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Unabhängigkeit

08.11.2009

Anpassung statt Widerstand ist die Antwort der Schwachen.

Interview im «Sonntag» vom 8. November 2009 Von Patrik Müller und Othmar von Matt Herr Blocher, die Schweiz hat keine Freunde mehr: Nun hat auch noch Italien zur Jagd auf die Schweizer Banken geblasen.    Bismarck sagte es richtig: „Länder haben keine Freunde, sondern Interessen“. Aber die schweizerische Classe politique glaubte in den letzten 20 Jahren sich Freunde zu schaffen durch Liebedienerei und Preisgabe schweizerischer Werte, statt für die Schweiz zu kämpfen! Es kam wie es musste: Unser Land verliert den Respekt und wird verletzlich. Richtungswechsel ist angesagt. Die Frage ist doch, wie setzt die Schweiz ihre Interessen am besten durch. Bundesrat Leuenberger sagt: Als Teil der EU. Anpassung statt Widerstand ist die Antwort der Schwachen. Es ist Preisgabe der Schweiz, um die eigenen Schwächen zu verdecken. Leuenberger geht gerne den Weg des geringsten Widerstands. Es gab auch nie so viel Druck auf die Schweiz wie heute. Das ist eine neue Situation. Sie kennen die Geschichte schlecht. Druck und Erpressung des Auslandes ist doch nichts neues:1848 drohten die europäischen Grossmächte sogar mit der Armee, um die Schweiz vor einer unabhängigen Verfassung abzuhalten. Und im 2. Weltkrieg? Schon vergessen? Heute haben wir keinen militärischen, sondern wirtschaftlichen Druck. Auch das ist nichts neues. Liechtenstein ist im EWR und wurde bezüglich Bankgeheimnis massiv unter Druck gesetzt. Österreich und Luxemburg sind in der EU. Nur können sie sich weniger zur Wehr setzen. Wir könnten es! Was muss denn der Bundesrat heute tun, um den Druck aus dem Ausland abzuwehren? Endlich vorbehaltlos zur Schweiz stehen und endlich eine Strategie festlegen! Er hat keine. Man behandelt einzelne Geschäfte und jeder hat ein eigenes Vorgehen. Ich habe das im Bundesrat zur Genüge erlebt. Aussenpolitik heisst geben und nehmen. Das kann man nur mit einer Gesamtstrategie. Aber das wollte der Bundesrat nicht. Wer in die EU will, will die Schweiz nicht mehr verteidigen! Das zeigt sich an allen Ecken und Enden, auch im Fall Libyen, beim Flughafen oder wenn es um die ungebremste Einwanderung geht. Justizministerin Widmer-Schlumpf lehnt es ab, die Ventilklausel einzusetzen, um die Einwanderung zu bremsen. Wieder Angst, man könnte die EU verstimmen. Obwohl alle rechtlichen Voraussetzungen gegeben gewesen wären. Das ist verantwortungslos. Man sah doch die Rezession kommen. Es war eine Illusion zu glauben, dass ein arbeitslos gewordener EU-Ausländer nach Hause geht. Er weiss, dass wenn er in der Schweiz auch nur 1 Tag gearbeitet hat, kann er danach bis 5 Jahre Sozialleistungen in unserem Land beziehen. Schauen Sie, sogar das EU-Land England stoppt die Personenfreizügigkeit mit einzelnen Ländern. Rechtswidrig. Es kann doch nicht sein, dass jetzt – mitten in der Rezession – immer noch jeden Monat 1000 Deutsche in die Schweiz kommen. Wie soll man das verhindern? Wir hätten es können. Jetzt bleibt wohl nur noch die Verträge mit der EU zu ändern. Wir müssten die Personenfreizügigkeit kündigen und neu verhandeln – zu anderen Bedingungen. Endlich zugeben, es ist schlimmer gekommen, als man glaubte. Es braucht neue Verhandlungen. Eine Minimal-Wohnsitzdauer für Einwanderer ist absolut notwendig. Wenn wir die Freizügigkeit kündigen, fallen doch auch die anderen bilateralen Verträge dahin. Jeder Vertrag kann von beiden Seiten jederzeit gekündigt werden. Die EU wird kein Interesse haben, dies zu tun. Etwa die Verkehrsverträge? Strebt die SVP die Kündigung der Personenfreizügigkeit offiziell an? Das prüfen wir ernsthaft. Wir prüfen eine Volksinitiative in dieser Richtung. Es brodelt im Volk wegen der Einwanderung. Die Wahlen in Genf sind ein kleiner Vorgeschmack. Der Bund prognostiziert eine Arbeitslosenquote von sechs Prozent. Damit übertrifft sie alle bisherigen Rezessionen. Auch die Asylpolitik läuft wieder aus dem Ruder. 