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Wirtschaft

16.03.2011

«Jetzt heisst es, Nerven behalten und warten bis man den Überblick hat»

Interview im «Tages-Anzeiger» vom 16. März 2011 mit Matthias Chapman zur Schweizer AKW-Politik Herr Blocher, Sie kennen Japan von der Firma Ihrer Tochter her. Stehen Sie in Kontakt mit Leuten der EMS-Chemie dort? EMS hat regelmässig Kontakt. Was hören Sie von dort? Die Fabrik steht südöstlich von Tokio, ist also nicht betroffen.  Büros hat EMS in Tokio. Die Mitarbeiter mit Familien in Tokio können meines Wissens ins Werk, wenn sie wollen. Aber im Moment gibt es dazu keine zwingenden Gründe. Mit den Geschehnissen in Japan wird die Debatte für und wider neue AKW erneut heftig debattiert. Was sagen Sie dazu? Jetzt müssen wir zuerst einmal abwarten. Während Katastrophen darf man keine langfristigen Entscheide treffen, die nicht nötig sind. Es heisst: Warten bis man den Überblick hat, bis man sieht, was passiert ist.  Dann werden die Erkenntnisse geprüft, um herauszufinden was das für unsere Kraftwerke und Energieversorgung heisst. Nerven behalten! Halten Sie es für möglich, dass hiesige Kraftwerke geschlossen werden müssen? Die Situation in Japan ist ganz anders, das weiss man. Japan ist eine Erdbebenregion. Vieles ist wegen des Tsunami zerstört, das kann es in der Schweiz nicht geben. Schweizerische Anlagen halten zudem Erdbeben bis Stärke 7 jedenfalls aus. Das ist viel, weil wir weniger Erdbebengefährdet sind. Die Sicherheit unserer Anlagen wird ja laufend überprüft. Vielleicht muss dies nach Erkenntnissen aus Japan  verbessert werden. Möglich ist natürlich immer alles. Aber es muss auch sinnvoll sein. Sie waren quasi Totengräber des Projekts für ein neues Kernkraftwerk in Kaiseraugst. Wurden sie damals plötzlich zum AKW-Gegner? Nein, überhaupt nicht. Es ging um ein "sittliches Begräbnis": Die Situation war so verfahren, dass der Bau des AKW Kaiseraugst unmöglich war. Sie meinen den Widerstand des Volkes? Das auch. Aber noch mehr die Tatsache, dass dadurch die ganzen Verfahren in der Bürokratie steckengeblieben sind. Man kam einfach nicht mehr weiter. Zudem war die geplante Anlage inzwischen schon technisch veraltet. Es machte schlicht keinen Sinn mehr. Darum sagte ich:  Wenn man das AKW Kaiseraugst nicht bauen kann, dann muss man es beerdigen. AKW-Gegner feierten das damals als ihren eigenen Sieg. Für mich ging es weder um eine Feier noch um einen Sieg. Was hiess der Stopp damals für die Schweizer Energiepolitik? Wir kauften danach in Frankreich Kernenergiestrom, konnten langjährige Lieferverträge vereinbaren, und so die Stromlücke schliessen. Bis heute! Aber die Abhängigkeit wurde erhöht. Meines Wissens laufen die Verträge in rund 10 Jahren aus, dann wird es kritisch, v.a. wenn Beznau I und II sowie Mühleberg nicht erneuert werden sollten. Eben erst schien es, als könnten Mehrheiten für neue AKW zustande kommen. Befürchten Sie, dass es damit schon wieder vorbei ist? Wenn das Volk entscheidet, dass es keine neuen AKW will, dann gilt es und dann muss es auch mit den Konsequenzen leben. Das heisst  Stromknappheit, sicher höhere Preise für den Strom, grosse negative Folgen für Wirtschaft, Löhne, Arbeitsplätze, Mietausgaben etc. Ist es richtig, dass Bundesrätin Doris Leuthard die laufenden Bewilligungsverfahren sistierte? Ich hätte das Wort sistieren zwar nicht verwendet. Die Gefahr ist, dass die Beamten dies als Arbeitsstopp verstehen. Aber, dass man die Erkenntnisse Japans bis ins Detail miteinbezieht und berücksichtigt, da hat sie recht. Welche Strompolitik verfolgen Sie und Ihre Partei? Unsere Bedingung ist: Sichere, genügende und kostengünstige Energie. Zur Sicherheit gehört nicht nur die technische Sicherheit, sondern auch die grösstmögliche Unabhängigkeit. Oel kommt aus Lybien, Saudiarabien, Gaslieferungen aus Russland! Wir sind für alle Energieformen zu haben, die das Ziel erreichen. Es besteht in absehbarer Zeit kein äquivalenter Ersatz zu Kernkraftwerken. Es muss also nicht um jeden Preis ein neues AKW her? Wir, ich meine die SVP, hängen nicht an der Kernenergie als solches. Bis jetzt zeichnet sich einfach kein anderer Weg ab. Es gibt Szenarien für die Energiewende. Das ist noch weit weg. Das erfolgreichste auf lange Frist ist die Nutzung von Erdwärme. Aber bis es wirtschaftlich gereift ist, dauert es noch lange. Andere - z.Bsp. Photovoltaikstrom - ist sehr teuer. Der Preis ist nicht gleichgültig. Wären Sie gerne Uvek-Vorsteher gewesen? Im Moment schon. (lacht). In dieser schwierigen Situation, würde ich mich gerne in diese Probleme einlesen und sie lösen. Was ist passiert in den japanischen Kraftwerken? Was sind Erdbebenschäden? Was Tsunami? Und was heisst das für die Schweizer Anlagen? Ich weiss: Neues Leben blüht aus den Ruinen! Kommt es nach den Gesamterneuerungswahlen im Bundesrat vom kommenden Dezember zu einem Gerangel um das Uvek? Nein. Das glaube ich nicht. Das mit der Zukunft der Schweizer Kernenergie ist ja für viele auch eine undankbare Geschichte. Das sah ich schon damals bei SP-Bundesrat Willy Ritschard. Er war in den 70er Jahren überzeugter AKW-Befürworter. Musste die Kernenergie gegen seine eigene Partei verteidigen. Da kam ihm manchmal der Verleider. Wie wichtig wird das Thema „neue AKW in der Schweiz“ im Wahlkampf? Es gibt jetzt nichts zu entscheiden. Und weil alle die Situation prüfen wollen, gibt es keinen Kampf. Eine Diskussion unter Gleichgesinnten ist relativ langweilig! Können Sie sich eine Zukunft ohne Atomstrom vorstellen? Ich schaue nicht in die Steckdose, was da rauskommt (lacht). Wie gesagt: Sollten wir auf anderem Weg zu sicheren, genügendem und günstigem Strom kommen, dann brauchen wir keine AKW mehr. Bis jetzt konnte uns dies niemand zeigen. Herr Blocher, treten Sie nun zu den Wahlen im Herbst an? (lacht) Wie gesagt, das wird erst Ende April entschieden. Machen Sie ihre Entscheidung vom Ausgang der Zürcher Wahlen abhängig? Nein. Aber man soll erst entscheiden, wenn es nötig ist. Wie bei den AKW. Sie wissen es schon, aber sagen es noch nicht. Meine Frau würde sagen, „solche Dinge schiebt er stets vor sich her“.

