Artikel

 

16.12.2011

Über die Bundesratswahlen und die Basler Zeitung

Interview mit den Schaffhauser Nachrichten vom 16. Dezember 2011 mit Norbert Neininger Herr Blocher, nun ging gestern gar nichts nach Wunsch: Die SVP hat nach wie vor nur einen Sitz. Christoph Blocher: Ja. Vor allem aber wurde jetzt Klarheit geschaffen. Es ist nun offensichtlich, die andern Parteien wollen der SVP - der wählerstärksten Partei - keinen zweiten Sitz zugestehen. Das kann man zwar tun. Aber indem man von Konkordanz schwafelt und verkündet, man wolle der SVP zwei Sitze zugestehen, zeigt erneut das unappetitliche heuchlerische Spiel bei Bundesratswahlen. Hatten Sie denn einen anderen Ausgang erwartet? Blocher: Nein, es hat sich in den letzten Tagen abgezeichnet, dass es so kommen wird, wie es kam. Die ersten Kommentatoren werfen Ihnen vor, Ihre Strategie habe versagt. Gibt es Anlass zur Selbstkritik? Blocher: Bis auf eine Kleinigkeit, hat sich Herr C. Baader nichts vorzuwerfen. Und das war was? Blocher: Konsequenterweise hätten wir entweder nur gegen die SP oder dann gegen beide SP- und FDP-Sitze antreten müssen. Doch das Resultat wäre unverändert gewesen. Sehr glücklich war der Kandidatenwechsel von Zuppiger zu Walter aber nicht ... Blocher: Das ist ein sehr bedauerlicher Unglücksfall. Die SVP hat schnell und konsequent gehandelt, als wir feststellen mussten, dass Herr Zuppiger nicht mehr als Kandidat in Frage kommt und seine Kandidatur zurückzog. Waren Sie da zu vertrauensselig? Blocher: Vielleicht. Hätten wir den wahren Sachverhalt gewusst, wäre Herr Zuppiger nie vorgeschlagen worden. Doch das ist erledigt. Aber es ging ja gar nicht darum: Es spielte – wie man jetzt sieht – gar keine Rolle, mit wem wir angetreten sind. Wir haben ja Leute nominiert, die von unseren Gegnern geradezu ausgewählt worden waren. Sowohl Herr Zuppiger wie Herr Walter wollten unsere Gegner stets im Bundesrat. War denn die Nomination von Herrn Zuppiger keine Panne? Blocher: Natürlich ist das eine Panne. Darum ist er unverzüglich zurückgetreten, nachdem wir den wahren Sachverhalt erfahren haben. Die SP, die CVP und auch die Grünliberalen haben erklärt, der Kandidatenwechsel hätte sie geradezu gezwungen, den ursprünglichen Plan zu ändern. Blocher: Das sind Ausreden. Man wollte die SVP nicht im Bundesrat. Darum hat man weder Jean-François Rime noch Hansjörg Walter gewählt, nur darum. Einen konkordanteren Kandidaten als Herrn Walter gibt es ja nun wirklich nicht. Wenn man den nicht wählt, wählt man keinen. Was sind jetzt die Konsequenzen? Wird die SVP auch Herrn Maurer dazu veranlassen, den Bundesrat zu verlassen? Blocher: Herr Maurer hat heute gesagt, dass diese Wahl und die Zusammensetzung des Bundesrates schlecht für das Land seien. Und auch schlecht für ihn, der weiter einsam in der Regierung sitzt. Und trotzdem: Ueli Maurer wird bleiben, wenn die Partei dies nicht anders verlangt! Noch einmal: Geht die SVP in die Opposition? Blocher: Wir müssen nicht mehr gehen wir sind es. Man hat uns nicht die volle Regierungsverantwortung übertragen. Welche Konsequenzen wir daraus ziehen, entscheiden wir am Parteitag am 28. Januar 2012. Aber eines ist klar, jetzt sind wir verpflichtet, die Regierung zu kontrollieren, zu kritisieren, Missstände aufzudecken und auch aufzuzeigen, was man wie besser machen könnte. Wir haben den Auftrag zur konstruktiven Regierungskontrolle. Möglich wäre auch, dass Herr Maurer den Bundesrat verlässt? Blocher: Herr Maurer ist ein ausgezeichneter Bundesrat. Ich glaube nicht, dass dies nötig sein wird. Auch das entscheiden wir am 28. Januar 2012. Es wird klar, dass Sie persönlich den Weg in die Totalopposition bevorzugen. Blocher: Nein. Aber was heisst das? Wir sind ja nach wie vor in den Gemeinden und Kantonen eingebunden. Eine Totalopposition kann und soll es also gar nicht geben. Aber ich werde opponieren, wenn die Ausländer- und