Artikel

Persönlich

27.10.2002

Machtkampf bei Lonza

Bericht der NZZ am Sonntag, Ressort Wirtschaft, 27. Oktober 2002 Christoph Blocher und VR-Präsident Sergio Marchionne verfolgen unterschiedliche Ziele. Das Aktienpaket von Martin Ebner sucht noch immer einen Käufer. Nach der Ablösung von Martin Ebner durch Sergio Marchionne als Verwaltungsratspräsident der Lonza fühlt Christoph Blocher seine Interessen nicht mehr vertreten. Er fordert nun einen Verwaltungsratssitz. von Katharina Fehr Das hat sich Martin Ebner wohl anders vorgestellt. Am 5. Oktober gab er seinen Rücktritt als Verwaltungsratspräsident von Lonza bekannt. Gleichzeitig bot seine BZ-Gruppe ihre Aktienpakete von Lonza zum Kauf an. Die Einsetzung von Sergio Marchionne, dem einstigen Lonza-Chef und heutigen Chef von SGS, als neuer VR-Präsident wurde mit Kursavancen quittiert. Mit dem Verkauf von Ebners Aktienpaket von 19,8% an Lonza harzt es aber. Das Interesse scheint nicht sehr gross zu sein. Die mit der Placierung beauftragten Banken seien Chemiefirmen und andere grosse Gesellschaften angegangen, ist zu vernehmen. Diese hätten allerdings dankend abgelehnt. Das Paket war ihnen wohl zu teuer. Auch Christoph Blocher, Chef und Hauptaktionär von Ems-Chemie, gab in einer ersten Stellungnahme Anfang Oktober zu Protokoll, er sei an dem Gesamtpaket für die Ems-Chemie nicht interessiert, da er nicht die gleichen Interessen verfolge wie Ebner. Ebner muss zu einem möglichst hohen Preis verkaufen, um das Überleben seiner BZ-Gruppe zu sichern, Blocher will hingegen zu einem möglichst tiefen Preis kaufen. Das zeigt auch die Tatsache, dass die Ems-Chemie Put-Optionen (Kaufverpflichtungen) für 9% an Lonza verkauft hat. Sie muss die Aktien nur kaufen, wenn der Kurs unter eine bestimmte Marke sinkt. So kann die Ems die Titel günstig erwerben. Ist der Preis hoch, lässt sie es bleiben. Mit dem Verkauf des Paketes harzt es auch, weil einige der angefragten Firmen grundsätzlich nicht an einem so grossen Engagement an Lonza interessiert sind. Oder weil Ebner vielleicht von seinem Vetorecht Gebrauch gemacht hat, um unliebsame Interessenten abzuwenden. Seltsame Zufälle Da Ebner aber gezwungen ist, das Paket zu verkaufen, führen Merrill Lynch und die Deutsche Bank voraussichtlich nächste Woche ein Auktionsverfahren (Bookbuilding) durch. Rund um die Auktion gibt es allerdings einige seltsame Zufälle. So hat ausgerechnet die Deutsche Bank am 16. Oktober eine umfangreiche Studie zu Lonza veröffentlicht. Die Studie, die Lonza-Aktien mit einem «Hold»-Rating versieht, war nun «zufälligerweise» Anlass für das Management von Lonza, eine Roadshow bei institutionellen Kunden zu veranstalten. Lonza bestätigte die Teilnahme von VR-Präsident Sergio Marchionne und Lonza-Chef Markus Gemünd an der Tour, die nach Boston, New York, London