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Bundesratszeit
24.11.2007
Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der SVP-Informationsveranstaltung, 24. November 2007, Bern
24.11.2007, Bern
Bern. In seiner Ansprache an der SVP Informationsveranstaltung gedachte Bundesrat Christoph Blocher der "Bierhübelirede" des Berner Bauern Rudolf Minger. Der spätere Bundesrat habe seine Rede in einer schwierigen Zeit gehalten, die dazu geführt habe, dass vor 90 Jahren der geistige Boden für die Gründung der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei - der heutigen Schweizerischen Volkspartei gelegt worden sei.
Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen.
Die Zukunft der SVP
Meine Damen und Herren
Liebe Gäste
Geschätzte SVP Bern
Liebe Bernerinnen und Berner
1. Wo stehen wir, was ist allgemein gültig, woher kommen wir?
Sie haben heute zu einem Gedenktag geladen. Wir gedenken hier der Rede vom 24. November 1917. Es ist die berühmte "Bierhübelirede", welche der Berner Bauer und spätere Bundesrat Rudolf Minger vor 90 Jahren gehalten hat.
1917 war ein schwieriges Jahr in einer schwierigen Zeit, besonders für die ländliche Bevölkerung: Mitten im 1. Weltkrieg (1914-1918) stehend, Krise des Bauernstandes mit Missernten, Importschwemme von ausländischem Getreide. Die sozialistischen Gewerkschaften organisieren sich. Oktober-Revolution in Russland. Immer mehr Menschen in unserem Land fühlen sich durch die Parteien nicht mehr vertreten. Es gärt von unten. All diese Erscheinungen mussten zu einer Neuorientierung führen.
Diese "arglistige Zeit" (wie es damals hiess) führte dazu, dass vor 90 Jahren der geistige Boden für die Gründung der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei – der heutigen Schweizerischen Volkspartei gelegt wurde: Im Frühling des Jahres 1917 wurde in der Tonhalle die Bauernpartei des Kantons Zürich gegründet, welche noch im selben Jahr an den Kantonsratswahlen teilnahm und auf Anhieb 47 Mandate eroberte. Dies gab den Bernern den Mut, ein Jahr später, im Jahre 1918 eine eigene Partei zu gründen.
Meine Damen und Herren, aus diesen "arglistigen Zeiten" also ging die heutige Schweizerische Volkspartei hervor. Und in diese politische Landschaft fielen die Worte des standhaften und selbstbewussten Bauern Rudolf Minger.
Ein Jubiläum wie heute ist immer ein Anlass für einen Marschhalt. Oder wie es Ruedi Minger bereits anlässlich der Zwanzigjahrfeier der BGB sagte: Es ist der Moment,
"um sich
1.Rechenschaft zu geben über die Wegstrecke, die man zurückgelegt hat.
2. Um festzustellen, wo man momentan steht, und
3. um den Kompass neu einzustellen für den Weitermarsch."1
Sie haben mich gebeten, hier die Gelegenheit zu ergreifen, "um den Kompass neu einzustellen für den Weitermarsch".
Sie wollen etwas über die "Zukunft der SVP" erfahren.
Ich bin skeptisch gegenüber Prognostikern und Prognosen. Das gilt nicht nur für die Politik, sondern auch für die Wirtschaft; vor allem für die eigenen Unternehmen. Wenn es um die Zukunftsbeurteilung geht, ist besondere Bescheidenheit gefragt. Wichtiger als Zukunftsprognosen sind Antworten auf die Frage, wo stehen wir, was ist das Fundament, und woher kommen wir. Die richtige Antwort auf diese Fragen gibt schon die wesentliche Richtung für die Zukunft vor.
Dies können Sie an der eigenen Partei – der SVP – erkennen. In der grössten Krise der SVP, in den 70er Jahren, sprachen die Prognostiker bereits vom Auslaufmodell SVP, vom Untergang dieser Partei. Vor 12 Jahren sprachen die Prognostiker ebenso überzeugt davon, dass die SVP ihren Zenit längst überschritten habe. Und alle vier Jahre wiederholten die Professoren und Prognostiker: Die SVP hat ihren Zenit erreicht.
Aber die SVP will sich einfach nicht an die Prognosen der Politologen und Professoren halten – und wächst und wächst und wächst. Heute sind wir so stark wie noch keine Partei seit Einführung des Proporzwahlsystems 1919. Bei den Parlamentswahlen 1919 holten die Freisinnigen 28,8 Prozent Wähleranteil und die Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei 15,3 Prozent. 2007 kamen die Freisinnigen auf 15,6 und die Schweizerische Volkspartei auf 29 Prozent der Wählerstimmen. Niemand hätte dies vor 90 Jahren vorausgesagt!
So kann ich Ihnen heute ebenso wenig sagen, wer in 90 Jahren die politische Führungskraft der Schweiz sein wird. Das wäre auch albern. Aber was wir tun sollten: Nach den Gründen fragen, warum die SVP heute da steht, wo sie ist. Denn der Erfolg einer Partei stellt sich nicht einfach so ein. Auch der Misserfolg hat Gründe. Diesen Gründen sollten wir nachgehen. Denn sie werden uns auch den Weg in die Zukunft der SVP weisen.
2. Der Erfolg hat viele Väter
Haben Sie sich gefreut am 21. Oktober über den Wahlausgang?
Die Berner SVP kann zwei zusätzliche Nationalräte ins Bundeshaus schicken. Ich gratuliere Ihnen.
Ihre Sektion hat beim Wähleranteil kräftig zugelegt. Ich gratuliere Ihnen.
Die SVP-Fraktion im Nationalrat umfasst neu 62 Mitglieder, sieben mehr als noch vor vier Jahren. Ich gratuliere.
Über 100'000 neue Wählerinnen und Wähler haben sich für unsere Partei entschieden. Ich gratuliere.
Der Vormarsch der SVP in der Romandie konnte nicht nur konsolidiert, sondern sogar ausgebaut werden. Ich gratuliere.
Haben Sie sich gefreut am Wahlsonntag? Verspürten Sie eine gewisse Genugtuung, als die Gesichter der Journalisten und Politologen immer länger wurden? Es wurden Schultern geklopft, Hände geschüttelt, Zigarren angezündet. Es klimperten die Weissweingläser und es lachten die Gesichter. Allerdings lachten am Abend andere als am Mittag.
