«Ich frage mich täglich, was gut ist fürs Schweizer Volk, für unser Land»
«Bundesrat Christoph Blocher (er feiert exakt heute seinen 67. Geburtstag) ist gefragt, geliebt und gehasst wie keiner. Wie er dem ständigen Druck standhält und warum er sich dies alles antut, erzählte er den ON letzten Freitag während seines Besuches auf dem Hauptplatz Rapperswil.»
11.10.2007, Obersee Nachrichten, Andreas Knobel
Obersee Nachrichten: Herr Bundesrat, Sie kommen nach Rapperswil, um Ihre vieldiskutierte Sendung für Blocher-TV aufzunehmen. Suchen Sie sich einfach die schönsten Plätzchen für diese Interviews aus?
Nein nein, eingeladen hat mich Matthias Ackeret, der Interviewer. Er arbeitet hier am Hauptplatz. Und Rapperswil ist mir recht, ich wohne schliesslich auch in der Nähe, heute in Herrliberg, früher in Meilen. Rapperswil war immer eine „verliebte“ Stadt für mich, denn meine Frau Silvia kommt ursprünglich aus Wald. Da liegt Rapperswil am See natürlich im Einzugsgebiet für verliebte Leute! (lacht)
Hat Sie die Kritik an der Sendung eigentlich erstaunt?
Ja, ich hätte nie gedacht, dass dem eine so grosse Bedeutung beigemessen wird. Der Präsident der Sozialdemokraten meinte sogar, man solle diese Sendung verbieten. Und der Präsident des Presserates warnte, man müsse das genau untersuchen. Ist es so gefährlich, wenn ein Bundesrat eine Viertelstunde pro Woche redet? Und nicht auf dem staatlichen Sender! Schliesslich kam noch die Frage auf, wer das Ganze bezahle. Das könne sich nicht jeder leisten. Also: Der Internetbetreiber bezahlt die Aufnahmekosten, ich verlange nie Honorare, muss aber eine Viertelstunde Zeit pro Woche opfern. Zuguterletzt war die Sendung sogar im Bundesamt für Kommunikation und im Bundesrat ein Thema. Da sieht man, wieviel in unserem Land der Freiheit schon reguliert wird.
Wäre diese Sendung auch lanciert worden, wenn sich nicht plötzlich alles um „Geheimplan“ und „Abwahl“ drehen würde?
Ich habe sie gar nicht selber lanciert. Norbert Neininger vom Schaffhauser Fernsehen ist schon vor einem halben Jahr auf mich zugekommen. Ich sagte zu unter der Bedingung, dass ich nicht zuviel Zeit verliere. Sie müssen einfach jeweils dorthin kommen, wo ich gerade bin – und heute bin ich gerade in Rapperswil.
Vom Marketing her war das optimal, die Sendung wäre sonst nie so bekannt geworden!
Natürlich war das optimal. Dass während dieser Zeit so auf mich geschossen wurde, hat die Sendung www.teleblocher.ch bekannt gemacht.
Man könnte Blocher-TV doch ausweiten: Statt nur statische Interviews auch mal ein Quiz, Showblöcke – und natürlich Werbeblöcke.
Nein, bleiben wir bei diesem einfachen, aber interessanten Konzept: Ein Konzept, wo die gleiche Persönlichkeit einen Kommentar zum Geschehen abgibt. Das ergibt eine Konstanz, die viele Leute interessieren dürfte. Gerade Auslandschweizer schauen gerne im Internet rein.
Ein anderer Bundesrat könnte dies aber nicht mehr machen, weil es sonst ein Abklatsch wäre.
Von mir aus können sie das auch machen. Herr Leuenberger zum Beispiel schreibt ja Bücher und Blogs. Mir fehlt dazu die Zeit.
Das einfache Format ohne Spektakel ist also ganz bewusst gewählt?
Ja, das Konzept ist betont langweilig. Umso mehr muss der Inhalt bieten!
Sie sind in aller Munde. Der Wahlkampf scheint sich plötzlich nur noch um Sie zu drehen. Ehrt Sie oder nervt Sie das?
Weder noch! Natürlich: Blocher, Blocher und nochmals Blocher – da braucht man eine dicke Haut, man kann nicht auf jeden „Schlötterlig“ eintreten. Man muss bei der Sache bleiben, sonst verzettelt man sich. Daran habe ich mich bis jetzt gehalten. Es geht mir schliesslich um die Schweiz und ihre Bürger!
Ist für Sie der Fall Roschacher nach der „Sondersession“ zu Ihrer Genugtuung abgehakt?
Für mich schon lange – es war ja nie etwas dran! Jetzt ziehen sie es noch etwas weiter, sonst würden sie ja zugeben, dass nie etwas dran war.
Glauben Sie, dass Politiker und Medien, die sich bei jedem Thema gegen Sie verschwören, Ihnen und Ihrer Partei mehr nützen als schaden?