und am Freitag nach Zürich führte. Lonza sei aber nicht direkt in den Verkauf des Ebner-Paketes involviert, wurde betont. Auch die Deutsche Bank wollte nicht bestätigen, dass sie den Auftrag zum Versteigern der Titel erhalten hat. Der Schluss liegt aber nahe, dass Marchionne die Roadshow nutzte, um gleich persönlichen Kontakt mit potenziellen Käufern von Anteilen des Ebner-Paketes zu suchen, die ihm genehm sind. Marchionne hätte am liebsten mehrere institutionelle Investoren im Aktionariat, wie er an dieser Stelle Anfang Oktober erklärt hatte. Ein möglicher Investor könnte aber Christoph Blocher sein. Es ist bekannt, dass er bereit ist, für die Ems-Chemie einen Anteil von bis zu 33% an Lonza zu erwerben. Eine vollständige Übernahme schliesst er aus. «Das ist ein zu grosser Brocken», erklärt er. Die Ems-Chemie besitzt knapp 12% an Lonza. Werden die knapp 9% in Put-Optionen nicht gezählt, weil sie der Ems nur je nach Kurs angedient werden, kann Blocher zusätzlich bis zu 20% an Aktien erwerben. Beispielsweise in dem für nächste Woche erwarteten Auktionsverfahren. Die andere Möglichkeit, seinen Anteil aufzustocken, wäre der Erwerb des 10%-Paketes, das die Zürcher Kantonalbank durch die Übernahme der BK Visionen erworben hat. Die ZKB hat zwar erklärt, sie wolle keine industrielle Verantwortung wahrnehmen und ihre Anteile reduzieren. Doch gemäss Pressesprecher Urs Ackermann sieht sie keine Eile, dies zu tun. Offenes Geheimnis Nach Ebners Rücktritt, der Zurückhaltung der ZKB, sich in operative Fragen einzumischen, und der Rückkehr von Marchionne als starkem Mann sagt Blocher: «Nach dem Verkauf des Paketes der BZ-Gruppe sieht Ems als grösster Aktionär seine Interessen nicht mehr gewahrt und müsste wieder im Verwaltungsrat vertreten sein.» Erst schien es zwar, Marchionne werde die Position als VR-Präsident nur vorübergehend innehaben. Nun hat der Italo-Kanadier in einem Interview in «Stocks» erklärt, er sei nicht nur für zwei bis drei Monate Chairman. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Blocher und Marchionne unterschiedliche Ansichten über die Zukunft der Lonza haben. Während Marchionne eher der Finanzarchitekt ist und in der Vergangenheit für Lonza gerne auf Einkaufstour gegangen wäre, in seinen Plänen aber unter anderem durch Blocher eingeschränkt wurde, möchte dieser sich vor allem auf das operative Geschäft konzentrieren und Lonza von innen heraus wachsen lassen. Der Ausbau der Beteiligung durch die Ems würde Blocher mehr Gewicht geben, seinen Anspruch auf einen Verwaltungsratssitz durchzubringen. Ende März 2001 war Blocher aus dem Verwaltungsrat von Lonza ausgeschieden, weil «die Trennung von Aluminium und Chemie vollzogen war». Ein VR-Sitz ist für Christoph Blocher wohl die Bedingung, dass er an seinem Aktienpaket überhaupt festhält.

