Artikel

Institutionen

01.09.1999

Nicht mehr mit derselben Leidenschaft

SVP-Nationalrat Christoph Blocher über seine gebremste Lust, die bilateralen Verträge mit einem Referendum zu bekämpfen Interview mit dem Tages Anzeiger vom 1. September 1999 Das Gespräch führten Jean-Martin Büttner und Walter Niederberger Herr Blocher, Sie wirkten etwas fahrig bei Ihrem Ratsauftritt am Montagabend, als wären Sie nicht recht bei der Sache. Blocher: Kein Wunder: Ich musste vorher den ganzen Tag lang den Anderen zuhören. Ich will hier niemandem zu nahe treten, aber: Mit diesen Europafragen schlage ich mich seit 15 Jahren herum, während die anderen immer nur ihre alte Platte laufen lassen, wonach wir zu Europa gehören und sie für die Öffnung eintreten und so weiter. Eine klare Analyse aber, wofür diese bilateralen Verträge letzten Endes gut sein sollen, habe ich nicht vernommen. Sie halten die Verträge zwar für schlecht; besonders engagiert wirken Sie dabei nicht. Blocher: Das ist wahr, aber so ist das immer wieder in der Politik - dass Sie etwas durchgehen lassen müssen, auch wenn Sie nicht davon überzeugt sind. Die Frage für mich ist: Wie schlecht dürfen diese Verträge sein? Wenn wir sie nämlich ablehnen und recht bekommen, muss derselbe Bundesrat, der dann selbstverständlich nicht zurücktreten wird, neue Verträge aushandeln. Bringt er dann bessere? Ich zweifle daran. Er würde in einer solchen Situation doch gar keine besseren Verträge abschliessen können. Blocher: Doch, davon bin ich überzeugt. Wenn der Bundesrat sein EU-Beitrittsgesuch zurückziehen und ohne Zeitdruck nochmals verhandeln würde, kämen garantiert bessere Verträge heraus. Bundesrat und Parlament haben die Schweizer Verhandlungsdelegation geschwächt. Aber das wäre auch im Wiederholungsfall so, und darum käme nichts Besseres dabei heraus. Das kann doch nicht der einzige Grund für Ihre Zurückhaltung sein. Blocher: Nein, es gibt noch andere. Zwei grosse Steine wurden aus dem Weg geräumt: Erstens sind die Einführung der Personenfreizügigkeit in sieben Jahren und die Osterweiterung der EU dem fakultativen Referendum unterstellt. Das gibt Sicherheit. Zweitens zeichnet sich ab, dass der Inlandverkehr durch die Bilateralen nicht diskriminiert wird. Wie das Ganze aber am Schluss herauskommt, bleibt offen. Deshalb werde ich erst am 8. Oktober, nach der Herbstsession entscheiden, ob ich die Verträge ablehne oder nicht. Es kann gut sein, dass ich zwar gegen die Verträge bin, aber selbst kein Referendum lanciere. Wie schätzen Sie die Haltung Ihrer Partei in dieser Frage ein? Blocher: Keine Partei allein schafft 50'000 Unterschriften in drei Monaten, das können Sie gleich vergessen. Also bleibt die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz, und auch die will erst das Resultat der Debatte abwarten. Aber Ihre Auns, das wurde schon im Frühjahr deutlich, will das Referendum auf jeden Fall ergreifen. Geraten Sie da nicht in einen Konflikt mir Ihren grössten Fans? Blocher: Natürlich wollen viele ein Referendum. Wenn ich anderer Meinung bin, muss ich sie halt überzeugen - auf die Gefahr hin, dabei zu unterliegen. Aber es geht nicht nur darum, ob Sie das Referendum unterstützen, sondern auch wie. Und dabei wird deutlich spürbar, dass Sie dazu wenig Lust haben. Haben Sie Angst vor einer Abstimmungsniederlage? Blocher: Nein; die Zurückhaltung hat mit dem Gewicht zu tun, das ich dieser Frage beimesse. Beim EWR habe ich einen Kolonialvertrag bekämpft, von dem ich wusste, dass er zwangsläufig in die EU führt. Heute stehen allenfalls innenpolitisch schlechte Verträge zur Diskussion. Es geht also um Innenpolitik, nicht um die Schweizer Souveränität. Mit derselben Leidenschaft und dem heiligen Zorn, der mich bei der EWR-Abstimmung begleitete, kann ich die Bilateralen nicht bekämpfen. Was passiert Ihrer Meinung nach, wenn die Schweiz die Verträge ablehnt? Blocher: Für die Schweizer Wirtschaft ist das keine Katastrophe. Die EU wird uns zunächst einmal schneiden, und wir werden erst einmal abwarten. Spätestens nach einem halben Jahr wird Brüssel verhandeln wollen, weil ja der Transitvertrag abläuft und die EU die Alpendurchfahrt braucht. Ausserdem sind wir als Kunde für die EU-Länder die Nummer zwei, nach den USA und vor Japan. Das ist doch eine exzellente Ausgangslage. Aber die Verträge bringen unzweifelhafte Vorzüge für die Schweiz: In der Bildung und in der Forschung, für die Exportwirtschaft und speziell für Swissair, für die Schweizer Grenzregionen... Blocher: Ich sehe gewisse Vorteile: Die Anerkennung von Schweizer Diplomen, die erleichterten Anstellungsbedingungen im Ausland. Von der Teilnahme an der europäischen Forschung halte ich dagegen nichts. Die nationale Forschung, das sagen auch Fachleute, ist weit wirkungsvoller ist als die europäische. Im Kern geht es immer darum, für die getroffenen Entscheide auch die Verantwortung zu übernehmen. Und wenn ein politischer Raum so gross ist wie die Europäische Union, muss niemand für Fehler gerade stehen. Es gibt auch innenpolitische Gründe für Sie, die Bilateralen nicht zu torpedieren. Falls die Verträge nämlich durchkommen, haben Sie zunächst einmal Ruhe. Würden sie abgelehnt, käme sofort der Ruf nach einem EU-Beitritt. Blocher: Das mögen Sie recht haben, aber der Ruf nach einem EU-Beitritt kommt sowieso, die Initiative ist ja hängig. Und die Zeit arbeitet für uns: Je länger wir der EU bei ihrer Entwicklung zuschauen können, desto weniger spricht für sie. Ich sage in jedem Fall eine massive Ablehnung des Beitrittsgesuchs voraus. Die Europafreunde versuchen sich ja auch publizistisch zu profilieren; was halten Sie eigentlich von "Courage", dem europhilen Gratisblatt von vier pro-europäischen Schweizer Organisationen? Blocher: Als das Projekt angekündigt wurde, bekam ich ein bisschen Angst: Noch mehr Europa-Propaganda? Jetzt, nach vier Nummern, kann ich nur sagen: Hoffentlich wird dieses Heft noch möglichst lange verteilt. Wer einen derartigen Mist unter die Leute bringt, nützt nur seinem Gegner - also uns.