Asylpolitik aus dem Ruder läuft. Andere werden es auch tun. Ob die ganze Fraktion oder Partei dies auch tut, werden wir sehen. Was werfen Sie dem Bundesrat denn inhaltlich vor? Blocher: Dass er beispielsweise die Katastrophe im Asylwesen schönredet, statt diese aufzudecken. Frau Sommaruga, löst die Asylprobleme nicht, sondern verwaltet sie. 95 Prozent der Asylanten aus Afrika sind Kriminelle oder Wirtschaftsflüchtlinge. Italien nimmt sie gemäss Dublin-Vetrag praktisch kaum zurück. Sie sollten sofort die Südgrenze - entgegen Schengen - kontrollieren oder schliessen. Wenn es so weitergeht, gibt es unlösbare Probleme. Das muss verhindert werden. Weil wir nicht mehr in der vollen Regierungsverantwortung sind, können wir das besser tun, als wenn man mit der Regierung unter einer Decke steckt. Warum haben Sie eigentlich den FDP-Sitz attackiert, obwohl Sie das zuvor ausgeschlossen hatten? Blocher: Weil die Konkordanz gebrochen war: Zudem gab es ja auch mindestens ein halbes Dutzend FDP-Mitglieder, die sich nicht an die Abmachung gehalten haben. Wie damals bei meiner Abwahl sind sie mitverantwortlich. Am Montag hat die FDP auch gegenüber der SVP erklärt, dass sie im 7. Wahlgang gegen die SP nicht die SVP unterstützen werde. Themenwechsel, reden wir von der «Basler Zeitung» und dem Vorwurf, Sie hätten über Ihren Einfluss dort gelogen. Blocher: Das behaupten die Journalisten jener Verlage, die sich die «Basler Zeitung» einverleiben wollen. Aber die Aeusserung, meine Aussagen seien formell korrekt gewesen, aber inhaltlich gewagt, ist nicht ganz falsch. Warum haben Sie denn nicht klipp und klar gesagt, dass Sie die Macht in Basel hatten? Blocher: Weil das nicht so war, die Macht hatte der Mehrheitsaktionär Moritz Suter, solange er die Aktien besass. Aber - meine jüngste Tochter hat die Aktien kurzfristig übernommen, weil eine solche Option bestand. Sie tat dies, um sie an die Medien-Vielfalt-Holding von Herr Tettamanti zu verkaufen. Diese wird dafür sorgen, dass der Monopolisierung der Medienlandschaft Einhalt geboten wird. Es bleibt dabei: Sie haben den Eindruck genährt, dass Sie nichts mit der «Basler Zeitung» zu tun hätten. Blocher: Nicht ich, sondern meine Tochter Rahel war mit ihrem Geld involviert. Natürlich hat weder sie noch ich dies veröffentlicht, aber auch nicht bestritten. Meine Tochter ist nun nicht mehr dabei, aber ich werde den neuen Besitzern für Basel eine gewisse Garantie leisten, dass sie mit dem industriellen Teil keinen Verlust erleiden werden. Doch jetzt hat die BaZ mit Filippo Leutenegger einen tüchtigen Sanierer als Präsidenten. Entscheidend ist doch, dass die «Basler Zeitung» und später auch weitere nicht auch noch in die Hände der Grossverlage fallen. Das helfe ich zu verhindern. Wird sich denn diese Holding an weiteren Medienunternehmen beteiligen? Blocher: Das müssen Sie Herr Tettamanti fragen. Ich glaube schon. Sie will die Medienvielfalt. Wir haben ja bereits geradezu nordkoreanische Verhältnisse: Vor den Wahlen einheitlich durch Staatsfernsehen und Staatsradios die Asyl- und Freizügig-keitsprobleme beschönigen und erst nach den Wahlen die Realität zeigen! Es gibt nur wenige Ausnahmen; Zu denen gehören die «Basler Zeitung», die «Weltwoche» und auch die «Schaffhauser Nachrichten». Aber die «Schaffhauser Nachrichten» brauchen ja glücklicherweise niemanden, der ihnen hilft. Wird denn nun die «Basler Zeitung» zum SVP-Blatt? Blocher: Lesen Sie sie doch, dann sehen Sie, dass es eine offene Zeitung ist, die enorm an Qualität gewonnen hat. Und die auch linke Autoren publiziert, selbstverständlich. Sobald Sie sich bei Medien engagieren, gibt es massive Widerstände. Können Sie sich das erklären? Blocher: Erklären? Ich bin es gewohnt. Das ist halt einfach so, und dies hat mich auch – der Sache und den Mitarbeitern zuliebe – in Basel dazu veranlasst, mich offiziell aus dem Spiel zu nehmen.