2008 eine Zunahme von mehr als 50%. Trotz Dublin! Die Parteien und der Bundesrat nehmen die Probleme der Einwanderung und die Ängste der Bevölkerung nicht ernst. Sind Sie für die Minarett-Initiative? Ich will es Ihnen nicht sagen, damit Sie kein Thema daraus machen können. Zumindest bin ich froh, dass diese Initiative eine Debatte über die Islamisierung ausgelöst hat. Wie bitte? Sie kneifen? Ich habe nichts beizufügen. Ausländer, Asylwesen, Ausländerkriminalität: Sind das 2011 die grossen SVP-Wahlkampf-Themen? Es sind grosse Probleme. Die SVP hat sich seit Jahren dem angenommen und wird es weiter tun. Die SVP ist glaubwürdig.. Die Umfragen prophezeien Ihnen Verluste. Wir leben von Resultaten nicht von Umfragen. Bisher hat die SVP alle Umfragen übertroffen. Seit meiner Abwahl legte die SVP dort massiv zu, wo die kantonalen Parteien voll auf Schweizer SVP-Kurs sind. Wo man abweicht – zum Beispiel in Neuenburg und Genf – hat die SVP schlecht abgeschnitten. Das hätte nie passieren dürfen: Die SVP müsste mit dem "Mouvement Citoyens Genvevois" zusammenarbeiten. Genau so, wie sie das im Tessin mit der Lega tun sollte. SVP und Mouvement wären in Genf gemeinsam die weitaus stärkste Partei. Rechts von der SVP darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben. Ausgerechnet Ihr Bundesrat Ueli Maurer kritisierte, unter Parteipräsident Toni Brunner politisiere die SVP zu wenig pointiert. Hat er das gesagt? Toni Brunner macht seine Sache hervorragend. Und wie beurteilen Sie die Arbeit von Ueli Maurer? Er hat das erkannt, was die SVP seit fünfzehn Jahren kritisiert: Das VBS ist sogar noch schlimmer dran, als wir dachten. Und Maurer legt jetzt die Mängel schonungslos auf den Tisch. Das braucht Kraft, weil er auch gegen langjährige Leute im eigenen Departement kämpft. Bundesrat Schmid war unfähig das VBS zu führen, nur wollten die anderen Parteien dies von Anfang an nicht wahr haben. Hat die Armee zuwenig Geld? Sie hatte zu wenig Geld für das Richtige und zu viel für das Falsche. Das VBS teilte die Mittel falsch ein? Ja. Aber auch Bundesrat und Parlament, die zehn Jahre lang nicht auf die SVP hörten, Schmid wurde stets gedeckt, weil er sich gegen die SVP wendete. Zuletzt nannten die SVP das VBS sogar einen Sauladen. Auch das ging unter. Ulrich Maurer deckt endlich auf. Die Auslandeinsätze kosten viel mehr, als man sagte. Bei der EDV gab es Fehlinvestitionen für Hunderte von Millionen. Keine Kostenrechnung. Verteidigungsauftrag, Leitbild, Mittel, Ausrüstung, Bestände stimmen nicht mehr überein. Was wollen Sie tun? Erstens: Man muss endlich alles zugeben. Auf den Tisch legen. Schonungslos. Das tat Ueli Maurer. Ob es schon alles ist, wird man sehen. Er muss schrittweise vorgehen. Er muss die Kostenrechnung im VBS einführen. Erst dann hat er volle Transparenz. Zweitens? Wir verlangen Varianten vom Bundesrat: Was gibt es für Möglichkeiten um die beste Armee der Welt zu haben, um autonom die unabhängige, neutrale Schweiz mit jährlichen Kosten in der heutigen Grösse (4 Milliarden Franken) zu verteidigen. Also soll Maurer 300 Millionen erhalten? Vier Milliarden entspricht etwa dem heutigen Rahmen. Drittens: Der Bundesrat – nicht nur dass VBS – müssen die beste dieser Varianten – oder die wenigst schlechteste – darlegen. Und viertens: Der Bundesrat soll darlegen, welche Armee und welche Ausrichtung er wählen würde, wenn er unbeschränkte finanzielle Mittel zur Verfügung hätte. Das Parlament müsste den Bundesrat zu dieser Arbeit zwingen. Es geht letztlich um eine Strategiediskussion. Und: Es ist keiner grösseren Rüstungsbeschaffungen zuzustimmen, welche die Marschrichtung präjudiziert, bis entschieden ist. Das heisst: Es dürfen bis dann keine Kampfflugzeuge bewilligt werden. Wie lange wird es dauern, bis Maurer diese Varianten vorlegen kann? Ich rechne laufs 2010. Das heisst: Ein Jahr lang soll die Armee nichts beschaffen? Nichts ausserordentliches. Und mit den vorhandenen Kampfflugzeugen kommt sie bis 2015 gut zurecht. Gibts weiteres? Es sind Sofortmassenahmen vorzulegen. Was ist zu tun um einen Betrieb und Ausbildung aufrecht zu erhalten? Was ist zu sanieren? Alles ist zu tun, ohne die Marschrichtung grundsätzlich zu präjudizieren. Wer ist denn da verantwortlich? Für die letzten acht Jahre Samuel Schmid, aber auch der Bundesrat und das Parlament. Nur: Eigentlich ist die SVP verantwortlich, denn das VBS ist seit 1996 in SVP-Händen. Jetzt soll die SVP für Samuel Schmid noch die Verantwortung tragen! Ein Bundesrat, der gegen den Willen der SVP gewählt worden war. Die SVP, die seit 1995 die Fehlentwicklung im Parlament und oft auch an der Urne bekämpfte. Leider stets ohne Erfolg. Die SVP hat aber Schmid wieder gewählt. Tatsächlich wäre es besser gewesen, Samuel Schmid früher auszuschliessen. Aber sowohl bei Adolf Ogi wie bei Samuel Schmid hatten wir als Partei die Kraft zu sagen, was nicht in Ordnung war. Werden Sie das bei Ueli Maurer auch tun? Wenn er in eine unannehmbare Entwicklung laufen sollte, natürlich. Im Moment sieht es nicht darnach aus. Ihre Vorschläge gehen ja in Maurers Richtung. Wir glauben es auch. Das VBS will sicher aber mehr Mittel. Maurer will mehr Geld. Das ist ja selbstverständlich. Welcher Departementchef will das nicht? Mehr Geld ist stets die bequemste Problemlösung, aber nicht die einzige.

