtsantritt, hatten wir über 21’000 Asylsuchende, die in die Schweiz wollten, und jetzt sind es jährlich noch etwa 10’000! Aber dieser Weg muss nun von allen Verantwortlichen in diesem Bereich konsequent fortgesetzt werden. Doch auch unter diesen 10’000 sind heute die meisten keine Flüchtlinge. Wir hoffen, dass sich dies ab 2008, wen das neue Asylgesetz in Kraft tritt, verbessert.
Sprechen sich verschärfte Massnahmen herum in den Herkunftsländern?
Eindeutig. Aber auch die largen Entscheide! Da bestehen sehr gute Kommunikationsnetze, und gerade die Schlepper bringen die Leute natürlich lieber in Länder, wo es möglichst gute Bedingungen und möglichst wenig Schwierigkeiten gibt. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die Schweiz nicht zu attraktiv ist. Natürlich informieren die, welche bereits hier sind, ihre Bekannten und Verwandten im Ursprungsland, sei es über Telefon oder Internet. Jede entgegenkommende Haltung unsererseits bringt sofort einen starken neuen Zustrom. Pikantes Beispiel: Ein Schweizer Gericht hat ein Urteil publiziert, wonach Dienstverweigerer und Deserteure aus Eritrea als Flüchtlinge anzuerkennen sind. Dieses Urteil hat sich sofort herumgesprochen. In den vorangehenden Jahren hatten wir 70 bis rund 240 Asylsuchende aus Eritrea pro Jahr, und nun sind es innerhalb des letzten Jahres 1200 geworden, natürlich grossmehrheitlich 25- bis 40-jährige Männer.
Wie entstehen denn solche Entscheide? Es scheint doch ziemlich eigenartig, eine solche Politik zu betreiben.
Ich habe dies natürlich nicht zu kommentieren, ich zeige nur die Folgen auf. Ein anderes Beispiel sind die so genannten subjektiven Nachfluchtgründe. Das heisst, wenn jemand mit einem abgelehnten Asylentscheid argumentieren kann, dass er wieder in Gefahr ist, kann er ein neues Gesuch stellen. Ein Grund für subjektive Nachfluchtgründe ist zum Beispiel, wenn jemand hier an einer Demonstration gegen sein eigenes Land teilnimmt und sich damit bei einer Rückkehr gefährden könnte, z. B. dadurch dass von ihm Fotos und Berichte in den Medien oder im Internet veröffentlicht werden. Aber jetzt kommt’s: Ganze Organisationen sind entstanden, die solche Demonstrationen extra veranstalten, gut dokumentieren und dann entsprechende Bilder ins Internet stellen, um solche Nachfluchtgründe bewusst zu schaffen. Das müssen wir abstellen. Wir müssen darauf achten, dass wir in diesem Sinne nicht attraktiver werden. Das geht nicht gegen die Flüchtlinge, die auf unsere Hilfe wirklich angewiesen sind, sondern gegen solche, die sich diesen Status ungerechtfertigt erschleichen wollen.
Bald tritt das neue Asylgesetz komplett in Kraft – was wird dies bringen?
Es wird unter anderem genau diese Attraktivitätsschwelle senken. Ein Teil davon ist bereits am 1. Januar 2007 in Kraft getreten, der wichtigere Teil folgt noch. Es braucht etwas Zeit, das dann zu analysieren, aber ich bin überzeugt, dass wir Missbräuche in Zukunft eher verhindern können – aber nicht ganz, das ist klar. Tatsächlich verfolgte Menschen erhalten auch weiterhin den Schutz der Schweiz.
Wird die aktuelle Klimaveränderung den Migrationsdruck weiter verstärken? Es gibt Prognosen, dass Millionen von Afrikanern Europa überschwemmen werden.