10.12.2011

Konkordanz oder Opposition? Die SVP und die Landesregierung

Ansprache von a. Bundesrat Christoph Blocher anlässlich der Delegiertenversammlung vom 10. Dezember 2011 in der Kaserne von Chamblon (VD) Herr Präsident Herr Bundesrat chers amis de la Suisse romande cari amici della Svizzera italiana meine Damen und Herren In vier Tagen wird unsere Landesregierung neu gewählt. Die Frage lautet: Gilt die Konkordanz oder soll eine Koalition von Gleichgesinnten regieren? I. Die SVP und die Konkordanz In der Konkordanz regieren mehrere Parteien zusammen - sinnvollerweise die grössten. Nicht weil sie gleicher, sondern obwohl sie verschiedener Meinung sind. Sie haben nur etwas gemeinsam: Sie sind die Wählerstärksten. Für die Landesregierung hiess dies bisher: Die drei grössten Parteien sind mit je zwei Sitzen, und die kleinste Partei mit einem Sitz in der Regierung vertreten. Das galt zumindest solange, als die SVP die kleinste Partei war. Nachher waren der Ausreden viele, um die SVP ganz oder teilweise aus der Regierung auszuschliessen. Sie predigten Wasser und tranken Wein! II. Am 14. Dezember 2011 geht es um die Konkordanz Die Konkordanz garantiert eine gewisse Stabilität. Darum hat sich die SVP stets vorbehaltlos hinter die Konkordanz gestellt. Mit der „Zauberformel“ – 2:2:2:1 – sind etwa 75 Prozent der Wählerinnen und Wähler im Bundesrat vertreten. Das ist anspruchsvoll: Jeder Bundesrat trägt die Grundsätze seiner Partei und ihrer Wähler ins Regierungsgremium. Hier treffen die verschiedenen Ansichten aufeinander. Und hier muss nun ein tragfähiger Kompromiss erstritten, erkämpft und erlitten werden. Was heisst das für die SVP? Erstens hat man den Gegner ernst zu nehmen, indem man sich mit ihm streitet. Es ist kein billiges Anbiedern. Die SVP setzt sich auch in der Regierung ein für Freiheit, für eine unabhängige Schweiz, für die Volksrechte, die dauernd bewaffnete Neutralität und die Sicherung der Wohlfahrt. Sie muss auch bereit sein, sogar mit einer SP notfalls einen Kompromiss einzugehen. Die Konkordanz verlangt, dass die SVP notabene mit einer SP regiert, die in ihrem neuesten Programm genau das Gegenteil von der SVP darstellt. Die SP strebt eine in die EU eingebundene Schweiz an, sie tritt ein für die Abschaffung der Landesverteidigung und für die Überwindung des Kapitalismus – d.h. für den real existierenden Sozialismus. Die SVP weiss, dass in der Geschichte Wirtschaftstotenstille, Hunger, Elend, Massenelend, Blutvergiessen und Millionen von Ermordeten, Verdrängten und Vertriebenen zur Diktatur geführt haben. Nein, wir regieren nicht mit der SP, weil uns dieses Programm begeistern könnte. Aber wir akzeptieren die SP, die mit 18,5 Prozent Wähleranteil die zweitgrösste Partei ist, und daher zwei Sitze zu gut hat. Allerdings kann diese Bereitschaft der SVP nur dann gelten, wenn auch die SP bereit ist, der SVP – der mit 26,6 Prozent grössten Partei – zwei Sitze zuzugestehen. In der Konkordanz müssen alle involvierten Parteien diese mittragen – und zwar nicht nur verbal. Darum, meine Damen und Herren, gilt: Am 14. Dezember 2011 geht es um die Konkordanz. Wird der SVP der zweite Sitz zugunsten der 5,4-Prozent-Partei BDP verweigert, ist die Konkordanz gebrochen. Dies hat unabsehbare Folgen. III. Wo steht die SVP? Die Entscheidung fällt in der Wahl um den zweiten Bundesratssitz. Eine Vertreterin einer 5,4-Prozent-Partei hat keinen Platz in der Konkordanz. Wird die SVP als stärkste Partei in ihrem Anspruch auf einen zweiten Sitz nicht berücksichtigt, ist DIE KONKORDANZ GEBROCHEN! Dann gelten dann sofort keine Regeln und Abmachungen mehr. 26,6 Prozent der Wähler haben SVP gewählt, mehr als ein Viertel. Die SVP ist mit dem drittbesten Resultat in ihrer 92-jährigen Geschichte aus den Wahlen hervorgegangen! Die Partei hat erstmals 1919 an den eidgenössischen Wahlen teilgenommen. Das Jahr 1919 war auch das erste Jahr der Proporzwahlen. 2011 hat die SP mit dem zweitschlechtesten Resultat in ihrer Geschichte abgeschlossen! Und die CVP und FDP liegen auf dem historischen Tiefpunkt! Meine Damen und Herren, wer ist hier die Verliererpartei? IV. Der Auftrag der SVP Die SVP hat vor den Wahlen dem Schweizervolk ein klares Programm und einen Vertrag mit dem Volk vorgelegt – 26,6 Prozent der Wähler haben sich dafür ausgesprochen und damit der SVP einen klaren Auftrag erteilt. Am Anfang der Bundesverfassung steht geschrieben: „Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und Sicherheit des Landes.“ Meine Damen und Herren: Freiheit Volksrechte Unabhängigkeit Sicherheit Genau dies ist das Parteiprogramm der SVP! Die Verwirklichung dieser Ziele ist für die Schweiz existenziell. Schauen Sie hinaus in die Welt! Die Schuldenpolitik ist das Resultat globalen Grössenwahns. Es ist eine Politik ohne die Grundsäulen Freiheit, Volksrechte, Unabhängigkeit, Sicherheit! Meine Damen und Herren, wir stehen vor einer der grössten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg! Es drohen Unsicherheit und Wirtschaftniedergang mit Arbeitslosigkeit! Es gilt, diesen Gefahren entschlossen entgegenzuwirken. Es gilt, die bewährten Grundsäulen unseres Landes nicht zu verlassen. Bürger und Wirtschaft sind zu stärken. Ist es da sinnvoll, die grösste Partei aus der Regierung auszuschliessen? V. Tadel als grösstes Lob Es mag Leute unter Ihnen geben, die unter all den schadenfreudigen Meldungen und Falschmeldungen der Monopolmedien Fernsehen und Radio, sowie der Main-stream-Medien leiden. Doch, meine Damen und Herren, gönnen Sie doch unseren Gegnern die Schadenfreude, dass die SVP nach 20-jährigem Dauererfolg am 23. Oktober 2011 etwas zurückgefallen ist. Wer kann denn ein Lob erwarten von all denen, die sich schon lange von der Schweiz verabschiedet haben? Von all jenen, die uns Richtung EU treiben, die dem Druck aus der EU und den USA leichtfertig nachgeben, die die Schweizer Wirtschaft verregulieren und zu Tode verbürokratisieren, die die Stromversorgung unterbrechen, bevor sie neue Energiequellen haben, die die verheerenden Auswirkungen der Personenfreizügigkeit und von Schengen nicht sehen, die das Asylunwesen nicht beseitigen, sondern verwalten und pflegen, die ein Finanzgebaren an den Tag legen, das die Schweiz zum Schuldenstaat macht? Sollten wir von diesen Kreisen Lob erhalten? Nein, meine Damen und Herren: Der Tadel unserer Gegner ist gleichzeitig unser grösstes Lob! Deshalb können wir freudig und selbstbewusst in die Zukunft schreiten! Egal, ob die SVP in der Regierung als vollwertiger Partner vertreten ist oder ausserhalb der Regierung steht: Sie wird sich auf jeden Fall für die Schweiz einsetzen.

08.12.2011

«Was heisst hier drohen?»