All dies ist verständlich und erfreulich, aber auch sehr gefährlich. Der Wahlerfolg hat viele Väter. Der Wahl-Misserfolg ist stets ein Waisenkind.
Der Erfolg ist für eine Partei so gefährlich wie gute Jahre für ein Unternehmen.
Weil der Erfolg gerne in Selbstzufriedenheit umschlägt. Weil man die Gründe des Erfolges nicht mehr richtig analysiert und den Erfolg selbstverständlich bei sich selbst verbucht und den Misserfolg dem Gegner anlastet. Dabei ist es häufig gerade umgekehrt.
Gefährlich ist es aber auch, weil der Erfolg träge macht. Gewählte, die auf dieser Erfolgswelle schwimmen, beginnen sich selbst zu erhöhen. Sie leben plötzlich nicht mehr für ihren Auftrag, d.h. nicht mehr für Land und Volk, sondern vom Land und Volk.
Schon manchem Unternehmen geriet der Erfolg zum Verhängnis. Bei Parteien ist es nicht anders. Und die SVP stellt darin beileibe kein Sonderfall dar. Sie ist genauso anfällig. Wir hören schon die Stimmen innerhalb der Partei, die sagen, wir sollten bei den Medien etwas beliebter sein. Wie schnell ist man zum Konsens bereit, bevor man sich für eine Sache überhaupt richtig eingesetzt hat. Bereits hören wir Parlamentarier, die sich vom Stil der eigenen Partei distanzieren, um nicht standhalten zu müssen.
Wir hören andere, die sich von den Machern der Partei, die ja die Hauptarbeit leisten, distanzieren.
Aber ich rate Ihnen, diesen süssen Stimmen nicht zu folgen, und ich sage Ihnen auch warum: Wer unerbittlich für den richtigen politischen Kurs eintritt, wer unerbittlich für Volk und Land kämpft, und wer insbesondere den Irrwegen anderer Parteien entgegen tritt, kann nie beliebt sein! Aber genau weil wir uns gegen den Zeitgeist stellten, hat die SVP gewonnen. Dank der kritisierten Macher – und nicht dank der gelobten Meckerer! Damit ist ein wichtiger Wegweiser für die Zukunft gesetzt.
3. Grundsätze bleiben Grundsätze
Es gibt einen ganzen Band mit Reden von Rudolf Minger. Ich habe darin gelesen und stelle fest:
Rudolf Minger hat vierzig Jahre lang immer das Gleiche gesagt. Er hat eigentlich vierzig Jahre lang die gleiche Rede gehalten. Wer jetzt meint, das sei aber langweilig, der hat nichts begriffen. Rudolf Minger vertrat Grundsätze.
Und Grundsätze bleiben Grundsätze, sonst sind sie keine Grund-Sätze.
Richtige Grundsätze gehen nicht nur in den Grund – sie gehen in die Tiefe. Sie sind verwurzelt. Auf diese Wurzeln kommt es an. Das Blattwerk mag man jedes Jahr erneuern. Voraussetzung sind aber starke, tiefe, gesunde Wurzeln.
Darum: Meine Damen und Herren, gilt es gerade in einer relativ oberflächlichen, schnelllebigen Zeit, die Treue zum Grund-Satz zu betonen. Wer auf soliden Grundsätzen baut, hat Erfolg in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik!
Gefragt ist die Re-Formation, was wörtlich heisst – "die Wiederformung". Besinnung auf die Wurzeln, um darauf neues Blattwerk zu schaffen. Beim Misserfolg gilt es, das Verschüttete wieder hervorzuholen.
Das haben die Neuerer der SVP nach der letzten Krise der Partei in den 70er Jahren getan. Man hatte sich auf das wahrhaft gute, solide, konservative Gedankengut besonnen. Diese Richtung setzte sich in der Partei nach heftigen Kämpfen schliesslich durch und brachte der SVP den Erfolg.
4. Grundsätze Mingers
Welchen Grundsatz vertrat Rudolf Minger denn so vehement und über all die Jahrzehnte?
Er trat ein
für eine unabhängige Schweiz,
für eine demokratische Schweiz,
für eine neutrale Schweiz, die ihre Freiheit notfalls auch mit der Waffe in der Hand verteidigt.
Diesen Grundsatz hat Minger 1917 vertreten anlässlich seiner denkwürdigen "Bierhübelirede". Das war noch während des Krieges, als jeder die Notwendigkeit der Landesverteidigung mit eigenen Augen begriff.
Er hat aber die gleichen Grundsätze auch 1930 vertreten, als die Sozialdemokraten die Armee herunterrüsten wollten und weite Teile der Bürgerlichen diesen süssen Reden erlagen, als der Pazifismus, der Weltfrieden so gross in Mode war wie heute die Klimadebatte.
In solchen Zeiten zeigt sich, was ein Grundsatz wert ist. Wer in solchen Zeiten widersteht, besitzt Rückgrat und Durchhaltevermögen.
Und siehe da: Irgendwann holte die Wirklichkeit die Träumer wieder ein. Spätestens ab 1939, als der Zweite Weltkrieg losbrach, musste die Schweiz auf eine wehrhafte Armee zurückgreifen, mit einem wehrhaften Mann an der Spitze des Verteidigungsdepartements, mit Rudolf Minger, einem einfachen Mann mit einfachen, aber dauerhaften Grundsätzen.
In Ruedi Mingers eigenen Worten – am 1. August 1935 – gesprochen: "Im allgemeinen steht der Schweizer auf dem gesunden Standpunkt: Wenn die Schweiz Jahrhunderte lang ihre Selbständigkeit bewahrt hat, so liegt der Hauptgrund dafür darin, dass unser Volk durchdrungen ist von seinem Drang zur Freiheit und zur Demokratie, dass wir die Geschicke unseres Landes selber bestimmen wollen."2
Meine Damen und Herren, ob im Ersten Weltkrieg, ob in den übermütigen Zwischenkriegsjahren, ob während des Zweiten Weltkrieges: Grundsätze sind gültig. Aber diese Grundsätze galten auch für die Schweizerische Volkspartei im Jahr 1992. Sie galten auch für die EWR-Abstimmung! Es war die Zeit, als die ganze Classe politique, die ganze Wirtschaft, alles was so genannt "Rang und Namen" hatte, bei der wichtigsten Abstimmung seit dem Zweiten Weltkrieg von diesen Grundsätzen abweichen wollte.
Aber das gilt auch 2007 und das wird auch noch 2097 gelten.