13.03.2011

Wir nehmen diese Einwände der Grossbanken ernst

Interview mit der «SonntagsZeitung» vom 13. März 2010 mit Denis Vonburg Wird die SVP die Vorlage des Bundesrates zu too big to fail unterstützen? Diese Vorlage nicht. Sie muss zur Überarbeitung an den Absender zurück. Sie verhindert nicht, dass der Staat bei Konkurs einer Grossbank haftet - darum geht es aber. Dafür wird viel zusätzliches geregelt, von dem niemand weiss, was es für Auswirkungen auf die schweizerische Volkswirtschaft hat. Das geht nicht. Warum nicht? Die Verpflichtung, dass die Grossbanken in voneinander unabhängige Tochtergesellschaften aufzuteilen sind, fehlt. Die ganze Vorlage stützt sich im wesentlichen lediglich auf die Erhöhung des Eigenkapitals ab, und ist geprägt von einem unglaublichen Glauben an die Regulierungsbehörden, die allesamt auf der ganzen Welt die Bankenkrise weder vorausgesehen, geschweige denn verhindert hatten. Im Dezember hat die SVP die Vorschläge des Bundesrates aber noch grundsätzlich begrüsst. Wir haben die Vorschläge der Expertenkommission grundsätzlich begrüsst. Die Vorlage des Bundesrates weicht davon ab. Damals liess man die Aufteilung in Tochtergesellschaften noch als Möglichkeit offen. Da ist das Wichtigste. Aber der Bundesratsvorschlag sieht eine Abtrennung von systemrelevanten Bereichen vor, wenn es nötig ist. Sie glauben doch nicht, dass man die Teile im Krisenfall schnell abtrennen könne. Das wäre im Konkursfall eine Umgehung der Haftungsbestimmungen. Zudem:  Ein Zusammenbruch geschieht bei Banken oft innert kurzer Zeit, wie wir es ja erlebt haben. Was spricht denn gegen die vorgeschlagenen strengen Eigenmittelvorschriften? Die Erhöhung der Eigenmittel vermindert zwar das Risiko eines Konkurses, das ist zu begrüssen. Die Grossbanken bleiben jedoch „too big and too important“ d.h. zu gross und für die Volkswirtschaft zu bedeutsam. Deshalb bleibt faktisch die Staatsgarantie. Das muss man verhindern. Um diese Probleme zu minimieren will der Bundesrat mit dem sogenannten „Swiss Finish“ bei den Eigenmitteln über das internationale Niveau gehen. Hier stellt sich ein anderes Problem: Wie steht es dann mit der Konkurrenz des Finanzplatzes Schweiz? Wir wollen das too big to fail verhindern, aber gleichzeitig einen gesunden Finanzplatz. Die negativen Folgen für die gesamte Wirtschaft sind in keiner Weise abgeklärt, und durchaus ernst zu nehmen. Inwiefern? Die Schweizer Gesamtwirtschaft hat sehr tiefe Zinsen für Bankkredite und Hypotheken. Das ist ein grosser Konkurrenzvorteil für den Schweizer Werkplatz. Wenn man die Eigenmittelvorschriften weit über die ausländische Konkurrenz erhöht, senkt dies nicht nur die Konkurrenzfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz, sondern bringt den Banken auch höhere Kosten, die sie in Form höherer Zinsen auf ihre Kunden abwälzen. Dann steigen die Kosten für Kredite, Hypotheken, Mieten etc. Darum verlangen wir gründliche Abklärungen über die Folgen der weit über das den Ausländern auferlegten Niveaus hinausgeht. Mit einem Trennbankensystem braucht es dagegen keine exzessiven Vorschriften, welche die Konkurrenzfähigkeit der Gesamtwirtschaft beeinträchtigen. Immerhin will der Bundesrat die Kompetenzen der Finma stärken. Diese exzessive Kontrolltätigkeit ist teuer und unnütz. Woher dieses grenzenlose Vertrauen in die Regulierungsbehörden? Wir müssen den Mut haben, Bankenstrukturen so zu verlangen, dass es diese überbürokratischen und letztlich unnützen Regulierungen nicht braucht. Sie sind vor dem Druck der Grossbanken eingeknickt, die drohen bei schärferen Eigenmittelvorschriften die Schweiz zu verlassen. Wir nehmen auch diese Einwände ernst. Wir wollen die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen kennen. Ich habe im übrigen bei einer Fernsehdiskussion mit Herrn Grübel mit Freude festgestellt, dass er einem Trennbankensystem viel positives abgewinnen kann. (Bilanz-Business-Talk: „Unter Altmeistern“, 17.10.2010, SF1). Herr Grübel sieht in einer Holdingstruktur auch eine Möglichkeit, einzelne Geschäftsbereiche aus der Schweiz abzuziehen, so sagt er es jedenfalls in der „Bilanz“. Ich will über Herrn Grübels Motive nicht spekulieren. Wir verlangen sowohl eine Lösung, die die Staatshaftung, gerade auch  für amerikanische Risiken ausschliesst, als auch keine regulative Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft hat. Herr Grübel erwartet sogar beim Trennbankensystem eine Kurssteigerung für die UBS-Aktie – und er hat wohl recht. Der Wert der einzelnen UBS-Töchter, wenn es denn echte voneinander unabhängige Tochtergesellschaften wären, wäre wohl um einiges höher als der Wert der jetzigen UBS. Die Schweizer UBS wäre auf jeden Fall mehr Wert. Wie wollen sie für ihre Lösung mit einem Trennbankensystem eine politische Mehrheit finden? Bisher hat auch die SP eine Aufteilung  der Grossbanken gefordert. Wenn sie dabei bleibt und das hoffe ich, können wir die Vorlage zumindest im Nationalrat zurückweisen. Die SP will nicht nur ein Trennbankensystem. Sie will zusätzlich möglichst hohe Eigenmittel. Am Ende gibt es eine Nein-Allianz zwischen Ihnen und  der SP und es gibt überhaupt keine Lösung. Durch die Rückweisung gibt es die Möglichkeit einer Verbesserung. Aber man sieht es am Terminplan des Bundesrates: Er will die Anliegen der Vernehmlasser gar nicht prüfen, bzw. berücksichtigen. Das ist Pfusch!