Interview mit der Basler Zeitung vom 8. Dezember 2011, Markus Prazeller und Markus Somm Herr Blocher, am Mittwoch wählt die Bundesversammlung den Bundesrat. Die SVP schickt mit Zuppiger und Rime zwei gemässigte Kandidaten ins Rennen. Sind das ihre Wunschkandidaten? Die SVP hat gute Kandidaten präsentiert, nun muss das Parlament der SVP zwei Sitze geben, wenn sie die Konkordanz will. Gerade in schwierigen Zeiten – und wir befinden uns in einer schwierigen Zeit – ist es wichtig, dass die grössten politischen Kräfte an der Regierungsverantwortung teilnehmen. Wir brauchen tragfähige Lösungen für dieses Land, um den aktuellen Problemen wie z. Bsp. der drohenden Rezession, den zunehmenden Asylzahlen und dem Druck aus dem Ausland begegnen zu können. Noch vor drei Jahren haben Sie sich gegen eine Kandidatur von Bruno Zuppiger ausgesprochen. Damals gaben wir Ueli Maurer den Vorzug. Er wurde dann auch gewählt. Man wirft Ihnen vor, die Kandidatur von Zuppiger und Rime sei rein taktisch. Sie bringen zwei Kandidaten, die zwar nicht erste Wahl sind, die aber für alle wählbar sind. Es macht keinen Sinn, dass wir einen Kandidaten zur Wahl vorschlagen, der im Parlament keine Chance hat. Sowohl Bruno Zuppiger als auch Jean-François Rime, die beide auf Parteilinie politisieren, sind seit langem Wunschkandidaten der anderen Parteien. Sollten diese Parteien erneut der SVP einen zweiten Sitz vorenthalten, hat es definitiv nichts mehr mit den Kandidaten zu tun, sondern es geht ihnen alleine darum, dass die Anliegen der grössten Partei nicht in die Regierung eingebracht werden können. Die Wiederwahl von Eveline Widmer-Schlumpf gilt als wahrscheinlich – spätestens seit den Fraktionsentscheiden von SP und CVP vergangenen Dienstag. Wie sieht Ihr Plan B aus? Sollte die Bundesversammlung die BDP-Kandidatin wählen, ist die Konkordanz gebrochen. Dann ist alles möglich. Was wir dann tun, wird dann entschieden. Was heisst das? Wenn die SP so stimmt, wie sie sagt, ist sie die Konkordanzbrecherin. Sie wird dann kaum mit einer Unterstützung der SVP rechnen können. Werden Sie tatsächlich darauf verzichten, gegen die FDP anzutreten, wie dies SVP-Fraktionschef Caspar Baader am Dienstag gesagt hatte? Die FDP hat Anspruch auf zwei Sitze. Die BDP, mit nur 5,4 % Wähleranteil hat diesen Anspruch nicht. Daran ändert auch nichts, dass die CVP und die BDP nun eine Arbeitsgruppe eingesetzt haben, um ihre Zukunft zu besprechen. So lange sich die FDP an die Konkordanz hält, gibt es keinen Grund, gegen einen ihrer Bundesräte anzutreten. Sie lassen sich also eine Hintertür offen. Nein, bis jetzt gibt es keine Anhaltspunkte, dass sich die FDP nicht an die Konkordanz hält. Folglich muss sie die SVP unterstützen. Wir erwarten aber, dass sich auch die, die sich anders äusserten - wie Christine Egerszegi oder Kurt Fluri - an die Konkordanz halten. Die Wahlen sind geheim. Wie wollen Sie das merken, dass sich einzelne aus der FDP-Fraktion nicht an die Konkordanz halten? Lassen Sie dies unsere Sorge sein. Bruno Zuppiger spricht sich gegen die Masseneinwanderungsinitiative der SVP und für die Personenfreizügigkeit aus. Ist das kein Problem für Sie? Ich verstehe, dass Bruno Zuppiger als Präsident des Gewerbeverbands in diesem Punkt eine andere Meinung hat als der Grossteil der Fraktion. Aber auch er anerkennt, dass Handlungsbedarf besteht; er hat aber Angst vor der Kündigung. Allerdings verlangt auch die Masseneinwanderungsinitiative nicht die Kündigung der Personenfreizügigkeit, sondern nur die Neuverhandlung. CVP und BDP haben bekannt gegeben, dass sie künftig enger zusammenarbeiten wollen. Damit haben Sie auch rechnerisch einen Anspruch auf den Sitz von Widmer-Schlumpf. Die beiden Parteien haben einzig angekündigt, eine Arbeitsgruppe zu gründen. Das begründet noch lange keinen Anspruch. Anders sähe es aus, wenn CVP und BDP eine Fusion beschlossen hätten. Dann hätten sie einen Wähleranteil von etwa 18 Prozent und einen Anspruch auf einen weiteren Sitz. Doch das ist alles passé. Dann würden also auch Sie Widmer-Schlumpf wählen? Gemäss Konkordanz würden dann diese fusionierten Parteien zwei Sitze zustehen, Und wenn diese diese Kandidatin als die ihre vorschlagen würden, müsste die SVP dies tun. Sie haben in der Vergangenheit immer wieder mit der Opposition gedroht. Gilt das noch immer? Was heisst drohen? Ist die SVP nicht voll in der Regierungsverantwortung, so ist sie ganz oder teilweise in der Opposition. Das heisst, wir wären auf mehr Referenden und mehr Initiativen angewiesen! Werden Sie dann Ueli Maurer zurückziehen? Auch das ist eine Möglichkeit, die wir aber erst nach den Wahlen beschliessen werden. Offenbar ist Ueli Maurer nur ungern dazu bereit, einer solchen Aufforderung der Partei nachzukommen. Ueli Maurer hat uns zugesichert, dass er jeden Entscheid der Partei mitträgt. Natürlich ist er in eine solche Beschlussfassung miteinbezogen. Früher haben die bürgerlichen Parteien SVP, FDP und CVP eine starke Einheit gebildet. Wieso ist das nicht mehr möglich? Die Parteien haben noch nicht akzeptiert, dass wir in eine Krise schlittern. Die Arbeitslosigkeit steigt, der Wirtschaft geht es schlecht und die EU erhöht den Druck auf die Schweiz. Davor verschliessen alle die Augen. Nicht einmal das neue Parteiprogramm der SP, das die Überwindung des Kapitalismus und den EU-Beitritt propagiert, konnte die Zusammenarbeit der Bürgerlichen stärken. Das sind die typischen Forderungen des Sozialismus. Das ist gefährlich für die Schweiz. Die Wähler nehmen das nicht so wörtlich. Pascale Bruderer wurde nicht in den Ständerat gewählt, weil sie eine Sozialistin ist. Auch der Halb-Sozialismus ist gefährlich für die Wohlfahrt. Das Problem ist, dass sich die Bürgerlichen nicht mehr zusammenraufen können. Denken Sie an die Ständeratswahlen im Kanton St. Gallen. Auch dort haben sich alle gegen die SVP verschworen. Das Resultat: Anstelle eines Bürgerlichen wird mit Paul Rechsteiner ein Erzlinker – geradezu ein Kommunist - gewählt. Im Kanton St. Gallen war es vor allem die FDP, die das bewirkte. Wählen tut das Volk. Das wünscht sich offenbar lieber Ständeräte wie Paul Rechsteiner als Toni Brunner oder Adrian Amstutz. Unterschätzen Sie den Einfluss der Parteien nicht. Wenn eine FDP einen linken Kandidaten unterstützt, mobilisiert sie damit auch ihre Wählerschaft, weil diese darauf schaut. Die Wähler prüfen nicht jeden Kandidaten auf Herz und Nieren. Zudem haben sich die SVP-feindlichen Medien auch noch daran beteiligt. Daraus abzuleiten, das Volk wünsche sich einen linken Vertreter, ist jedoch falsch. Gerade der Erfolg unserer Initiativen – zum Beispiel gegen Minarette oder bei den Ausschaffungen – zeigen das.