28.08.1999

Blocher propose un moratoire sur l’adhésion à l’Europe

Interview parue dans la Tribune de Genève du 28 août 1999 ainsi que dans 24 Heures Le chef de file de l'UDC veut enterrer la haché de guerre jusqu'en 2005. Il se dit prêt à réexaminer la quesiton d'un oeil neuf après cette date. Pour l'acceptation des bilatérales, il pose ses conditions. L'UDC a le vent en poupe. Son chef de file, Christoph Blocher, se garde pourtant de tout triomphalisme. Plus fort, il tend la main à ses adversaires pour enterrer la haché de guerre sur la question de l'adhésion de la Suisse à l'Union européenne.Il propose un moratoire de cinq ans anfin de décrisper le débat et permettre à chaque camp de faire un pas vers l'autre. Interview: C. Imsand et A. Grosjean   Les Chambres fédérales vont entamer lundi leurs délibérations sur les accords bilatéraux conclus avec Bruxelles. Vous étiez contre l'EEE et maintenant vous faites la fine bouche devant les bilatérales alors que l'UDC a réclamé l'ouverture des négociations. Pourquoi?   Blocher: Nous n'avons jamais dit qu'il fallait accepter tous les résultats des négociations. La Suisse a fait trop de concessions dans le domaine de la libre circulation des personnes et des transports terrestres. Le lancement d'un éventuel référendum dépend de ce qui se passera après la mise en vigueur des accords. Voilà pourquoi nous posons nos conditions.   Quelles sont-elles?   Blocher: Premièrement, la période transitoire relative à la libre circulation des personnes dure sept ans. L'UE a admis la possibilité de revoir la question à ce moment-là. Nous voulons avoir l'assurance que la décision qui sera prise soit soumise au référendum. Deuxièmement, si l'UE est élargie aux pays d'Europe orientale, nous voulons que le peuple se prononce sur l'extension de la libre circulation des personnes aux ressortissants de ces pays. Enfin, il ne faut pas non plus que le Conseil fédéral se lance dans une campagne d'adhésion au lendemain de l'entrée en vigueur des accords bilatéraux.   Le gouvernement doit-il renoncer à son objectif stratégique qui est l'entrée de la Suisse dans l'UE?   Blocher: Principalement oui, mais je suis réaliste. Le Conseil fédéral ne peut pas dire qu'il n'y aura rien après les bilatérales. Il perdrait la face. Mais j'avais proposé après l'EEE un moratoire de 5 ans. Le Conseil fédéral aurait ensuite pu réexaminer la situation. A l'époque M. Cotti m'a dit : dans cinq ans nous serons dans l'Union européenne. Voyez le résultat. En 1997, soit 5 ans après, je lui ai proposé de nouveau un moratoire jusqu'en 2000. Il n'en a pas voulu. Sans une mesure de ce type, nous allons continuer de part et d'autre à perdre notre énergie dans une bataille stérile. Le moratoire sur les centrales nucléaires a permis de calmer le jeu sans que personne ne perde la face. Pour l'Europe, un moratoire jusqu'en 2005 serait raisonnable. Personne à Berne ne croit que la Suisse sera membre de l'UE avant cette date. Officieusement, le Conseil fédéral évoque plutôt 2010. Dans ces conditions, on peut se permettre d'attendre 2005 pour reprendre la discussion. Comprenez-moi bien. Cela ne veut pas dire que je serai opposé à une adhésion à l'UE en 2005, mais simplement qu'à ce moment-là les deux camps seront libres de décider et les deux camps auraient alors la force de faire avancer la Suisse.   L'UDC, c'est Christoph Blocher?   Blocher: Il y a 20 ans que je siège au Conseil national. Les premières années, j'étais dans la minorité de l'UDC. J'ai lutté pour un changement de ligne basé sur la responsabilité individuelle et la souveraineté de la Suisse, contre l'abus de l'asile, pour une amélioration de la charge fiscale. Maintenant, cette ligne est devenue majoritaire et nous disposons d'un large réservoir de personnalités qui peuvent la relayer, surtout à Zurich. Bientôt, je ne serai plus nécessaire à l'UDC.   Allez-vous donc vous retirer de la politique active?   Blocher: J'attends ce moment depuis longtemps. Mais c'est encore un peu tôt.     AVEC LES LIBERAUX   Certains sondages voient l'UDC devancer les radicaux lors des élections fédérales du 24 octobre. Vous y croyez?   Blocher: Non. C'est trop optimiste. Il est possible que nous gagnions quelques pourcentages mais pas à ce point. Ces sondages ont pour but de démotiver l'UDC. En revanche, il est possible que nous devancions le PDC si celui-ci perd un peu de terrain.   Le cas échéant, allez-vous revendiquer un second siège au gouvernement?   Blocher: La formule magique repose sur l'attribution de deux sièges aux grands partis et un seul au plus petit. Si nous devançons le PDC ou un autre parti, nous devons être prêts à demander un deuxième siège.   Serez-vous candidat?   Blocher: Je suis certain que le Parlement ne voudrait pas de moi. Je n'ai d'ailleurs aucune envie d'aller au gouvernement. Je suis un entrepreneur et j'ai plus d'influence en ne siégeant pas au Conseil fédéral. Mais si le Parlement m'élisait, je devrais accepter.   L'UDC n'est pas un vrai parti national étant donné sa faible implantation en Suisse romande. Est-ce que cela ne réduit pas la légitimité d'un second siège au gouvernement?   Blocher: Il ne faudrait pas élire un Romand pour le deuxième siège UDC. On pourrait en revanche avoir deux socialistes romands au Conseil fédéral si les Romands aiment autant les socialistes que le disent les sondages. Il y a aussi des cantons où les autres partis ne sont pas très forts. Par exemple, les socialistes ne jouent pas un grand rôle dans la Suisse centrale. Les démocrates-chrétiens sont aussi marginaux à Zurich qui est quand même le canton le plus peuplé de Suisse.   Pourquoi l'UDC peine-t-elle à s'implanter en Suisse romande?   Blocher: Les sections cantonales de l'UDC rejettent notre ligne. Cela les empêche de progresser. Les électeurs ne comprennent pas pourquoi ils devraient voter UDC si sa politique est similaire à celle des autres partis. Par ailleurs, il existe en Suisse romande un parti qui a des positions proches de l'UDC, si l'on excepte la question européenne. C'est le parti libéral. Je crois que le prochain siècle verra une collaboration UDC-libéraux en Suisse romande.     PASCAL COUCHEPIN : UN OPPORTUNISTE?   Selon Pascal Couchepin, l'UDC, c'est Radio Nostalgie avec Christoph Blocher comme animateur.   Blocher: M. Couchepin a très peur de l'UDC car son parti a perdu les élections à Zurich et dans le canton de Lucerne. Il croit qu'un conseiller fédéral peut se comporter comme Louis XIV : " l'Etat c'est moi, et tout le monde doit s'aligner sur ce que je dis ". Les choses ne fonctionnent pas de cette façon en Suisse.   Il s'est profilé comme le chef de file de la ligne anti-UDC. Est-ce un adversaire à votre mesure?   Blocher: Un conseiller fédéral ne peut pas dire tout ce qu'il pense. Sa fonction ne le lui permet pas. Mais j'ai connu Couchepin quand il était parlementaire et j'ai pu constater que c'était un opportuniste. Il jouait les porteurs d'eau successivement pour les uns et pour les autres car son objectif était de devenir conseiller fédéral.   Y a-t-il au Conseil fédéral des gens pour lesquels vous avez une estime particulière?   Blocher: J'éprouvais beaucoup de sympathie pour Jean-Pascal Delamuraz même si nous n'étions pas toujours d'accord. Actuellement, il n'y a pas de véritables personnalités au gouvernement car le parlement cherche toujours à élire des personnes qui plaisent au plus de monde possible.   On a peu entendu l'UDC à propos de l'affaire Bellasi. Est-ce parce qu'Adolf Ogi est responsable du dossier?   Blocher: Pas du tout. C'est bien clair que je critique aussi Adolf Ogi si je n'ai pas la même opinion que lui. Le cas Bellasi est une sale histoire qu'il faut éclaircir mais ses allégations concernant l'armée secrète sont peu crédibles. Il n'en reste pas moins qu'il faut déterminer les responsabilités au-delà de Bellasi.   Adolf Ogi peut-il être mis en cause pour l'insuffisance des contrôles?   Blocher: Il y a partout des escrocs. La question est de savoir pourquoi les contrôles n'ont pas fonctionné. On ne peut pas dire actuellement si Ogi détient une part de responsabilité dans ce problème. Mais à Berne, jamais personne n'est responsable. Tout le monde se renvoie la balle. Qui est responsable des trous de la caisse fédérale de pensions : Villiger, Stich, le Parlement, les commissions?   Ces dernières semaines, le Conseil fédéral a pris plusieurs mesures dissuasives concernant les réfugiés, notamment la levée de l'admission collective des Kosovars et l'interdiction de travail d'une année. Est-ce qu'il ne vous coupe pas l'herbe sous les pieds pour votre campagne électorale?   Blocher: Malheureusement pas. Laisser les requérants d'asile se tourner les bras n'est pas une bonne solution. Il vaut mieux autoriser une activité lucrative à condition qu'une part du salaire serve à rembourser les frais d'assistance et que le solde soit placé sur un compte bloqué jusqu'au retour du requérant dans son pays. Si les personnes qui travaillent sont autorisées à envoyer régulièrement de l'argent à leur famille, cela rend la Suisse trop attractive.   Peut-on encore sauver Expo.01?   Blocher: Si on n'y parvient pas, ce n'est pas grave. Les problèmes actuels ne sont pas seulement dus à Jacqueline Fendt. On a fait une exposition pour le seul motif qu'il n'y en avait plus eu depuis 1964. Personne n'avait de concept, pas même le Conseil fédéral. Maintenant je constate que les responsables de l'Expo veulent montrer une Suisse qui n'existe pas. On a refusé le droit à l'économie et aux paysans de se montrer tels qu'ils sont. Je crois que la Suisse n'est pas assez au clair sur son avenir pour se permettre de monter un tel projet. Mais l'Expo.01 n'est pas pour moi un thème prioritaire.  

