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Geschichte

19.04.1999

Anker drückt eine tiefe Liebe zu den Menschen aus

Nationalrat Christoph Blocher zeigt zum ersten Mal seine Anker-Sammlung Interview mit der Schweizer Illustrierten vom 19. April 1999 Dass er Kunst sammelt, wussten bisher nur ein paar Eingeweihte. Jetzt tritt Christoph Blocher erstmals mit einem Teil seiner riesigen Kunstsammlung an die Öffentlichkeit. In Biel zeigt er 97 Bilder des beliebten Schweizer Malers Albert Anker (1831 bis 1910). Interview: Peter Rothenbühler Warum sind Sie plötzlich bereit, Ihre Anker-Sammlung der Öffentlichkeit zu präsentieren Christoph Blocher: Mehr der Not gehorchend als dem eigenen Triebe. Herr Gerhard Saner hat mich überzeugt, es zu tun. Aber eigentlich ist diese Sammlung noch gar nicht so weit, dass man sie als Gesamtheit zeigen könnte. Sie haben immerhin 130 Werke von Albert Anker und sind damit der grösste Anker-Sammler überhaupt. Blocher: Die Zahl allein ist nicht massgebend. Ein Sammler ist nie zufrieden. Was hatten Sie denn sonst vor mit der Sammlung? Blocher: Ich habe die Bilder alle bei mir aufgehängt, und ich freue mich jeden Tag daran. Ich habe ja auch die nötigen Wände dazu, zum Beispiel in unserem Schloss im Kanton Graubünden. Ich leihe einzelne Bilder auch für Ausstellungen aus Haben Sie Ihr neues Haus in Herrliberg auch um die Bilder herum gebaut? Blocher: Ja. Ich habe vor allem darauf geachtet, dass es viele Wände hat. Ein gutes Bild wird bei längerer Betrachtung immer schöner. Ich sitze gerne am Esszimmertisch und schaue das Bild an, das mir gegenüber hängt, den "Schulspaziergang". Ich entdecke noch jeden Tag Neues auf dem Bild. Wieviel Geld haben Sie schon in den Ankauf von Anker-Bildern gesteckt? Das müssen ja zig Millionen sein. Blocher: Ich weiss es nicht und will es auch nicht wissen. Wenn ich ein Bild habe, dann denke ich nicht mehr an den Preis. Aber solche Kunst ist auch eine gute Geldanlage. Blocher: Ich sammle nur aus Freude an der Kunst, aber als Unternehmer kann ich nur das Beste kaufen, denn eines Tages, wenn es schlecht gehen sollte und ich plötzlich das Geld im Unternehmen brauche, muss ich die Sammlung auch gut verkaufen können. Es ist doch sicher gut für Ihr Image, sich dem Volk als Kunstliebhaber darzustellen, der etwas Urschweizerisches wie Anker sammelt. Blocher: Hat jemand ein Ansehen, weil er Kunst sammelt? Ich bin bis jetzt immer wegen meiner Politik gewählt worden. Sicher wird auch darüber gelästert. Ich kann machen, was ich will, es wird mir immer eine böse Absicht unterschoben. Denken Sie daran, in dreissig Jahren mal ein Blocher-Museum zu machen? Blocher: Nein, nein, im Moment denke ich überhaupt nicht daran, was mit dieser Sammlung mal passieren wird. Das wäre doch ein schönes Denkmal für Sie? Blocher: Ich brauche kein Denkmal. Ich werde auch mal verlocht wie die anderen Leute. Ich wüsste nicht, wofür ich ein Denkmal bekommen sollte. Sie werden in die Schweizer Geschichte eingehen als der, der zu wichtigen Dingen nein sagte, die dann trotzdem gekommen sind. Das reicht nicht für ein Denkmal. Aber Ihre Kunstsammlung, die wird Bestand haben. Blocher: Mit dem Nein sagte ich gleichzeitig ja zu wichtigen Dingen. Und die werden erhalten bleiben. Ob es für mich mal ein Denkmal geben wird, kann man erst zweihundert Jahre nach meinem Tod entscheiden. Rennen Sie als Sammler eigentlich jedem Anker nach, der irgendwie in den Verkauf kommt? Blocher: Nein. Ich bin wählerisch. Es gibt hingegen Bilder, die ich jahrelang suche. Wenn ich ein solches finde, dann fiebere ich schon. Haben Sie auch schon ein Bild etwas teurer bezahlt, damit es nicht ins Ausland geht? Blocher: Nur einmal, weil ich wusste, dass es ein Japaner kaufen wollte. Ich habe gesagt, wir lassen dieses Bild doch nicht nach Japan gehen, was soll das dort? Aber eigentlich finde ich es nicht schlimm, dass die Kunst auf der ganzen Welt verstreut ist. Ich finde es nur schade, wenn sie in einem Safe verschwindet. Die Bilder von Anker haben viel mit dem zu tun, was Sie