Die Reitermusik – Symbol für die Schweiz
Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der Feier 100 Jahre Reitclub Uzwil und 50 Jahre St. Gallische Reitermusik, 12. August 2007, in Henau.
12.08.2007, Henau
Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen.
Meine Damen und Herren
Ich möchte Ihnen zuallererst zu Ihren Jubiläen gratulieren: 100 Jahre Reitclub Uzwil und 50 Jahre St. Gallische Reitermusik.
Wir hatten als Kinder das Glück, dass gleich bei unserem Pfarrhaus in Laufen am Rheinfall ein Landwirtschaftsbetrieb war – unser Nachbar war also im wahrsten Sinne des Wortes ein „Nachbuur“, ein „naher Bauer“. Von dort stammt meine Liebe zur Landwirtschaft, zu den Tieren, speziell zu den Pferden. Das war auch der Grund, warum ich als 15-Jähriger eine landwirtschaftliche Lehre begann, und warum ich bei einem Ackerbauern die Ausbildung absolvierte – selbstverständlich mit Pferden! Und so meldete ich mich zwischen den Winter-kursen an der landwirtschaftlichen Schule auf einem Bauernhof im Waadtland, um dort die Schweine und die Pferde zu besorgen, so dass das Reiten meine grosse Leidenschaft wurde.
Es war eine meiner grossen Enttäuschungen, dass ich – weil wir eben keinen eigenen Bauernhof hatten – in keine Truppengattung eingeteilt wurde, die es mit Pferden zu tun hatte.
Umso mehr freut es mich, heute bei Ihnen zu sein und umso grösseren Respekt habe ich vor Ihrer Leistung, die Sie als Reitermusiken vollbringen.
1. Drei Aufgaben gleichzeitig
Respekt – warum?
Es ist schwierig, ein Instrument zu spielen. Noch schwieriger ist es, ein Instrument schön zu spielen.
Noch anspruchsvoller wird es, gemeinsam in einer Formation zu spielen, so dass es schön und harmonisch klingt.
Doch Ihnen reicht das alles nicht. Ihnen reicht es nicht, ein Instrument schön und in einer Musikformation zu spielen: Sie spielen schön, gemeinsam in einer Formation und Sie steigen dazu noch auf ein Pferd!
Sie haben also meinen dreifachen Respekt!
Verschiedene Aufgaben gleichzeitig bewältigen, können sonst nur Frauen: Gleichzeitig telefonieren, Kreuzworträtsel lösen, Radio hören und den Kindern Anweisungen geben.
2. Jubiläen soll man feiern
Aber wir wollen jetzt nicht über Ihre Arbeit reden, denn Sie feiern heute ein Jubiläum. Und es ist gut, Jubiläen zu feiern. Denn was fünfzig oder hundert Jahre Bestand hat, ist zumindest ein Indiz dafür, dass es sich um eine gute Sache handelt, sonst wäre sie längst untergegangen.
Die Reitermusik hat einen ernsthaften Ursprung, den man durch alles spürt. Es ist ein militärischer Ursprung. Diese Musik hängt mit der Landesverteidigung zusammen: Mit der Kavallerie. Reitermusiken sind schöne, imposante und freudige Demonstrationen der Entschlossenheit eines Landes, sich zu verteidigen.
Wer aber fragt: Wie soll denn die Reitermusik ein Land verteidigen? Mit der Trompete in der Hand? Mit dem Waldhorn? – der hat nichts verstanden. Die Verteidigung der Selbst-bestimmung und Unabhängigkeit der Schweiz hat nicht nur mit der Technokratie etwas zu tun. Ebenso wichtig ist der Geist, die Seele und die Symbolik. Das Bild der schnaubenden Pferde – gepaart mit Musik – erfreut das Gemüt und erquickt die Seele, schafft eine Zusammengehörigkeit, wie sie Worte, Paragraphen und politische Deklarationen nicht fertig bringen!
Politiker, denen das eigene Land zu eng geworden ist, wollen den Nationalstaat totsagen.
Ich aber freue mich, dass nach meinem Grusswort die versammelten Reitermusiken gemeinsam unsere Nationalhymne spielen werden. Sie werden genau dieses Gefühl erleben, von dem ich jetzt nur in Worten sprechen kann. Das Gefühl der Verbundenheit, der Eigenständigkeit und Besonderheit und ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit!
100 Jahre Reitclub Uzwil. 50 Jahre St. Gallische Reitermusik. Ein Jubiläumstag der Freude und der Dankbarkeit. Wir dürfen dankbar sein, dass Sie, liebe Reiter und Musikanten, diese Schweiz verinnerlichen!
3. Sorge tragen zum Besonderen
Wie die Reitermusik ist auch die Schweiz etwas Besonderes. Wer das Besondere nicht erträgt, will alles harmonisieren, nivellieren, gleich machen! Mir liegt der Sonderfall der Reitermusik, aber auch der Sonderfall Schweiz am Herzen: Diese Schweiz, die auf den Bund der Eidgenossen zurückgeht. Diese Schweiz, die sich ihre Freiheit und Selbstbestimmung in Jahrhunderten erkämpft hat. Diese Schweiz, die eine uralte demokratische Tradition hat. Die Schweiz, die wie kein anderes Land die Herrschaft des Volkes pflegt. (Ein Schweizer kann in einem Jahr an mehr Abstimmungen teilnehmen als z.B. ein Engländer, ein Franzose oder ein Deutscher sein ganzes Leben lang). Diese Volksrechte sind einzigartig, also besonders, ein Sonderfall – und wir sollten zu etwas Besonderem besonders Sorge tragen – so wie Sie das mit Ihrer Reitermusik auch tun. Tragen wir Sorge zu diesen Sonderfällen!
Danke, dass Sie zur Musik, zur Reitermusik, zum Reitsport, zu dieser tiefsinnigen Tradition Sorge tragen. Denn Sie symbolisieren die Schweiz in besonderer Weise.
← Zurück zu: Artikel