23.09.2002

Die SVP hat enorm an Ansehen gewonnen

Christoph Blocher ist zufrieden. Er hat die Solidaritätsstiftung gebodigt und der SVP neuen Schub verliehen. Interview mit der Berner Zeitung vom 23. September 2002 Interview: David Sieber Herr Blocher, sind Sie zufrieden und glücklich mit sich und dem Schweizervolk? Christoph Blocher: Ich bin zufrieden und glücklich, aber nicht überglücklich. Wir sind sehr froh, dass die Solidaritätsstiftung abgelehnt worden ist. Ich glaube nicht, dass nochmals jemand mit einer solchen Idee kommt. Das Volk lässt sich nicht erpressen. Das ist sicher auch der Hauptgrund, weshalb der Gegenvorschlag bachab geschickt wurde. Eigentlich war ja unsere Initiative der Gegenvorschlag, nämlich auf die Ankündigung der Solidaritätsstiftung durch den damaligen Bundespräsidenten Arnold Koller. Nein zur SVP-Initiative und Nein zum Gegenvorschlag. Ist für Sie das Glas nun halb leer oder halb voll? Blocher: Es ist halb voll. Denn es besteht noch immer die Chance, dass man die Goldreserven sinnvoll verwenden wird. Gegen den Vorschlag, das Geld für den Schuldenabbau von Bund und Kantonen zu verwenden, habe ich nichts, wenn man gleichzeitig in der Verfassung die Höchstgrenze der Verschuldung festschreibt. Sonst würde bei der Schuldenbremse einfach die obere Grenze gelten, mit der Folge, dass man die Schulden sofort wieder aufhäuft. Das Schweizervolk würde zweimal zur Kasse gebeten. Denn es hätte nichts von den 20 Milliarden Franken - ausser, dass die Staatsquote um diese Summe steigen würde. Und das hätte wiederum negative Folgen für die Wirtschaft. Doch eine Limitierung lehnen CVP und FDP ab. Möchten Sie deshalb zwei Drittel der Erträge von 700 bis 800 Millionen Franken jährlich der AHV und einen Drittel den Kantonen geben Blocher: Nachdem unsere Initiative praktisch den gleich hohen Ja-Stimmen-Anteil wie der Gegenvorschlag erreicht hat, wäre das wohl die beste Lösung. Das ist sehr viel und erstaunlich für eine Partei, die auf sich selbst angewiesen war. Sie vergessen die Gewerkschaften, die offen mit der SVP-Initiative liebäugelten. Blocher: Im Abstimmungskampf haben sie uns nicht geholfen. Sie waren mit ihrem doppelten Ja auf der anderen Seite. Und nun nehmen sie sich bei der Hand. Blocher: Ich habe keine Berührungsängste. Wenn die Gewerkschaften ebenfalls auf die AHV-Lösung setzen, umso besser. Wie werten Sie das Abstimmungsergebnis im Hinblick auf die Parlamentswahlen vom nächsten Jahr? Blocher: Die SVP hat durch die Initiative enorm an Ansehen gewonnen. Wir konnten uns klar als Partei positionieren, die für die Schweiz einsteht, mit dem Geld haushälterisch umgeht und die Sozialwerke ernst nimmt. Das kann man von den andern Parteien nicht sagen. Wie sich das auf die Wahlen im kommenden Jahr auswirken wird, ist schwer zu sagen. Und Sie selbst? Blocher: Das weiss ich nicht und ist mir auch egal. Wissen Sie, bei mir geht es immer auf und ab. Sie haben die UNO-Abstimmung verloren und nun einen Achtungserfolg errungen. Blocher: Die Volksgunst ist sehr wechselhaft. Darauf schaue ich nicht. Ich äussere meine Meinung, und die kommt einmal an und einmal nicht. Besteht die FDP, die nicht sehr geschlossen aufgetreten ist, nur noch aus «Weichsinnigen», wie Ihre Zürcher SVP meint? Blocher: Die FDP hat eine traurige Rolle gespielt. Im Parlament war sie noch Feuer und Flamme für die Solidaritätsstiftung. Als sie merkte, dass der Gegenvorschlag bachab geht, hat sie eine Doppelrolle zu spielen begonnen. Die FDP merkt, dass links nichts zu holen ist, setzt das aber nicht um. Haben sich die Chancen der SVP auf einen zweiten Bundesratssitz nun verbessert? Blocher: Das glaube ich nicht. FDP, CVP und SP werden uns nun erst recht keinen Sitz geben wollen, weil sie immer noch meinen, wir hätten Freude, zwei Bundesräte zu stellen. Dabei nehmen wir nur unsere Pflicht wahr. Wir bleiben gerne in der Opposition.