Umweltkatastrophen oder schlechte wirtschaftliche Perspektiven sind kein Asylgrund. Wir haben keine Asylsuchenden, die zu uns kommen, weil es bei ihnen zu Hause zu heiss ist, sondern viel mehr solche, die insgesamt in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen leben. Man muss die Verhältnisse in diesen Herkunftsländern verbessern. Hier müssen wir endlich neue und wirksamere Massnahmen finden. Bisher haben wir Milliarden nach Afrika geschickt, und es hat wenig gebracht. Wir müssen investieren können, um die Volkswirtschaften weiterzubringen und somit die Lebensverhältnisse dort zu verbessern. Es geht wohl nur, wenn das wirtschaftliche Gefälle zu uns kleiner wird. Dies sieht man an Ländern, aus denen früher Migranten zu uns kamen und heute nicht mehr, weil dort die wirtschaftlichen Verhältnisse verbessert sind. Zum Beispiel die Länder aus dem ehemaligen Ostblock. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat sich die Wirtschaft in vielen dieser Länder verbessert, und damit ist der Migrationsdruck von dort praktisch verschwunden.
Wird die aktuelle Klimaveränderung den Migrationsdruck weiter verstärken? Es gibt Prognosen, dass Millionen von Afrikanern Europa überschwemmen werden.
Umweltkatastrophen oder schlechte wirtschaftliche Perspektiven sind kein Asylgrund. Wir haben keine Asylsuchenden, die zu uns kommen, weil es bei ihnen zu Hause zu heiss ist, sondern viel mehr solche, die insgesamt in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen leben. Man muss die Verhältnisse in diesen Herkunftsländern verbessern. Hier müssen wir endlich neue und wirksamere Massnahmen finden. Bisher haben wir Milliarden nach Afrika geschickt, und es hat wenig gebracht. Wir müssen investieren können, um die Volkswirtschaften weiterzubringen und somit die Lebensverhältnisse dort zu verbessern. Es geht wohl nur, wenn das wirtschaftliche Gefälle zu uns kleiner wird. Dies sieht man an Ländern, aus denen früher Migranten zu uns kamen und heute nicht mehr, weil dort die wirtschaftlichen Verhältnisse verbessert sind. Zum Beispiel die Länder aus dem ehemaligen Ostblock. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat sich die Wirtschaft in vielen dieser Länder verbessert, und damit ist der Migrationsdruck von dort praktisch verschwunden.
Können Sie in kurzen Worten sagen, welche Leute wir nicht wollen?
Es ist relativ einfach und gesetzlich gegeben. Alle, die eine Arbeitsstelle haben und aus der so genannt „alten“ Europäischen Union kommen, dürfen ab dem 1. Juli 2007 frei einreisen. Für die neuen EU-Mitgliedsstaaten gibt es noch Übergangsbestimmungen. Für Menschen aus anderen Staaten werden Bewilligungen normalerweise nur für besonders qualifizierte Personen erteilt. Das ist mit der Personenfreizügigkeit halt so, Europa wird da klar bevorzugt. Dafür dürfen wir ja auch in Europa arbeiten. Dazu kommen jene, die in ihrer Heimat an Leib und Leben verfolgt und gefährdet sind, sei es wegen der Rasse, der Hautfarbe oder wegen der politischen Einstellung – also die Flüchtlinge. Auch ältere Leute, deren Lebensunterhalt gesichert ist, können ihren Lebensabend in der Schweiz verbringen, und natürlich auch jene, die mit Schweizern oder Schweizerinnen verheiratet sind, falls es sich nicht um Scheinehen handelt. Alle anderen können wir nicht aufnehmen. Als Grund gilt insbesondere nicht, dass es hier wirtschaftlich besser ist als in einem anderen Land. In der Schweiz leben heute rund 22 Prozent Ausländer ohne Schweizer Pass. Die Schweiz liegt nach Luxemburg und Liechtenstein an dritter Stelle in Europa, was den Ausländeranteil betrifft. Das ist eine Ausnahmesituation unter den Europäern, denn dies sind Leute, die hier arbeiten oder verheiratet sind und zum Wohl des Landes beitragen. Darüber hinaus aber können und wollen wir jedoch nicht gehen. Jetzt, wo die Wirtschaft gut läuft, haben wir einen grossen Zustrom aus EU-Ländern, vor allem aus Deutschland; es fragt sich nur, was geschieht, wenn die Wirtschaft einmal nicht mehr so heiss läuft. Stellen Sie sich vor: Das letzte 3-Monats-Kontingent für Daueraufenthalter aus der EU betrug 3’750 Personen; die Plätze waren innerhalb von 41 Minuten von den Kantonen beansprucht!