04.11.2009

Streitgespräch mit Fulvio Pelli

Interview in der «Zürcher Landzeitung» vom 4. November 2009 mit Lukas Odermatt Fulvio Pelli, von der FDP ist in Sachen Klumpenrisiko wenig zu hören gewesen. Fassen Sie als Verwaltungsratspräsident der Tessiner Kantonalbank im Eingeninteresse die Kollegen der Grossbanken mit Samthandschuhen an? Pelli: Das ist eine lustige Frage. Aber die Kantonalbanken gehören ja nicht zu den Banken, die ein Klumpenrisiko darstellen. Wir wollen, dass die Schweiz ein Bankenplatz bleibt. Bankenplätze ohne Grossbanken gibt es aber nicht. Neue Regeln müssen auf den Bankenplatz Rücksicht nehmen. Es darf daher zu keiner Überregulierung kommen. Christoph Blocher, Sie schlagen quasi die Zerschlagung der Grossbanken vor. Ist das Ihre späte Rache, weil sie 1991 nach zehn Jahren aus dem Verwaltungsrat der Bankgesellschaft geflogen sind? Blocher: (lacht) Nein. Die Schweiz soll ein wichtiger Bankenplatz bleiben. Aber wir haben Grossbanken, die so bedeutungsvoll geworden sind, dass sie den Staat bei schlechtem Geschäftsgang in den Bankrott reissen können.. Too big to fail! - zu gross um zu sterben! Das darf es nicht geben. Die Schweiz haftet faktisch mit einer Staatsgarantie. Das muss sich ändern. Würden beide Grossbanken – z.B. wegen Problemen in den USA – ins Trudeln kommen, zahlt die Schweiz. Herr Pelli, für Sie stellt das Klumpenrisiko kein Problem dar? Pelli: Das Systemrisiko existiert hier wie in andern Ländern auch. Unser Bankenplatz hat Systembedeutung für die Volkswirtschaft. Mit diesem Risiko müssen wir leben. Kein System ist ohne Risiken. Wir müssen sie eingrenzen, abschaffen können wir sie nicht, ausser wir verzichten auf Grossbanken. Dann wird eine ausländische Bank zum Klumpenrisiko, weil kleine Banken von ausländischen Banken übernommen werden können. Doch diese wird gleiche Risiken eingehen wie die UBS. Die Schweizer Banken hätten keine Chance, international tätig zu sein. Blocher:. Es geht um die Existenz der Schweiz! Die Bilanzsumme der beiden Grossbanken ist fünfmal grösser als das ganze Bruttoinlandprodukt. Dasjenige der grössten Banken in den USA ist nur das 0,9-fache. Das grosse Risiko ist nicht die Tätigkeit der Banken in der Schweiz, sondern das Engagement im Ausland, vor allem in den USA. Es ist dafür zu sorgen, dass diese amerikanischen Gesellschaften  im Konkursfall nicht auch die schweizerischen Geschäftsbanken mitreissen. Pelli: Die Welt ist nicht nur schwarz-weiss. Wir hatten eine Krise, die aufgrund von Entscheiden einer Bank entstanden ist. Die UBS hat strategische Fehlentscheide getroffen. Daraus müssen wir lernen. Die Finanzmarktaufsicht Finma hat mit Eigenmittel- und Liquiditätsvorschriften auf die Fehler reagiert. Hätte damals die Finma ihre Aufsicht wahrgenommen, hätten wir vielleicht die Krise nicht gehabt. Blocher: In der Wirtschaft ist das Risiko von Fehlentscheiden stets vorhanden. Die Politik hat aber dafür zu sorgen, dass dann nicht die ganze Volkswirtschaft mitgerissen wird.. Es ist erfreulich, dass auch die Nationalbank heute so denkt. Daher wollen Sie, Herr Blocher, die Grossbanken nun zerschlagen? Blocher: Nein, es braucht neben einer Neuordnung des Konkursrechts und neuen Eigenmitteln auch Vorschriften zur Entflechtung, nicht Zerschlagung! Z.B. müssen die ausländischen Banktätigkeiten als selbstständige Tochtergesellschaften geführt werden, ebenso die schweizerischen. Die Gesellschaften  könnten unter einer gemeinsamen Holding stehen. Im Falle eines Konkurses einer dieser Gesellschaften wird vielleicht auch die Holding in den Abgrund gezogen. Aber – und das ist entscheidend – nicht die schweizerische Tochter. Der Staat hätte nicht einzugreifen. Pelli: Das ist illusorisch. Wenn die US-Tochterfirma in Konkurs geht, wäre die ganze Holding betroffen, auch die Schweizer Filiale. Ihr Vorschlag, Herr Blocher, bringt keine Lösung. Ein einziger Teil kann nicht losgelöst von der Holding fallen