23.08.1999

Das Volk ist nicht mehr bereit, alles zu dulden

Interview im Bündner Tagblatt vom 23. August 1999 Reisserische Plakate für die Asylmissbrauchs-Initiative und nun die "Goldinitiative": Die SVP steht wieder einmal rechtzeitig zu den Wahlen im Rampenlicht... Christoph Blocher: Dass die beiden Initiativen jetzt aktuell werden, ist ein glücklicher Zufall. Andererseits werden damit jene Probleme angesprochen, die vom neuen Parlament gelöst werden müssen: Unser Verhältnis zur EU, eine bessere Bewirtschaftung der Steuergelder und der Asylmissbrauch. Bei der "Goldinitiative" wird Ihnen Augenwischerei vorgeworfen, die Löcher in der AHV-Kasse liessen sich damit nicht stopfen. Blocher: Wenn jemand sagt, 20 Milliarden Franken seien nichts, dann kann ich nur den Kopf schütteln. Natürlich löst man damit nicht alle Probleme der AHV. Aber die Renten werden sicherer und es braucht weniger Mehrwertsteuerprozente. Und von dieser Entlastung profitiert jeder einzelne. Und bei der Asyl-Initiative sind selbst SVPler schockiert über die reisserischen Plakate. Blocher: Es veranschaulicht die heutige Situation. Hoher Asylmissbrauch und erst noch oft zu kriminellen Zwecken. Für die Polizei wird die Belastung immer grösser. Und die Bevölkerung ist nicht mehr bereit, dies alles zu dulden. Nachdem Bundesrat und Parlament nicht handeln wollten, mussten wir einfach eingreifen. Die Kampagne ist übrigens sehr erfolgreich: Wie anders ist es zu erklären, dass nun auch die SP und die FDP ihre Plakate mit einem Schweizerkreuz schmücken? Das hätte bis vor kurzer Zeit niemand geglaubt! Der böse Mann auf den SVP-Plakaten ist in Chur durch ein Bild von Christoph Blocher ersetzt worden. Für die Macher scheinen Sie zu einer Bedrohung geworden. Tut Ihnen das im tiefen Herzen weh? Blocher: Nein. Alle wissen, dass ich kein Gangster bin. Wer diesen Gangster also durch mich ersetzt hat, lügt, und das wird vom Volk nicht honoriert. Mit dieser plumpen Aktion haben die Urheber das Gegenteil erreicht: Unsere Kampagne hat eine noch grössere Beachtung gefunden. Die Politik nimmt sie derzeit sehr stark in Anspruch. Bleibt da Zeit für Ems-Chemie? Blocher: Für die Politik wende ich immer etwa gleich viel Zeit auf. Ich bin jedes Jahr politisch aktiv, so dass sich in einem Wahljahr für mich keine zusätzlichen Aktivitäten aufdrängen. Ich mache beispielsweise für mich keine Wahlveranstaltungen. Also habe ich auch stets genügend Zeit, um die Ems-Chemie zu leiten. Trotzdem haben Sie sich von den Aktionären nur für ein weiteres Jahr wählen lassen. Blocher: Wir möchten die Struktur des Verwaltungsrates bis zur nächsten Generalversammlung generell überprüfen, da braucht es für mich keinen Extrazug. Deshalb habe ich auch mich vorerst nur für ein Jahr bestätigen lassen. Welche Bedeutung wird dem Werkplatz Domat/Ems in 10 bis 20 Jahren zukommen? Blocher: Wenn die Politiker keinen Blödsinn machen, wird der Werkplatz Domat/Ems auch in Zukunft gute Chancen haben. Unsere Leute arbeiten sehr erfolgreich und haben starke Produkte. Doch auch die Konkurrenz schläft nicht. Unser Hauptproblem ist die immer höhere Energiebelastung. Wer nach Amerika und China exportieren will, muss mit diesen Staaten mithalten können, also möglichst tiefe Produktionskosten aufweisen.

