Die Gratwanderung des Polizisten
Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der Eröffnung der Interkantonalen Polizeischule Hitzkirch IPH, 1. September 2007, in Hitzkirch/LU
01.09.2007, Hitzkirch
Hitzkirch. Anlässlich der Eröffnung der Interkantonalen Polizeischule in Hitzkirch IPH referierte Bundesrat Christoph Blocher über die Schwierigkeit des Polizistenberufs. Es werde erwartet, dass die Polizei die Nähe zum Bürger pflege, Menschlichkeit und Verständnis für den Betroffenen aufbringe, vielleicht auch einmal ein Auge zudrücke und trotzdem die notwendige Distanz bewahre. Dafür sei eine gute Ausbildung erforderlich, und genau diesem Zweck diene die Interkantonale Polizeischule Hitzkirch.
Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen.
Sehr geehrte Damen und Herren
1. Gewaltmonopol des Staates
Privatisieren liesse sich Vieles, was heute der Staat tut. Eines steht fest: Die Sicherheit – der Schutz von «Leib und Gut» und die damit verbundene Gewaltausübung ist Sache des Staates. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat!
Das Machtmittel dazu ist die Polizei.
Die Polizei hat dafür zu sorgen, dass sich alle Leute, die sich in der Schweiz aufhalten, an die von den Schweizer Bürgerinnen und Bürgern erlassenen Regeln halten.
Die Polizeihoheit liegt bei den Kantonen und meines Erachtens sollte dies auch so bleiben.
Für „Ruhe und Ordnung sorgen“ ist schnell gesagt. Aber wie soll dies geschehen? Im freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat Schweiz ist der richtige Weg nicht einfach: Es ist eine Gratwanderung.
2. Gratwanderung
Im äussersten Fall hat die Polizei die Pflicht und Recht die Freiheit des einzelnen einzuschränken und sogar Gewalt anzuwenden. Doch dies ist nur die ultima ratio – das letzte Mittel.
Die Polizei ist auch Vermittlerin, d.h. Streithähne zur Raison bringen sowie
Randalierer und andere Störer auf ihr Fehlverhalten hinweisen.
Oft muss sie auch als Helferin der Schwachen, Unerfahrenen und Unbeholfenen auftreten und damit eine einende und integrierende Aufgabe wahrnehmen. Hier tritt die Polizei als dein Freund und Helfer auf.
Sie spüren die anspruchsvolle Gratwanderung. In all diesen Rollen muss die Polizei einen Spagat bewältigen.
3. Vertrauen
Nur wenn der Polizei das gelingt, kann sie das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen und immer wieder bestätigen.
Wenn man den Publikumsumfragen Glauben schenken will, scheint ihr dies gut zu gelingen. In der Statistik erhält sie immer wieder Vertauens-Höchstwerte – weit bessere als zum Beispiel Politiker oder die Medien.
Basis für dieses Vertrauen ist einerseits hohe charakterliche Integrität der Polizisten und andererseits eine professionelle, disziplinierte unvoreingenommene und unbestechliche Arbeit, die im Einzelfall auch Menschlichkeit und Verständnis für den Betroffenen aufbringt und auch einmal ein Auge zudrücken kann.
Entscheidend für den Polizisten ist das Motiv: Schutz der Bürger und Gewährleistung der Sicherheit. Nur mit diesem Motiv ist gewährleistet, dass die Polizei zuweilen hart auftreten und durchgreifen muss. Weil dieses Durchgreifen notfalls gerade zum Schutz der Menschen notwendig ist, wird es auch respektiert. Auch wenn Amnesty International zuweilen anderes behauptet, zeigt die Überprüfung, dass dies in der Schweiz der Fall ist.
4. Nähe und Distanz zum Bürger
Es wird also erwartet, dass die Polizei die Nähe zum Bürger pflegt und trotzdem die notwendige Distanz wahrt.
Die Gratwanderung des Polizisten erfordert eine gute Ausbildung! Hier setzt auch die Weitergabe der Erfahrung an.
Das Ziel der praktischen Ausbildung und Weiterbildung ist: Wissensvermittlung und Erfahrungsaustausch unter Kolleginnen und Kollegen. Genau diesem Zweck dient die interkantonale Polizeischule Hitzkirch (IPH), die wir heute hier eröffnen dürfen.
5. Polizeiausbildung in der föderalen Schweiz
Die je nach Kanton unterschiedlichen Kenntnisse und Arbeitsweisen der verschiedenen Polizeiorgane wirken sich aber zusehends nachteilig aus, da die Kriminalität immer mehr die Kantonsgrenzen überschreiten und zudem Grossanlässe wie das WEF, Rockkonzerte, Sportveranstaltungen und nächstes Jahr die Fussball-Europameisterschaft, ja sogar die 1. August-Feier auf dem Rütli, zunehmend den koordinierten Einsatz interkantonaler Polizeikräfte verlangen. Dies macht eine breit abgestützte, gemeinsame Ausbildung nötig!
Den entscheidenden Grundstein dazu legte die Berufsanerkennung der Polizisten, welche am 7. Mai 2003 verwirklicht wurde.
Ebenso das Bildungspolitische Gesamtkonzept für die Polizei und die Strafjustiz (BGK), das die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und –direktoren (KKJPD) anfangs 2002 in Auftrag gab.
6. Dank und Anerkennung
Nachdem als erstes Zentrum – nämlich jenes des Polizeikonkordats der Ostschweiz – vor 11 Monaten in Amriswil den Betrieb aufgenommen hatte, können wir heute hier in Hitzkirch nun die Eröffnung des grössten regionalen Ausbildungszentrums feiern. Damit ist gewährleistet, dass von nun an jährlich rund 300 Aspirantinnen und Aspiranten aus 11 Kantonen das notwendige Rüstzeug mitbekommen werden. Der Bundesrat übersieht nicht, dass die Realisierung dieses Projekts eine grosse Aufgabe war, zumal sich die Schulleitung zum Ziel gesetzt hat, ein modernes, informatikgestütztes Lernen zu verwirklichen.
Mein heutiger Besuch ist Anerkennung und Zeichen der Dankbarkeit der Schweizerischen Eidgenossenschaft gegenüber allen, die an diesem Projekt mitgewirkt haben. Möge Ihr Enthusiasmus und Ihr Engagement auch in Zukunft andauern.
Ich wünsche der Schulleitung und den Aspiranten für diesen wichtigen Schritt in die Zukunft viel Erfolg!