20.08.2002

Schloss Rhäzüns bleibt geschlossen

Interview mit dem "Rhiiblatt" vom 20. August 2002 Anlässlich eines SVP-Anlasses ist Christoph Blocher, Nationalrat ZH, am Dienstag, 20. August, im Gemeindezentrum Tamins anwesend gewesen. Das "Rhiiblatt" befragte Blocher exklusiv. Der erste Teil des Interviews besteht aus Fragen über die AHV-Goldinitiative, und im zweiten Teil beantwortete Blocher regionale Fragen, wie die über mögliche Führungen im Schloss Rhäzüns. Mit Christoph Blocher sprach Linus Fetz Gold im Wert von 20 Milliarden Franken lagert unter dem Bundeshaus. Die AHV-Goldinitiative die Blocher unterstützt, beabsichtigt, das Gold für die Sicherung der AHV einzusetzen. Dadurch sollen gemäss Initiativkomitee die Renten bis mindestens im Jahr 2012 ohne zusätzliche Lohn- und Mehrwertsteuerprozente gesichert werden. Wäre es nicht sinnvoller, dieses Geld langfristiger anzulegen, wie beispielsweise in den Nachkriegsjahren für die Wasserkraftwerke? Christoph Blocher: Nein, es wäre unsinnig, das Geld den privaten Wasserkraft-Betreibern nachzuschiessen. Die erste Säule, die AHV, ist jetzt Not leidend. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns in einer schlechten Wirtschaftslage befinden. Sie sagen, das Geld sei Volksvermögen und gehöre dem Schweizervolk. Abgesehen von ein paar wenigen Lohnprozenten profitieren davon jedoch vor allem die Menschen in unserem Land, die über 55 Jahre alt sind. Gehören die jüngeren Generationen, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, nicht zum Schweizervolk? Blocher: Mit der Auflösung des Goldes für die AHV würden nicht nur die Senioren profitieren, sondern auch die Jungen. Sie müssten weniger Mehrwertsteuern bezahlen und könnten morgen die Rente geniessen. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe, am 22. September ein Ja für die AHV-Goldinitiative in die Urne zu legen? Blocher: Das Volk würde so sein Eigentum zurückerhalten. Alle Familien, Männer und Frauen profitieren. Wir müssten mindestens 20 Milliarden Franken weniger Mehrwertsteuern zahlen. So bleiben jedem Bürger 3000 bis 3500 Franken mehr zum Leben. Unser Land bleibt so auch unabhängig, und das Volksvermögen wird nicht für eine erpresste Stiftung verschleudert. "Wir mischen uns nicht in die Angelegenheiten der Gemeinden ein." Welche Stellung nimmt die EMS zu der Standortgemeinde Domat/ Ems, zu Tamins, Bonaduz, Rhäzüns und Felsberg ein? Blocher: Dadurch, dass die Arbeitnehmer in den umliegenden Gemeinden wohnen, halten wir einen guten Kontakt. Wir mischen uns jedoch nicht in die Angelegenheiten der Gemeinden ein. Eine Ausnahme war die Ortsplanung in Domat/Ems, wo wir uns für eine mögliche Erweiterung des Unternehmens eingeengt fühlten. Waren Sie auch schon Golfspielen in Domat/Ems? Blocher: Nein, bisher noch nie. Im Moment kann ich mir diesen Sport nicht leisten ... "Ich war schon auf allen Emser Hügeln." Waren Sie bereits auf einem der Domat/Emser Hügel? Blocher: Ja, ich war schon auf allen Emser Hügeln. Nicht nur auf den Hügeln im Feld, sondern auch auf denen mit den Kirchen - sogar schon mitten in der Nacht! In wieweit interessieren Sie sich für die lokalen Ereignisse hier? Blocher: Ich informiere mich vor allem über die lokalen Ereignisse in der Region, indem ich das "Bündner Tagblatt" lese. "Ich halte nicht viel von Logos." Die Gemeinde Domat/Ems hat ein neues Logo kreiert. Kennen Sie es, und was halten Sie davon? Blocher: Von meinem Mitarbeiter habe ich es mir geben lassen. Ich halte nicht viel von Logos. Mir gefallen die alten Wappen besser. Das Schloss Rhäzüns hat eine wichtige geschichtliche Rolle für die Region und den Kanton Graubünden gespielt. Wann findet die erste öffentliche Führung durch das Schloss statt? Blocher: So lange das Schloss Rhäzüns der EMS gehört, gibt es keine öffentlichen Führungen. Der Grund dafür ist, dass das Schloss aus Wohn- , Schlafräumen und Esssälen besteht. Eine Ausnahme mache ich mit den Viertklässlern von Rhäzüns, die ich jedes Jahr ins Schloss einlade, sodass innerhalb von 30 Jahren eine ganz Generation Rhäzünser das Schloss besichtigen kann.

