Ein schwarzes Schaf ist nun einmal schwarz!
«Christoph Blocher spaltet die Schweiz. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE wehrt sich der rechtskonservative Justizminister gegen den Vorwurf des Rassismus – seine Politik sei das Ergebnis direkter Demokratie.»
17.10.2007, Spiegel Online, Mathieu von Rohr
Herr Bundesrat, der ganze Wahlkampf dreht sich nur um Ihre Person. Anhänger und Gegner – alle sprechen nur von Ihnen. So extrem personalisiert war die Schweizer Politik noch nie.
Ich finde das auch nicht gut, dass ich so im Mittelpunkt stehe bei diesen Wahlen, aber dafür sind meine Gegner verantwortlich. Die haben jetzt vier Jahre lang massiv auf meine Person geschossen – wegen meiner Politik.
Ihre Gegner kritisieren die Plakate der SVP als fremdenfeindlich. Eines zeigt drei weiße Schäfchen, die auf einem Schweizerkreuz stehen, und die ein viertes, schwarzes Schaf wegkicken – „für mehr Sicherheit“. Sogar die Uno hat dagegen protestiert. Hat Sie diese Aufregung etwa verwundert?
Am meisten hat mich verwundert, dass das Plakat vier Wochen hing, ohne dass es irgendjemand anstößig fand.
Was sagen Sie zum Vorwurf des Rassismus?
Den Ausdruck „Schwarzes Schaf“ gibt es in jeder Sprache. Wie soll da jemand ernsthaft auf die Idee kommen, dass damit Afrikaner gemeint sein könnten? Alle wissen: Das „schwarze Schaf“ sind die kriminellen Ausländer, die man ausschaffen muss.
War denn die Anspielung schwarzes Schaf – dunkle Haut bei der Auswahl des Motivs nicht beabsichtigt?
Nein, man hat damals überlegt, ob es diesen Anschein erwecken könnte. Jemand schlug vor, man könne ja das eine Schaf weiß machen und die anderen schwarz. Aber ein schwarzes Schaf ist nun einmal schwarz. Wissen Sie, das macht ja auch nichts, wenn das diskutiert wird. Das Plakat zeigt das Anliegen. Die politischen Gegner sprechen lieber über den Stil, als über den Inhalt.
Ihre Gegner, allen voran die Sozialdemokraten, wollen erreichen, dass das neue Parlament Sie im Dezember aus der Schweizer Regierung, dem Bundesrat, wählt. Haben Sie Angst davor?
Die Möglichkeit besteht theoretisch sehr wohl. Wenn Sie aber fragen, ob ich Angst habe oder ob es für mich eine Katastrophe wäre, abgewählt zu werden, dann nein, ich denke nicht jeden Tag daran.
Es würde Sie nicht schmerzen, in die Opposition zu gehen?
Wenn man mich abwählt, muss ich sofort in die Opposition gehen. Ich sähe in dieser Position heute viel mehr Möglichkeiten als früher. In der Schweiz ist die Opposition verlockend, weil man durch Referendum und Volksinitiativen Volksabstimmungen erzwingen kann.
Der Wahlkampf war sehr hart, die gegenseitigen Angriffe heftig. Ihre Schweizerische Volkspartei (SVP) ist Teil einer gemeinsamen Regierung aller großen Parteien – die Sozialdemokraten, die auch daran beteiligt sind, rufen seit einem Jahr zu Ihrer Abwahl auf. Hat das traditionsreiche Schweizer Modell einer Konkordanz-Regierung noch eine Zukunft?
Die Frage ist in der Tat, ob die Konkordanz hält. Wenn die Sozialdemokraten offen zu meiner Abwahl aufrufen, muss man diskutieren: Wer soll denn raus? Das kann die SVP sein. Aber es kann natürlich auch die SP sein. Ich glaube nämlich nicht, dass die Mitteparteien raus wollen. Aber die sind dann das Zünglein an der Waage.
Möchten Sie also die Sozialdemokraten aus der Regierung werfen?
Wieso glauben Sie das?
Weil sie mehr vom Staat abhängig ist. Unser Hauptkampf ist die Limitierung der staatlichen Macht. Dazu müssen Sie nicht unbedingt in der Regierung sein. Aber die Sozialdemokraten, die für den Ausbau des Staates kämpfen – das ist natürlich schwierig, wenn man nicht in der Regierung ist.
Ein Komitee, dem auch prominente Vertreter ihrer Partei angehören, möchte in der Schweiz den Bau von Minaretten verbieten und hat dazu ein Volksbegehren gestartet. Wie stehen Sie dazu?
Blocher: Dazu kann ich mich nicht offiziell äußern, denn mein Departement wird diese Initiative rechtlich beurteilen müssen. Aber die Frage wird sein, ob ein Minarett zwingend zu einer Moschee gehört. Wenn nicht, worum handelt es sich dann? Wir werden dies zu prüfen haben. Außerdem kenne ich kein muslimisches Land, das Kirchtürme zulässt.
Die Schweiz ist aber eine Demokratie, und es herrscht Religionsfreiheit.
Wir müssen den Muslimen sagen – erstens: Wir sind eine Demokratie. Zweitens: Wir sind eine christliche Nation. Ihr hättet es doch auch nicht gern, wenn wir bei euch Kirchtürme bauen würdet.
Sie sind ein umstrittener Politiker, aber Sie sind bei Ihren Anhängern enorm populär. Sie treten in großen Hallen auf, vor Hunderten Bürgern und sprechen über aktuelle Themen.
Ich ernte oft Staunen von meinen europäischen Ministerkollegen, wenn ich ihnen von solchen Auftritten erzähle. Die Bürger kommen, um mir zuzuhören, und sie können Fragen stellen, ohne Zensur. Das ist der Wert der direkten Demokratie. In Europa haben viele Bürger ein Ohnmachtsgefühl angesichts der Politiker, die abgehoben weit oben agierten. Im letzten deutschen Wahlkampf habe ich die Hälfte der Politikeraussagen auch nicht verstanden. Darum muss ich mich anstrengen, so zu sprechen, dass die Leute mich verstehen. Aber ich habe die Leute gern und leide eher ein wenig unter dem Abgehobenen.
Die Europäische Union streitet mit der Schweiz über Unternehmenssteuern. Die EU betrachtet die niedrigen Steuern für Holdinggesellschaften in einigen Kantonen als unerlaubte staatliche Beihilfen. Halten Sie es für möglich, dass die EU nach den Wahlen Sanktionen gegen die Schweiz ergreift?
Blocher: Die Gefahr ist nicht abzuwenden. Die Schweiz hat natürlich auch Möglichkeiten. Aber ich würde jetzt nicht so weit gehen zu fragen, wer wem womit schaden kann. Ich glaube nicht, dass die EU das macht. Die Deutschen wollen es vielleicht, aber die anderen Staaten sind sich uneinig. Die haben kein Interesse daran, dass wir mit Sanktionen belegt werden, weil es sie früher oder später auch treffen müsste.
Wird die Schweiz am Ende einen Kompromiss mit der EU schließen?
Es ist zu befürchten, dass man wieder einen schließt.
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