Dass die heutige Politik diesem Grundsatz nicht mehr nachlebt ist offensichtlich. Leider auch bis weit hinein in die eigenen Reihen. Zur guten Tätigkeit einer Partei gehört aber auch immer wieder der Kampf gegen den Geist – oder besser den Ungeist – der eigenen Zeit. Damit haben wir einen zweiten Wegweiser für die Zukunft.
5. Die Sache beim Namen nennen
Es gibt aber noch einen dritten Punkt, der sich wie ein roter Faden durch die Politik und die Reden Mingers zieht. Rudolf Minger hat sich nie gescheut, die Dinge beim Namen zu nennen. Zum Beispiel 1934: "Was die kommunistische Partei anbelangt, so hat diese in unserem Lande jede Existenzberechtigung verloren.“3 Er hat auch jene beim Namen genannt, die mit ihrem linken Pazifismus unsere bürgerliche Armee abschaffen wollten. Er sprach unzweideutig von der "staatszersetzenden Sozialdemokratie"4. Und genauso widerstand Minger den totalitären Ideen und zwar durch sein Bekenntnis zur neutralen, freien, demokratischen Schweiz. Etwa an der 1. Augustfeier 1935 auf dem Münsterplatz in Bern: "Weder dem Faschismus noch dem Nationalsozialismus wird es je gelingen, unser Schweizervolk geistig auseinanderzutreiben."5
Viele würden heutzutage – wohl der ganze Mainstream – seine Aussagen als grob, hemdsärmelig, ja unanständig bezeichnen. Doch diesen Zeigefingern möge man entgegnen: Es ist oft unanständig gegenüber dem Unrecht anständig zu bleiben! Nehmen Sie auch dies als Wegweiser für die Zukunft mit!
6. Aufstieg der SVP
Der Hauptaufstieg der SVP fiel in die 90er Jahre, nachdem die Partei den Mut aufbrachte – gegen den Zeitgeist und gegen alle anderen Parteien – anzutreten für eine unabhängige, freiheitliche dauernd bewaffnete neutrale Schweiz und somit den EU-Beitritt abzulehnen.
Aber, was ist denn dieser Grundsatz anderes als das, was Rudolf Minger in all seinen Reden vertreten hat?
Dieser Grundsatz wird uns auch in Zukunft vor Fehltritten schützen und ist einer der wichtigsten Grundsätze der Zukunftsgestaltung unseres Landes und damit ein eiserner Kompass für unsere Partei.
Wer diesen Satz nicht unterschreiben kann, hat in der Schweizerischen Volkspartei auch nichts zu suchen. Leider glaubte 1992 – bedauerlicherweise – gerade die damalige Berner SVP, zum Glück weniger aus Überzeugung als vielmehr aus falsch verstandener Solidarität zur Obrigkeit – ihre Grundsätze verlassen zu müssen und sich dem damaligen Trend der EU-Beitrittsbefürworter anzuschliessen. Doch, meine Damen und Herren, glücklicherweise ist diese Zeit vorbei.
7. Zur Zukunft
Meine Damen und Herren, Sie dürfen für die Zukunft den Kompass ruhig mit Minger einstellen und sein geistiges Erbe weiter tragen.
Die freie, demokratische, neutrale Schweiz lässt sich mit einem EU-Beitritt oder einem Beitritt zum EWR nicht vereinbaren. Punkt.
8. Konsequenzen
Ich zitiere Ihnen daher ein Flugblatt der neu gegründeten Zürcher Bauernpartei aus dem Jahre 1917(!):
Ihr wollt arbeiten und leben;
Ihr hasst das Saugen an der Staatskrippe.
Ihr wollt ein einfaches, sittlich kräftiges Schweizervolk: Menschen mit eigener Arbeits- und Verantwortungsfreude!
Ihr duldet das Verschleudern der Staatsgelder durch eine leichtsinnige Geldverteilerei und eine ruinierende Lohnpolitik nicht.
Ihr fordert einen sparsamen Haushalt des Staates und des Bundes.
Ihr verwerft das staatliche Eingreifen in Eure Betriebe, weil es den Bureaukratismus gross züchtet und die eigene Verantwortung lähmt.6
Meine Damen und Herren: Gibt es irgendein Wort, ein Buchstabe, ein Komma, das wir heute an diesem Flugblatt ändern müssten?
Die Unabhängigkeit gegen aussen, die Freiheit, die Eigenverantwortung und die Sicherheit im Innern, wie dieses Flugblatt schon 1917, wie sie die Reden Mingers nach 1917 bis zu seinem Tode zum Ausdruck bringen, das ist der Weg in die Zukunft.
Was uns genau die Zukunft bringen wird, das wissen wir nicht.
Aber auf welchen Grundsätzen unsere Lösungen beruhen, das wissen wir!
Ich weiss, dass uns die Arbeit nicht ausgehen wird. Wir schaffen es, wenn wir unseren Grundsätzen treu bleiben. Und, um auch seit 30 Jahren das Gleiche zu sagen: "Je weniger die Politiker an sich denken, desto mehr denken die Bürger an die Politiker!"
Somit schliesse ich mit dem zukunftsweisenden Satz: "Die Zukunft wird unser Land vor die Lösung schwieriger Aufgaben stellen. Ich möchte nur erinnern an die Erneuerung der Handelsverträge, an die Sanierung unserer Finanzen, an die Lösung der Fremdenfrage, an die Einführung der Alters- und Invalidenversicherung."
Nicht wahr, meine Damen und Herren, das ist doch wirklich ein moderner, geradezu wegweisender Satz, mit dem ich hier schliessen wollte. Nur: Ich will ehrlich sein, ich habe diesen Schlusssatz gestohlen. Ich habe ihn abgeschrieben. Nämlich aus Mingers "Bierhübelirede" vom 24. November 1917!7
1 Zwanzigjahrfeier der Bernischen Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei. Ansprache vom 25. September 1938 in Burgdorf. Sämtliche Redezitate aus: Rudolf Minger spricht. 24 Reden ausgewählt und eingeleitet von Hermann Wahlen. Bern 1967. S. 163.
2 Zum 1. August 1935. Rede auf dem Münsterplatz in Bern. S. 145
3 Das Schweizervolk und seine Landesverteidigung. Vortrag vom 22. April 1934 in Rorschach. S. 108.
4 Ansprache Rudolf Mingers an die Abteilungschefs des Eidgenössischen Militärdepartements anlässlich des Amtsantritts als Bundesrat am 6. Januar 1930.