06.03.2011

Klare und disziplinierende Regeln

Interview mit der «SonntagsZeitung» zu Devisengeschäften der Nationalbank vom 06.03.2010 mit Denis von Burg Sie wollen der Nationalbank ausserhalb des Kernauftrages Preisstabilität ihre Autonomie beschränken. Devisengeschäfte sind aber doch ein Mittel für die Preisstabilität. Im Extremfall können gewisse Devisenkäufe zur Gewährung der Preisstabilität nötig sein. Das ist eine Grauzone. Genau deshalb braucht es klare und disziplinierende Aufsichtsregeln, die verhindern, dass ein Nationalbankdirektorium alleine und unbeaufsichtigt im Widerspruch zu ihrem Kernauftrag handelt und unglaubliche milliardenschwere Risiken eingeht. Andere Gremien, z. Beispiel der Bankrat, der Bundesrat oder das Parlament müssen das verhindern können. Die SNB hat einen langfristigen Horizont und kann sich vorübergehende Verluste leisten. Es ist zu hoffen, dass sie ihre Verluste wegbringt, sicher ist dies nicht. Wer in einem Jahr ein Drittel seiner Reserven verspielt, geht das Risiko ein, dass er bald ganz am Boden liegt. Man hat bei der UBS gesehen, wie rasch das geht. Zudem kann es durch solche Geschäfte zu einem Interessenskonflikt kommen z.Bsp: Muss die SNB wegen der Inflationsgefahr die Zinsen erhöhen, wird das den Franken weiter stärken. Dann schreckt sie vielleicht davor zurück, weil sie sonst weitere Verluste einfährt. Damit könnte sie ihrem Auftrag, die Preisstabilität zu garantieren, nicht mehr nachkommen. Sie wollen die SNB gängeln, weil sie zu europäisch denkt? Nein. Ich habe zwar aufgrund seiner Äusserungen den Verdacht, dass Herr Hildebrand auf europäischer oder gar globaler Ebene eine Rolle spielen will: Er plädiert für Öffnung und Integration, was nicht in seinen Kompetenzbereich gehört. Er will auch die Bindung des Frankens an den Euro nicht klar ausschliessen. Aber schärfere Aufsichtsregeln braucht es unabhängig der Personen, die gerade in der Führung sind.