28.11.2011

Die politische Diskussion musste geführt werden

Interview mit der Limmattaler-Zeitung vom 28. November 2011 mit Alfred Borter Herr Blocher, Sie sind angetreten, um zu siegen. Jetzt mussten sie eine Niederlage hinnehmen. Das ist bitter. Das Resultat entspricht den Erwartungen. Das Ziel war ein anderes. Die beiden bisherigen Ständeräte sind gewählt. Aber sie sind um eine politische Auseinandersetzung nicht herumgekommen und mussten politische Positionen offen legen. So haben z.Bsp. beide gewählten versprochen, sie seien klar dagegen, dass die Schweiz von der EU automatisch Gesetze übernehme, dass die Schweiz keine fremden Richter akzeptieren dürfte und dass die Schweiz beim Rettungsfonds nicht mitmachen könne. D.h. die beiden Gewählten werden schauen, dass die Bilateralen III nicht akzeptiert werden. Wunderbar. Dann hat sich Ihr Einsatz aus Ihrer Sicht trotzdem gelohnt? Ja. Wir wussten von Anfang an: Ich kann nicht gewählt werden. Aber die politische Diskussion musste geführt werden. Aber jetzt können Sie nicht im Ständerat für ihre grossen Anliegen kämpfen, etwa für die Beschränkung der Einwanderung und die Bekämpfung der Ausländerkriminalität. Ja und diese Probleme werden gigantisch wachsen. Das müssen jetzt die gewählten Ständeräte lösen. Ich werde dies im Nationalrat vertreten. Werden Sie im Nationalrat eine aktive Rolle spielen, vielleicht sogar als Fraktionschef der SVP? Nein, das müssen jüngere machen. Aber wenn nötig werde ich eine aktive Rolle spielen. Die unangenehmen Dinge werde ich aufgreifen, etwa die Masseinwanderung, Asylwesen. Wie geht es mit der Partei weiter, nachdem es nicht gelungen ist, mehr Mitglieder der SVP in den Ständerat zu bringen? Wir haben mit vier Ständeräten gerechnet, jetzt sind es fünf. Das ist gut. Wir haben gesagt: Wir wollen die Dunkelkammer Ständerat aufmischen, Licht hineinbringen. Das war unser Ziel. Es wird heller! Also sehen Sie keinen Grund, dass die SVP ihre Politik oder ihre Strategie ändert? Nein, im Gegenteil, wir müssen noch rigoroser vorgehen, weil wir in der Fraktion weniger Mitglieder haben. Dann müssen wir vermehrt über Initiativen und Referenden Politik machen, was etwas mühsam sein kann. Aber es kann ja sein, dass die andern Parteien unsere Anliegen aufgreifen, denn sie wissen, dass sie aufpassen müssen, weil in vier Jahren ja wieder Wahlen sein werden. Wo steht die SVP in vier Jahren? Kommt sie wieder auf den Siegespfad? Das hängt natürlich davon ab, wie gut die andern Parteien arbeiten. Wenn aus der Asyl-, der Ausländer- und der Europapolitik eine Dauerkrise wird, wird die SVP wachsen. Schwenken die andern Parteien auf unsere Linie, dann braucht die SVP keinen Wahlerfolg mehr. Aber Sie werden dannzumal wohl kaum mehr als Wahlkampflokomotive dabei sein. Das wird auch nicht mehr nötig sein, es kommen genug gute Leute nach. In vier Jahren werden Sie 75 sein. Immerhin sagten Sie einmal scherzhaft, Ihr Vorbild sei Konrad Adenauer. Ja, der hat erst nach meinem heutigen Alter überhaupt angefangen. Aber was in vier Jahren sein wird, das sehen wir dann.