5 Zum 1. August 1935. Rede auf dem Münsterplatz in Bern. S. 146
6 Der Zürcher Bauer, Werbeflugblatt der Bauernpartei 1919, Nr. 82, 25. Oktober 1919.
7 Die wirtschaftliche Lage unseres Landes ("Bierhübelirede"). Vortrag vom 24. November 1917 in der Abgeordnetenversammlung des Verbandes landwirtschaftlicher Genossenschaft in Bern. S. 34.
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15.11.2007
Beitrag von Bundesrat Christoph Blocher in der Weltwoche vom 15. November 2007
15.11.2007, Beitrag von Bundesrat Christoph Blocher in der Weltwoche
Wie muss dem Sterbetourismus in die Schweiz begegnet werden? Ein Aufsichtsgesetz löst nicht nur das Problem nicht, sondern birgt weitere Gefahren.
Fest steht, Töten ist auch in der Schweiz verboten. Es ist strafbar gemäss Artikel 111 ff. des Schweizerischen Strafgesetzbuches, denn der Schutz des menschlichen Lebens gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Staates. Darum haben Bundesrat und Parlament bisher wohlweislich alle Vorstösse für eine Legalisierung der direkten aktiven Sterbehilfe abgelehnt.
Liberale Regelung
Rund 20% aller Suizide werden heute in der Schweiz mit Hilfe einer Suizidhilfeorganisation begangen. In etwa 7% aller Fälle handelt es sich um Personen mit Wohnsitz im Ausland. Der Grund liegt in der besonderen Regelung der Suizidhilfe, die die Schweiz seit Inkrafttreten des Strafgesetzbuches im Jahr 1942 kennt: Suizidhilfe ist dann - aber nur dann - straflos, wenn sie aus uneigennützigen Motiven erfolgt und nicht die Grenze zur aktiven direkten Sterbehilfe überschreitet. Wer hingegen Suizidhilfe leistet, um sich einen Vorteil zu verschaffen, zum Beispiel um ein Erbe anzutreten, macht sich in jedem Fall strafbar.
Die umliegenden Länder haben dagegen ein absolutes Verbot der Suizidhilfe auch dann, wenn diese uneigennützig ist. Das ist der Grund, warum einzelne Sterbewillige die Suizidhilfe schweizerischer "Sterbehilfeorganisationen" in Anspruch nehmen, was dann als Sterbetourismus bezeichnet wird.
Als die Väter des Strafgesetzbuches in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Suizidhilfe in Artikel 115 regelten, konnten sie die heutige gesellschaftliche Entwicklung nicht voraussehen. Mit der Entstehung der Suizidhilfeorganisationen und dem Aufkommen des Sterbetourismus haben zweifellos die Missbrauchsgefahren zugenommen. So stellt sich gerade bei besonders schutzbedürftigen Personen, insbesondere bei psychisch Kranken, die Frage, ob sie wirklich urteilsfähig sind und nicht durch Dritte beeinflusst werden. Weiter stellt sich etwa die Frage, ob Suizidhilfeorganisationen in jedem Fall uneigennützig tätig sind und nicht die Grenze zur verbotenen direkten aktiven Sterbehilfe überschreiten.
Absolutes Verbot der Suizidhilfe?
Was ist also angesichts dieser Missbrauchsgefahren zu tun? Möchte man jede Suizidhilfe unterbinden, müsste durch Änderung des Strafgesetzbuches auch die uneigennützige Suizidhilfe verboten werden. Bisher wurde in der Schweiz jedoch von keiner Seite eine Aufhebung dieser liberalen Regelung der Suizidhilfe gefordert. Es besteht vielmehr ein breiter Konsens, dass diese bewährte Regelung nicht angetastet werden soll. Bei konsequenter Anwendung bietet und gebietet das geltende Recht, insbesondere das Straf- und Gesundheitsrecht, den zuständigen Behörden in den Kantonen und Gemeinden die Kontroll- und Interventionsverpflichtung, wie dies der Bundesrat in seinem Ende Mai 2006 veröffentlichten Sterbehilfe-Bericht ausführlich dargelegt hat.
Ein Aufsichtsgesetz?
Immer wieder wird in der Öffentlichkeit ein Bundesgesetz über die Zulassung und Beaufsichtigung von Suizidhilfeorganisationen gefordert. Es ist verständlich, dass dies gewisse Ärzte, Strafvollzugsleute, aber auch Politiker fordern: Es entlastet von der persönlichen Verantwortung. Der Bundesrat lehnt hingegen die Schaffung eines Aufsichtsgesetzes ab, denn wer das Töten regelt, erlaubt es. Ein solches Gesetz ist auch unnötig, weil die ärztliche Tätigkeit - und damit ein zentraler Punkt der Suizidhilfe - bereits der staatlichen Aufsicht untersteht: Der Arzt muss den Patienten eingehend untersuchen und den Sterbewunsch eindeutig diagnostizieren, bevor er das tödliche Mittel verschreibt. Verletzt er seine Pflichten, hat die zuständige Gesundheitsbehörde die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, die bis zum Entzug der Berufsausübungsbewilligung reichen können.
Ein Aufsichtsgesetz löst nicht nur das Problem nicht, sondern birgt zweifelsfrei grosse Gefahren für den Schutz des Lebens. Durch eine Regelung der Zulassung und Beaufsichtigung der Suizidhilfeorganisationen würde der Staat diese zusätzlich legitimieren und die Verantwortung für deren Tätigkeit übernehmen. Gerade dort, wo das bestehende Gesetz durch die Behörden heute schon mangelhaft durchgesetzt wird, verleitet ein solches Gesetz zweifelsfrei dazu, die einzelnen Fälle nicht mit der notwendigen Konsequenz und Gründlichkeit abzuklären. Die Organisation wäre gleichsam mit einem staatlichen Gütesiegel ausgezeichnet. Damit würde der Staat letztlich die organisierte Suizidhilfe allgemein sowie auch den Sterbetourismus fördern!
Erfolgversprechender und unbestritten erscheint hingegen der Ausbau des Angebots der Palliativmedizin. Hier geht es um Unterstützung und Betreuung todkranker Patienten. Sie soll diesen Menschen ermöglichen, in Würde zu leben und zu sterben.
Am Tötungsverbot sollte auch in der Schweiz nicht gerüttelt werden. Um das menschliche Leben zu schützen, ist es unbedingt nötig, die bestehenden Gesetze konsequent anzuwenden.