30.01.2011

Schengen ist als Fehlkonstruktion rückgängig zu machen

Interview in der «Neuen Luzerner Zeitung» vom 30.01.2011 Das Dubliner Erstasylabkommen ist teilweise ausser Kraft, weil nach einem Urteil aus Strassburg keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland zurückgeschickt werden können. Die Gesuche müssen nun in der Schweiz behandelt werden. Was halten Sie davon? Christoph Blocher: Was bei Schengen/ Dublin vorauszusehen war, aber niemand hören wollte, ist nun eingetroffen: Keine Kontrolle mehr an den Landesgrenzen und alle die über Griechenland in die Schweiz kommen, kann die Schweiz nicht mehr zurückschicken. All die Schlepper werden ihren Kunden (Asylbewerber) sagen: Wir bringen euch nach Griechenland, dann könnt ihr weiter in die Schweiz - und da könnt ihr sicher sein, dass man euch sehr lange nicht heimschicken kann. Genau das hat man vermeiden wollen. Wie denn? Blocher: Früher hatten wir mit einigen Staaten praktische Lösungen, beispielsweise mit Italien. Die gibt es jetzt aber nicht mehr, da alle auf Dublin verweisen. Dublin als grossangelegte Übung spielt nicht. Die Schweiz hat heute leider wieder eine sehr large Asylpolitik. Also werden relativ viele in die Schweiz kommen. Wie kommen Sie darauf? Blocher: Die Zahlen zeigen, dass die Asylpolitik wieder aus  dem Ruder läuft. Seit 2008 sind wir wieder bei 16'000 Gesuchen pro Jahr. Als ich im Amt war, war es gelungen, mit einer konsequenten Linie die Zuwanderung von 21'000 auf 10'000 zu bringen. Dann wurde man wieder larger und bewilligte neue Kredite, statt Missbräuche abzustellen. Besonders gross ist der Misstand bei den Eritreern, Somaliern, Nigerianern. Mit den Eritreern hatten Sie bereits Probleme. Blocher: Ja, das Bundesverwaltungsgericht fällte damals ein katastrophales Urteil, wonach Dienstverweigerer und Deserteure als Flüchtlinge und nicht nur als Vorläufig aufgenommene zu gelten haben. Das hat die Eritreer angezogen. Ich  habe vor meiner Abwahl einen dringlichen Bundesbeschluss auf Februar 2008 angekündigt, um das zu verhindern. Seither wurde versprochen, aber nichts gemacht. Zuzüglich werden jetzt dann viele über Griechenland in die Schweiz kommen und lange oder für immer da bleiben. Ihre Partei bekämpfte bereits per parlamentarischen Vorstoss das Schengen-Abkommen. Steigen Sie nun auch gegen das damit verbundene Dublin-Abkommen auf die Barrikaden? Blocher: In der Praxis funktioniert Dublin sehr schlecht, da es zu lange geht, bis die Abklärung in jenem Staat erfolgt sind, der den Asylsuchenden zurücknehmen müsste. In der Zwischenzeit gehen die Abgewiesenen entweder in ein anderes Land und das ganze Spiel beginnt von vorne. Zudem wird in einzelnen Staaten geschummelt. Ein weiterer Grund, weshalb die Schweiz die Abkommen von Schengen und Dublin kündigen sollte? Blocher: Schengen hat mehr Kriminalität gebracht und wird es noch bringen. Wichtiger als solche multinationalen Systeme sind konsequente Verbrechensbekämpfung im innern. Je konsequenter unechte Flüchtlinge nach Hause geschickt werden, umso weniger werden  kommen.  Asylsuchen darf nicht attraktiv sein. Verheerend ist, wenn z.B. der Kanton Zürich für Abgewiesene wieder Sozial- statt Nothilfe einführen will! Das Asylverfahren ist doch verschärft worden, auch wegen des von Ihnen aufgegleisten Gesetzes. Blocher: Das Gesetz bietet das Instrumentarium, aber es wird nicht angewendet. Man kann, wenn man will. Aussenpolitiker schlagen vor, die Schweiz müsse nun an der EU-Aussengrenze Infrastrukturen für Flüchtlinge mitfinanzieren. Sind Sie dafür? Blocher: Das wäre eine Lösung,  wenn es wirklich funktionieren würde. Das Geld wird in falsche Kanäle geleitet, ohne Nutzen. Wie wollen Sie Schengen und Dublin bekämpfen? Blocher: Zuerst muss man mal zugeben, dass Schengen nicht funktioniert. Die Kriminalität ist gestiegen und hat nicht abgenommen. Das Problem der Sanspapiers verschärft sich. Das Schengener Informationssystem II ist bis heute nicht in Betrieb und wird gemäss den meisten Fachleuten nie funktionieren. Und auch die damalige Zwecklüge, Schengen sei ausgabenneutral, hat sich als Unwahrheit bestätigt – es kostet uns bereits über 50 Millionen Franken pro Jahr. Schengen ist eine Fehlkonstruktion. Deshalb muss man es rückgängig machen. Setzen Sie dafür nur auf den SVP-Vorstoss im Parlament, oder denken Sie auch an eine Volksinitiative? Blocher: Das kann man jetzt noch nicht sagen. Volksinitiativen soll man nie ankündigen, bevor man nicht gewiss ist, dass man über die nötigen Mittel und die notwendige Kraft verfügt sowie eine gewisse Chance hat. Bereits als Justizminister hatten Sie wenig Freude an Schengen und Dublin. Sehen Sie sich nun in Ihrer Kritik bestärkt? Blocher: Ja, leider. Ich war damals ja im Bundesrat eingebunden und konnte mich nicht dagegen wehren. Nachdem aber der damalige Bundespräsident Joseph Deiss erklärt hatte, Schengen und Dublin seien im Bundesrat einhellig gutgeheissen worden, musste ich erklären, das Kollegialitätsprinzip sei nicht dazu da, Unwahrheiten zu verbreiten. Sie haben die Nationalbank unüblich harsch kritisiert, weil sie an Grössenwahn leide, sinnlos spekuliert und Volksvermögen verschleudert habe, und Sie haben den Rücktritt von Präsident Philipp Hildebrand gefordert. Ist das ein neuer Wahlkampfschlager? Christoph Blocher: Nein, ich meine es sehr ernst und bleibe dabei, dass ich an seiner Stelle zurücktreten würde. Die Währungsspekulationen der Nationalbank von 2009 und vor allem  Anfang 2010, die allein bei den Devisen zu einem Verlust von 27 Milliarden Franken führten, waren unverantwortlich, gehörten nicht in das Aufgabengebiet der Nationalbank und sind entweder Ausdruck von Grössenwahn oder einer Fehleinschätzung. Vielleicht auch beides. Deshalb attackieren Sie aus heiterem Himmel die Nationalbank und ihren Präsidenten? Blocher: Es ist nötig. Die Nationalbank hatte zu Recht einen guten Namen, da sie in den letzten Jahren gut gearbeitet  hat. Ihre Kernaufgabe - Preisstabilität - hat sie gut erfüllt, und auch bei der Rettung der Banken hat sie eine gute Arbeit geleistet. Aber es ist immer das gleiche: „Es ist nichts so schwer zu ertragen als eine Reihe guter Tagen“. Es steigt einem schnell in den Kopf. Und niemand wagt einzugreifen. Wie soll die Nationalbank für Preisstabilität sorgen, wenn sie keine Käufe zur Stützung der eigenen Währung vornehmen kann? Blocher: Mit der Geldmenge z.B. Aber massenweise Euros zu kaufen zu einer Zeit, als der Schweizer Franken noch nicht überbewertet war und keine Deflationsgefahr herrschte, war nicht nur sinn- und wirkungslos, sondern spekulativ eingesetztes Volksvermögen. Hätte die Nationalbank tatenlos zusehen müssen, wie der Franken stärker und stärker wird, statt präventiv einzugreifen? Blocher: Ja natürlich. Ihre Käufe haben zum Gegenteil, nämlich zur Aufwertung geführt. Das konnte man schon von Anfang an wissen, dass dem so sein wird! Als bekannt wurde, welche Summen da investiert worden sind, ist der Frankenkurs erst recht in die Höhe geschnellt. Diese aufgabenfremden Handlungsfreiheiten sind einzuschränken. Deshalb wird die SVP einen Vorstoss einreichen, damit die Nationalbank nicht mehr machen kann, was sie will, aber machen kann, was sie muss. Sie haben gesagt, die Nationalbank könne deswegen pleite gehen, glauben Sie wirklich daran? Blocher: Ich sage nicht, sie gehe pleite, aber die Gefahr ist gross. Es