18.08.2002

«Wenn die SVP so bestimmt, dann muss ich es tun»

Für Christoph Blocher ist klar, dass seine Partei beim Rücktritt von Bundesrätin Dreifuss antreten wird. Interview mit NZZ am Sonntag vom 18. August 2002 Interview: René Zeller Bundesrätin Dreifuss denkt laut über ihren Rücktritt nach. Was heisst das für die SVP? Christoph Blocher: Wenn Frau Dreifuss zurücktritt, wird die SVP selbstverständlich antreten müssen. Die SVP ist heute die wählerstärkste Partei. Sie erhebt daher Anspruch auf zwei Sitze im Bundesrat, schon allein auf Grund ihrer Stärke. Wenn man die Konkordanz als Massstab nimmt und den drei grossen Parteien unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung eine Doppelvertretung zumisst, dann müsste die CVP einen Sitz abgeben. Das steht aber nicht zur Debatte. Blocher: Nein. Die Konkordanz wird aber schon seit 1999 nicht mehr eingehalten. Also zählt die politische Ausrichtung. Wenn die Konkordanz gemäss Wählerstärke nicht ausschlaggebend ist, müssen sich FDP und CVP entscheiden, ob sie mit der SP eine Mitte-Links-Regierung wollen oder mit der SVP eine Mitte-Rechts-Regierung. Dazu muss die SVP bei den Bundesratswahlen antreten, sonst können sich FDP und CVP ja nicht entscheiden. Sie müssen uns wissen lassen, ob sie uns verstärkt in der Regierungsverantwortung oder weiterhin teilweise in der Opposition haben wollen. Wie wollen Sie FDP und CVP überzeugen, dass Korrekturbedarf besteht? Blocher: Die Bilanz der selbst ernannten Koalition der Vernunft aus SP, FDP und CVP ist kläglich. Schauen Sie die Krankenkassenprämien, die Steuererhöhungen, den Schuldenberg, die Asylpolitik, die Swiss-Milliarden, den Expo-Kredit und die Europapolitik an. Dies kam immer gegen den Widerstand der SVP zustande. Soll denn die wählerstärkste Partei, die in wichtigen Fragen wie Uno-Beitritt und Armee-Auslandeinsätzen fast die Hälfte der Stimmberechtigten hinter sich hat, nicht zwei Sitze im Bundesrat haben? Ist eine Kampfkandidatur der SVP gegen die SP bereits beschlossene Sache? Blocher: Beschlossen nicht, aber ich brauche nicht Prophet zu sein, um zu sehen, dass die SVP so beschliessen wird. Ich gehe davon aus, dass sowohl die leitenden Parteigremien als auch unsere Fraktion in diesem Sinne entscheiden werden. Wir können nicht die grösste Partei sein und uns mit einem Bundesratssitz begnügen. Sonst würden wir uns um die Verantwortung drücken. Sie traten 1999 als Kampfkandidat gegen Ruth Dreifuss an und reüssierten nicht. Treten Sie nochmals selber an? Blocher: Wir haben viele fähige Kandidaten. Wenn es aber notwendig ist und die Partei so bestimmt, dann muss ich es selbstverständlich tun, wenn auch ungern. Ich fühle mich hierzu verpflichtet. Ich bin das letzte Mal sowohl gegen Ruth Dreifuss als auch gegen Moritz Leuenberger angetreten. Aber FDP und CVP haben sich damals für eine Linksregierung entschieden. Eine Kandidatur Blocher: Ist