12.11.2007
Referat von Bundesrat Christoph Blocher im Institut National Genevois, Genf, 12. November 2007
12.11.2007, Genf
Genf. Bundesrat Christoph Blocher sprach am Institut National Genevois zum Thema "Sprachgrenzen". Er zeigte in seinem Referat auf, wie - trotz vorhandener Sprachgrenzen - in der föderalistischen Schweiz die sprachliche Vielfältigkeit gelebt und auch geschützt wird.
Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen.
Meine Damen und Herren
1. Persönliche Sprachgrenzen
Ihr ehrwürdiges Institut hat mich eingeladen zum Thema "Sprachgrenzen" zu reden.
Schon beim ersten Satz weiss ich, was es heisst, Sprachgrenzen überwinden zu müssen: Ich muss nämlich Französisch sprechen. Das ist nicht meine Muttersprache. Es ist nicht die Sprache, die man auf meiner Seite, sondern auf der anderen Seite der Sprachgrenze spricht. "Frontière" heisst auf Lateinisch "limes". Man könnte also auch sagen: Ich bin in meiner Ausdrucksweise limitiert.
2. Gegenseitige "Leihgaben"
Nicht alle Grenzen sind überbrückbar. Sprachgrenzen jedoch sind es immer. Denn Sprachen kann man auch ausserhalb des Sprachgebietes lernen. Oft vermischen sich ferner die Wörter der eigenen Sprache mit der fremder Sprachen. Menschen kommen einander so näher. Dies kann bisweilen bedrohlich werden. So fragte einmal ein Franzose angesichts der vielen Anglizismen vorwurfsvoll: "Parlez-vous "franglais"?"
So gibt es auch viele deutschschweizerische hochdeutsche Wörter, die den Deutschen fremd sind, weil die Romandie die hochdeutsche Sprache der deutschen Schweiz beeinflusst hat. Wenn etwa ein Deutscher auf "Gleis" 7 auf den Zug wartet und den "Schaffner" wegen seiner "Fahrkarte" anspricht, wartet ein Deutschschweizer – auch wenn er Hochdeutsch spricht – nicht auf dem "Gleis", sondern auf dem "Perron" und spricht nicht den "Schaffner", sondern den "Kondukteur" an. Und er fragt ihn nicht etwa wegen der Fahrkarte, sondern wegen des "Billets".
Er sagt aber nicht "conducteur" – auf gut Französisch – sondern "Konduktör", und auch nicht "billet" wie der Welsche, sondern "Bilet" wie der Schweizerdeutsche.
Daraus sieht man: Jede Nation schenkt der anderen einen Teil ihrer Sprache und damit einen Teil ihrer Kultur.
So erfreut uns die französische Küche auch in verbaler Gestalt: "Sauce", "Baguette", "Bouillon", "Dessert", "Suppe", "Glacé" – wer möchte diese "Delikatessen" (ein französisches Lehnwort, das wir im Sinne von "comestibles de choix" benutzen) missen?
Unser kulinarischer Beitrag Richtung Westen war da etwas bescheidener und rustikaler: "les Röstis" und "le Rollmops". Aber eben: La cuisine française setzt nicht nur bei den Zutaten, sondern auch bei der Zubereitung Massstäbe: ein "tranchiertes" Fleisch scheint einfach etwas Besseres zu sein als ein profan "geschnittenes". Was wir ja wörtlich wohl als "coupé" übersetzen würden.
Zum Schluss noch ein Exportschlager aus jüngerer Zeit. In den 80er Jahren wurde das Wort "Waldsterben" geprägt und später durchaus passend ins Französische mit "le Waldsterben" aufgenommen: Schliesslich fand "le Waldsterben" tatsächlich in den deutschen Feuilletons und nicht in der Natur statt, was die französische Sprache anscheinend erkannte!
Oder ein anderes aufschlussreiches Beispiel. So sprechen die Romands ebenfalls von "le Sonderfall" Schweiz. Will man damit auch verbal eine Distanz schaffen und "le Sonderfall" als Deutschschweizer Erfindung markieren? Warum soll die Schweiz kein "cas particulier" sein? Allerdings gehört mittlerweile auch in der französischen Schweiz der EU-Beitritt nicht mehr zum öffentlichen Glaubensbekenntnis. Insofern müsste auch "le Sonderfall" kein sprachlicher "Sonderfall" mehr sein.
3. Keine Sprachnation
Wir haben von Grenzen und ihrer Überwindung gesprochen. In der Schweiz wurde die Sprache nie mystifiziert. Einen Satz wie "Die deutsche Sprache ist die Orgel unter den Sprachen" wäre bei uns undenkbar.
Schliesslich definiert sich unser Staat weder über die Religion noch die Sprache, sondern über die gemeinsame Geschichte, den Freiheitskampf, die direkte Demokratie, den Willen zur Unabhängigkeit, die Neutralität.
Die Schweiz soll auch keine Sprachnation sein. Wir sind darauf bedacht, dass sich vor allem die Sprachminderheiten gegenüber der deutschsprachigen Mehrheit nicht benachteiligt fühlen.
Wir dürfen wohl sagen, dass wir solche Zerreissproben wie in anderen Staaten, ich nenne hier einmal Belgien, nicht kennen.
Warum? Dort herrscht eine ziemlich scharfe kulturelle, aber auch politische Trennung zwischen den niederländisch sprechenden Flamen und den französischsprachigen Wallonen. Wobei im Norden die Separationstendenzen weit ausgeprägter sind, zumal von dort aus wesentliche Transferleistungen nach Wallonien geleistet werden müssen.
4. Föderalismus als Minderheitenschutz
Die Schweiz wurde – wieder im Gegensatz zu Belgien – nie als Einheitsstaat konzipiert. Unser Land ist aus einer Vielzahl von Kleinstaaten zusammen gewachsen, ohne aber je deren Hoheit in wichtigen Fragen und Belangen zu zerstören.
Ein zentralistisches System würde die Schweiz in ihrer Existenz gefährden. Auch wegen der drohenden Missachtung von Sprachgrenzen. Das muss in dieser Deutlichkeit festgehalten werden.
Allerdings kennt die Schweiz auch kein übermächtiges Zentrum wie etwa in Belgien die Hauptstadt Brüssel. Genf und die Gegend am Lac Léman sind wirtschaftlich einer Region Basel oder Zürich ebenbürtig.