als Politiker vertreten: zurück zur heilen Welt. Dr Ätti sitzt auf dem Ofenbänkli, und ds Vreneli strickt fleissig einen Spenzer. Blocher: Wer das sagt, kennt Anker nicht. Anker ist kein Bluemete-Trögli-Maler. Nur Banausen denken so. Dass Anker heute allein aus künstlerischen Gründen weltweit hoch anerkannt ist, daran gibt es nichts mehr zu rütteln. Was die Sujets anbelangt, reiht sich Anker in eine Tradition von grossen Schweizer Künstlern am Ende des letzten Jahrhunderts ein, die alle ähnlich eingestellt waren. Denken Sie an Ferdinand Hodler, der mit Besessenheit unberührte Landschaften gemalt hat, ohne Fabriken, ohne Bauten, ohne Anzeichen der aufkommenden Industrialisierung. Auch ohne Eisenbahnen? Blocher: Ja, ohne Züge. Von Anker gibt es immerhin ein Bild von einem Geometer, der das Land für den Eisenbahnbau vermisst. Oder denken Sie neben Anker und Hodler an Segantini, der als Landschaften ebenfalls die unberührte Bergwelt gemalt hat. Diese Künstler waren alle so etwas wie Kulturkritiker: Sie haben bewusst im Zeitalter der Industrialisierung das Gegebene, das Gewachsene gemalt, das, was ohne Konstruktionen entstanden ist. Die Menschen, die Anker malte, waren doch recht arm. Wer Armut schön darstellt, kann damit auch andeuten, dass er an der Verbesserung der Zustände nicht interessiert ist. Und damit wären wir wieder bei Ihrer Politik. Blocher: Lassen wir diese Unterstellung. Auch dies könnten Sie bei Hodler und Segantini sagen. Anker kam aus einem gut-bürgerlichen Hause, der Vater war Kantonstierarzt in Neuenburg. Segantini und Hodler hatten eine ganz schlimme Jugend in grosser Armut. Segantini hat als Maler in seinen Landschaften auch die Armut dargestellt. Ich glaube nicht, dass er damit die Armut akzeptiert hat. Auch "Der Zinstag" von Anker ist doch eine traurige Szene, die die Abhängigkeit der armen Bauern darstellt. Aber selbst darin hat er das Schöne gesehen. "Die Kinderkrippe" ist ein erschütterndes Bild, aber Anker hat jeden kleinen Kerl mit viel Liebe schön gemalt, denn selbst in dieser Situation ist für jedes Kind Gnade gegeben. Er schreibt in einem seiner Briefe, er wolle bei jedem Menschen das Schöne darstellen. Er wollte das Schöne sehen, und er liebte den Spruch aus dem Buch Hiob: "Siehe, die Welt ist nicht verdammt!" In welchem Alter haben Sie gemerkt, dass Kunst Sie interessiert? Blocher: Das habe ich nie überlegt. Ich hatte schon als Kind immer Freude an Bildern. Noch heute, wo immer ich hinkomme, schaue ich zuerst die Bilder an. Das ist einfach so. Zu Hause hatten wir unter anderen Hodler, Anker und Segantini an der Wand. Natürlich nicht Originale, sondern Drucke. Die Zeitschrift "Beobachter" hat ja jahrelang Schweizer Kunst auf den Titelbildern reproduziert. Die hat mein Vater eingerahmt. Sobald ich etwas Geld hatte, fing ich an, Zeichnungen zu kaufen. Von wem? Blocher: Früher habe ich vor allem Holzschnitte gesammelt, die waren ja auch noch zahlbar. Dann kam ich auf Anker-Zeichnungen, Skizzen. Sehr früh hat mich dann vor allem das Porträt interessiert. Warum? Blocher: Weil in der Einzelfigur die Botschaft von Anker, dass im einzelnen die ganze Welt, der ganze Kosmos gezeigt werden kann, noch besser zum Ausdruck kommt. Die Porträtierung des einzelnen drückt auch die tiefe Liebe zum Menschen aus. Anker hat vor allem ganz junge und ganz alte Leute gemalt. Ich habe Bilder von Greisen, die kurz vor dem Tod stehen, die immer schön sind. Er hat auch Menschen auf dem Totenbett gemalt. Und keine im besten Mannes- oder Frauenalter. Blocher: Wenig. Das hat damit zu tun, dass ihn das werdende Leben und das vergehende Leben am meisten interessiert haben. Mit welcher Figur, die Anker gemalt hat, würden Sie sich persönlich am meisten identifizieren? Blocher: Mit dem Buben, der auf das Plakat kommt. Er hat ja ein Buch in der Hand, hat also alles, worauf man heute soviel Wert legt, Bildung und Studium und so. Aber er schaut misstrauisch über das Buch hinweg in die Welt hinaus. Ich war immer skeptisch gegen alles Dogmatische. Sie sind aber nicht gegen das