das Ihr voller Ernst? Blocher: Wenn das die einzige Lösung ist, selbstverständlich. Bundesratswahlen sind für mich keine Karrierespielchen, zu dem sie leider weitgehend verkommen sind. Für mich wäre eine Wahl unangenehm und belastend, aber ich müsste es auf mich nehmen. Behält die SVP nur einen Sitz, muss sie an anderer Stelle für eine freie, sichere und wohlhabende Schweiz kämpfen. Wenn Bundesrat Villiger vorher zurücktreten sollte: Wird die SVP auch der FDP einen Sitz streitig machen? Blocher: Dieser Fall ist für die SVP weniger klar. Mindestens im freisinnigen Programm sind viele Punkte positiver als bei der SP, aber die FDP hat nicht mehr die Kraft, danach zu leben. Meines Erachtens könnten wir beim Rücktritt Kaspar Villigers nur darauf verzichten, der FDP einen Sitz streitig zu machen, wenn uns diese Partei zusichert, dass der SVP bei der nächsten Vakanz zulasten von SP oder CVP ein zweiter Sitz zusteht. Versprechen der Parteien sind allerdings erfahrungsgemäss genau unter die Lupe zu nehmen. SVP-Präsident Ueli Maurer hat in der Presse erklärt, die SVP sollte niemanden verheizen und sich in Sachen Bundesrat eher auf die Gesamterneuerungswahlen im Dezember 2003 konzentrieren. Blocher: Ueli Maurer hat mir gesagt, er habe lediglich zum Ausdruck gebracht, dass noch nichts beschlossen und für die Kandidaten die Gefahr gross sei, nicht gewählt zu werden. Zwar gibt es auch bei uns Leute, die nicht antreten können, weil sie glauben, im Falle einer Niederlage politisch erledigt zu sein. Aber wissen Sie: Eine markante Persönlichkeit, die aus politischer Überzeugung antritt, weil sie im Interesse der Sache antreten muss und nicht nur aus Karrieregründen, kann auch eine Wahlniederlage gut ertragen. Das Parlament hat Ihnen 1999 die kalte Schulter gezeigt. Warum sollte das gleiche Parlament nun anders entscheiden? Blocher: Ich bin überzeugt, dass in bürgerlichen Kreisen die Einsicht um sich greift, so könne es nicht weitergehen. Die Bilanz der sogenannten Koalition der Vernunft gegen die SVP ist sichtbar zu negativ. Vor drei Jahren wurde zudem geltend gemacht, es stehe dem Parlament nicht an, ein amtierendes Bundesratsmitglied abzuwählen. Es müsse schon eine Vakanz eintreten. Dann wäre sie ja da. Die SVP muss ihre klare Bereitschaft mit einer fähigen Kandidatur belegen. Wir wollen nicht die Oppositions-Rolle einnehmen und sagen, was getan werden müsste, ohne auch bereit zu sein, unsere Positionen in der Regierung zu vertreten. Warum stellen Sie sich nochmals zur Verfügung? Weil Sie wissen, dass das Parlament Blocher sowieso niemals wählen wird? Blocher: Ich tue es nur, wenn kein anderer fähiger Kandidat bereit ist, diesen Kampf an vorderster Front zu führen, und sofern die Fraktion es beschliesst. Natürlich ist es wahrscheinlich, dass ich nicht gewählt würde. Aber wenn die SVP zum Schluss kommt, es müsse nochmals Blocher sein, dann werde ich es tun.

