«Was heisst hier drohen?»
Interview mit der Basler Zeitung vom 8. Dezember 2011, Markus Prazeller und Markus Somm
Herr Blocher, am Mittwoch wählt die Bundesversammlung den Bundesrat. Die SVP schickt mit Zuppiger und Rime zwei gemässigte Kandidaten ins Rennen. Sind das ihre Wunschkandidaten?
Die SVP hat gute Kandidaten präsentiert, nun muss das Parlament der SVP zwei Sitze geben, wenn sie die Konkordanz will. Gerade in schwierigen Zeiten – und wir befinden uns in einer schwierigen Zeit – ist es wichtig, dass die grössten politischen Kräfte an der Regierungsverantwortung teilnehmen. Wir brauchen tragfähige Lösungen für dieses Land, um den aktuellen Problemen wie z. Bsp. der drohenden Rezession, den zunehmenden Asylzahlen und dem Druck aus dem Ausland begegnen zu können.
Noch vor drei Jahren haben Sie sich gegen eine Kandidatur von Bruno Zuppiger ausgesprochen.
Damals gaben wir Ueli Maurer den Vorzug. Er wurde dann auch gewählt.
Man wirft Ihnen vor, die Kandidatur von Zuppiger und Rime sei rein taktisch. Sie bringen zwei Kandidaten, die zwar nicht erste Wahl sind, die aber für alle wählbar sind.
Es macht keinen Sinn, dass wir einen Kandidaten zur Wahl vorschlagen, der im Parlament keine Chance hat. Sowohl Bruno Zuppiger als auch Jean-François Rime, die beide auf Parteilinie politisieren, sind seit langem Wunschkandidaten der anderen Parteien. Sollten diese Parteien erneut der SVP einen zweiten Sitz vorenthalten, hat es definitiv nichts mehr mit den Kandidaten zu tun, sondern es geht ihnen alleine darum, dass die Anliegen der grössten Partei nicht in die Regierung eingebracht werden können.
Die Wiederwahl von Eveline Widmer-Schlumpf gilt als wahrscheinlich – spätestens seit den Fraktionsentscheiden von SP und CVP vergangenen Dienstag. Wie sieht Ihr Plan B aus?
Sollte die Bundesversammlung die BDP-Kandidatin wählen, ist die Konkordanz gebrochen. Dann ist alles möglich. Was wir dann tun, wird dann entschieden.
Was heisst das?
Wenn die SP so stimmt, wie sie sagt, ist sie die Konkordanzbrecherin. Sie wird dann kaum mit einer Unterstützung der SVP rechnen können.
Werden Sie tatsächlich darauf verzichten, gegen die FDP anzutreten, wie dies SVP-Fraktionschef Caspar Baader am Dienstag gesagt hatte?
Die FDP hat Anspruch auf zwei Sitze. Die BDP, mit nur 5,4 % Wähleranteil hat diesen Anspruch nicht. Daran ändert auch nichts, dass die CVP und die BDP nun eine Arbeitsgruppe eingesetzt haben, um ihre Zukunft zu besprechen. So lange sich die FDP an die Konkordanz hält, gibt es keinen Grund, gegen einen ihrer Bundesräte anzutreten.
Sie lassen sich also eine Hintertür offen.
Nein, bis jetzt gibt es keine Anhaltspunkte, dass sich die FDP nicht an die Konkordanz hält. Folglich muss sie die SVP unterstützen. Wir erwarten aber, dass sich auch die, die sich anders äusserten – wie Christine Egerszegi oder Kurt Fluri – an die Konkordanz halten.
Die Wahlen sind geheim. Wie wollen Sie das merken, dass sich einzelne aus der FDP-Fraktion nicht an die Konkordanz halten?
Lassen Sie dies unsere Sorge sein.
Bruno Zuppiger spricht sich gegen die Masseneinwanderungsinitiative der SVP und für die Personenfreizügigkeit aus. Ist das kein Problem für Sie?