gelassen werden. Blocher: Die Holding ist nicht das Systemrisiko. Die "Filiale" ist es. Diese könnte auch verkauft werden. Haben Sie einen besseren Vorschlag, um das Problem zu lösen? Also Herr Pelli, was schlägt die FDP vor? Pelli: Wir müssen dieses internationale Problem international lösen .. Blocher: Da bin ich nicht dagegen. ... Pelli: Aber Sie setzen auf die Extremlösung. Zuerst braucht es den internationalen Weg, um korrekte Kapitalvoraussetzungen, mehr Eigenmittel, zu schaffen. Bestrebungen laufen. Sind die Risiken global besser geregelt, ist es für die Schweiz im Detail denkbar, dass für risikoreichere Banktätigkeiten, wie das Investmentbanking, noch schärfere Eigenmittelvorschriften gelten. Sie stört also auch, wenn das Geld des normalen Anlegers einfach in ein risikoreiches Investmentbanking fliesst? Pelli: Das bestimmen sie selber, wenn sie Kunde einer Bank sind... Blocher: Das weiss der Kunde in aller Regel nicht... Pelli: Doch. Ein Kunde, der kein Risiko will, investiert in eine Kantonalbank, in die Raiffaisen, in einfache Sachen. Blocher: (lacht) Nur in die Tessiner Kantonalbank. Doch beim Zusammenbruch der Grossbanken würden auch die kleinen Banken mitgerissen. Für die Schweiz ist das problematischer als für die USA. Pelli: Ich bin nicht einverstanden. Die Schweiz griff ins Bankensystem ein. Und sie löste sich wieder in einer finanziellen Situation, die viel besser war als jene in Amerika. Die Risiken waren in Amerika grösser, die Massnahmen dort viel wichtiger, auch wenn das Verhältnis zwischen Bankengrösse und Bruttoinlandprodukt ein anderes ist als hier. Blocher: Im Verhältnis sind die von der Schweiz eingeschossenen 46 Milliarden Schweizer Franken mehr als das, was die USA einsetzte. Und: die Bankenkrise ist noch nicht ausgestanden und alle zehn Jahre kommt eine neue. Die Krisen werden immer heftiger. Pelli: Aber die Geschichte zeigt, dass diese Risiken kurzfristig waren. ... Blocher: Herr Pelli, da werde ich empfindlich. Jetzt heisst es, wir sind noch gut weggekommen. Tatsache ist: Vor einem Jahr war niemand ausser dem Staat und der Nationalbank bereit, der UBS noch Kapital zu geben. Wäre der Staat nicht beigestanden, wäre nicht nur die UBS sondern auch die CS in den Abgrund gezogen worden.. Es ist vorsorgliche Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass solche für den Staat gravierende Risiken nicht eintreten können. Pelli: Herr Blocher, Sie unterschätzen die Kräfte der Schweiz. Kurze Zeit nach den Staatsinterventionen hat man rasch wieder Privatinvestoren gefunden ... Blocher: Natürlich mit faktischer Staatsgarantie.... . Pelli: ... das System ist nicht so schwach ist, wie Sie es beschreiben. Blocher: Die sind eingestiegen, weil der Staat die Risiken der Banken trägt. Pelli: Das glaube ich nicht. Sie unterschätzen das Schweizer System. Zumindest bei den schärferen Eigenmittelvorschriften sind Sie einig. Nun wehrt sich aber die UBS bereits dagegen. Pelli: Dann muss die UBS aufzeigen, dass sie ohne höhere Eigenmittel in der Lage wäre, die Probleme zu lösen. Die Erfahrung zeigt, dass Eigenverantwortung bei der UBS nicht funktioniert hat. Blocher: Ich habe ein gewisses Verständnis für die Bedenken. Die gesetzliche Eigenmittelvorschrift ist für die Konkurrenzfähigkeit einer Bank entscheidend. Vorschriften für höhere Eigenmittel werden kommen – international. Es gibt eine Obergrenze, klar. Will der Liberale Blocher wirklich per Gesetz Banktätigkeiten vorschreiben? Blocher: Wenn ein für das Land existentielles Problem besteht, dann ja. Dann kann man auf eine Überregulierung verzichten. Pelli: Die Politik ist nicht in der Lage, die Risiken einzuschätzen. Via Finma und Nationalbank sind die Banken theoretisch bereits extrem kontrolliert. Die Finma arbeitet mit wissenschaftlichen Risikoeinschätzungen. Die Politik hingegen aufgrund Empfindlichkeiten, die moralische Kriterien beinhalten. Blocher: Sie haben recht: Die