24.11.2011

Glühwürmchen der Freiheit

Interview für «Weltwoche» vom 24. November 2011 mit Roger Köppel SVP-Stratege Christoph Blocher zu den Wahlniederlagen seiner Partei, der Bedeutung des Bundesrats, zu den „monarchischen Zügen“ in der EU und dem Vorwurf, ob er sich mittlerweile wie einst Gaddafi oder Berlusconi an die eigene Macht klammere. Von Roger Köppel Warum wurde SVP-Ständerat Adrian Amstutz abgewählt? Das kam nicht unerwartet! Alle gegen die SVP! Von weit links bis zu den Bürgerlichen wandte man sich gegen Amstutz. Eigentlich erleben wir doch in der Schweiz eine Renaissance konservativer Werte. Die Mehrheit ist mittlerweile gegen die EU. Der Zeitgeist dreht Richtung SVP. Die Partei müsste zulegen. Trotzdem droht auch der "Sturm aufs Stöckli" fehlzuschlagen? Dieser Ausdruck stammt nicht von uns und war nie unser Ziel. Sie haben recht, der Zeitgeist scheint zu drehen. Aber wenn alle andern Parteien zusammen gegen die SVP halten, lässt sich trotzdem keine Majorzwahl gewinnen. Das gleiche Phänomen gab es vor 40 bis 50 Jahren bei den Sozialdemokraten. Gute Leute wurden nicht gewählt, weil alle anderen gemeinsam dagegen waren. Leidet die SVP, weil sie von den anderen kopiert wird? Die meisten andern Parteien wurden vor den Parlamentswahlen in vielem zu Kopien der SVP. Man überbot sich in Liebe zur Schweiz, es gab keine EU-Befürworter mehr. Man war für mehr Sicherheit, bessere Schulen..... So unterschied sich die SVP weniger klar von den andern. Zudem halfen praktisch alle Medien der Anti-SVP-Koalition. Hätten die anderen wirklich ihre Ueberzeugung geändert, wäre dies ja gut. "Allein mir fehlt der Glaube!" Wir werden sehen, ob vor den Wahlen auch nach den Wahlen ist. Nach den Niederlagen wird die Forderung innerhalb der SVP lauter werden, die Partei müsse freundlicher, konzilianter, nachgiebiger auftreten. Wer ist schon gegen freundlich und konziliant? Aber was heisst "nachgiebiger"? Bis jetzt stelle ich bei uns nichts in dieser Richtung fest. Aber es wird sicher Leute geben, die Lust verspüren abzuweichen. Was halten Sie dagegen? Die Frage lautet: Wollen wir bei Personenwahlen Erfolg um jeden Preis? Heisst der Preis: Kein Widerstand mehr, wenn man die Schweiz in die EU einbinden will? Keine Kritik der Misstände bei der Personenfreizügigkeit? Keine Kritik an den beunruhigend ansteigenden Asylantenzahlen? An der Ausländerkriminalität? Und damit Verzicht auf die Lösung all dieser Probleme? Natürlich sind immer wieder Kompromisse zu schliessen. Aber beim Kampf für die Unabhängigkeit der Schweiz gibt es keine Konzessionen. Unsere Unabhängigkeit wird in den nächsten Jahren auf harte Proben gestellt werden. Die Querelen um Personenfreizügigkeit, Bankkundengeheimnis, Abgeltungssteuern, Beteiligung am Rettungsfond sind erst der Anfang. Wenn die Wahlen verloren gehen, woran messen Sie den Erfolg einer SVP? Ich stelle die Existenzfrage: Wozu braucht es eine SVP? Meine Auffassung ist: Unsere Partei hat nur das Wohl der Schweiz zu sehen, nichts anderes! Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU. Dieses Ziel haben wir in den letzten 30 Jahren erreicht. Oft muss man als Rufer in der Wüste antreten. Die ganz grossen Fehlentwicklungen in der Geschichte haben sich immer dann ereignet, wenn alle unwidersprochen auf momentanen Erfolg aus waren. Umgekehrt waren wichtige politische Entscheide in der Geschichte oft mit äusserlichen Misserfolgen verbunden. Britanniens Kriegspremier Churchill konnte seinem Land nur Blut, Schweiss und Tränen anbieten, das war kein Wahlerfolgs-Programm, aber die Freiheit Europas hat er damit gerettet. Als Dank verlor er die Wahlen. Ja und....? Wie stark sind Sie jetzt als Chefstratege selber unter Druck? Die jüngsten Verluste der SVP sind heilsam. Wie bei jedem erfolgreichen Unternehmen braucht es auch bei den Parteien Rückschläge, um Fehlentwicklungen zu erkennen. Nicht, dass wir den Rückgang gesucht hätten. Aber Niederlagen öffnen die Augen: Wahlthema, Wahlauftritt sind intern zu analysieren, auch die zunehmende Bequemlichkeit nach 20 Jahren Dauererfolg. Einzelne Parteisektionen sind am Einschlafen. Vielleicht gibt es auch zu viele Karrierepolitiker. Unsere Leute gehen oft nicht mehr an die Urnen. Aus Bequemlichkeit oder Resignation? Steht der Kurs auf der Kippe? Nein. Aber der Parteikurs muss immer wieder diskutiert werden. Die Gründe des Wahl-Rückgangs - hier meine ich nicht die Ständeratswahlen - sind zu hinterfragen. Man darf zwar nicht um jeden Preis gewinnen, aber anderseits kann man auch nicht Parteipolitik machen mit dem Ziel, dass keiner gewählt wird. Was ist die wichtigste Lehre für Sie nach den bisherigen Wahlergebnissen? Bei den programmatischen Forderungen darf es m.E. keine Kurskorrektur geben. Die Versuchung ist gross, in die Breite zu gehen. Damit wird man im Augenblick zwar wachsen, aber an Profil verlieren. Wie die Entwicklung der FDP seit den 80iger Jahren zeigt. Man wird einen neuen Stil verlangen. Vielleicht. Wer einen anderen Stil will, soll einen anderen Stil pflegen. Aber Politik darf nicht heissen: möglichst vielen SVPlern zu Ämtern und Pöstchen verhelfen. Das wäre falsch. Ich bin beeindruckt, wie sehr die SVP-Basis auch nach den Wahlen zur Partei steht. Warum hat die SVP die Bundesratswahlen verschlafen? Verschlafen hat sie gar nichts. Es geht um die Grundsatzfrage "Regierungsbeteiligung oder Opposition." Wollen wir - egal zu welchem Preis - im Bundesrat vertreten sein? Gilt die Konkordanz oder werden Konzessionen in Sachen schweizerischer Unabhängigkeit verlangt? Was ist besser für die Schweiz? Fraktionschef Caspar Baader politisiert klar auf Parteilinie. Durch sorgfältige Vorbereitung hätte man ihn doch überzeugen können. Nein. Er wäre ein sehr guter Kandidat, kann aber aus beruflichen Gründen nicht antreten. Aber vielleicht würde er auch nicht gewählt. Man sendet ja bereits Signale aus: Man will eine Person, die im Bundesrat in den grossen