ist wie damals bei der Swissair: Diese  war ja auch fast ein gottähnliches Gebilde, das man nicht kritisieren durfte – bis zum Grounding, da war es aber zu spät. Das Gleiche geschah bei der UBS und nun wiederholt es sich bei der Nationalbank. Jeder weiss, dass ich die Nationalbank sehr wichtig finde und nichts gegen Herrn Hildebrand persönlich habe. Aber das, was da gemacht worden ist, ist unverantwortlich. Nochmals: Glauben Sie an einen Bankrott der Nationalbank? Blocher: Das ist durchaus eine reale Möglichkeit! Die Nationalbank hat 240 Milliarden Devisen. Verliert die Währung z.B. 30 Prozent, was möglich ist, ist das Eigenkapital von 66 Milliarden weg und es ist soweit. Ein Unternehmen muss mit dem worst case rechnen, und das ist heute kein theoretischer Fall mehr. Wenn es stimmt, dass die Schweiz mit 160 Milliarden Franken der grösste Gläubiger Deutschlands sei, dann ist das nochmals ein gefährliches Risiko. Damit werden wir erpressbar. Das sieht man bereits am Internationalen Währungsfonds –ein weiterer Fehlschritt. Sie sprechen vom 16-Milliarden-Kredit, den das Parlament im März für den EU-Fallschirm sprechen soll. Wie soll denn die Wirtschaft bestehen, wenn der Euro zusammenbricht? Blocher: Erstens bricht der Euro deswegen nicht zusammen. Haben Sie gehört, was Nicolas Sarkozy in Davos gesagt hat? Nachdem der Euro nun mal geschaffen wurde, muss die EU alles unternehmen, um ihn zu halten und wird das auch unabhängig vom Schweizer Beitrag tun. Ausserdem ist das Geld des IWF kein Mittel, um den Euro zu stützen, sondern um die Länder, die sich durch Misswirtschaft überschuldet haben, und die Länder und Banken, die leichtfertig Kredit gegeben haben, abzusichern. Sollte man die Länder Konkurs gehen lassen? Blocher: Ja, mittels geordnetem Konkurs wäre besser. Aber wenn man dies nicht will, ist es sicher nicht an uns, dies zu vermeiden. Es ist eine Frage der Verantwortung. Wer Kredite gibt, erhält Geld, aber er muss das Risiko tragen. Sollten jetzt die Schweizer Bürger deutsche und französische Banken, welche diesen Ländern leichtfertig Kredite gegeben haben, retten? Das Geld wird auch kaum mehr zurückkommen. Gemäss Bundesrätin Widmer-Schlumpf hat man mit dem IWF noch nie Geld verloren. Blocher: Selbstverständlich. Wie bei  der Weltbank kann man auch im IWF gar kein Geld verlieren. Denn immer, wenn die Zinsen nicht mehr bezahlt werden, nimmt man neue Kredite auf, um daraus wieder die Zinsen zahlen zu können. Es ist das gleiche System, wie es der Betrüger Madoff angewendet hatte. Nur zurück kommt das Geld nicht mehr. Wenn man die verschuldeten Staaten aus erzieherischen Gründen bankrott gehen lässt, wie Sie empfehlen, gehen möglicherweise auch Schweizer Firmen pleite. Blocher: Ich weiss es nicht. Wenn eine Schweizer Firma dort Kredit gegeben hat, muss sie die Konsequenzen tragen. FDP-Vizepräsident Pedrazzini übt harsche Kritik an Ihnen und an der SVP. Ein paar Superreiche hätten sich eine eigene Partei aufgebaut und könnten dank dem vielen Geld ihre Meinung durchdrücken. Was antworten Sie ihm? Christoph Blocher:  Er will die gut strukturierte SVP nicht kennen. Die SVP finanziert den ordentlichen Betrieb durch Parteibeiträge, die bei der SVP relativ hoch sind, dann durch Parteisteuern, und jährliche Beiträge aus der Wirtschaft. Für die Fraktionsauslagen kommt wie bei allen anderen Parteien der Staat auf.  Ich finanziere die Partei nicht mit Spenden, denn die SVP darf nicht von einzelnen Geldgebern abhängig werden. Anders sieht es im Wahlkampf aus. Was sagen Sie zum Vorwurf, Ihr Budget sei ein Vielfaches grösser als jenes der anderen Parteien? Blocher: Ich glaube es nicht. Aber wenn ich an die „Freunde der Freisinnigen“ denke, so viele reiche Leute! Haben denn die Freisinnigen kein Geld? Oder sind alles geizige Kerle? Ist ihnen die Schweiz oder das freisinnige Programm nichts wert? Gemäss Pedrazzini stehen der SVP zweistellige Millionenbeträge zur Verfügung, der FDP aber nur 2,6 Millionen. Blocher: Das ist dummes Zeug. Schön, wenn wir soviel Spenden bekämen. Wir gehen immer gleich vor: Wir stellen ein Wahlkampfbudget auf, bei dem wir hoffen, dass wir mit ca. zwei Millionen durchkommen. Dann machen wir Inserate, suchen dafür gezielt Spender und geben soviel aus, wie wir bekommen. Vor allem für Abstimmungskämpfe gebe auch ich grössere Beiträge. Das habe ich auch in der Schlussphase des Abstimmungskampfs gegen die Steuerinitiative und bei der Ausschaffungsinitiative getan. Bei der Ausschaffungs-Initiative wirft Pedrazzini der SVP vor, die Schweiz mit Inseraten und Plakaten für 10 Millionen zugepflastert zu haben, während die FDP keine 200'000 Franken gehabt habe. So habe man die Leute emotional beeinflusst und gewonnen. Blocher: 10 Millionen ist Unsinn. Zudem: Fast alle Medien setzten sich für den Gegenvorschlag ein, darum waren Inserate der Freisinnigen nicht nötig. Wieder einmal: Obwohl alle Medien und Parteien – ausser der SVP – für die Initiative waren, wurde sie angenommen. Zudem würde ich mich an Stelle von Herr Pedrazzini fragen, wieso die FDP-ler  nicht mehr Geld zusammengebracht haben. Vielleicht war das FDP-Produkt den Franken nicht wert! Herr Pedrazzini selbst hätte doch sicher 100'000 Franken von seinem persönlichen Vermögen geben können, dann hätten die Freisinnigen schon die Hälfte mehr gehabt. Es freut uns aber, dass er meint, die SVP hätte soviel geleistet – das ist  Zeichen einer guten Werbung. Wenn so viel Geld von so wenigen Personen kommt, fehle die breite Abstützung, kritisiert Pedrazzini. Blocher: Es kommt nicht von wenigen Personen. Dann soll er sich als Vizepräsident der Freisinnigen mit einem Vorstoss dafür einsetzen, dass man Parteispenden offen legt, die SP und Grünen machen vielleicht mit. Wir sind zwar nicht dafür, weil alle Parteien dann weniger Geld bekommen.  Er soll aber, wenn ihm soviel daran liegt, dafür kämpfen. Eine Offenlegung der Spender, wird für die SVP nicht peinlich ausfallen. Indirekt lautet der Vorwurf, sie untergraben mit viel Geld die direkte Demokratie. Ihre Antwort? Blocher: Dass der Vorwurf ausgerechnet von einem Freisinnigen kommt, erstaunt mich schon. Auch die SVP gäbe lieber kein Geld aus. Aber die Schweiz ist vielen Bürgern noch etwas wert, und dann spenden sie, vor allem dort, wo der Medien- und Parteienmainstream das Gegenteil verkündet. Pedrazzinis Vorwurf verachtet auch unsere Bevölkerung, wenn er meint, diese sei käuflich. Dabei wissen wir zur Genüge, dass das Volk auch bei Abstimmungen, bei denen sehr viel Geld geflossen ist, anders entschieden hat. Was richtig ist: die SVP muss relativ viel Geld für Inserate ausgeben, um ihre Botschaft zu vermitteln. Die Mitte-Links-Parteien haben das Staatsfernsehen, Staatsradio und fast alle grossen Zeitungen, die das für sie gratis tun. Sie sind also keine Gefahr für die Demokratie? Blocher: Das ist eine Verunglimpfung mehr. Es soll mir mal einer darlegen, wo ich meine Sonderinteressen in der Politik vertreten hätte. Wer verhindern will, dass nicht heimlich persönliche Sonderinteressen vertreten werden, muss anderes tun, was den Freisinnigen nicht angenehm wäre. Man müsste alle die persönlichen Freundschaften in die Verwaltung, in den Bundesrat, im Parlament, beim Versprechen von Posten und Verwaltungsratssitzen für die Zukunft untersuchen. Diese Gefahren drohen in allen Parteien und sind gefährlich für die Demokratie.