04.07.1999

Das Duell – Blocher gegen Couchepin

Mein Streitgespräch mit Bundesrat Pascal Couchepin in der SonntagsZeitung vom 4. Juli 1999 Interview: Andreas Durisch, Othmar von Matt Herr Bundesrat Couchepin, was ist Ihr Hauptvorwurf an Herrn Blocher? Pascal Couchepin: Zunächst möchte ich Sie im Bundeshaus herzlich willkommen heissen. Christoph Blocher: Vielen Dank. Es ist ja schliesslich Volksbesitz. Couchepin: Zu Ihrer Frage: Herr Blocher provoziert in seinen Reden fast immer negative Emotionen. Das ist mein Hauptvorwurf. Dadurch stellt man in der Schweiz Folgendes fest: eine sinkende Toleranzgrenze und gleichzeitig eine sinkende Qualität des politischen Dialogs und der politischen Kultur. Ein sehr deutliches Beispiel dafür ist die Absicht, mit einer Initiative Regierung und Parlament institutionell von der Debatte über Initiativen auszuschliessen. Blocher: Mit diesen Vorwürfen kann ich nichts anfangen. Diese Initiative ist nicht für die Politik, aber vielleicht für die Politik des Bundesrates negativ. Couchepin: Ich kann das erklären. Blocher: Ich auch. Wofür habe ich mich in den letzten Jahren eingesetzt? Für eine souveräne Schweiz, für ein Land, das die Zukunft selbst bestimmen kann. Deshalb bin ich gegen einen Beitritt der Schweiz zur EU. Für den Bundesrat ist dies natürlich eine negative Emotion, weil er der EU beitreten möchte. Er kann es nicht ertragen, dass in diesem Land jemand so entschieden eine andere Meinung vertritt. Weshalb meine Politik negativ sein soll, kann ich nicht sehen. Richtig ist allerdings, dass ich hin und wieder provoziere. Couchepin: Man kann Ihre Ziele teilen oder nicht. Das ist Teil der normalen politischen Debatte. Man kann für Europa sein oder gegen den EU-Beitritt. Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Gravierend ist allerdings Ihr Stil. Mit Ihrer konstanten Feindseligkeit provozieren Sie Emotionen. Gegen Brüssel etwa. Als ob Brüssel ein Feind der Schweiz wäre. Diese Provokationen dürften zwar Teil Ihres Erfolgsrezeptes sein - für die Schweiz allerdings stellen sie eine Gefahr dar. Sie sehen die Welt nur in Freunden und Feinden. Wer Ihre Meinung nicht teilt, ist praktisch ein Verräter. So schaffen Sie negative Emotionen. Über das Ziel kann man diskutieren. Aber die Mittel, die Sie benutzen, zerstören letztlich das eigentliche Ziel. Blocher: Jetzt sind wir wieder bei der berühmten Stildiskussion. Couchepin: Es geht um mehr. Der Stil zeigt den Menschen. Blocher: Diese Diskussion kenne ich. Auf Ihrer Seite reagiert man auf Widerspruch sehr empfindlich. Ich spreche dabei nicht von Feinden, sondern von Gegnern. Das ist nicht dasselbe. Politik lebt von dieser Auseinandersetzung. Ich kritisiere die Politik des Bundesrats, weil dies Teil meiner Aufgabe ist. Ich wurde gewählt, dass ich meine Politik vertrete. Damit muss sich der Bundesrat wenigstens argumentativ verteidigen, kann nicht lediglich entgegnen: «L'état c'est moi.» Blocher darf nichts sagen; Vive le roi! Immer stärker ist beim Bundesrat eine pseudomonarchische Stimmung festzustellen. Man darf zwar grundsätzlich gegen höhere Steuerabgaben und Gebühren sein - aber man darf diejenigen nicht nennen, die sie dauernd erhöhen. Couchepin: Nochmals, mein Vorwurf bezieht sich nicht auf Ihre Ziele. Mit Ihrer Sprachregelung, dem Freund-Feind-Konzept, richten Sie allerdings den Dialog und die Demokratie vollständig zu Grunde. Das ist eine Tatsache. Blocher: Also bin ich der Feind der Administration. Blocher ist gefährlich. Couchepin: Nein. Die Initiative ist sehr gefährlich. Persönlich glaube ich übrigens, dass Sie diese Initiative eher zufällig unterschrieben haben. Sie haben sich wohl gesagt: Die Initiative wäre noch etwas, rechneten allerdings nicht mit diesem Echo. Aber damit wurde eine Grenze überschritten, die weit über den bisherigen Stil hinausgeht. Man will demokratisch gewählten Institutionen - Bundesrat und Parlament - verbieten, sich zu einer Initiative zu äussern. Die Demokratie ist aber ein fragiles politisches Ökosystem, dessen Gleichgewicht man erhalten muss. Geht man mit Gewalt gegen ein solches System vor und nimmt ihm gewisse Elemente weg, dann ist das ganze Gefüge in Gefahr. Die Initiative ist deshalb extrem gefährlich, weil sie das Gleichgewicht der Demokratie bricht. Ist es der erste Schritt zu einem Staatsstreich? Couchepin: Diese Frage könnte man erst im Nachhinein beurteilen. Man hat die Initiative in den letzten Tagen mit verschiedenen Gesetzen aus dem Jahre 1933 verglichen. Ich finde Vergleiche mit einer so tragischen Zeit nicht gut. Die Geschichte lehrt uns allerdings: Leute wie Sie, Herr Blocher, haben immer gesagt, der erste Schritt sei völlig ungefährlich. Man verstehe sie miss. Sie wollten genau das Gegenteil dessen, was man nun behaupte. Diese Worte haben eine zersetzende Wirkung. Jemand sagte mir: Wenn ihr die Initiative bekämpft, dann bekommt sie erst recht Gewicht. Das ist mir egal. Ich will, dass die Leute von Beginn an wissen, was sie allenfalls unterschreiben. Ich sage ihnen lediglich: Die Behörden und der Bundesrat finden die Initiative schlecht. Wir eröffnen keine Hexenjagd. Nur müssen die Leute wissen, was ihre Unterschrift bedeutet. Blocher: Diese Initiative, die verlangt, dass künftig Volksinitiativen innert 6 Monaten zur Abstimmung gebracht werden müssen, verbietet es Bundesrat und Parlament nicht, Stellung zu beziehen. Offenbar hat der Bundesrat den Initiativtext nicht einmal gelesen, sondern nur das Inserat. Die Initiative sagt, es bedarf keiner Stellungnahme; selbstverständlich kann der Bundesrat Stellung nehmen. Es ist eine anerkannte Tatsache, dass Volksinitiativen in Bern lange «herumgeteiggt» werden, im Schnitt etwa vier Jahre. Man taktiert, um das Begehren vom Tisch zu bringen, oder wartet den günstigsten Zeitpunkt ab. Ein Beispiel: Warum konnte man die Initiative für den EU-Beitritt, die von meinen Gegnern stammt, nicht nach einem Jahr zur Abstimmung bringen? Weil man weiss, dass das Volk diese Initiative