Zur Affäre Hildebrand II

Interview mit der Basler Zeitung vom 8. Januar 2012 mit Erik Ebneter

Herr Blocher, kennen Sie Herrn Hildebrand persönlich?
Kaum. Ich habe ihn ein paar Mal gegrüsst, aber wir sind per Sie.

Woher kommt Ihre Aversion gegen ihn?
Ich habe keine Aversion gegen Herrn Hildebrand. Aber die Schweiz kann sich keinen Nationalbankpräsidenten leisten, der an den Finanzmärkten spekuliert. Wenn es eine Person in diesem Land gibt, die keine persönlichen Währungsgeschäfte machen darf, dann ist es Herr Hildebrand. Mit seinen beruflichen Entscheiden beeinflusst er die Finanzmärkte, und auf denselben Märkten spekuliert er als Privatmann. Das ist unhaltbar.

Spekuliert er denn? Man könnte auch sagen, er legt sein Vermögen an. Wollte er spekulieren, würde er viel höhere Beträge einsetzen. Das Geld dazu hätte er.
Wissen Sie, was eine Spekulation ist? Einer der Geld anlegt in der Erwartung, dass es später mehr wert ist. Der Nationalbankpräsident kennt die Entwicklung von Kursen, Zinsen, Währungs-Unterstgrenzen etc. etc. Wer hier mit Währungen und Aktien handelt, begibt sich in enorme Interessenskonflikte zum Schaden der Schweiz. Und er hat für Millionen Währungen und Aktien gekauft.

Herr Hildebrand kaufte im März 2011 Dollars, das heisst zu einem schlechten Zeitpunkt. Offenbar hatte er kein Insiderwissen.
Herr Hildebrand kaufte Dollars und hatte dadurch ein Interesse, dass der Dollar steigt. Im August kaufte er nochmals, und im Oktober verkaufte er schliesslich zu hohem Preis. PricewaterhouseCoopers (PwC) hat ihm darauf bescheinigt, dass er keinen Gewinn gemacht hätte, indem sie einfach die Verkäufe vom Oktober mit den Käufen vom März verrechnete. Als die „Weltwoche“ kam und vorrechnete, Herr Hildebrand habe 75 000 Franken Gewinn gemacht, gab Herr Hildebrand am selben Abend bekannt, er habe den Gewinn von ca. 75’000 gespendet „kurz vor Weihnachten.“ Wie kann man einen Gewinn, den es gemäss Gutachter nicht gab, noch spenden? Merken Sie etwas?

Sie interpretieren die Spende als Schuldeingeständnis?
Herr Hildebrand gibt immer nur soviel zu, wie er gerade muss. Das Problem ist, dass er private Währungs- und Aktiengeschäfte macht. Ich habe im November viele Wirtschaftsführer gefragt, ob Nationalbank-Direktionsmitglieder dies tun dürfen. Die Antwort war klar: „Unmöglich“ – und zwar ausnahmslos.

Und das reichte Ihnen, um illegal beschaffte Bankdaten weiterzureichen, im Wissen, damit die Nationalbank zu destabilisieren?
Wissen Sie, was die Nationalbank destabilisiert: Mit Sicherheit ein Präsident, der Währungsgeschäfte macht, Journalisten, die behaupten, das seien keine Spekulanten und ein Bundesrat, der diesen Dreck noch mit einer Decke zudeckt.

Das sagen Sie. PwC und der Bundesrat kamen zu einem anderen Schluss.
Zum ersten bekommt die PwC grosse Aufträge von der Nationalbank. Das ist nicht gerade eine gute Voraussetzung, um die privaten Geschäfte des Nationalbankpräsidenten zu untersuchen. Dieses Gutachten ist in keiner Weise unabhängig.
Doch auch im PwC-Bericht werden die Geschäfte zumindest als heikel bewertet und auch der PwC-Bericht bestätigt, dass unser Nationalbankpräsident für Millionen Währungs-Geschäfte gemacht hat.