Fragen, denen wir uns stellen müssen, nachgibt: Beim Europa-Anschluss, bei Unabhängigkeit, Masseneinwanderung, Zahlungen an die EU. Dabei läuft die Schweiz finanziell aus dem Ruder. Das Ausgabenwachstum ist wesentlich höher als das Wirtschaftswachstum. Ein SVP-Bundesrat muss hier entschlossen Gegensteuer geben. Also kommen für Sie keine Bundesratskandidaten in Frage, die nicht voll auf Ihrer Linie sind. Es geht nicht um "meine" Linie; Aber es muss eine gewisse Garantie bestehen, dass er im Bundesrat vertritt, was er vorher versprochen hat. Das braucht enorm viel Kraft. Wenn einer schon vorher wackelt, kann er dem Druck der Verwaltung nicht standhalten. Die SVP könnte einen wählbaren Konsenskandidaten in den Bundesrat delegieren, sich dann aber das Recht vorbehalten, im Zweifelsfall gegen den eigenen Bundesrat zu opponieren. Selbstverständlich. Dieses Recht nehmen sich auch andere Parteien - vor allem die Sozialdemokraten - heraus, nur stört sich dort niemand daran, weil die Mitte heute links ist. Wie wichtig ist der Bundesrat überhaupt? Von Ihnen sind in letzter Zeit skeptische Töne zu hören. Ein starker Bundesrat wäre wichtig. Erstens sollte er die Verwaltung im Griff haben. Bei schwachen Bundesräten regiert die Verwaltung. Die Verwaltung ist europhil, gegen die direkte Demokratie und fürs Geldausgeben. Hier müssen Bundesräte Widerstand leisten. In den grossen institutionellen Fragen kann der Bundesrat, wenn er falsch handelt, notfalls durchs Volk korrigiert werden. Die grossen Fragen stellen sich auch den Bundesräten: Soll die Unterwanderung der direkten Demokratie andauern? Wie leisten wir Widerstand gegen die Einbindung in die EU? So, wie die Sache heute steht, werden Bundesrat und Mehrheit des Parlaments mit Sicherheit nachgeben. Also ist Widerstand gefragt. Es geht um die Schweiz als selbständiger Staat! Für Sie persönlich wäre es am besten, wenn der offizielle SVP-Kandidat abgelehnt und die Partei in die Opposition gehen müsste. Sie wären dann unbehindert Oppositionsführer. Ich suche kein neues Amt! - Alles hat seine Zeit. Widerstand hat seine Zeit und Nachgeben hat seine Zeit. In die Opposition geht man nicht freiwillig. Aber man muss dazu bereit sein. Die SVP ist von der Geschichte her keine Oppositionspartei. Nach meiner Wegwahl waren wir kurz in der Opposition. Das heisst: Mehr Arbeit für die SVP-Parlamentarier. Das gefällt nicht allen. Ist für Sie ein SVP-Politiker, der zu 80 Prozent auf Parteilinie fährt, in den Bundesrat wählbar? Ich denke an Peter Spuhler. Natürlich. Aber nur wenn die 20% nicht die wesentlichen Dinge - also die Handlungsfreiheit der Schweiz - betreffen. Wie muss sich die Schweiz gegen eine immer aggressiver auftretende EU wehren, wenn Bundesrat und Parlament wie bisher zu wenig entgegensetzen? Nochmals: Die Frage lautet "Widerstand oder Anpassung." Uebrigens seit 700 Jahren. Natürlich, wenn die EU von uns verlangt, die Beschilderung unserer Autobahnen derjenigen in der EU anzupassen, ist Nachgeben sinnvoll. Wenn es aber darum geht, die staatliche Handlungsfreiheit und die direkte Demokratie einzuschränken, dann ist Widerstand unerlässlich. Leider sind Verwaltung, Diplomaten, Bundesrat nicht fähig oder nicht gewillt, der EU legitimen Widerstand zu leisten. In den Verhandlungen sitzt man schon von Anfang an auf der falschen Seite des Tisches! Es fehlt an Mut und Selbstbewusstsein und an der Fähigkeit, Druck zu ertragen und Konflikte auszutragen. Was ist das schlimmste Szenario? Es sind viele Schreckenszenarien denkbar. Die EU könnte das, was an Armeen in Europa übrig geblieben ist, gegen die Schweiz abkommandieren, bis die Schweiz kapituliert. Das ist unrealistisch. Viele Unternehmer fürchten eine Kündigung von bilateralen Verträgen. Doch die Schweiz ist ein zu wichtiger Handelspartner, der zudem die Rechnungen bezahlt. Die EU kündigt keine Verträge, die in Ihrem Interesse liegen. Hat die Schweiz keine Achillesferse? Natürlich können andere Staaten uns benachteiligen. Darum ist uns an guten Beziehungen, aber bei gegenseitigem Respekt und unter Wahrung der gegenseitigen Unabhängigkeit, gelegen. Auch strikte Neutralität hilft hier viel. Denkbar sind Zollschikanen, allerdings beschränkt aufgrund der Welthandelsvereinbarungen, oder Behinderungen der Schweizer Banken durch die USA. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass beispielsweise eine mittelgrosse Bank von den Amerikanern vernichtet werden könnte? Wenn Sie zu stark mit den USA verflochten ist, vielleicht schon. Doch auch diese Drohung kann die Preisgabe unserer Staatsprinzipien nicht rechtfertigen. Zudem sind die USA ein Rechtsstaat. Die EU ist in einer schlimmen finanziellen Krise. Wie kann sich die Schweiz schützen? Man weiss nicht wohin der Weg der EU führt. Die Schweiz muss daher vor allem die Handlungsfreiheit für alle möglichen Situationen behalten. Souverän bleiben! Sich als unabhängiger Staat keinesfalls finanziell an der Fehlkonstruktion der Rettungsschirme und ähnlichem beteiligen. Sich nicht mitschuldig machen, dass damit die Probleme nicht nur nicht gelöst, sondern durch immer neues Geld hinausgeschoben und vergrössert werden. Bereits werden informelle Gespräche über eine Beteiligung der Schweiz geführt: Bundesrätin Widmer-Schlumpf besuchte Finanzdirektoren in Brüssel. Micheline Calmy- Rey traf EU-Ratspräsident van Rompuy zum einstündigen Gespräch. Man habe „nicht formell“ über eine Beteiligung gesprochen - also sprach man informell darüber. Faktisch wird Europa von Kanzlerin Merkel, Präsident Sarkozy, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds regiert. Die Macht verdichtet und zentralisiert sich in Frankfurt und Brüssel. Was bedeutet das für die Schweiz? Das ist eine besorgniserregende Entwicklung. Ich erkenne in der EU pseudo-monarchische Züge. In Notzeiten sehnen sich viele nach einer starken Führung. Man traut der Demokratie nicht mehr. In Griechenland wird von der EU her eine