ablehnen würde. Also sucht man irgendeinen günstigen Zeitpunkt. Das aber ist ein Missbrauch. Erschreckend ist die Reaktion des Bundesrates. Vor allem der Vergleich mit dem deutschen Ermächtigungsgesetz von 1933. Dieses wollte genau das Gegenteil, nämlich die uneingeschränkte Macht der Regierung. Ob dieser Vergleich tatsächlich aus dem Bundesrat stammt, weiss ich nicht. Herr Couchepin, war dieser Vergleich im Gesamtbundesrat ein Thema? Couchepin: Die Initiative wurde kurz diskutiert. Wir waren alle der Meinung, dass es sich um eine gefährliche Initiative handelt. Blocher: Wenn man dieser Initiative einen Vorwurf machen kann, dann vielleicht den, dass sie der Verwaltung etwas weniger Macht gibt. Das mag für den Bundesrat gefährlich sein, nicht aber für das Land. Dass der Bundesrat glaubt, dem Volk sagen zu müssen, welche Volksinitiativen es unterschreiben soll und welche nicht, ist eine unglaubliche Verachtung der Mündigkeit des Bürgers. Und ich, der an diese Mündigkeit glaubt, werde als gefährlich bezeichnet. Ich habe jedenfalls noch nie gesagt, Herr Couchepin sei mein Feind, er sei gefährlich. Das wäre schlechter Stil. Couchepin: Ich sagte lediglich, die Initiative sei gefährlich. Die direkte Demokratie funktioniert auf der Basis eines Informations- und Argumentationsaustausches. Es ist eine Art politischer Marktplatz. Was bleibt, wenn Bundesrat und Parlament nicht mehr Stellung nehmen können? Es erhalten jene die Macht, welche die finanzielle Potenz haben, die Medien mit politischer Werbung vollzustopfen. Deshalb limitieren Sie mit dieser Initiative die Möglichkeit des Volkes, die Informationen zu erhalten, die es wünscht. Es ist eine antidemokratische Initiative. Sehen Sie hier totalitäre Tendenzen? Couchepin: Zumindest wird das demokratische Ökosystem in Frage gestellt. Blocher: Ich freue mich ausserordentlich, dass der Bundesrat plötzlich zum Verfechter der direkten Demokratie geworden ist. Dahinter verbirgt sich allerdings etwas anderes. Couchepin: (unterbricht energisch) Sie sprechen mitten in einem Gespräch davon, dass ich irgendetwas verberge. Das ist genau der Stil, gegen den ich protestiere! Nehmen Sie meine Worte einfach so, wie ich sie sage. Blocher: (unterbricht) Sie haben mir doch genau dasselbe vorgeworfen. Couchepin: Nein. Ich spreche nur von den objektiven Zielen der Initiative. Ich werfe Ihnen persönlich keine diktatorischen Ambitionen vor. Blocher: Ein Blick zurück zeigt, wie ernst der Bundesrat diese direkte Demokratie nimmt. Ein Beispiel: Am 5. März 1997 hat Arnold Koller verkündet, der Bundesrat wolle eine Solidaritätsstiftung schaffen. Koller hat ausdrücklich versichert, es brauche dafür einen eigenen Verfassungsartikel: Volk und Stände könnten darüber abstimmen. Inzwischen behauptet man im Bundesrat, man könne die Stiftung auch lediglich durch ein Gesetz einführen. Couchepin: Sie werfen uns vor, verfassungswidrig zu handeln? Blocher: Wenn Sie dies tun: Ja! Couchepin: Mit welchem Recht? Wer, wenn nicht der Bundesrat, respektiert die Verfassung? Wollen Sie etwa sagen: Ich, Christoph Blocher, bin die Verfassung, das Volk und noch dazu das Parlament? Blocher: Im Verfassungsartikel, den das Parlament mit dem Währungsartikel zu Fall brachte, stand rein formell, dass das Gesetz bestimmt, wie die Reserven der Nationalbank verteilt werden - damit Volk und Stände materiell wieder nichts zu sagen gehabt hätten. Couchepin: War dies etwa kein neuer Verfassungsartikel? Blocher: Aber nicht ein Verfassungsartikel, der gesagt hätte, wie die Goldreserven aufgeteilt werden müssen. Herr Blocher, 1995 haben Sie, Ueli Maurer und Toni Bortoluzzi im Parlament dafür gestimmt, dass die Armee-Halbierungs-Initiative dem Volk gar nicht erst vorgelegt wurde. Couchepin: Als Parlamentarier sind wir leider dazu verpflichtet, die Rechtsgültigkeit von Initiativen wie Richter zu entscheiden. 1995 lag dem Bundesrat ein Gutachten vor, das besagte, die Armee-Halbierungs-Initiative sei nicht rechtsgültig. Deshalb habe ich für die Rechtsungültigkeit gestimmt. Damit haben Sie sich für das Gegenteil dessen eingesetzt, was Sie heute fordern. Blocher: Nein. Wenn ich als Parlamentarier über die Rechtsgültigkeit entscheiden muss, dann muss ich entscheiden. Genau das will unsere Volksinitiative: dass wir Parlamentarier dies nicht entscheiden. Wir sind doch keine Richter. Couchepin: Sie wollen die Prüfung der Rechtmässigkeit abschaffen? Blocher: Ja. Couchepin: Dann entfernen wir uns definitiv vom Rechtsstaat. Das heisst: Sie wollen nicht nur den demokratischen Dialog aufheben, sondern auch noch verhindern, dass die Rechtsgültigkeit von Initiativen diskutiert wird. Sie versuchen, über diese Volksinitiative ganz einfach konzentrierte Macht zu erlangen, in der Dialog und Information keine Rolle mehr spielen. Blocher: Nein, Herr Couchepin, das Volk entscheidet darüber. Sie können mir zehnmal unterschieben, dies und jenes sei «exclu», verboten, ausgeschlossen. Der Initiativtext ist klar. Herr Couchepin, bietet diese Initiative der FDP vier Monate vor dem Wahlkampf eine gute Gelegenheit, sich von der immer mächtigeren SVP zu distanzieren? Couchepin: Ich gehöre jener Partei an, welche diesen Staat gegründet und sein demokratisches System aufgebaut hat… Blocher: (unterbricht) Wir waren auch dabei. Couchepin: Aber sicher. Wir waren die Architekten, und Sie haben mitgemacht. Vorausgesetzt, Ihre Vorfahren waren Freisinnige. Blocher: Natürlich. Die Freisinnigen sind unsere Grossväter (lacht). Couchepin: Meine Partei verteidigt das demokratische System aus Berufung. Was nun Christoph Blocher betrifft: Seine Absichten kann ich nicht einschätzen, da ich weder Psychoanalytiker noch Pfarrer bin. Ich stelle allerdings fest, dass er in eine für die Demokratie sehr gefährliche Richtung geht mit dieser Initiative. Deshalb bekämpfe ich sie. Nun möchte ich Ihnen aber noch eine Frage stellen, Herr Blocher. In einigen Monaten stimmen wir wahrscheinlich über die bilateralen Verträge ab. Sagen Sie