Politik kann die Risiken nicht beurteilen. Wir wissen nur eines: Es wird immer Risiken geben! Und wir wollen, dass diese nicht so gross sind, dass die ganze Volkswirtschaft mitgerissen wird. Viele Länder attackieren die Schweiz, die EU will den automatischen Informationsaustausch. Können wir das Bankkundengeheimnis noch halten? Blocher: Wenn wir das wollen, bestimmt! Aber die anderen Staaten müssen merken, dass wir das wollen. Es kommt darauf an, wieviel Druck wir erleiden mögen. Pelli: Wir wollen das Bankgeheimnis, müssen aber das System anpassen. Die Verrechnungssteuer ist nicht modern. Dieses System hat Löcher. Es soll durch eine Quellensteuer ersetzt werden, die einen tieferen Prozentsatz hat. Wir müssen auch schauen, dass der Finanzplatz nicht nur aufgrund der Vermögensverwaltung von Schwarzgeld lebt. Daher wollen wir die Stempelsteuer abschaffen. Diese Steuer auf den Umsatz wird zum Problem für die Schweizer Firmen und den Finanzplatz. Blocher: Seit 20 Jahren fordern wir die Abschaffung der Stempelsteuer. Warum passiert nichts? Der Bundesrat will es nicht – und Herr Merz auch nicht. Pelli: Herr Merz hat Schritte angekündigt. Blocher: Seit 20 Jahren wird angekündigt. Kann das Bankgeheimnis nicht nur für Schweizer gelten, für Ausländer nicht? Pelli: Warum sollen wir Kunden in Kategorien einteilen? Entweder schützt das System die Privatsphäre oder nicht. Zwei Systeme sind unwürdig. Blocher: Man könnte es schon tun, aber auf lange Sicht würde man es nicht aufrecht erhalten können. Was ist ein Ausländer, was ist ein Schweizer? Pelli: Nun, alle, die hier wohnen und den Lebensunterhalt verdienen, fallen unter das Bankgeheimnis. Blocher: Und was machen Sie mit den Grenzgängern, mit Auslandschweizern? Pelli: Das ist eine Detailfrage. Blocher: Der Teufel steckt eben im Detail. Ist es nicht unhaltbar, das Bankgeheimnis zum Geschäftsmodell zu machen? Blocher: Die Gefahr besteht tatsächlich, dass dank des Bankkundengeheimnisses die Gelder nicht versteuert werden. Darum haben wir die Verrechnungssteuer eingeführt. Das müssen wir den andern Ländern auch anbieten – doch die wollen es nicht, weil sie die Informationspflicht haben wollen. Wenn wir es fordern, werden sie es wollen! Pelli: Sie wollen die Verrechnungssteuer nicht, obwohl sie mehr einnehmen würden. Aber sie würden nicht wissen, wieso. Sie müssten sich fragen, warum ihre Bürger das Geld ins Ausland bringen. Die EU-Länder wollen den automatischen Informationsaustausch, um ihre eigenen, teils perversen Fiskalsysteme beizubehalten. Blocher: Es ist der Kampf des Auslands gegenüber der erfolgreichen Schweiz: Konkurrenzkampf. Und diesen Kampf muss die Schweiz mit allen Mitteln führen – auch Sistierung von Doppelbesteuerungsabkommen? Blocher: Wenn's nicht anders geht. Pelli: Ja, genau. Die Schweiz ist gegenüber den USA eingeknickt. Nun will die EU Gegenrecht. Blocher: Es war ein grober Fehler. Und bei den OECD-Listen haben wir es verpasst, den Ländern das Bankkundengeheimnis zu erklären. Man gibt jeder Forderung, jeder Erpressung, nach. Pelli: Ich sehe es anders. Die Schwarze Liste bestraft nicht den Finanzplatz, sondern den Werkplatz Schweiz. Deshalb war die Strategie des Bundesrats nicht falsch. Er gab auf einem Niveau nach, das noch korrekt ist, vielleicht korrekter als vorher. Zeitgleich mit allen anderen Finanzplätzen. Nun darf man keine Zugeständnisse mehr machen. Blocher: Das höre ich nach jedem Zugeständnis. Als die graue Liste kam... Pelli: Es war eine schwarze ... Blocher:. Ob schwarz, grau, grün, blau oder rot... Pelli: (lacht) Das ist nicht unwesentlich ... Blocher: Wir haben auf einer schwarzen Liste als Exporteure sicher keine Vorteile. Man muss aber Druck ertragen können. Wenn man natürlich bei jedem, der kommt... Pelli: ...das war nicht jeder. Das war die G-20. Blocher:. Auch gegenüber Grossen darf. man nicht einfach nachgeben. Es gilt der Grundsatz: "Tue recht und scheue niemand."