Die PwC ist ein internationaler Grosskonzern. Sie wollen doch nicht behaupten, ein solcher würde für die Schweizer Nationalbank seine Reputation auf Spiel setzen?
Nach dem heiligen Philipp Hildebrand kommt jetzt die heilige PwC. Unglaublich, wie unkritisch Sie sind! Lesen Sie den Bericht! Machte Herr Hildebrand Währungsgeschäfte – ja oder nein? Machte er Aktiengeschäfte – ja oder nein?

Das entscheidende Geschäft machte offenbar seine Frau.
Das spielt doch keine Rolle! Benutzen Sie ihren gesunden Menschenverstand: Dürfen über das Konto des Nationalbankpräsidenten Währungsgeschäfte abgewickelt werden?

Die Bank Sarasin hat mitgeteilt, dass nur eine Person Kontodaten von Herrn Hildebrand entwendet hat. Diese Person, es ist ein IT-Supporter, hat sich mit seinem Verdacht nicht an eine interne Kontrollstelle gewandt, sondern ging direkt zu einem externen Anwalt, der wiederum mit Ihnen in Kontakt trat. Hätten Sie nicht abklären lassen müssen, ob die Informationen, die Sie bekommen haben, bankintern untersucht worden sind? Immerhin wurde das Bankgeheimnis verletzt.
Schön, dass Ihnen das Bankkundengeheimnis so wichtig ist. Wenn das Bankgeheimnis verletzt wurde, muss das strafrechtliche Folgen haben. Ich habe – mir zugetragene Informationen – streng vertraulich – dem Bundesrat zur Untersuchung vorgelegt, weil ich keine gesicherte Unterlagen hatte.

Aber hätte man nicht nachhaken müssen, ob die Vorwürfe gegen Herrn Hildebrand von seiner Hausbank untersucht worden sind.
Wer hätte nachhaken müssen?

Sie!
Ich? Wie sollte das gehen? Ich wusste nicht einmal um welche Bank es geht. Wenn jemand zu Ihnen kommt und sagt, der Herr Hildebrand mache nicht erlaubte Währungsgeschäfte, dann werden sie sagen, das geht mich nichts an. Wenn jemand zu mir kommt, dann frage ich, wer kann das abklären? Weil der Bundesrat dies abklären muss, brachte ich dies dem Bundesrat als Aufsichtsorgan. Deshalb informierte ich die Bundespräsidentin z. Hd. des Bundesrates.

Herr Hildebrand hat gesagt, der Informant bereue inzwischen, dass er die Daten geliefert habe, weil sie für politische Zwecke missbraucht worden seien. Was sagen Sie dazu?
Schön von Herrn Hildebrand, wenn er den angeblichen Informanten in Schutz nimmt. Aber wichtiger wäre, wenn er seine Interessenskonflikte bereinigt und für das Vertrauen der Nationalbank sorgt. Dafür verdient er fast 1 Mio. Sfr. pro Jahr!! Ich orientierte die Bundespräsidentin und bat den Bundesrat abzuklären und Ordnung zu schaffen. Niemand hat gewusst, dass ich den Bundesrat informiert habe, und es hätte auch nicht auskommen müssen.

Vielleicht ist es manchmal besser, die Faust im Sack zu machen. Ist der Schaden, der jetzt für die Nationalbank und auch für das Land entsteht, zu rechtfertigen mit angeblich unsauberen Geschäften von Herrn Hildebrand?
Ich stelle Ihnen eine Gegenfrage: Ist es wichtiger, dass man dafür sorgt, dass keine Interessenskonflikte entstehen, oder dass man dubiose Währungsgeschäfte des Bankpräsidenten unter den Teppich kehrt? Ich habe der Bundespräsidentin erklärt: Wenn an den Vorwürfen nichts dran ist, erwächst der Nationalbank keinen Schaden. Der Schaden entsteht, wenn etwas dran ist und der Bundesrat nicht handelt. Der Bundesrat hätte im Stillen handeln können, Herr Hildebrand hätte seinen Posten verlassen und niemand hätte davon gewusst. Die Währungsgeschäfte von Herrn Hildebrand und die Reinwaschung durch Bundesrat und Bankrat destabilisieren die Nationalbank und schaden der Schweiz.