Ja oder Nein zu diesen Verträgen? Warum erklären Sie sich nicht? Blocher: Ich entscheide mich dann, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Herr Blocher, die Bevölkerung würde aber von Ihnen auch gerne hören, ob Sie für oder gegen die bilateralen Verträge sind. Blocher: Warten Sie ab. Sie werden meine Haltung noch zu hören bekommen. Meine Antwort ist klar: Ich finde die Verträge schlecht. Ob man das Referendum ergreift, hängt von den Zusatzbedingungen ab, die das Parlament genehmigt oder ablehnt. Ich entscheide, wenn ich die Konsequenzen sehe - nach einer sorgfältigen Abwägung. Das dürfte zwischen August und Oktober sein, also vor den Wahlen. Die Meinungsverschiedenheiten, die sich in diesem Gespräch zeigen, sind beträchtlich. Herr Couchepin, muss die SVP in die Opposition? Couchepin: Dies ist das grosse Problem von Herrn Blocher. Er ist der eigentliche Chef einer Partei, die zwar eine Oppositionsrolle ausübt, gleichzeitig aber in der Regierung bleiben will. Dieses Doppelspiel, Herr Blocher, können Sie nicht permanent spielen. Blocher: Die Sache ist klar: Ich bin gewählter Parlamentarier und Mitglied einer Partei, die ein sehr konkretes Programm hat. Wir nehmen dieses Programm ernst und wollen es durchsetzen. Wir sind im Bundesrat vertreten. Doch das verpflichtet uns nicht, stets gleicher Meinung wie der Bundesrat zu sein. Wir leben in einem Land der direkten Demokratie, dessen Regierung aus vier Parteien gebildet ist. Alle Parteien haben schon gegen den Gesamtbundesrat gestimmt. Erst kürzlich bei der Mutterschafts-Versicherung zum Glück auch die FDP. In der direkten Demokratie ist jede Partei Oppositions- und Regierungspartei. Ich weiss allerdings, was hinter diesen Gedanken steckt. Couchepin: Sicher kennen Sie auch schon die Antwort. Blocher: Warten Sie ab. Ich sage immer: Jede Partei muss stets dazu bereit sein mitzuregieren. Man darf nicht freiwillig in die Opposition gehen. Werden wir allerdings von den Freisinnigen zusammen mit den Sozialisten aus der Regierung geworfen, müssen wir auch dazu bereit sein. Couchepin: Alle Ausführungen, die Sie in diesem Gespräch gemacht haben, waren oppositioneller Natur, Herr Blocher. Mit Aggressionen gegen den Bundesrat und mit der Anklage, er respektiere die Verfassung nicht. Sie sprechen die Sprache eines Oppositionsführers, die weit über die sektorielle Opposition hinausgeht, wie sie bei allen Parteien vorkommt. Übt eine Partei permanent Opposition aus und bekämpft - wie mit dieser Initiative - permanent den Bundesrat, muss sich diese Partei fragen: Wo haben wir unsere ehrliche Position? Können wir den Oppositionsdiskurs weiterführen, gleichzeitig aber von der Macht profitieren? Diese Doppelzüngigkeit wiegt schwer. Blocher: Herr Bundesrat, Sie sassen heute für eine Diskussion mit mir an denselben Tisch. Dass ich Sie dabei nicht loben würde, war ja klar. Sässe hier allerdings ein Sozialist… Couchepin: (unterbricht energisch) Ich würde gegen ihn antreten. Kein Zweifel. Blocher: Dann wären wir ja plötzlich auf der gleichen Seite. Allerdings nur, wenn Sie nicht sozialistisch sind. Couchepin: (lacht) Das können Sie selber beurteilen. Herr Blocher, können Sie mit Adolf Ogi als Ihrem Vertreter im Bundesrat überhaupt noch leben? Blocher: In der Wirtschafts- und Steuerpolitik ist Herr Ogi für uns ein sicherer Wert. In der zentralen Frage der Unabhängigkeit, der Neutralität und der Landesverteidigung haben wir tatsächlich grosse Differenzen. Entscheidende Differenzen? Blocher: Entscheidende Differenzen. Es sind dieselben Differenzen, welche die SP mit Bundesrat Otto Stich hatte. Herr Stich war gegen den EU-Beitritt und gegen den EWR, die SP flammend dafür. Couchepin: Nein, das stimmt nicht. Herr Stich hat sich nie gegen den EWR ausgedrückt. Er war immer loyal. Blocher: Auch Herr Ogi ist loyal. Der Bundesrat muss sich einfach über eines im Klaren sein: Die Regierung wird nicht aus vier Parteien gebildet, weil alle Parteien gleicher Meinung, sondern obwohl alle verschiedener Meinung sind. Couchepin: Es gibt zwei Dinge, die man von einer Regierungspartei erwarten darf. Erstens: dass sie nicht systematisch Oppositionspolitik betreibt. Das tun Sie aber … Blocher: …wir betreiben keine systematische Opposition… Couchepin: …Ihre Opposition ist systematisch. Zweitens darf man erwarten, dass ein Bundesrat von seiner Regierungspartei mit seinen Vorschlägen nicht konstant im Stich gelassen wird. Die SVP hat aber Herrn Ogi in letzter Zeit bei all seinen Vorstössen attackiert. Letztlich geht es also um eine Frage der doppelten Zweideutigkeit: Sie sind mit Ihrer SVP in der Opposition und wollen doch an der Macht teilhaben. Zudem widerspricht Ihre Meinung fundamental jener Ihres Bundesrates. Und dennoch sagen Sie: Ich will Adolf Ogi im Bundesrat behalten. Blocher: Dann müssen Sie uns aus dem Bundesrat werfen. Couchepin: Es geht um eine Frage der Redlichkeit auf Ihrer Seite. Blocher: Eine Partei in der Opposition könnte innerhalb von vier Jahren grosse Erfolge feiern. Das weiss ich. Trotzdem betone ich immer: Wir müssen in der Regierung mitwirken, aber in den zentralen Positionen fest bleiben. Denn in einer Konkordanz-Regierung fehlt die Opposition. Sie ist aber für eine Regierung wichtig. In den Siebziger- und Achtzigerjahren bildete die Presse die Opposition. Damals hatten wir eine Mitte-rechts-Regierung, und die Journalisten waren, wie übrigens heute noch, mehrheitlich Mitte-links. Heute ist das leider nicht mehr so. Presse, Parlament und Bundesrat bilden heute in den wichtigen Fragen eine Koalition. Deshalb sehe ich die Opposition in den wichtigen Fragen - Unabhängigkeit, Steuerklima, Asylpolitik - als meine Aufgabe. Couchepin: Noch einmal: Letztlich ist es eine Frage der Ehrlichkeit. In den letzten drei Jahren war die SVP siebenmal gegen wichtige Vorlagen der Regierung - und dabei habt ihr fünfmal verloren. Blocher: Ich habe die Niederlagen nicht gezählt. Couchepin: Manchmal deutet die Zahl auch auf die Qualität