Das Verwaltungszentrum in Bern – der Hauptstadt – hat dagegen keine überragende Bedeutung.
Selbstverständlich erleben wir auch heute Gegensätze im Land. Gleichmacher und Harmoniesüchtige mögen dies bedauern. Ich meine zum Glück. Denn sie sind der Beweis für die Vielfältigkeit einer Nation. Gegensätze werden nur in Diktaturen ausgemerzt.
Glücklicherweise verteilen sich aber in der Schweiz die Gegensätze so, dass sie sehr selten nur einer Sprachgemeinschaft angehören.
Wir haben Sozialisten in allen Landesteilen und Bürgerliche, die deutsch oder französisch oder italienisch parlieren. Wir haben Katholiken und Protestanten hüben wie drüben! Katholische Fribourgeois und katholische Appenzell-Innerrhoder, reformierte Schaffhauser und Genfer Calvinisten. Die religiösen Unterschiede sind heute eher durch einen Stadt-Land-Gegensatz abgelöst worden, der sich wiederum nicht mit den Sprachgebieten deckt.
Die Vielfältigkeit der Schweiz, die eben auch teilweise harte Gegensätze einschliesst und mögliche Konflikte nicht ausschliesst (und nicht ausschliessen soll), wird durch den Föderalismus und die direkte Demokratie aufgefangen.
Der Föderalismus ermöglicht den Gemeinden und Kantonen weitgehende Autonomie und damit eben die eigene Sprache, Religion, Kultur und Wesensart. Kantonsgrenzen sind gerade hier nicht die Ursache, die zu Konflikten führen. Insbesondere nicht in der Frage der Sprache.
Der Föderalismus ist vor allem ein Schutz für Minderheiten, während der Zentralismus als dominierende Kraft der Minderheit keinen Schutz geben kann.
Das sollten wir nie vergessen, wenn wieder einmal das Klagelied über den "Kantönligeist" losbricht. Gerade Sie, als Bürgerinnen und Bürger einer Sprachminderheit, haben ein elementares Interesse an einem starken Föderalismus. Ich weiss nicht, ob die Minderheiten diesen Zusammenhang immer sehen.
5. Wenn die Politik sich einmischt
Mit dem Föderalismus, mit der grundsätzlichen Frage nach dem Staatsaufbau, sind wir zwangsläufig bei der Politik angelangt. Auch Bundesbern – die Zentralgewalt – fühlt sich berufen, in die Sprachenfrage einzugreifen.
Besonders umstritten ist der Punkt, welche Fremdsprache in der Primarschule unterrichtet werden soll. Frühenglisch? Frühdeutsch? Frühfranzösisch? Warum nicht Frühlatein? Oder vielleicht doch eher Frühchinesisch, schliesslich soll China die Supermacht von morgen werden?
Wie auch immer: Es sollen die Kantone sein, die solche Fragen zu lösen haben. Warum dürfen die Urner, ans Tessin angrenzend, nicht zuerst Italienisch lernen? Was aber, wenn ein Kind von Uri in den Nachbarkanton Nidwalden umzieht, in dem Frühfranzösisch unterrichtet wird? Ich frage Sie: Geht deswegen die Welt unter? Müssen wir wegen möglicher Einzelfälle ein eigentlich gut funktionierendes System aufs Spiel setzen? Je konsequenter föderal wir sind, desto besser lösen wir die Probleme: Nämlich dort, wo sie drücken, viel näher bei den Menschen und den jeweiligen Gegebenheiten am besten angepasst.
6. Sprachgrenzen überwinden
Es gibt Sprachgrenzen. Ob wir sie wollen oder nicht. Es gibt künstliche und natürliche Sprachgrenzen, nötige und überflüssige. Es gibt Sprachgrenzen, die wir zu respektieren haben und noch viel mehr solche, die wir überwinden können, ohne diese abzuschaffen.
17.10.2007
«Christoph Blocher spaltet die Schweiz. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE wehrt sich der rechtskonservative Justizminister gegen den Vorwurf des Rassismus - seine Politik sei das Ergebnis direkter Demokratie.»
17.10.2007, Spiegel Online, Mathieu von Rohr
Herr Bundesrat, der ganze Wahlkampf dreht sich nur um Ihre Person. Anhänger und Gegner - alle sprechen nur von Ihnen. So extrem personalisiert war die Schweizer Politik noch nie.
Ich finde das auch nicht gut, dass ich so im Mittelpunkt stehe bei diesen Wahlen, aber dafür sind meine Gegner verantwortlich. Die haben jetzt vier Jahre lang massiv auf meine Person geschossen - wegen meiner Politik.
Ihre Gegner kritisieren die Plakate der SVP als fremdenfeindlich. Eines zeigt drei weiße Schäfchen, die auf einem Schweizerkreuz stehen, und die ein viertes, schwarzes Schaf wegkicken - "für mehr Sicherheit". Sogar die Uno hat dagegen protestiert. Hat Sie diese Aufregung etwa verwundert?
Am meisten hat mich verwundert, dass das Plakat vier Wochen hing, ohne dass es irgendjemand anstößig fand.
Was sagen Sie zum Vorwurf des Rassismus?
Den Ausdruck "Schwarzes Schaf" gibt es in jeder Sprache. Wie soll da jemand ernsthaft auf die Idee kommen, dass damit Afrikaner gemeint sein könnten? Alle wissen: Das "schwarze Schaf" sind die kriminellen Ausländer, die man ausschaffen muss.
War denn die Anspielung schwarzes Schaf - dunkle Haut bei der Auswahl des Motivs nicht beabsichtigt?
Nein, man hat damals überlegt, ob es diesen Anschein erwecken könnte. Jemand schlug vor, man könne ja das eine Schaf weiß machen und die anderen schwarz. Aber ein schwarzes Schaf ist nun einmal schwarz. Wissen Sie, das macht ja auch nichts, wenn das diskutiert wird. Das Plakat zeigt das Anliegen. Die politischen Gegner sprechen lieber über den Stil, als über den Inhalt.
Ihre Gegner, allen voran die Sozialdemokraten, wollen erreichen, dass das neue Parlament Sie im Dezember aus der Schweizer Regierung, dem Bundesrat, wählt. Haben Sie Angst davor?
Die Möglichkeit besteht theoretisch sehr wohl. Wenn Sie aber fragen, ob ich Angst habe oder ob es für mich eine Katastrophe wäre, abgewählt zu werden, dann nein, ich denke nicht jeden Tag daran.