18.09.2009

Führungskrise Schweiz – Leadership in schwierigen Zeiten

Referat vom 18. September 2009 von Christoph Blocher, Herrliberg gehalten anlässlich der Tagung Wirtschaftsimpulse Schaffhausen 2009 Freitag, 18. September 2009 im Stadttheater Schaffhausen

28.08.2009

Wichtig ist, dass sich so ein Desaster nicht wiederholt

Interview in der "Aargauer Zeitung" vom 28.8.2009 Von Fabian Renz SVP-Stratege Christoph Blocher über Lehren aus der Gaddafi-Affäre, über fehlende Kollegialität im Bundesrat und über seine persönlichen Pläne Für alt Bundesrat Christoph Blocher ist nicht Hans-Rudolf Merz, sondern Micheline Calmy-Rey hauptverantwortlich für die Libyen-Krise. Herr Blocher, ursprünglich hätten Sie 2009 Bundespräsident werden sollen. Sind Sie froh, dass nun stattdessen Hans-Rudolf Merz mit Peer Steinbrück und Gaddafi zu tun hat? Christoph Blocher: Im Gegenteil. Das sind interessante Führungsaufgaben. Bei all diesen Aktionen überlege ich mir, wie ich es gelöst hätte. Ich lege ja meine Meinung wöchentlich auf www.teleblocher.ch dar. Noch werden in Libyen zwei Schweizer festgehalten. Falls es nun klappt mit der Rückkehr: Werden Sie Merz zu seinem Coup in Tripolis gratulieren? Blocher: Ich nehme nicht an, dass er dies erwartet. Natürlich müssen solche Aktionen möglich sein. Noch weiss man nicht, was eigentlich in Genf bei der Verhaftung von Gaddafis Sohn passiert ist. Fest steht, dass der Bundesrat das Ganze schlecht koordiniert hat. Wer trägt die Schuld? Blocher: In der Verantwortung stehen der Gesamtbundesrat und vor allem das Aussendepartement von Frau Calmy-Rey, das in dieser Sache nichts erreicht hat. Es wurde auch kein sorgfältiges Verhandlungsmandat verabschiedet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Merz ohne Wissen des Aussendepartements nach Tripolis gereist ist. Soll der Gesamtbundesrat das von Merz ausgehandelte Entschuldigungs-Papier annullieren? Blocher: Nein, man kann nicht den eigenen Bundespräsidenten gegenüber einem anderen Land derart desavouieren. Wichtig ist, dass sich so ein Desaster nicht wiederholt. Merz’ Bundesratskolleginnen gingen öffentlich auf Distanz zu ihm. Spüren Sie, dem man oft Bruch des Kollegialitätsprinzips vorgeworfen hat, eine gewisse Schadenfreude? Blocher: Das nicht gerade. Aber wenn ich daran denke, wofür ich alles kritisiert wurde . . . als ich an einer Pressekonferenz einmal eine Miene verzog, warf man mir vor, es handle sich um einen Verstoss gegen das Kollegialitätsprinzip. Bei solchen Distanzierungen, wie man sie kürzlich gelesen hat, wäre ich wohl geköpft worden. Themawechsel: Wie steht es mit Ihrer Volksinitiative zur Zerschlagung der Grossbanken? SVP-Präsident Toni Brunner ist da zurückgekrebst. Blocher: Nein: die Verminderung des Klumpenrisikos, das von den beiden Grossbanken ausgeht, ist nach wie vor für die Schweiz überlebensnotwendig. Toni Brunner hat wohl einfach darauf hingewiesen, dass die SVP jetzt zuerst mit Nachdruck den parlamentarischen Weg verfolgt. Die