Hat aus Ihrer Sicht die Migration der letzten Jahre eine erhöhte Kriminalitätsquote gebracht?
Genaue Statistiken liegen für die ganze Schweiz nicht vor, aber unsere Schätzungen zeigen rund 20 Prozent an Kriminellen unter den Asylsuchenden. Viele kriminelle Ausländer sind aber gar nicht Asylsuchende, sie reisen ganz normal ein, sei es mit einem Touristenvisum oder einfach für einen Kurzaufenthalt. Die Grenzen sind viel offener als früher, und die Globalisierung findet eben nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch bei der Kriminalität statt. Man kann aber auch sagen, dass die Schweizer in Sachen Sicherheit verwöhnt sind. Wir waren früher ein extrem sicheres Land, und man hat sich wohl an diese Sicherheit gewöhnt. In anderen Ländern sind die Menschen viel aufmerksamer, schauen besser auf ihr Portemonnaie, die Handtaschen und für ihr Hab und Gut. Auch bei uns wird man lernen müssen, vorsichtiger zu sein. Ich rede hier allerdings nur von der kleinen Kriminalität. Grosse Sorge bereitet mir dagegen die Gewaltbereitschaft, die deutlich zugenommen hat, insbesondere bei den hier anwesenden Ausländern und dabei mit Schwergewicht bei den Ausländern aus dem Balkan.
Worauf führen Sie das zurück?
Es gibt Gebiete, wo eine andere Einstellung gegenüber Gewalt herrscht, wo Streit und Familienfehden viel eher gewaltsam und mit Waffengebrauch ausgetragen werden als bei uns. Klar gibt es auch Schweizer, die in extremen Fällen zu Waffen greifen, nur kommt dies relativ selten vor. Wir dürfen nun aber nicht einfach die Faust im Sack machen, wir müssen hier mit grossen Anstrengungen die Integration vorantreiben, dass diese Leute umdenken lernen und die bestehenden Gesetze und Gepflogenheiten respektieren. Natürlich kann man dies nicht nur mit der Polizei und mit Repression machen, da sind viele Organisationen gefragt. Aber grundsätzlich muss man sehr streng sein mit solchen Leuten und Kriminalität nicht tolerieren. Wer sich nicht an unsere Regeln und Lebensformen halten will, muss wieder nach Hause gehen. Leider hat man bis heute viel zu oft einfach weggeschaut, insbesondere bei den aggressiven Jugendlichen in den Schulen. Wir müssen rasch und konsequent gegen gewalttätige Jugendliche vorgehen. Die Vereinheitlichung des Jugendstrafprozessrechts wird diesbezüglich manches vereinfachen. Aber auch die Lehrer müssen dazulernen. Wir müssen in den Schulen wieder konsequenter werden. Wie in der Erziehung braucht es vermehrt strengere Regeln und mehr Disziplin. Es darf aber auch nicht sein, dass in einer Klasse der Ausländeranteil extrem hoch ist, was wiederum die Spannungen unter den Schülern erhöht und der fremden Mentalität die Möglichkeit gibt, zu dominieren.
Wer soll denn das in die Hand nehmen, bei Lehren und Eltern die Denkhaltung zu ändern? Es läuft ja im Moment kein Pestalozzi herum, der diese Ideale verkünden könnte.
Es ist auch hier Aufgabe der Politik, auf allen Ebenen darüber zu reden und neue Werte und Inhalte zu fordern. Es ist schon gut, dass wieder darüber geschrieben wird. Für die Schulen bräuchte es einen neuen Kodex für das Lernen, das Verhalten und den Umgang miteinander. Und für die Erziehung braucht es neue, starke Ideale. Dabei müssen die vom Volk gewählten Politiker den Lehrern und Erziehungspersonen den Rücken stärken.
Herr Bundesrat, besten Dank für dieses Gespräch.