Wenn ich meine Sache recht mache – und ich mache sie recht – werde ich angegriffen, weil man anderer Meinung ist. Denken Sie an die Asylpolitik, an die Ausländerpolitik, wo ich mit meiner eingeschlagenen Richtung Erfolg habe – da wollen meine Gegner das Gegenteil. Sie wollen in die EU, ich kämpfe dagegen, sie wollen Geld ausgeben und Steuern erhöhen, ich mache das Gegenteil. Ich mache meine Aufgaben, und das passt denen nicht. Sie möchten einen Schwächeren, um ihre Ziele durchzusetzen, oder sie möchten die SVP gleich ganz draussen haben. Darum bleibe ich im Bundesrat, damit wir vorankommen.
Trotzdem: Sie sind seit Jahren der bekannteste Politiker. Jede Aussage wird auf die Goldwaage gelegt. Es ist ein ständiger Kampf. Ermüdet Sie das oder spornt Sie das an?
Ja doch, das zehrt an den Kräften. Ich habe aber diesen Kampfwillen immer noch. Weil ich gradlinig weiter gehe, brauche ich keine Ränkespiele zu veranstalten. Aber zugegeben, dieser Mittwoch, 5. September, als man öffentlich verkündete, Bundesrat Blocher sei in kriminelle Machenschaften involviert, aber die Originale, aus denen das herauskomme könne man erst in einigen Monaten offenlegen (!), war sehr gefährlich. Das habe ich erst am Sonntag darauf richtig realisiert. Denn diese Verleumdungen, die noch vom Bundesrat als Verdächtigung, von der Geschäftsprüfungskommission und der Bundesanwaltschaft in die Welt gesetzt wurden, hätten einen Bundesrat zum Rücktritt zwingen müssen. In diesem Vakuum so stark verdächtigt zu sein, das wäre sehr schwer für mich geworden. Ich bin überzeugt, mich hätte es „glupft“, wenn Nationalrat Christoph Mörgeli die Dokumente durch einen glücklichen Zufall nicht auf den Tisch hätte legen können. So ist alles ans Tageslicht gekommen. Dies schadet nun den andern!
Wie kann man eigentlich ein Land führen, wenn man an den wöchentlichen Sitzungen stets von Feinden umgeben ist?
Bis zum 4. September war das Klima – bei allen unterschiedlichen Meinungen im Bundesrat – soweit ganz gut. Diese Affäre hat die Atmosphäre aber vergiftet! Weil ich aber das Opfer bin, gehe ich auf die Kollegen zu, um weiterarbeiten zu können. So ist es auch in diesem Klima möglich, Beschlüsse zu fassen. Wir kommen schon voran, auch wenn es zurzeit nicht so angenehm ist.
Sind Sie kein bisschen enttäuscht oder beleidigt? Immerhin haben Sie einige der Bundesratskollegen hängen lassen?
Ja, sogar aktiv hängen lassen! Aber da spielen halt die Wahlen mit folgender Taktik hinein: Man hat vergeblich versucht, Blocher politisch zu bekämpfen. Ergebnislos. Dann dachten die Taktiker: Wenn es nun gelingt, Blocher als Kriminellen zu verunglimpfen, dann müsste er selber gehen. Ein Rücktritt eines kriminellen Bundesrates! So hätte man es verdreht. Und dann hoffte man, der SVP, die im Aufwind ist, zu schaden!
Gut, man wird sich wieder zusammenraufen müssen. Aber hier spielt bereits eine moralische Komponente hinein, wenn man Sie ins offene Messer laufen liesse?
Schon, aber ich habe mich nie der Illusion hingegeben, dass im Bundesrat ein Freundesbund zusammensitzt. Aber es braucht von meiner Seite eine gewisse Grosszügigkeit! Nach den National- und Ständeratswahlen sehen wir weiter.
Der Druck lastet enorm auf Ihnen. Haben Sie nie Lust nach mehr Ruhe? Lust, zurückzutreten und in Rappi am See unbehelligt spazieren gehen?
Ja, diese Versuchung kenne ich auch, die hatte ich das ganze Leben. Aber meine Pflicht ruft nach anderem!
Sie sind nie schwach geworden?
Nein – okay, nie ist übertrieben. Aber ich habe jedenfalls nie aufgegeben. Wissen Sie, es ist auch eine Stärke, wenn Sie ein Amt nicht nötig haben, Unabhängigkeit ist auch viel wert. Ich mache meine Sache und bin für das Land da. Jemand sagte mal, ich hätte eine „beängstigende Unabhängigkeit“.
Einem Mitarbeiter unseres Verlages haben Sie als Widmung ins Buch geschrieben: Knecht des Volkes. Ist es nicht schwer, zugleich Milliardär, Bundesrat und doch Knecht zu sein?
Nein, ich habe keine Mühe damit. Ich überlege mir auch nicht ständig, ob ich Milliardär bin oder nicht …
… und auch nicht ständig, ob Sie Knecht sind?
Doch, „säb scho, säb scho, moll“ – ich frage mich täglich, was das Volk will, was gut ist für das Schweizer Volk, für unser Land!