Initiative wird aber kommen? Blocher: Wenn wir im Parlament nicht durchkommen, muss etwas geschehen. Das Anliegen ist für unser Land zentral. Natürlich: Jetzt, wo es den Banken nicht mehr ganz so schlecht geht, steckt die Politik bezüglich Bankenplatz den Kopf wieder in den Sand. Eine allfällige Volksinitiative sollte nicht von der SVP allein, sondern überparteilich lanciert werden. Sie streben tatsächlich eine SP SVP-Koalition an? Blocher: Nicht nur. Aber wenn es hier SP-Kreise darunter hat, warum nicht. Ich habe da keine Berührungsängste. Apropos SP: Die Sozialdemokraten haben Strafanzeige gegen die früheren UBS-Chefs Marcel Ospel und Peter Kurer erhoben . . . Blocher: Die SVP hat schon lange parlamentarisch vom Bund verlangt, zu prüfen, ob Strafklagen gegen die frühere Führungsschicht der UBS angebracht sind. Wir haben nichts dagegen, dass das abgeklärt wird. Aber wie ist Ihre persönliche Meinung? Gehören Ospel und Kurer vor Gericht? Blocher: Ich konnte bis jetzt nicht feststellen, dass die beiden kriminell gehandelt haben. Nach meinem Eindruck hatten sie schlicht den Überblick verloren. Das Anliegen der SP ist nicht ernst zu nehmen. Sie hat einfach grundsätzlich etwas gegen Banken und Verwaltungsräte. Typisch ist auch, dass man nun auf die losgeht, die bereits das Unternehmen verlassen mussten. Andere lässt man in Ruhe. Sie erteilen dem Bundesrat schlechte Noten. Wie beurteilen Sie eigentlich die Arbeit Ihres eigenen Mannes in der Regierung, Ueli Maurer? Blocher: Er hatte einen guten Start. Für eine Bilanz ist es zwar noch etwas früh. Er geht aber überlegt vor und ist in der Bevölkerung beliebt. Seine Armee-Abbaupläne entsprechen ja wohl kaum der SVP-Politik. Blocher: Er hat keine Abbaupläne. Wir haben mit ihm gesprochen. Seine Erklärung in einem Interview, er müsse den Armeebestand auf 60 000 bis 80 000 Mann verringern, wurde so umgedeutet, als wolle er dies tun. Das Gegenteil ist der Fall: Er sieht, dass diese Massnahme unverantwortlich wäre. Die Zeitung hat dies dann aber umgedeutet, wie wenn Maurer selber die Armee reduzieren wolle. Die Sache ist etwas unglücklich gelaufen. Für Sie selbst steht eine Rückkehr in den Bundesrat nicht mehr zur Debatte? Blocher: Das Parlament hat klargemacht, dass es mich nicht will. Aber vielleicht in einer Volkswahl, wie sie die SVP ja anstrebt? Blocher: Wissen Sie, bis die Volkswahl kommt, dauert es im Minimum fünf Jahre. Wie steht es mit einem Comeback in den Nationalrat im Jahr 2011? Blocher: Darüber entscheide ich im Frühjahr 2011. Ich weiss, dass es starke Kräfte gibt, die das gerne möchten. Wichtig ist auf alle Fälle, dass die SVP zulegt. Sie ist die einzige Partei, die noch zur Schweiz steht. Welche Marke streben Sie an? Blocher: Wir müssen ein paar Prozente zulegen. Ob es jetzt zwei, vier oder fünf sind, ist nicht so wichtig. Die 30-Prozent-Marke wollen Sie aber knacken? Blocher: Die sollte zu knacken sein, richtig. Wären heute Wahlen, würde die SVP weit darüberliegen!