24.01.2011

Eine unbeschränkte Handlungsfreiheit der Nationalbank steht ausser Frage

Interview in der «BaZ» vom 24. Januar mit Philipp Loser und Markus Somm BaZ: Herr Blocher, in Ihrer Albisgüetli-Rede haben Sie die Nationalbank frontal angegriffen. Sie fordern eine strengere Aufsicht und mehr Regeln. Warum wollen Sie mit der SVP die politische Unabhängigkeit der Nationalbank beschneiden? Christoph Blocher: Die Geldpolitik der Nationalbank muss unabhängig bleiben. Hingegen darf es bei Spekulations- und anderen auftragsfremden Tätigkeiten keine unbeschränkte Handlungsfreiheit geben. Die Nationalbank hat – bei hohen Kursen - spekulativ 240 Milliarden ausländische Devisen gekauft vor allem Euros.  240 Milliarden! Nehmen wir an, diese Devisen verlieren 30 Prozent an Wert, was nicht unmöglich ist, dann geht die Nationalbank pleite. Und darum greifen Sie die Unabhängigkeit der Nationalbank an? Aber nochmals: Diesen Vorwurf haben wir erwartet. Unabhängigkeit bei der ureigensten Aufgabe – Schranken bei der Überschreitung des gesetzlichen Auftrages. Die Nationalbank hat in letzter Zeit massiv „unter dem Zaun durchgefressen“ -  mit Volksvermögen sinnlos spekuliert. Das ist zu unterbinden. Die SVP motioniert: Es gilt einen Mechanismus zu finden, der solches Tun in Zukunft unterbindet. Das Schweizervolk hat 21 Milliarden durch dieses Tun verloren! Die SNB erzielte den gleichen Verlust wie damals die UBS! Die 21 Milliarden sind aber nur Buchverlust. Die angehäuften Euros könnten ja wieder an Wert gewinnen. Buchverluste sind echte Verluste! Auch die UBS hat damals nur Buchverluste erlitten. Eine Nationalbank darf schlicht nicht solche Risiken eingehen. Zu glauben, die SNB könne den Euro stützen – und dann auf so hoher Stufe – ist Grössenwahn. Durch spekulative Zukäufe den Euro retten können weder die Europäische Zentralbank, noch die Amerikaner. Also auch keine Aufgabe für die Schweiz. Ausserdem war der Zeitpunkt der Intervention falsch. Die SNB kaufte, als der Franken noch gar nicht überteuert war. Es ist nicht nur Grössenwahn, sondern auch Fehleinschätzung. Es darf nicht sein, dass das Direktorium einen derart grossen Spielraum hat und damit das Vermögen des Schweizer Volkes aufs Spiel setzen kann. Sie greifen die Nationalbank an, meinen aber ihren Präsidenten, Philipp Hildebrand. Er ist der Präsident und trägt eine besondere Verantwortung. Unter ihm hat sich das Direktorium verspekuliert. Da gibt es nichts zu deuteln. Bei der UBS zumindest hatte ein solcher Verlust personelle Konsequenzen! Die Herren Ospel, Häringer, Rohner und Kurer mussten zurücktreten. Gelten bei der SNB andere Gepflogenheiten? Sie fordern seinen Rücktritt? An seiner Stelle würde ich zurücktreten. Und wenn die von der SVP geforderte Untersuchung dies alles zu Tage fördert, müssen er und allenfalls weitere zurücktreten. Dann braucht es nach Ihrer Logik aber keine neuen Regeln mehr. Doch, doch, Regeln gelten für die Zukunft. Die Abklärungen der Verantwortung betrifft die Vergangenheit. Bei seinem Rücktritt als Direktoriumspräsident sagte Jean-Pierre Roth, die Privatbanken kommen und gehen, die Nationalbank bleibt ewig. Das war vor nur zwei Jahren! Und heute rätseln wir darüber, was wir bei einem Konkurs der Nationalbank wohl machen müssten! Sie übertreiben. Leider nicht! Das sind mehr als Gedankenspiele. Die Nationalbank ist auch die treibende Kraft, welche die überschuldeten EU-Staaten unterstützen will. Sie will neben den 21 Milliarden auch noch 16 Milliarden Franken dem Internationalen Währungsfonds (IWF) geben, um die kreditgebenden EU-Banken zu retten. Wieder Volksvermögen! Es gibt doch gar keine Alternative zur Unterstützung der hoch verschuldeten Staaten. Das darf nicht unsere Aufgabe sein. Aus erzieherischen Gründen müsste man diese Staaten nach einem geordneten Verfahren bankrott gehen lassen. Man kann doch einen Staat nicht einfach bankrott gehen lassen. Was geschieht dann mit den Menschen dort? Warum soll es denen schlechter gehen als mit den heutigen Massnahmen? Warum sollen die Menschen in Griechenland mehr leiden, wenn die Gläubigerbanken in Deutschland und Frankreich  ihr Geld, das sie leichtfertig gaben, nicht mehr bekommen? Jetzt zahlt der Schweizer Steuerzahler! Weil der Staat nichts mehr zahlen kann. Argentinien liess man auch bankrott gehen, die Folge waren hohe Armuts- und Arbeitslosigkeitsraten. So schlecht stehen die Argentinier heute nicht da. Es kann doch nicht sein, dass mit dem Geld unseres seriösen Steuerzahlers, der täglich darauf schaut, dass der Staat nicht zuviel ausgibt, leichtfertige Gläubiger gerettet werden! Mit offenem Ausgang. Es kann durchaus sein, dass der Euro zusammenbricht. Was Sie freuen wird. Wir haben doch kein Interesse daran, dass es der EU schlecht geht. Sie wissen: Seit drei Jahrzehnten steht die SVP für die Unabhängigkeit der Schweiz und gegen den EU-Beitritt. Aber an der momentan in der ganzen Schweiz herrschenden Stimmung gegen die EU dürften Sie Freude haben. Beim EWR waren wir ein paar einsame Rufer in der Wüste. Natürlich freuen wir uns, dass wir nicht mehr so einsam sind: 80 Prozent der Bevölkerung will nicht in die EU! Jetzt fehlen nur noch die subventionierten Schriftsteller und die Journalisten (lacht). Die Meinungen zur EU sind in der Schweiz momentan so klar, dass es niemanden interessiert. Sie bewirtschaften ein Thema, das keines ist. Das stellen Sie sich so vor! Nach wie vor streben drei Bundesratsparteien, die Bundesverwaltung und der Bundesrat  in die EU. Natürlich wird das während des Wahljahres niemand  zugeben, aber in den folgenden vier Jahren wird die EU-Frage eine zentrale sein. Frau Bundesrätin Leuthard sagte vor dem Parteitag der CSU in Bayern: Die Schweiz werde wegen der Schwäche des Euro derzeit keine Beitrittsdiskussion anzetteln! Aber man werde natürlich die Integration vorantreiben! Die Selbstbestimmung wird ständig unterwandert, und sobald das Wahljahr vorüber ist, werden  Bundesrat und Parlament die Unabhängigkeit ganz oder teilweise preisgeben. Sie sehen Gespenster, Herr Blocher. Sie wollen die Ralität nicht sehen: Die Säulen