Es würde Sie nicht schmerzen, in die Opposition zu gehen?
Wenn man mich abwählt, muss ich sofort in die Opposition gehen. Ich sähe in dieser Position heute viel mehr Möglichkeiten als früher. In der Schweiz ist die Opposition verlockend, weil man durch Referendum und Volksinitiativen Volksabstimmungen erzwingen kann.
Der Wahlkampf war sehr hart, die gegenseitigen Angriffe heftig. Ihre Schweizerische Volkspartei (SVP) ist Teil einer gemeinsamen Regierung aller großen Parteien - die Sozialdemokraten, die auch daran beteiligt sind, rufen seit einem Jahr zu Ihrer Abwahl auf. Hat das traditionsreiche Schweizer Modell einer Konkordanz-Regierung noch eine Zukunft?
Die Frage ist in der Tat, ob die Konkordanz hält. Wenn die Sozialdemokraten offen zu meiner Abwahl aufrufen, muss man diskutieren: Wer soll denn raus? Das kann die SVP sein. Aber es kann natürlich auch die SP sein. Ich glaube nämlich nicht, dass die Mitteparteien raus wollen. Aber die sind dann das Zünglein an der Waage.
Möchten Sie also die Sozialdemokraten aus der Regierung werfen?
Wieso glauben Sie das?
Weil sie mehr vom Staat abhängig ist. Unser Hauptkampf ist die Limitierung der staatlichen Macht. Dazu müssen Sie nicht unbedingt in der Regierung sein. Aber die Sozialdemokraten, die für den Ausbau des Staates kämpfen - das ist natürlich schwierig, wenn man nicht in der Regierung ist.
Ein Komitee, dem auch prominente Vertreter ihrer Partei angehören, möchte in der Schweiz den Bau von Minaretten verbieten und hat dazu ein Volksbegehren gestartet. Wie stehen Sie dazu?
Blocher: Dazu kann ich mich nicht offiziell äußern, denn mein Departement wird diese Initiative rechtlich beurteilen müssen. Aber die Frage wird sein, ob ein Minarett zwingend zu einer Moschee gehört. Wenn nicht, worum handelt es sich dann? Wir werden dies zu prüfen haben. Außerdem kenne ich kein muslimisches Land, das Kirchtürme zulässt.
Die Schweiz ist aber eine Demokratie, und es herrscht Religionsfreiheit.
Wir müssen den Muslimen sagen - erstens: Wir sind eine Demokratie. Zweitens: Wir sind eine christliche Nation. Ihr hättet es doch auch nicht gern, wenn wir bei euch Kirchtürme bauen würdet.
Sie sind ein umstrittener Politiker, aber Sie sind bei Ihren Anhängern enorm populär. Sie treten in großen Hallen auf, vor Hunderten Bürgern und sprechen über aktuelle Themen.
Ich ernte oft Staunen von meinen europäischen Ministerkollegen, wenn ich ihnen von solchen Auftritten erzähle. Die Bürger kommen, um mir zuzuhören, und sie können Fragen stellen, ohne Zensur. Das ist der Wert der direkten Demokratie. In Europa haben viele Bürger ein Ohnmachtsgefühl angesichts der Politiker, die abgehoben weit oben agierten. Im letzten deutschen Wahlkampf habe ich die Hälfte der Politikeraussagen auch nicht verstanden. Darum muss ich mich anstrengen, so zu sprechen, dass die Leute mich verstehen. Aber ich habe die Leute gern und leide eher ein wenig unter dem Abgehobenen.
Die Europäische Union streitet mit der Schweiz über Unternehmenssteuern. Die EU betrachtet die niedrigen Steuern für Holdinggesellschaften in einigen Kantonen als unerlaubte staatliche Beihilfen. Halten Sie es für möglich, dass die EU nach den Wahlen Sanktionen gegen die Schweiz ergreift?
Blocher: Die Gefahr ist nicht abzuwenden. Die Schweiz hat natürlich auch Möglichkeiten. Aber ich würde jetzt nicht so weit gehen zu fragen, wer wem womit schaden kann. Ich glaube nicht, dass die EU das macht. Die Deutschen wollen es vielleicht, aber die anderen Staaten sind sich uneinig. Die haben kein Interesse daran, dass wir mit Sanktionen belegt werden, weil es sie früher oder später auch treffen müsste.
Wird die Schweiz am Ende einen Kompromiss mit der EU schließen?
Es ist zu befürchten, dass man wieder einen schließt.
14.10.2007
Bundesrat Christoph Blocher über die Krawalle von Bern und die Folgen für die Politik
14.10.2007, SonntagsZeitung, Denis von Burg und Andreas Windlinger
Herr Blocher, ausländische Medien berichteten sehr negativ über die Krawalle von Bern und die SVP - die "New York Times" gar auf der Titelseite. Hat unser Image gelitten?
Man muss nicht meinen, ein paar Artikel, in denen viel Falsches steht, würden das gute Image der Schweiz zerstören. Die "New York Times" war der Schweiz noch nie wohl gesinnt. Sie hat auch die Erpressungskampagne wegen des Verhaltens der Schweiz im 2. Weltkrieg orchestriert.
Im Ausland hält man das Schafplakat für rassistisch.
Die SVP-Kampagne, die zeigt, dass kriminelle Ausländer kein Bleiberecht haben sollen, ist hervorragend. Die Ausländer sind willkommen, aber die "schwarzen Schafe" - die Kriminellen eben - nicht. Jede Sprache kennt den Ausdruck "schwarzes Schaf". Jeder versteht ihn. Es hat wochenlang niemand Anstoss genommen. Erst als die politischen Gegner von den kriminellen Ausländern ablenken wollten, haben sie den Rassismusvorwurf erhoben und ihn ins Ausland getragen.
Bundespräsidentin Calmy-Rey hat der SVP Mitschuld an den Krawallen zugeschoben.
Sie will als SP-Mitglied wohl nicht zugeben, dass die Berner Sozialdemokraten und die Grünen eine schwere Verantwortung tragen. Sie haben die Gegendemonstration angezettelt, illegal durchgeführt und unterstützt. Diese und die unfähige rot-grüne Stadtregierung sind die Schuldigen!
Die SVP wollte sich nicht auf eine Kundgebung auf dem Bundesplatz beschränken.