Bücherlesen? Blocher: Nein, ich lese wahnsinnig viele Bücher, immerzu, vor allem nachts, wenn ich nicht schlafen kann, am liebsten Biographien. Ich lese gerade die Lebensgeschichten von Segantini und Hodler. Ich will herausfinden, in welcher Relation die Lebensgeschichte zum Werk der Künstler steht. Wie würden Sie in einem Kurzporträt die Persönlichkeit Albert Anker umschreiben? Blocher: Er stammte aus bürgerlichem Haus, war gebildet, war ein sehr ernster Mann, hatte einen Bart, stechende Augen, war ein guter Beobachter, er lebte im Sommer in Ins, im Winter in Paris. Er war sicher ein sehr rechtschaffener Mann, hat sich um seine Familie gekümmert und nie über die Schnur gehauen. Er sprach meistens französisch, weil er in Neuenburg aufgewachsen ist. Er hat in Deutschland studiert, war in Italien. Was gibt Ihnen die Kunst von Anker ganz persönlich? Blocher: Sehr viel Kraft. Sie gibt das Wissen, dass man in dieser Welt bestehen kann, die Gewissheit, dass man nicht untergeht, auch wenn es noch so schwierig wird. Das ist besonders heute wichtig, wo so viele behaupten, die Welt werde untergehen, wenn man nicht dieses oder jenes täte. Diesem Grössenwahn stellt Anker das "Siehe, die Welt ist nicht verdammt" gegenüber. Was empfehlen Sie den Besuchern der Anker-Ausstellung? Wie sollen sie die Bilder betrachten? Blocher: Es sollte jeder möglichst unvoreingenommen an die Bilder herangehen. Er soll sich keine Mühe geben, die Bilder schön zu finden. Wenn jemand ein Bild schön findet, umso besser. Ich will überhaupt nicht erzieherisch wirken. Kunst ist kein Buch, das man auswendig lernen muss. Mir gefallen auch die Titel von Anker, er will gar nichts Besonderes erzählen, er nennt sein Bild "Strickendes Mädchen" oder "Kaffee und Kartoffeln". Punkt. Entweder sieht jemand die Schönheit der Kaffeekanne und der Kartoffeln, oder er sieht sie eben nicht und sagt, wegen einer solchen blöden Kaffeekanne bin ich bis nach Studen gefahren. Warum haben die meisten Menschen auf Ankers Bildern eher traurige Augen? Blocher: Es gibt nur ganz wenige Bilder, auf denen Menschen lachen. Meistens sind es Kinder, wenn sie ein Bäbi oder eine Katze bei sich haben oder Schabernack treiben. Aber Leute, die allein sind und etwas tun, lachen nicht. Das entspricht auch der Wirklichkeit. Wir müssen immer "grinsen", vor allem für Fotos, aber eigentlich lachen wir doch nicht vom Morgen bis zum Abend, vor allem nicht, wenn wir allein sind. Kinder, die etwas tun, sind ganz konzentriert bei der Sache, machen ein ernstes Gesicht, wenn sie lismen, malen oder Aufgaben machen. Das ist ein wichtiges Thema bei Anker: Seine Leute sind bei der Sache. Im Gegensatz zu vielen "namhaften" Leuten. Die Manager rennen über Nacht aus der Bude raus, wenn es ihnen nicht mehr passt. In der Politik macht auch jeder etwas Neues: Ich habe ja in Bern gar keine Gegner mehr. Alle sind verreist. Der eine geht in den Walliser Staatsrat, dort ist er auch schon wieder draussen, der Ledergerber verschlauft sich im Zürcher Stadtrat, Jaeger, mit dem ich oft die Klinge gekreuzt habe, geht zurück an die Universität und verkündet dort plötzlich, was er früher bekämpfte. Haben Sie kein Interesse an moderner Kunst? Blocher: Ich will es so sagen: Ich habe es schwer mit nichtgegenständlicher Kunst. Ich schaue auch ein Bild von Max Bill sofort an, es gefällt mir auch in den Farben und Formen, aber ich könnte es nicht zu Hause aufhängen und dauernd anschauen. Wenn ich auf Geschäftsreisen in die Kunsthäuser gehe, interessiert mich alles, aber als Sammler habe ich mich auf die Schweiz des neunzehnten Jahrhunderts konzentriert, mit Anker als Schwergewicht * * * Die Fondation Saner befindet sich in Studen bei Biel, an der Autobahn Bern-Biel, Ausfahrt Studen. Die Ausstellung "Albert Anker - Sammlung Christoph Blocher" ist vom 25. April bis am 29. August 1999 zu folgenden Zeiten geöffnet: Freitag, 17.00 bis 20.00 Uhr, Samstag und Sonntag, 10.00 bis 17.00 Uhr. Gruppen nach Vereinbarung. Parkplätze sind vorhanden. Telefon 032 - 373 13 17, Fax 032 - 373 40 09.