02.08.2009

L’art de bien négocier

Essay «Le Matin» 2.8.2009 STRATÉGIE. UBS, conventions de double imposition: depuis quelques mois, la Suisse ne cesse de négocier avec d’autres Etats. Les conseils de Christoph Blocher Point de départ: quelles sont les erreurs les plus courantes lorsqu’on négocie? Pourquoi le résultat des négociations semble – la plupart du temps après coup – mauvais, voire catastrophique? Parce que les principes essentiels sont ignorés. Préparatifs Bien des gens croient que, pour obtenir un résultat, l’essentiel est de maîtriser la technique de négociation. Malgré le respect dû aux techniques de tractation et à la psychologie des négociations, elles ne sont guère décisives. Ce qui compte avant tout pour réussir à conclure de manière satisfaisante, ce sont les préparatifs. En effet, le succès est fonction du sérieux de la préparation. Déterminer ce que je veux Un bon résultat de négociation a une particularité: il doit correspondre à vos objectifs personnels, s’accorder à votre désir individuel. Voilà pourquoi il est primordial de se soucier en premier lieu de l’objectif. Qu’est-ce que je veux? Quelles sont les possibilités d’y arriver? Cela semble évident, or c’est souvent précisément ce qui est négligé. Si on analyse empiriquement les revers subis lors de négociations au plan politique ou économique, on s’aperçoit que ni l’objectif ni les variantes pour y arriver n’ont été déterminés. On négocie au petit bonheur la chance sans être au clair sur sa propre stratégie. On arrive certes à un accord, on parle de percée et de consensus, mais plus tard, on remarque malheureusement que l’on est tombé d’accord sur quelque chose qu’on ne voulait pas. C’est ainsi que plus de la moitié de toutes les fusions et acquisitions – annoncées en règle générale à grands cris – conclues dans le monde entier se sont révélé être des flops à long terme. Des intentions nébuleuses et des objectifs confus comme par exemple, «la taille de la nouvelle entreprise» et des détails spectaculaires ont servi de ligne de conduite. Mais voilà, l’objectif déterminant, soit le renforcement de sa propre entreprise et l’augmentation du rendement, n’a pas été atteint. Car en définitive, il n’y a que cela qui compte. Etudier les variantes En négociation, je suis fort si je peux dire non. Celui qui n’a pas prévu de scénario de retrait se met lui-même sous pression. Le négociateur de l’autre côté de la table deviendra fort car il sait une chose: mon vis-à-vis a un besoin vital de conclure. Par contre, celui qui se préoccupe à l’avance des variantes existantes a une certitude: il y a toujours des alternatives. «Tous les chemins mènent à Rome» est un adage qui s’applique aussi au quotidien. Souvent – surtout en politique – on entend dire que «c’est la seule solution possible». Généralement cette affirmation est utilisée pour persuader les citoyens - c’est presque une forme de chantage. Pourtant, pareille affirmation est toujours mensongère. Il n’existe jamais une seule et unique voie! Celui qui ne détecte qu’une solution est soit dépourvu d’imagination, soit débutant Que veut donc mon interlocuteur? Les préparatifs comprennent aussi l’étude de l’adversaire. Il est essentiel de déterminer ce qu’il veut. Un simple exemple: je désire vendre ma voiture à bon prix. Il y a une différence si mon interlocuteur veut absolument une voiture ou s’il se contente d’en examiner une parmi tant d’autres. Bien entendu, souvent l’acheteur ne dévoile pas son intention. Il s’agit donc de la découvrir. Lors de négociations de haut vol - songez à des achats d’entreprise ou des traités internationaux – l’analyse des intérêts du vis-à-vis et l’examen des avantages qu’il peut espérer retirer d’un accord, ont une grande importance. Cela permet d’élaborer précisément des mandats pour les négociateurs et de développer des stratégies raffinées. Malheureusement, chaque jour on constate que cela n’est que fort rarement fait avec soin, même dans les plus hautes sphères. Conséquence: un échec avoué ou dissimulé! Qui négocie? Au quotidien – pensez aux achats que vous effectuez chaque jour – c’est toujours la personne directement intéressée qui négocie. Pour des affaires plus importantes, l’acquisition d’une maison et, plus sûrement encore, lors de l’achat d’une entreprise ou pour toutes les affaires d’Etat, ce n’est jamais la personne prenant la décision finale quant au résultat de la tractation qui devrait négocier. Bien négocier est fatiguant, épuisant. Face à des situations semblant sans issue, des intermédiaires peuvent toujours faire valoir qu’ils ne sont pas habilités à conclure, qu’ils doivent retourner «dans les étages, là où les décisions sont prises». Cela donne du temps pour réfléchir. Tout cela est hors de portée des décideurs s’ils sont eux mêmes présents aux pourparlers. Voilà pourquoi il faut s’en tenir au principe intangible qui veut que le chef de l’entreprise ne négocie jamais en personne. Le chef dit ce qu’il veut, approuve des variantes et dirige les négociateurs – mais pas à la table des négociations. Il suffit que le chef se montre au dernier moment pour conclure, signer et participer à la cérémonie de clôture. Ainsi, c’est une absurdité que des conseillers fédéraux se lancent dans des négociations. Cela ne peut que mal finir et nuire à la Suisse. Pour négocier, on dispose de secrétaires d’Etat, d’ambassadeurs, de ministres et de chefs d’offices. On tire les ficelles en coulisse et on soutient ainsi efficacement les négociateurs.