Wenn jemand nachts um zwei Uhr auf dem Trottoir erschossen wird, kann man nicht sagen, das Opfer sei mitschuldig, man müsse ja nicht nachts um zwei Uhr aufs Trottoir gehen! Die Meinungsäusserungsfreiheit ist vom Staat zu verteidigen. Die SVP hat noch nie eine linke Demonstration gewaltsam unterbunden.
Selbst die Bundesräte Schmid und Couchepin warnten vor einem Umzug.
Die SVP-Manifestation mit einem schönen, friedlichen Umzug war bewilligt. Die Stadt versicherte bis zuletzt, sie könne die Sicherheit garantieren, und verlangte keine Änderung. Dass Herr Couchepin davon abriet, liegt auf der Hand. Sein Beweggrund war nicht die Sicherheit. Für die SVP, die die direkte Demokratie hochhält, ist die Beteiligung der einzelnen Bürger von Bedeutung. Absagen, weil Krawallanten drohen, ist ein Zeichen der Schwäche des Staates! Als die Polizei während des Umzugs die SVP bat, die Route zu ändern, hat sie eingewilligt.
Kamen die Krawalle der SVP im Wahlkampf nicht gerade recht?
Die SVP tat alles, um Krawalle zu verhindern. Von ihren Leuten gingen keine Aggressionen aus. Aber die friedliche Manifestation der SVP wurde zu einer anschaulichen Demonstration der Realitäten. Die Situation erinnert an den SVP-Wahlkampffilm "Himmel oder Hölle": Auf der einen Seite 10000 friedliche Menschen in Feststimmung - die Schweiz der SVP -, auf der anderen Seite gewalttätige Krawallanten und eine rot-grüne Stadtregierung, die versagt hat.
Die Aufgabe war fast nicht zu bewältigen.
Sie wäre zu lösen gewesen. Obwohl vorgängig alles bekannt war, duldete die Berner Regierung ausdrücklich eine unbewilligte links-grüne Gegenveranstaltung nur wenige Hundert Meter vom Bundesplatz. Zweitens schätzte sie die Veranstalter der Gegendemo fälschlicherweise als friedlich ein, wohl weil diese aus dem rot-grünen Umfeld kamen. Hauptveranstalter war ein grüner Stadtrat!
… die Polizei hätte die Stadt abriegeln müssen...
Drittens war die Strategie mangelhaft. Viertens: Die polizeiliche Devise "Dialog, Deeskalation, Durchgreifen" taugt für solche Fälle nicht, vor allem, wenn man mit dem Durchgreifen zu lange wartet. Das funktioniert kaum bei ungezogenen Kindern, geschweige denn bei Leuten, die ein solch kriminelles Potenzial haben. Und fünftens: Dass der zuständige Vorsteher am Schluss noch sagt, man habe das Ziel erreicht, ist eine Beleidigung für den Bürger. Tatsache ist, dass unschuldige Bürger wahllos zusammengeschlagen und verletzt wurden und grosser Sachschaden entstand.
Die Stadt will den Polizeieinsatz jetzt untersuchen. Genügt das?
Der Samstag war ja vielleicht ein heilsamer Schock und zeigt, dass die Stadt Bern und vielleicht auch andere Behörden im Hinblick auf die Euro 08 Lehren daraus ziehen müssen. Idealismus und Nachgiebigkeit haben in dieser Situation keinen Platz. Dialog und Deeskalation machen zu Beginn Sinn; wenn es aber brenzlig wird, muss die Polizei früh, entschieden und notfalls hart durchgreifen. Das erfordert der Schutz der Sicherheit der Bürger und unserer Grundrechte. Hoffentlich waren die Krawalle auch politisch heilsam.
Inwiefern?
Die Ausschreitungen haben gezeigt, dass die rot-grüne Berner Stadtregierung - selbst in einer einfachen Situation - unfähig ist, ihre Bürger zu schützen. Das ist ein unglaublicher Vorfall, der klar macht, wie wichtig Wahlen sind. Am Sonntag müssen sich die Wähler entscheiden, ob sie wirklich rot-grüne ideologische Rezepte oder doch lieber bürgerliche Lösungen wollen.
Es gibt nicht nur Sicherheitsfragen. Was ist Ihr Programm für die nächsten vier Jahre?
Wenn die SVP stabil bleibt oder zulegt, ist das ein Auftrag für eine akzentuierte bürgerliche Politik: Die Abkehr vom EU-Beitritt - direkt oder indirekt - muss gesichert werden. Das Ziel, die Bundesausgaben um 20 Prozent zu senken, muss umgesetzt werden, und die Zwangsabgaben sind substanziell zu senken. Die Privatisierung der Swisscom ist dringend. Grosse Sorgen macht mir die Stromversorgung, ohne zwei neue AKW wird das nicht gehen. Und wir haben die Kriminalität insbesondere bei den Ausländern in den Griff zu kriegen.
Dieses Programm ist in einer Konkordanzregierung mit der SP kaum umsetzbar.
Es ist schrittweise und mit Mehrheitsentscheiden - sofern die Bürgerlichen geschlossen sind - zu machen. Natürlich wäre es einfacher in einer rein bürgerlichen Regierung.
Trotz der dann drohenden Linken Referendumsflut?
Wenn man intelligent und konsequent politisiert und das tut, was im Interesse der Bevölkerung ist, muss man keine Angst haben vor Referenden. Nur muss man dann von Anfang an schon an die Bevölkerung denken und nicht erst im Abstimmungskampf.
Sie müssten zuerst die SP aus dem Bundesrat werfen.
Die SVP bekennt sich klar zur Konkordanz, auch wenn diese Nachteile hat. Ein Teil der SP und die Grünen wollen heute die SVP aus dem Bundesrat werfen. Der Entscheid liegt bei den beiden Mitteparteien.
Muss die Frage einer bürgerlichen Regierung nach den Wahlen aufs Tapet kommen?
Meiner Meinung nach müssen alle diese Fragen in ernsthaften Verhandlungen diskutiert werden. Ob die Parteien dazu führungsmässig in der Lage sind, bezweifle ich. Im Wahlkampf vermittelten die Mitteparteien eher das Bild eines Kampfes ums Überleben. Und Links und Grün haben nur einen Programmpunkt: "Gegen Blocher". Das sind eher schwache Voraussetzungen.
Wie gross ist umgekehrt das Risiko, dass man Sie und so die SVP aus dem Bundesrat wirft?
Wenn die SVP verlieren sollte, deutlich höher als 50 Prozent.