16.04.1998

Die Oper gehört ins Volk

Kultur ist im Leben von Nationalrat Christoph Blocher kein Fremdwort Interview in der "Züri Woche" vom 16. April 1998 Er hat schon höchst eigenwillige Vorträge über "Mozart ein Industrieller" oder seinen Lieblingsmaler Albert Anker gehalten. Demnächst tritt der Bündner "Nabucco-Chor", den Blocher unterstützt, in Zürich auf. In einem Exklusiv-Interview mit der "Züri Woche" vertieft er seine persönlichen Ansichten. Sie besitzen rund 100 Bilder von Albert Anker und etwa 30 von Ferdinand Hodler. Sie lieben in der Musik Mozart und Verdi. Gibt es da Gemeinsamkeiten? Christoph Blocher: Ganz eindeutig. Besonders zwischen Anker und Mozart einerseits, Hodler und Verdi anderseits. Mozart und Anker scheinen vordergründig eine heile Welt darzustellen, doch wer genau hinhört oder hinschaut, merkt, dass es dahinter brodelt. Trotzdem: Bei beiden spüre ich die Botschaft von Gnade. Hodler und Verdi dagegen symbolisieren für mich Kraft und Energie. Ihre Kunst schöpft in der Natur sowie in der Seele der Menschen. Alle vier sind sehr volksnah - im besten Sinne des Wortes. Ihr Geschmack lässt sich mit Ihrer politischen Haltung vergleichen: traditionell, aufs Schöne ausgerichtet, fast klassisch. Blocher: Bin ich in einer Stadt und habe freie Zeit, so findet man mich oft in Museen. Ich liebe vor allem Malerei, auch den Ex- und Impressionismus. Mit moderner Kunst habe ich allerdings etwas Mühe. Ich sage nicht, sie sei schlecht. Aber mir gefällt sie ganz einfach nicht. Trotzdem haben Sie den "Denkpartner" des umstrittenen Zürcher Künstlers Hansjörg Limbach bei sich in Ems ausgestellt und dieses Sujet als Leitmotiv auf die Jahresberichte Ihres Unternehmens gesetzt. Eine Statue, die übrigens 1980 auf dem Paradeplatz stand. Hat Schang Hutters "Shoah" eventuell auch die Chance, in 10 bis 15 Jahren Ihr Werk zu zieren? Blocher: (lacht) Ich meine, Kunst sollte schön und nicht bewusst hässlich sein. Mit dem Würfel von Hutter kann ich nichts anfangen. Ich habe den Würfel zwar nicht direkt "wüescht gfunde", kann mir sogar vorstellen, dass die Dimension und die Figur oben drin ein Konzentrationslager darstellen. Generell finde ich Kunst auf öffentlichem Grund anregend und positiv. Ich habe mich nicht darüber aufgeregt, dass der Würfel aufgestellt wurde, ich habe mich aufgeregt, dass sich Hutter damit einfach über die gültige Rechtsordnung hinweggesetzt hat. Ihm persönlich habe ich gesagt, er sei ein intoleranter Mensch, der von uns verlange, dass wir alle seine Kunst schön fänden. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ein Schang Hutter wird wohl kaum in Ems stehen. Dafür kommt jetzt Ihr "Ernani" nach Zürich. Blocher: Ja. Und darauf freue ich mich sehr. Besonders wenn ich an die Erfolge von "Nabucco" denke. Ich bin überzeugt - und dafür engagiert sich auch unsere Firma -, dass Oper nicht eine Kunst für die "Oberen Zehntausend" sein darf. Oper gehört ins Volk. Mit dem rund 100köpfigen Bündner Chor - alle Sängerinnen und Sänger des Chores sind ausgebildete Laien aus dem Bündnerland - und Verdis Musik erreichen wir dieses Ziel. Dass Sie "Nabucco" aufgeführt haben, leuchtet mir ein: Da will Verdi die Botschaft von Freiheit verkünden, da kennen alle den Gefangenenchor. "Ernani" hingegen ist ein Banditenstück mit unzähligen Intrigen. Das passt doch nicht so ganz zu Christoph Blocher. Blocher: Es geht mir bei der Oper weniger um den Inhalt als um die Musik. Und die