hin. Wer sich gegen alle grossen Projekte einer Regierung stellt, muss sich fragen, ob er noch - konstruktiv und lösungsorientiert - in dieser Regierung mitarbeiten kann. Oder ob er schlicht und einfach ein Profiteur von Opposition und Macht ist. Herr Blocher, im Herbst wird die SVP sehr wahrscheinlich Wahlsiegerin sein. Können Sie dann noch akzeptieren, in der Regierung mit nur einem Bundesrat vertreten zu sein, der nicht einmal Ihre Linie vertritt? Blocher: Darüber zerbreche ich mir jetzt nicht den Kopf. Würde die SVP im Herbst Bundesratsparteien mit zwei Bundesräten tatsächlich überholen, müssten wir bereit sein, mit zwei Bundesräten anzutreten. Das ist meine persönliche Meinung. Was wird dann geschehen? Der wahrscheinlichste Fall ist, dass kein zweiter SVP-Vertreter in den Bundesrat gewählt wird. Das Parlament wählt heute lieber einen Kommunisten als einen SVPler. Aber Herrn Ogi wird das Parlament wahrscheinlich wieder wählen. Couchepin: Wird die SVP ihn denn zur Wiederwahl empfehlen? Blocher: Davon bin ich überzeugt. Das heisst: Die SVP ist zufrieden mit Ogi? Blocher: Wir sind Realisten. Nicht zufrieden mit ihm sind wir in den zentralen Positionen Neutralität und Souveränität. Hier besteht ein offener Konflikt, den wir auch darlegen dürfen. Das Parlament würde heute aber keinen SVP-Vertreter wählen, der gegen den EU-Beitritt ist. Couchepin: Sie sind also bereit, alle Opfer zu bringen, nur um in der Regierung zu bleiben? Um Macht zu haben? Blocher: Es geht nicht um Macht. Couchepin: Um was sonst? Blocher: Um eine bessere Politik. Wären wir in der Opposition, müssten wir in allen Fragen systematisch Opposition betreiben. Das tun wir heute nicht. Couchepin: Sie wollen kein Oppositionssystem? Blocher: Es wäre wahrscheinlich besser, wenn jene Parteien eine Regierung bilden würden, welche die grössten Übereinstimmungen haben. Das ist meine persönliche Meinung. Heute ist die Konkordanz degeneriert. Man wählt Parteivertreter, die möglichst nicht die Parteimeinung vertreten, und klagt nachher darüber, dass Differenzen bestehen. Und wenn Sie, Herr Couchepin, glauben, mit der SP besser regieren zu können als mit der SVP - tun Sie das! Couchepin: Es liegt an Ihnen, das zu entscheiden. Sie betonen immer, Neutralität und der EU-Beitritt seien die Hauptfragen dieses Landes. Das denke ich auch. Blocher: Hier haben wir auch die Hauptdifferenzen. Couchepin: Sie haben hier allerdings auch die Hauptdifferenzen mit Ihrem eigenen Bundesrat - und sagen trotzdem: Das geht gut. Weshalb haben Sie ein so grosses Interesse daran, in der Regierung vertreten zu sein? Zu guter Letzt geht es doch um eine rein opportunistische Politik. Blocher: Schön, das ausgerechnet aus Ihrem Munde zu hören! Couchepin: Wer mit dem Anspruch antritt, sein Programm durchzusetzen, in den Hauptfragen mit seinem Bundesrat aber nicht einverstanden ist, kann nicht mehr im Ernst behaupten, er wolle sein Programm wirklich durchsetzen. Blocher: Natürlich. Die Frage ist: Setzen wir das Programm besser durch, wenn Herr Ogi in der Regierung sitzt - oder wenn kein SVP-Vertreter in der Regierung sitzt? Herr Couchepin, was sagen Sie nun Franz Steinegger, Ihrem Parteipräsidenten? Soll die FDP im Herbst noch Listenverbindungen mit der SVP eingehen? Couchepin: Die Diskussion von heute ist sehr wichtig. Sie erlaubt uns zu beurteilen, ob Herr Blocher und seine Vertreter bereit sind, eine problemlösungsorientierte Politik zu betreiben. Und ob sie einverstanden sind, ihre politischen Gegner zu respektieren - und wie ihre Haltungen gegenüber der Regierung aussehen. Zu welchem Schluss kommen Sie nach diesem Gespräch? Couchepin: Ich bin Bundesrat. Aber ich würde Herrn Steinegger raten, dass die FDP-Kantonalparteien in jedem Kanton beurteilen sollen, ob allfällige SVP-Verbündete eine positive Haltung haben oder nicht. Blocher: In Zürich dürfte die FDP also keine Listenverbindung mit der SVP eingehen? Couchepin: Es ist Sache der Kantonalparteien, dies zu entscheiden. Ich entscheide weder für Zürich noch für Herrn Steinegger. Die Differenzen, die sichtbar werden, stimmen aber insgesamt nachdenklich? Couchepin: Natürlich sind diese Differenzen bedenklich. Blocher: Ich finde sie nicht bedenklich. Aber es ist typisch, dass der Bundesrat sie als bedenklich beurteilt. Zu Ihren Bedingungen einer Regierungsbeteiligung, Herr Couchepin: Ich werde weiterhin Respekt vor den Aufgaben und dem Auftrag der Regierung, der Verwaltung, des Parlamentes und des Souveräns haben. Wie bisher. Couchepin: Wie bisher? Das sind zwei Worte zu viel. Blocher: Ich hatte bisher Respekt und werde ihn weiterhin haben. Couchepin: «Wie bisher», das ist zu viel. Blocher: Ich kenne meine eigene Meinung besser als Sie. Couchepin: Ich beobachte Sie von aussen. Blocher: Gewisse Bundesräte ertragen Kritik nicht, weil sie glauben, «L'état, c'est moi!». Damit sprechen Sie Herrn Couchepin an? Blocher: Das würde ich sagen. Die Töne, die ich dieser Tage von ihm gehört habe, sind für mich ein Zeichen dafür, dass ihm der Respekt vor der eigenen Aufgabe fehlt. Für uns gilt: In der Frage der Souveränität der Schweiz, der Steuersenkungen und im Kampf gegen den Asylmissbrauch werden wir, ob in der Regierung oder nicht, keine Konzessionen machen. Und ich werde, wie Sie das gefordert haben, Herr Couchepin, problemorientiert sein bis zum Letzten. Couchepin: Ich sprach von Lösungsorientierung. In all diesen von Ihnen angesprochenen Punkten sieht der Bundesrat Lösungen vor. Blocher: Zuerst muss man die Probleme erfassen, bevor man sie lösen kann. Couchepin: Aber Sie schaffen die Probleme und wecken negative Emotionen, bis keine Lösungen mehr möglich sind. Das ist die Schwäche Ihrer ganzen Argumentation. Blocher: Ich habe zu all diesen Fragen Lösungen. Oft allerdings andere als Sie. Couchepin: Sie bieten für diese pluralistische Gesellschaft keine realistischen politischen Lösungen an. Blocher: Das ist eine Behauptung. Couchepin: Natürlich, das ist eine politische Behauptung.