Ich verstehe, dass Bruno Zuppiger als Präsident des Gewerbeverbands in diesem Punkt eine andere Meinung hat als der Grossteil der Fraktion. Aber auch er anerkennt, dass Handlungsbedarf besteht; er hat aber Angst vor der Kündigung. Allerdings verlangt auch die Masseneinwanderungsinitiative nicht die Kündigung der Personenfreizügigkeit, sondern nur die Neuverhandlung.
CVP und BDP haben bekannt gegeben, dass sie künftig enger zusammenarbeiten wollen. Damit haben Sie auch rechnerisch einen Anspruch auf den Sitz von Widmer-Schlumpf.
Die beiden Parteien haben einzig angekündigt, eine Arbeitsgruppe zu gründen. Das begründet noch lange keinen Anspruch. Anders sähe es aus, wenn CVP und BDP eine Fusion beschlossen hätten. Dann hätten sie einen Wähleranteil von etwa 18 Prozent und einen Anspruch auf einen weiteren Sitz. Doch das ist alles passé.
Dann würden also auch Sie Widmer-Schlumpf wählen?
Gemäss Konkordanz würden dann diese fusionierten Parteien zwei Sitze zustehen, Und wenn diese diese Kandidatin als die ihre vorschlagen würden, müsste die SVP dies tun.
Sie haben in der Vergangenheit immer wieder mit der Opposition gedroht. Gilt das noch immer?
Was heisst drohen? Ist die SVP nicht voll in der Regierungsverantwortung, so ist sie ganz oder teilweise in der Opposition. Das heisst, wir wären auf mehr Referenden und mehr Initiativen angewiesen!
Werden Sie dann Ueli Maurer zurückziehen?
Auch das ist eine Möglichkeit, die wir aber erst nach den Wahlen beschliessen werden.
Offenbar ist Ueli Maurer nur ungern dazu bereit, einer solchen Aufforderung der Partei nachzukommen.
Ueli Maurer hat uns zugesichert, dass er jeden Entscheid der Partei mitträgt. Natürlich ist er in eine solche Beschlussfassung miteinbezogen.
Früher haben die bürgerlichen Parteien SVP, FDP und CVP eine starke Einheit gebildet. Wieso ist das nicht mehr möglich?
Die Parteien haben noch nicht akzeptiert, dass wir in eine Krise schlittern. Die Arbeitslosigkeit steigt, der Wirtschaft geht es schlecht und die EU erhöht den Druck auf die Schweiz. Davor verschliessen alle die Augen. Nicht einmal das neue Parteiprogramm der SP, das die Überwindung des Kapitalismus und den EU-Beitritt propagiert, konnte die Zusammenarbeit der Bürgerlichen stärken. Das sind die typischen Forderungen des Sozialismus. Das ist gefährlich für die Schweiz.
Die Wähler nehmen das nicht so wörtlich. Pascale Bruderer wurde nicht in den Ständerat gewählt, weil sie eine Sozialistin ist.
Auch der Halb-Sozialismus ist gefährlich für die Wohlfahrt. Das Problem ist, dass sich die Bürgerlichen nicht mehr zusammenraufen können. Denken Sie an die Ständeratswahlen im Kanton St. Gallen. Auch dort haben sich alle gegen die SVP verschworen. Das Resultat: Anstelle eines Bürgerlichen wird mit Paul Rechsteiner ein Erzlinker – geradezu ein Kommunist – gewählt. Im Kanton St. Gallen war es vor allem die FDP, die das bewirkte.
Wählen tut das Volk. Das wünscht sich offenbar lieber Ständeräte wie Paul Rechsteiner als Toni Brunner oder Adrian Amstutz.
Unterschätzen Sie den Einfluss der Parteien nicht. Wenn eine FDP einen linken Kandidaten unterstützt, mobilisiert sie damit auch ihre Wählerschaft, weil diese darauf schaut. Die Wähler prüfen nicht jeden Kandidaten auf Herz und Nieren. Zudem haben sich die SVP-feindlichen Medien auch noch daran beteiligt. Daraus abzuleiten, das Volk wünsche sich einen linken Vertreter, ist jedoch falsch. Gerade der Erfolg unserer Initiativen – zum Beispiel gegen Minarette oder bei den Ausschaffungen – zeigen das.