der Schweiz sind bedroht. Der autonome Nachvollzug von EU-Recht wird in Bern betrieben. Damit steht unsere Unabhängigkeit auf dem Spiel. Bewegungen wie der Club Hélvetique möchten unsere Volksrechte einschränken. Und mit Roger de Weck ist ein Club-Mitglied der oberste Chef der SRG, also des Staatsfernsehens und des Staatsradios. Der zieht die Linie dieser Demokratiefeinde voll durch. Der Druck der EU nimmt zu und die Zahl der Anpasser in Bern auch. Sie wurden von Parteipräsident Toni Brunner als Ständeratskandidat ins Spiel gebracht. Wollen Sie tatsächlich in den Ständerat? Ich schiebe die Entscheidung noch bis nach den Zürcher Kantonsratswahlen vor mich her. Mit einer Kandidatur für den National- oder Ständerat könnte ich den Leuten zeigen: Im Interesse der Schweiz beginne ich nochmals von vorn. Ob ich das alles nochmals auf mich nehme, muss ich als 70jähriger gut überlegen. Wenn Sie für den Ständerat antreten, ist die Chance gross, dass Sie gegen die beiden Bisherigen verlieren. Ja, natürlich, aber wenn es nötig ist, muss man auch Dinge tun, wenn eine Niederlage droht, auch wenn ich diese Niederlage nicht suche, aber vielleicht müsste man sie in Kauf nehmen. Wurmt es Sie heute noch, dass Sie vom Parlament als Bundesrat abgewählt wurden? Natürlich! Das hat mich getroffen, das war eine schmerzhafte Angelegenheit. Aber politisch sind die SVP und ich persönlich gestärkt daraus hervorgegangen. Die Abwahl war „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und doch das Gute schafft“. Die Mehrheit des Parlaments  wollte der SVP bös, aber es kam gut heraus! Sicher scheint, dass Sie im anlaufenden Wahlkampf eine Rolle spielen werden. Mit welchem Thema? Das unausgesprochene Hauptthema in der Bevölkerung ist die unbewältigte Ausländerpolitik, das haben wir auch bei der gewonnenen Ausschaffungsinitiative bemerkt! Hohe Kriminalität, höhere Steuern und Missbräuche bei der Invalidenversicherung, die zu hohe Arbeitslosigkeit, höhere Lohnabzüge, Probleme in den Schulen, Wohnungsnot, verstopfte Strassen, Sanspapiers….. Das alles hängt mit dem nicht bewältigten Zuwanderungsproblem zusammen . Wir haben eine Nettozuwanderung von 80’000 Ausländern pro Jahr, das ist enorm. Die Nichtlösung kommt daher, dass man dem Druck der EU nachgibt. Wir müssen die Personenfreizügigkeit anpassen und Schengen künden. Wenn man Sie so reden hört, denkt man, sie würden am liebsten alle Grenzen dicht machen. Die Schweiz soll ein offenes Land sein, aber unsere Gesetze und Kontrollen soll die Schweiz und nicht die EU bestimmen. In der Tat. Ernsthaft, Herr Blocher, warum schiessen Sie immer gegen die Ausländer in der Schweiz? Sie hatten doch als Unternehmer ihr Leben lang mit Ausländern zu tun. Ich schiesse nicht gegen Ausländer, aber gegen die Auswüchse und Missbräuche! Schon der Baselbieter Nobelpreisträger Carl Spitteler hat gesagt, die Ausländer seien unsere Nachbarn, bis auf weiteres liebe Nachbarn. Nicht unsere Brüder. Das ist so. Ich habe auch privat ein ungequältes Verhältnis zu unseren Nachbarn. Aber wenn sie alle in unserer Wohnung sitzen, in unserem  Bett schlafen und alles, was wir haben, stehlen wollen, dann ziehe ich Grenzen! Ohne Ausländer in der Schweiz gäbe es dieses Haus gar nicht. Wenn mein Nachbar eine Arbeit sucht, und ich eine Stelle frei habe, gebe ich sie ihm. Wenn aber jeder kommen kann…. Also gibt es für Sie gute und weniger gute Ausländer. Es ist nicht eine Sache von gut oder böse, sondern der Masse und Qualität. Der Mechanismus funktioniert immer gleich: Wenn ich die Missbräuche der Nationalbank einschränken will, werfen Sie mir vor, ich wolle deren Unabhängigkeit beenden. Wer keine kriminellen Ausländer will, dem wird Ausländerfeindlichkeit unterstellt. Übrigens: Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Briefe ich von Ausländern erhalte, die in der Schweiz wohnen und den Kurs der SVP voll unterstützen. Nicht unterstützt wurden Sie von manchen Baslern. Als das Engagement der Robinvest bei der Basler Zeitung Medien bekannt wurde, löste das einen Sturm der Entrüstung aus. Das hätte man auch vorher wissen können. Ein rein wirtschaftliches Beratungsmandat. Und Herr Tettamanti wusste, dass es Widerstand geben könnte. Aber er wollte nicht irgendein Büro, er wollte einen Unternehmer zur Beratung. Ich habe ihm empfohlen die BaZ zu sanieren. Wenn die BaZ-Gruppe jetzt nicht saniert wird, dann wird sie nicht überleben. Das weiss auch Moritz Suter, der neue Eigentümer. Aber Ihre Robinvest wäre sicher nicht die einzige Firma gewesen, die Herrn Tettamanti hätte beraten können. Das müssen Sie mit Herrn Tettamanti besprechen. Positiv ist aber: Der Krach hat auch vieles offengelegt. Ich habe die von mir sehr bewunderte Stadt Basel neu kennengelernt. Dass ein Tessiner in Basel nicht reden kann, weil die Polizei seine Sicherheit nicht garantieren könne, ist doch unerträglich. Und das in einer Schweizer Stadt. Da habe ich mich als Schweizer geschämt. Das war doch nicht die Stadt, die nicht für Herrn Tettamantis Sicherheit garantieren konnte. Das war die Statistisch-Volkswirtschaftliche Gesellschaft, die ihn gebeten hatte, nicht zu seinem geplanten Vortrag zu kommen. Man habe Tettamanti seine Sicherheit nicht garantieren können. Dafür ist die Regierung verantwortlich - und das geht doch nicht. Tettamanti hat begreiflicherweise sein Engagement in dieser Stadt abgebrochen. Ich sagte damals im Scherz, dass man als Unternehmer in Basel erstens Basler, zweitens Basler und drittens Basler sein müsse. Meine Tochter hatte als Zürcherin anscheindend Glück, dass ihr Läckerli-Haus in Münchenstein – also Baselland steht, sonst hätte sie wohl ein böses Los gehabt. Das hat nichts mit der Herkunft eines Unternehmers zu tun, sondern mit Ihrer Person, Herr Blocher. Die Redaktion war besorgt, dass Sie politisch Einfluss nehmen würden. Herr Tettamanti liess man ja nicht reden. Die meisten Leute meinen ja, die BaZ bestünde nur aus einer Zeitung. Dabei handelt es sich um einen Konzern mit tausend Mitarbeitern. Von Tausend Mitarbeitern ist die Zeitung ein Bruchteil. Herr Tettamanti konnte aber einen