27.06.1999

«Selbst wenn ich schweige, bin ich ein Thema»

Christoph Blocher über Macht, politische Gegner und seine Auseinandersetzung mit Bundesrat Couchepin Interview mit der Sonntagszeitung vom 27. Juni 1999Von Othmar von Matt Herr Blocher, fehlen Ihnen heute die politischen Gegenspieler? Christoph Blocher: Meine Gegenspieler sind diejenigen, die eine falsche Politik betreiben. Und auch wenn sie ihre Politik nicht mehr begründen können, machen sie trotzdem eine falsche Politik. Es fehlt doch jemand wie Peter Bodenmann, der Sie dezidiert herausfordert. Blocher: So gesehen gebe ich Ihnen Recht. Ich habe bald keine namhaften politischen Gegner mehr. Früher tat dies Helmut Hubacher. Peter Bodenmann ist im Wallis verschwunden, Elmar Ledergerber im Zürcher Stadtrat. Und Franz Jaeger verkündet heute aus der Hochschule gute Wirtschaftspolitik. Freut Sie das? Blocher: Mehr würde mich eine gute Politik freuen. Aber auch ohne namhafte Gegenspieler kommen Steuererhöhungen, Asylmissbrauch und zu viele Regulierungen zu Stande. Ein gutes Zeichen ist allerdings, dass die Bevölkerung langsam genug hat von dieser Politik. Politik lebt allerdings von Gegensätzen. Und ich bin froh, wenn die Gegner antreten. Wie Ursula Koch? Blocher: Ich bin zweimal gegen Frau Koch angetreten. In der ersten "Arena" beschränkte sie sich auf das Pöbeln. Pöbeln war ihr politisches Programm, bis ihr die Werbeleute davon abgeraten haben. In der zweiten Sendung bemerkte ich, dass Frau Koch überhaupt kein Konzept hat. Nicht einmal ein falsches. Und wie steht es mit Franz Steinegger? Blocher: Die Freisinnigen sind nicht unsere Gegner. Im Moment weiss ich allerdings nicht, ob Steinegger eine Partei vertreten muss, welche die Orientierung verloren hat. Oder ob ihm selber die Orientierung abhanden gekommen ist. Dezidiert geäussert hat sich in den letzten Tagen Volkswirtschaftsminister Pascal Couchepin. Ist er Ihr neuer Gegenspieler? Blocher: Bisher war Herr Couchepin nie mein Gegenspieler, er war politisch ein Mann ohne Meinung. Aber wenn er jetzt als Bundesrat den Gegenpart spielen will, soll er das tun. Ich bin gerne bereit, den Ball aufzunehmen. Seine Reaktionen verraten jedoch höchste Nervosität. Couchepin äusserte sich über Ihre Rolle im Zusammenhang mit der Initiative, die fordert, dass Volksinitiativen in sechs Monaten vors Volk kommen müssten. Blocher: Er hat auf ein harmloses Inserat zur Initiative, die ich gutheisse, reagiert. Wenn er nun davon spricht, Blocher sei mit seiner wirtschaftlichen, politischen und finanziellen Tätigkeit ein ganz gefährlicher Mann, so zeigt dies seine bedenkliche demokratische Gesinnung. Er fühlt sich in seiner Macht bedroht. Aufs Höchste besorgt ist allerdings auch der Gesamtbundesrat. "Die Initiative führt die direkte Demokratie ad absurdum und stellt die politische Kultur der Schweiz in Frage", sagt er in einer Erklärung. Blocher: Das ist lächerlich. Es ist Tatsache, dass Volksinitiativen relativ lange in Bern "herumgeteiggt" werden. Ein Volksbegehren soll rasch zur Abstimmung gebracht werden. Es ist gar nicht nötig, dass Bundesrat und Parlament dazu Vorschlag und Gegenvorschlag machen müssen. Gemäss der Volksinitiative müssen Bundesrat und Parlament keine Stellung nehmen. Aber sie dürfen es selbstverständlich. Überrascht Sie die heftige Reaktion? Blocher: Ich hätte nie erwartet, dass sich der Gesamtbundesrat dazu hinreissen lässt. Damit schiesst er ein Eigentor, denn seine Reaktion gibt der Initiative riesigen Auftrieb. Irgendwie ist es unheimlich: Wo immer in der politischen Schweiz von heute etwas geschieht, taucht Ihr Name auf. Blocher: Das tut mir leid. Selbst wenn ich schweige, bin ich offenbar ein Thema? Schritt für Schritt bauen Sie Ihre Macht aus. Wann haben Sie Ihr Ziel erreicht, die Macht in der Schweiz zu übernehmen? Blocher: Ein solches Ziel verfolge ich nicht. Die Schweizer sind demokratisch, und darum wird in diesem Land nie jemand die Macht übernehmen. Ich muss wieder einmal darauf zurückkommen, was ich eigentlich tue: Erstens bin ich erfolgreicher Unternehmer. Mein Weg dazu ist transparent nachzuvollziehen, und das gibt Neider. Zweitens bin ich Politiker und vertrete seit Jahren konsequent meine Meinung. Was soll daran suspekt sein? Die Ballung wirtschaftlicher, politischer und finanzieller Macht - verbunden mit der Tendenz zu einfachen Antworten, wie Bundesrat Couchepin sagt. Blocher: Ich gebe mir grosse Mühe, einfach zu reden. Was soll daran gefährlich sein? Im Gegensatz zu Herrn Couchepin besitze ich keine Macht. Keine institutionelle Macht. Blocher: Ihm stehen Steuergelder und eine Verwaltung zur Verfügung. Seit dem Wahlerfolg der Zürcher SVP im April reagiert die Classe politique nervös und empfindlich. Sobald jemand ein bisschen aus dem Durchschnitt herausragt, versuchen ihn die Tonangebenden zu köpfen. Diese Tendenz lässt sich in der Schweizer Geschichte immer wieder beobachten. Ihr Understatement ist bemerkenswert. Sie verfügen über beträchtliche Macht. Blocher: Ich bin mir dieser Macht gar nicht bewusst. Was ist denn diese Macht? Sie haben sich eine Holding aufgebaut: mit Auns, SVP, "Schweizerzeit". Eine Holding, die Sie gezielt einsetzen und finanziell so massiv unterstützen, wie dies keiner anderen Partei möglich wäre. Blocher: In die Auns stecke ich kein Geld, sondern einen Teil meiner Arbeitskraft. Auch in die "Schweizerzeit" investiere ich kein Geld. Bei der Gründung habe ich zwei Aktien zu je tausend Franken gezeichnet. Auch an die Schweizer SVP zahle ich nur ordentliche Beiträge, genauso wie an die Zürcher SVP. Denn die Partei darf finanziell nicht von mir abhängig werden. Doch es gibt Abstimmungskampagnen und generelle Kampagnen, die ich gezielt unterstütze. Wie viel investieren Sie in Kampagnen? Blocher: Im Schnitt ein paar Hunderttausend Franken pro Jahr. In der EWR-Abstimmung waren es 1,5 Millionen. Bei den Wirtschaftsverbänden befürchtet man, Sie übernähmen die Macht. Blocher: Das höre ich aus den Verbänden ebenfalls. Ich will dort weder eine leitende Stellung einnehmen, noch habe ich die Zeit dazu. Hingegen fordere ich als Unternehmer seit langem, dass die Verbände eine konsequente Wirtschaftspolitik betreiben: eine gute Ordnungspolitik. Nur drang ich mit dieser Forderung bisher nicht durch. Neu ist, dass zahlreiche - auch grosse - Schweizer Unternehmen ebenfalls diese Meinung vertreten. Dennoch kam der Verdacht auf, Sie steckten hinter der Fusionsforderung. Blocher: Die Idee der Fusion stammt nicht von mir. Und ich bin nicht einmal sicher, ob sie eine wesentliche Verbesserung bringt. Die Bemühungen kommen aus der Maschinenindustrie und der Chemie, aber auch aus anderen Branchen. Immerhin soll Ihnen das Vorort-Präsidium angeboten worden sein. Blocher: Davon weiss ich nichts. Präsident werden Sie also nie? Blocher: Käme ein solches Angebot, müsste ich sagen: Es tut mir Leid. Das kann ich nicht auch noch machen. Denn ich müsste entweder die Politik oder das Unternehmen aufgeben. Beides kommt für mich im Moment nicht in Frage. Wenn Sie die Schweiz nach Ihrem Gusto gestalten könnten: Wie sähe sie aus? Blocher: Zunächst einmal: Ich möchte keine Schweiz, die ich gestalten könnte. Ich möchte eine sehr demokratische Schweiz, in der die wesentlichen Entscheide bei der Bevölkerung liegen. Und inhaltlich? Blocher: Was würde ich dem Volk zur Abstimmung unterbreiten? Vorlagen, welche die traditionellen Stärken der Schweiz betonen: jene der souveränen, der neutralen Schweiz. Einer Schweiz, welche die dauernde Neutralität nach aussen hin stärkt, die in freundschaftlicher Beziehung zu allen Ländern dieser Welt lebt - wirtschaftlich, kulturell, politisch. Es dürfte allerdings keinerlei Einbindungen in eine fremde Macht geben, damit die Schweiz ihr Schicksal als Kleinstaat eigenständig bestimmen kann. Und innenpolitisch? Blocher: Ich bin für eine liberale Politik. Die Menschen in diesem Land sollen - bei Vollbeschäftigung - ihren Verdienst nicht der Umverteilung preisgeben. Es ist ein Staat von eigenverantwortlichen Bürgern. Der Staat sorgt für jene, die nicht für sich selber sorgen können. Mit dieser Stossrichtung ginge es den Schweizerinnen und Schweizern auch in Zukunft gut. Je zahlreicher die Länder in der Globalisierung Massenkonstruktionen suchen, desto grösser sind unsere Chancen. Sie wollten eine Thatcher-Schweiz, in welcher der Staat keine Rolle mehr spielt, die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, wirft Ihnen die SP vor. Blocher: Es ist heute eine Tatsache, dass eine niedrige Staatsquote die entscheidende Grösse für Vollbeschäftigung und einen konkurrenzfähigen Standort ist. Und die Reformen von Frau Thatcher waren nötig, um England aus einer tiefen Krise zu holen. Sie musste dafür zuerst die allmächtigen Gewerkschaften brechen. Herr Blair tut doch jetzt nichts anderes, als ihre Politik fortzusetzen. Verfolgen Sie in der Schweiz ein ähnliches Ziel? Die Gewerkschaften zu brechen? Blocher: Nein. In England hatten die Gewerkschaften eine unglaubliche Macht. Das ist bei uns nicht so. Der Staat hat grundsätzlich nicht zu bestimmen, ob es Gewerkschaften gibt oder nicht. Wie wichtig ist Ihnen der soziale Friede? Er droht zu zerbrechen. Blocher: Das glaube ich nicht. Der soziale Friede ist das Ergebnis des Ausdiskutierens von Standpunkten. Heute weiss bei Kompromissen aber niemand mehr, zwischen welchen Positionen sie entstanden sind. "Wir sind nicht mehr bereit, Kompromisse nach links zu machen - nur weil man gerne Kompromisse hat", sagten Sie nach dem Wahlsieg in Zürich. Stehen Sie tatsächlich für Ausdiskutieren ein? Blocher: Absolut. Ich habe noch nie eine Einladung zu einer Diskussion abgelehnt. Wenn es letztlich nach Ihrem Willen geht? Blocher: Dass sich ein Politiker für seine Ansichten einsetzt, ist seine Aufgabe. In zentralen Dingen kämpfe ich, bis der letzte Entscheid gefallen ist. Ist er aber gefallen, halte ich mich daran. Christoph Blocher ganz ungefährlich? Blocher: Gefährlich nur für jene, die nicht ertragen, dass es Menschen gibt, die ihre Meinung unerschrocken vertreten.