Aber es ist unklar, ob die Geschäfte unsauber waren. Wir bewegen uns in einem Graubereich. Es gibt seriöse Juristen, die sagen, Hildebrand habe nichts Illegales getan.
Ich kenne niemanden, der solche Geschäfte „sauber“ findet. Wäre die Sache unbedenklich, dann müssten Sie auch keine Angst haben, die Nationalbank werde destabilisiert. Aber so merken doch auch Sie, da ging es nicht mit richtigen Dingen zu. Herr Hildebrand hat ja selber Fehler eingeräumt, und zwar immer gerade so viele, wie man ihm nachweisen kann. Ich traue der Sache nicht. Schauen Sie sich die veröffentlichten Dokumente an: Herr Hildebrand hat noch viel mehr Konten bei anderen Banken. Die Informationen dazu sind alle unkenntlich gemacht. Was ist auf diesen Konten passiert? Seien Sie doch etwas kritisch.

Sie übertreiben.
Wie wird denn berichtet? Man spricht vom „Fall Blocher“ und deckt Herrn Hildebrand. Die Sonntagszeitungen vom 1. Januar wurden wahrscheinlich z.T. von der Nationalbank selbst geschrieben. Das sehe ich an Details, die nur von dort stammen können. Das Ziel ist offensichtlich: Man will aus dem „Fall Hildebrand“ einen „Fall Blocher“ machen. Und die Journalisten machen mit! Dabei hat diese Sache eine gewaltige staatspolitische Dimension: Die Kontrolle hat versagt. Wer hat das interne Reglement unterschrieben? Weshalb wird die Staatsanwaltschaft nicht tätig? „Es ist etwas faul im Staate…..Schweiz.“

Was bedeutet das?
Die SVP wird eine ausserordentliche Session verlangen. Dafür braucht es fünfzig Unterschriften von Parlamentariern. Die sind beisammen. Zudem fordern wir eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK). Hier laden wir die anderen Parteien ein, mitzumachen. Eine PUK kann nichts finden, wo nichts ist. Also kann jeder sie unterstützen.

Dennoch dürften sie keine Mehrheit für eine PUK bekommen.
Die andern Parteien müssten doch das Problem sehen. Wenn sie nicht handeln, stecken sie auch unter der Decke, die zu – statt aufdeckt.

Glauben Sie, der Entscheid des Bundesrats wäre anders herausgekommen, hätte die SVP zwei Sitze? Die „Weltwoche“ schrieb, vier Bundesräte hätten Herrn Hildebrand gestützt, drei nicht. Die Entscheidung lag offenbar auf Messers Schneide.
Ich weiss nicht, ob das stimmt, was im „Weltwoche“-Artikel steht. Aber wenn die SVP zwei Stimmen gehabt hätte, wäre es sicher besser gewesen.

Zu den Unterstützern soll auch Eveline Widmer-Schlumpf gezählt haben.
Überrascht Sie das? Schauen Sie die Vergangenheit an! Frau Widmer-Schlumpf ist quasi die Pressesprecherin von Herrn Hildebrand. Sie hat letztes Jahr geredet, als ob sie die Nationalbank führen würde. Und der Zu-Kontrollierende hat die Finanzministerin qualifiziert, als ob er der Chef der Kontrollierenden wäre.

Weshalb sollten vier Bundesräte Herrn Hildebrand stützen, wenn die Sache so eindeutig wäre, wie Sie sagen?
Das müssen Sie diese fragen. Vielleicht haben sie ein schlechtes Gewissen. Vielleicht ärgern sie sich, dass sie es nicht selber gemerkt haben. Also sucht man Experten, von denen man weiss, dass sie das gewünschte Resultat bringen und alles beschönigen. So ist es auch rausgekommen.

Angenommen, Herr Hildebrand tritt zurück. Wen sehen Sie als möglichen Nachfolger?
Ich nenne Ihnen sicher keine Namen. Wer von mir ins Spiel gebracht wird, ist von vornerein chancenlos.

Wäre Thomas Jordan, Hildebrands Stellvertreter, ein guter Nachfolger?
Darüber ist jetzt Zeit zu schweigen.

Gibt es allgemeine Lehren aus dem Fall?
Lassen Sie mich mit drei Sprichwörtern antworten:
Es gibt nichts was es nicht gibt.
Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch an die Sonnnen.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

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