08.08.2002

Ebner ist der Hauptleidtragende

Christoph Blocher sieht durch Martin Ebners Absturz den Finanzplatz Schweiz nicht gefährdet und erkennt keinen politischen Handlungsbedarf. Interview mit FACTS vom 8. August 2002 Interview: Lukas Hässig Herr Blocher, der Absturz Ihres Freundes und langjährigen Geschäftspartners Martin Ebner bringt den Finanzplatz Schweiz ins Wanken. Werden Sie als Politiker aktiv? Christoph Blocher: Deswegen kann ein Finanzplatz nicht wanken. Sonst wäre das ja ein arg schwaches Gebilde. Soweit ich das beurteilen kann, hat man die BZ Bank und Ebners Holding zu unterscheiden. Die Bank ist laut Bankenkommission solide und wird kontrolliert. Die Aufsichtspflicht funktioniert also offenbar. Die Probleme in der Holding sind Ebners Privatsache, da keine Publikumsaktionäre vorhanden sind. Wenn es dort schlecht geht, verlieren nur Ebner und seine Mitaktionäre. Für diesen Fall braucht es keine neuen Gesetze. Die staatliche Zürcher Kantonalbank musste Ebners "Visionen" übernehmen. Werden Sie als SVP-Politschwergewicht den mitverantwortlichen Politikern Fragen zum heiklen Engagement stellen? Blocher: Natürlich haben die Zürcher Politiker zu fragen, wie die Gesamtrisiken der Zürcher Kantonalbank insbesondere bei dieser Börsensituation sind. Unsere Kantonsräte werden entsprechende Fragen stellen. Macht der Verkauf der "Visionen" an die ZKB Sinn? Blocher: Für eine Anlagebank wie die ZKB durchaus. Dies bringt ihr Anlagevolumen und neue Kunden, und die Aktionäre der "Visionen" erhalten mehr Sicherheit. Hätte ich eine Anlagebank, hätte ich den Kauf der "Visionen" auf diesem Niveau wohl auch geprüft. Beim Swissair-Debakel haben Sie Zeter und Mordio geschrieen, bei Ebner bleiben Sie untätig. Weil Sie selber bei Ebners "Visionen" dabei waren und massiv profitierten? Blocher: In der Swissair steckte Staatsgeld von Bund und Kantonen, sie unterstand der Aufsichtspflicht des Bundes, und der Bund bezahlte zwei Milliarden Franken. Deshalb habe ich mich dagegen engagiert. Die Pharma Vision ist hingegen eine private Publikumsgesellschaft. Vor fünf Jahren habe ich als privater Investor meine Beteiligung verkauft und deshalb das Präsidium niedergelegt. Heute hat unsere Firma mit der BZ Bank geschäftliche Beziehungen, und ich bin zufrieden mit ihr. Sie haben sehr viel Geld verdient mit der Pharma Vision und sind rechtzeitig ausgestiegen. Die Banken und die Kleinaktionäre erleiden hingegen grosse Verluste. Wie wäre das zu verhindern gewesen? Blocher: Alle Aktionäre, die am Anfang mitmachten, haben bei dieser Gesellschaft Geld verdient. Nun folgten heftige Börseneinbrüche. Ein Aktionär - gross oder klein - ist auch Unternehmer. Unternehmer verdienen Geld, wenn es gut geht, und verlieren, wenn es schlecht geht. Als die UBS letzten Herbst die Offenlegung seiner Gesamtverschuldung forderte, bezahlte Ebner die Kredite zurück und brach die Beziehung zur UBS ab. Offensichtlich wollte er das gesamte Schuldenbild nicht zeigen. Sehen Sie hier Handlungsbedarf? Blocher: Ob die UBS oder sonst wer Gläubigerbank war, weiss ich nicht. Ich kenne die Situation von Herrn Ebners Gesellschaft nicht. Politischer Handlungsbedarf, um Kreditbanken zu schützen, besteht auf jeden Fall nicht. Was denken Sie als Martin Ebners Freund über dessen Absturz? Blocher: Es hat mich berührt, dass er sein Ziel mit den "Visionen" infolge der Börsenkrise nicht erreichen kann. Er ist mit Sicherheit der Hauptleidtragende, weil er als Hauptaktionär am meisten verliert. Ich habe den Lebensweg von Martin Ebner, der von ganz unten kommt, mitverfolgt. Er war der weitaus innovativste Bankier, als Person blieb er immer bescheiden. Haben Sie sich überlegt, Ebner vor dem Absturz zu bewahren und ihn finanziell zu unterstützen? Blocher: Er hat mich nicht um Hilfe gebeten. Finanzielle Unterstützung wäre auch nicht möglich. Als Privatperson verfüge ich nicht über das nötige Kapital, und unsere Firma dürfte solche Kredittätigkeiten nicht eingehen. Was hat Ebner der Schweiz an Bleibendem gebracht? Blocher: Er hat das Denken verändert. Die Aktionäre als Eigentümer einer Firma haben das Recht, für ihren Risiko-Einsatz fair entlöhnt zu werden. Die Verwaltungsräte müssen die Rechte dieser Eigentümer wahrnehmen und schlank und kompetent sein. Und in der Wirtschaft geht es darum, Mehrwert zu schaffen. Das ist heute dank Ebner allen Pensionskassen, Lebensversicherungen und übrigen Grossinvestoren klar. Die Börsenkrise ist nicht die Folge von Ebners Schwierigkeiten, sondern deren Ursache.