ist bei Verdi kraftvoll und volksnah. Kommt dazu, dass die Bündner Stimmen ideal sind fürs italienische Fach. Also hat der künstlerische Leiter, der Bass Armin Caduff, erneut eine diesmal etwas komplexere Oper Verdis speziell für seinen Chor und eine einfache, halbszenische Aufführung eingerichtet, die auch in Mehrzweck- und Turnhallen gespielt werden kann. Sie fördern also Oper. Stand Alexander Pereira noch nie bei Ihnen auf der Matte? Blocher: Doch. Aber ich habe meine eigenen Ideen. Ich will mit meinem Geld nicht das unterstützen, was bereits staatliche Mittel in grösserem Umfang verschlingt. Ich bin generell gegen Staatskultur. Denn hier bestimmt ein kleiner Kreis von sogenannten Experten, was unterstützungswürdig ist und was nicht. Ich vertrete das gute alte Prinzip des privaten Mäzenatentums. Als Firma oder als Privatmann Blocher? Blocher: Als Privatmann. Da unterstütze ich dieses Jahr den Produzenten Lukas Leuenberger mit seinem Projekt über Ulrich Bräker, den Toggenburger Dichter, dessen 200. Todestag wir 1998 feiern. Der Hirtenjunge Bräker zog als einfacher Mensch in die Welt, trat in die Dienste des Preussenkönigs Friedrich II., beschäftigte sich mit Shakespeare und zeichnete in seinen Texten - vor allem in "Der arme Mann im Toggenburg" - ein hervorragendes Bild seiner Zeit. Doch das Bundesamt für Kultur erachtet Bräker nicht als ehrenswürdig, also tue ich es. Ausgerechnet mit Lukas Leuenberger, der die Nationalräte mit seinem "Herkules und der Stall des Augias" verärgerte und dann mit "Jeanmaire" erneut für negative Schlagzeilen sorgte. Blocher: Den "Herkules" habe ich nicht gesehen. Dafür seine frühen Produktionen wie "Der Besuch der alten Dame" im Ankerdorf Ins - so bin ich überhaupt auf ihn gestossen, ganz per Zufall - und "Die schwarze Spinne" im Emmental. "Jeanmaire" habe ich auch gesehen. So schlimm war es doch gar nicht. Auf die Szene in den Unterhosen wurde viel zu viel Gewicht gelegt. Ich fühlte mich persönlich sehr angesprochen, da Jeanmaire im Militär mein Vorgesetzter war und ich ihn sehr gut kannte. Zurück zu "Ernani": Dass hier das Transsylvanische Symphonie-Orchester Budapest spielt und nicht ein Schweizer Ensemble passt nicht so ganz zu Christoph Blocher. Blocher: Wäre ein bündnerisches Orchester zur Verfügung gestanden, hätten wir bestimmt dieses ausgewählt. Doch als wir 1992 ein Orchester für "Nabucco" brauchten, kam uns eine ganz andere Idee: Osteuropa wurde frei. Der Ruf nach Unterstützung wurde laut. Diesem Ruf wollten wir folgen. Nicht, indem wir einfach Geld hinschickten, sondern besser, indem wir ihnen Arbeit verschafften. Sicher: Ein Orchester aus Osteuropa ist billiger als ein Schweizerisches. Umgekehrt muss man sehen, dass wir mit unserem Beitrag diesen Musikern ihre Existenz zu sichern helfen. So verstehe ich "Entwicklungshilfe". Und weil die Zusammenarbeit bei "Nabucco" hervorragend klappte, haben wir sie wieder für "Ernani" engagiert. Was bezwecken Sie genau mit Ihrem Engagement für den Bündner Nabucco-Chor? Blocher: Es gibt viele wunderbare Stimmen im Bündnerland. Dieser Chor vereinigt sie auf besonders beeindruckende Weise. Selten haben mich Opernaufführungen so berührt, wie mit diesem Chor. Die Surselva ist ein karges Gebiet. Es hat nur Wasser, Schnee, Steine… und wunderschöne Stimmen voller natürlicher Lebenskraft und Lebensfreude! Diese wollen wir in die Schweiz hinaustragen und damit die Kultur Bündens fördern und unterstützen.