hochkarätigen Chefredaktor gewinnen. (Philipp Loser:) … und mit der richtigen politischen Einstellung. Sie meinen, weil er kein Linker ist, ist ein Chefredaktor unfähig. (Philipp Loser:) Als Markus Somm anfing, haben wir normal weitergearbeitet. Ein Problem hatte die Redaktion erst mit Ihrem Beratungsmandat, von dem wir aus einer anderen Zeitung erfahren haben. Vielleicht hätte das Management besser orientieren sollen. Denken Sie, Basel hat unter dieser Episode gelitten? Davon bin ich überzeugt. Basel gibt sich liberal und weltoffen. Ich habe es jetzt anders erlebt. Unseren neuen Verleger, Herrn Suter, haben Sie kürzlich bei besagtem Pfyfferli getroffen. Nach dem Einstieg von Moritz Suter bei der BaZ interessierten zwei Fragen: Hat er das Geld selber aufgebracht? Und ist Christoph Blocher immer noch involviert? Ich bin nicht involviert. Und wie Herr Suter einen Kauf finanziert, müssen Sie ihn fragen. Ich bin nicht sein Buchhalter. Seit über zwanzig Jahren bewegen Sie die Schweizer wie kein zweiter – im Positiven wie im Negativen. Sie betonen seit jeher die Bedeutung des Volkes. In diesem Konzept hat es für schillernde Figuren wie Sie eigentlich keinen Platz. Dass ich als Schweizer akzeptiert bin, beweist, wie falsch Sie die Schweiz einschätzen. Sie definieren das Volk als sehr homogene Masse. Nicht als Masse, aber homogen in seiner Vielfalt. Natürlich kann man nicht hundert Prozent der Leute vertreten. Solange es Journalisten gibt, wird es auch Sozialisten geben. (Lacht!)Das ist ein so süsses Gift, dass man ihm schwer widerstehen kann.  Auch ein Journalist namens Somm war dem früher als Tagesanzeiger Journalist erlegen. Darum sage ich Ihnen, Herr Loser, Sie haben noch viele Wandlungsmöglichkeiten! Nach rechts zu rücken? Die Wirklichkeit anzuerkennen! Und dann vielleicht auch die Schweiz zu schätzen. Ich hielt mich bisher für einen einigermassen guten Schweizer. Das ist das Problem! (lacht) Wer nicht so denkt wie Sie, ist kein echter Schweizer? Wer die Schweiz in die EU führen will, wer die direkte Demokratie unterwandert, wer die Unabhängigkeit und die hohen Bürgerfreiheiten missachtet und an der dauernden bewaffneten Neutralität rüttelt, ist gegen die Schweiz und Schweizer nur noch auf dem Papier. Nicht alle Schweizerinnen und Schweizer, die nicht in die EU wollen, wählen die SVP. Weil die EU-Befürworter – vor allem die Mitte-Parteien -  Widerstand gegen die EU predigen und Anpassung trinken. Eine Unterstellung. Es gibt durchaus auch Schweizer, die ein ambivalentes Verhältnis zu Europa und zum eigenen Land haben. Und dennoch patriotisch sind. Auf dem Papier sind noch viele Schweizer, die eigentlich keine sind. Ein EU-Beitritt zerstört die Schweiz. Wer das will, bezeichne ich nicht als Schweizer. Es gibt das Argument, das die Schweiz über kurz oder lang nur in der EU eigenständig überleben kann. Schon vor zwanzig Jahren drohte man damit. Der Beweis des Gegenteils ist erbracht. Diese intellektuellen Vernünfteleien interessieren nicht. Man findet immer einen wohltönenden Grund. Die Wirklichkeit ist es nicht. Damit beleidigen Sie einen Grossteil der Schweizer Bevölkerung. Politiker vielleicht. Und die 20 Prozent, die noch in die EU wollen. Es ist nun einmal so: Unabhängigkeit, direkte Demokratie, Neutralität, Sicherheit und Freiheit sind die Säulen unseres Landes. Im Sozialismus gibt es keine Freiheit. Wer für den Sozialismus ist, kann darum kein Schweizer sein. Eine «sozialistische Schweiz» ist ein Widerspruch in sich selber. Und: Neutralität, direkte Demokratie sind in der EU nicht möglich. Zweifeln Sie manchmal auch? Dauernd! Täglich. Als ich mit dem verstorbenen freisinnigen Gewerbeverbands-Direktor Otto Fischer anfangs alleine den EWR bekämpft habe, habe ich mich oft gefragt, kann es wirklich sein, dass wir allein gegen die ganze Classe politique recht haben? Aber die Einsamkeit des Verantwortlichen zwingt einen, durch diese Einsamkeit und Zweifel zu gehen. In der Europafrage waren wir anfänglich mutterseelenallein. Das sind Sie heute nicht mehr. Zum Glück. Aber die Volksgunst ist sehr wechselhaft. Wann hören Sie eigentlich mit der Politik auf? Wenn ich nicht mehr mag oder nicht mehr gebraucht werde. Mit 70 Jahren muss man daran denken. Wenn ich den Zeitpunkt nicht selber erkenne, dann sicher meine Frau. Sie ist meine strengste Kritikerin und freut sich auf meinen Rücktritt. Wenn die SVP bei den nächsten Wahlen gewinnt, werden die Mitteparteien ihren Kurs ändern und wieder bürgerlich werden. Dann haben wir sie wieder, die bürgerliche Schweiz und ich kann getrost zurücktreten! Wenn die SVP verliert,  dann muss ich noch lange bleiben! Und was geschieht mit der SVP nach Ihrem Rückzug? Die SVP hat heute eine hervorragende, sehr selbstlose, sach- und lösungsorientierte Equipe. Unser intelligenter Parteipräsident, ein unkonventioneller Realist, der neun Jahre in der Schule war, bietet den Akademikern von den anderen Parteien zehnmal die Stirne. Die SVP verfügt mit dem Baselbieter Caspar Baader über den erfahrensten und klugsten Fraktionspräsidenten. Auch er sucht weder Aemtchen noch Amt. Und ausserdem haben wir viele uneigennützige, unerschrockene Politiker in unseren Reihen. Sie sind auch bereit, bei den niederträchtigen Verunglimpfungen gerade zu stehen. Sie sind glaubwürdig. Nein, um Nachfolge mache ich mir immer weniger Sorge. Schauen Sie mit Genugtuung auf ihr politisches Leben zurück? Ich habe das Gefühl, gutes bewirkt zu haben. Natürlich habe ich oft als „Freiheitskämpfer“ gegen die kleinmütigen Anpasser verloren. Oft denke ich, was hätte ich noch besser machen können? Ich hätte noch mehr gegen vielen Unsinn „Nein“ sagen müssen. Für die Zukunft habe ich ein gutes Gefühl, wenn wir Schweizer auf den bewährten Stärken bleiben. Ein gesundes Gottvertrauen ist da. Darum bereitet es mir auch keine schlaflosen Nächte, wenn der Euro schwach wird. Für Euch Basler ist das eher erfreulich. Den Lohn in Franken beziehen und dann im Elsass und im Badischen billig gut essen gehen! (lacht). Wenn ich in der Region esse, dann in einem der guten Restaurants, die Sie ja in Basel haben.