Volksabstimmung abgesagt, die Regierung wird abgesetzt. Aehnliches geschieht in Italien. Beunruhigende Tendenzen gibt es auch in der Schweiz. Die Leute resignieren, weil man den Volkswillen nicht umsetzt. Sie stimmen ab, aber nichts passiert. Nehmen Sie die Ausschaffungsinitiative. Der Vertrauensverlust in die Politik nimmt zu, zum Schaden der Demokratie. Erreicht der Druck auf die Schweiz eine neue Qualität, indem sich die Fronten in der EU gleichsam schliessen? Wer gegen neue europäische Monarchie-Tendenzen antritt, wird verspottet. Das passiert zurzeit den Engländern, die sich Kritik am Sarkozy-Merkel-Europa erlauben. Der Schweiz könnte in dieser Situation - als europäische Nation ausserhalb der EU - eine neue, geradezu historische Funktion zuwachsen: Gleichsam als Leuchtturm oder, sagen wir bescheidener, als Glühwürmchen der Freiheit und der Demokratie in Europa. Das geht allerdings nicht ohne Standhaftigkeit. Die Frage ist wie oft in der Geschichte: Haben wir die Kraft, dem Druck auf unsere Freiheit standzuhalten? Oder sind wir heute zu bequem und zu verwöhnt, um allfällige Nachteile auf uns zu nehmen? Wie viele Bürger erkennen noch den Wert unserer besonderen Staatsprinzipien wie direkte Demokratie, Neutralität, Föderalismus, Selbstverantwortung? Was entgegnen Sie? Zunächst: Man muss den Bürgern die Vorteile eines übersichtlichen Kleinstaates und die schweizerischen Besonderheiten als Erfolgsfaktoren bewusst machen. Aufzeigen, dass der bessere wirtschaftliche und gesellschaftliche Zustand der Schweiz vor allem der direkten Demokratie und dem Föderalismus zu verdanken sind. Das ist heute, mit Blick auf die Welt, besonders leicht zu erkennen. Ohne direkte Demokratie und Ständemehr sässe die Schweiz auch im europäischen Schlamassel. In den vergangenen Jahren wurde diese "Heimatkunde" in Erziehung, Schule und Universität vernachlässigt, was zu einer gewissen Entwurzelung geführt hat. In der Politik heisst die Devise: Die Bürger in den Mittelpunkt stellen und nicht den Staat, und nach aussen: Weltoffenheit ohne sich einbinden zu lassen. Muss sich die Schweiz auf eine verschärfte Isolation in Europa einstellen? Ja, das glaube ich. Wir können von der EU sicher nicht Lob für die direktdemokratische Schweiz, die sich ihr nicht unterziehen will, erwarten. Die Schweizer Wirtschaft wird Ihnen vorwerfen, Sie seien verrückt geworden mit Ihrer Widerstandsrhetorik der dreissiger Jahre. Man wird auf die realen Geschäftsinteressen der Schweiz verweisen und Ihre Isolationsthesen als Gefährdung der Wohlstandsinsel Schweiz bekämpfen. So weit weg von der Krise der 30iger Jahre sind wir nicht. Ich war mein Leben lang internationaler Unternehmer. Ich weiss, die Wirtschaft handelt oft aus momentanen finanziellen Interessen heraus, und Unternehmen haben Angst, dass sie in Verruf geraten. Begreiflich. Trotzdem muss man stets ohne Ueberheblichkeit für das Recht einstehen und weitblickend denken. Handlungsfreiheit preisgeben, ist für Unternehmer wie für Staaten meist der Anfang vom Untergang. Auch wenn es im Augenblick bequemer sein mag. Nur damit ein Verkäufer seine Produkte leichter verkaufen kann in Europa, darf man die Schweizer Unabhängigkeit und Wohlfahrt nicht opfern! Meine Erfahrung ist aber die: Gerade ausländische Unternehmer anerkennen die schweizerischen Besonderheiten als Erfolgsfaktoren. Ist die Schweiz wohlstandsverwahrlost? Jeder, der lange ohne grosse Anstrengung im Reichtum gelebt hat, wird zwangsläufig wohlstandsverwahrlosen. Die Widerstandskraft wird geschwächt. Man erträgt Sie nur in homöopathischen Dosierungen. Vielleicht. Wer in der Schweiz zu pointiert und zu einflussreich wird, wird zurückgebunden. Das ist ein gesunder Zug. Der gleiche Machtbrechungsinstinkt spielt heute gegen die SVP. Sie mobilisieren mittlerweile mehr Gegner als Anhänger. Nichts Neues für Menschen, die etwas bewegen. Nütze ich der guten Sache, oder steht ihr mein Wirken im Wege? Solche Anfechtungen begleiten mich das ganze Leben. Rückwirkend betrachtet, zeigt sich der Einsatz als wichtig. Zumindest ist die Schweiz heute nicht in der EU! Die SVP ist weitaus die stärkste Partei, hat wichtige Initiativen und Abstimmungen gewonnen. Also: Weitermachen. Das sagen 95jährige Firmenpatrons, die nicht loslassen können. Vermutlich dachte auch Gaddafi am Schluss, nur er könne das Land führen, oder Berlusconi oder Blocher, der meint, nur er könne die wahren Schweizer Werte vertreten. Ich verbitte mir diese Vergleiche und lege Wert auf die Feststellung, dass ich zur Zeit nicht 95jährig bin! Diese Frage ist ernst zu nehmen: Was ist das Motiv der eigenen Tätigkeit? Gaddafi klammerte sich an die Macht, war ein schlimmer Diktator. Um der eigenen Macht willen wollte er nicht abtreten. Unser Motiv ist ein anderes. Wir sind wenige - Sie reden von einer isolierten Gruppe -, die für die schweizerische Unabhängigkeit kämpfen. In dieser Situation braucht es jeden. Es ist eine Tatsache, dass es nur wenige Politiker gibt, die sich frei und unabhängig einsetzen können gegen den mainstream. Darum tue ich es. Jeder, der es falsch findet, kann es sagen. Vielleicht ist es auch nicht Ihr Problem. Wenn man Sie entbehrlich findet, kann man Sie durch bessere Leistungen überflüssig machen. Gerade weil meine Gegner glaubten, nach der Abwahl aus dem Bundesrat würde ich den Einsatz für eine freie Schweiz aufgeben, mache ich weiter. Den Gegner soll man nicht beseitigen, sondern widerlegen. Wer übernimmt die SVP, wenn Sie morgen, Gott bewahre, tot umfallen? Die SVP ist keine Firma, die jemand übernehmen kann oder muss. Die Entwicklung der SVP in den letzten 30 Jahren ist erfreulich. Nach dem Tiefpunkt 1975 brauchte es einzelne um die Wende zu schaffen. Heute wird das Gedankengut breit geteilt. Wir haben viele gute Persönlichkeiten, auch viele Junge. Die Grundstruktur ist sehr solid. Nein, nein, die SVP kann nicht so leicht über den Haufen geworfen werfen. Da habe ich Vertrauen.