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Bundesratszeit

08.06.2007

Kriminalität, Sicherheit, Ausländer – eine Standortbestimmung

Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der Informationsveranstaltung SVP, 8. Juni 2007, in Riehen BS 08.06.2007, Riehen Riehen. An der Informationsveranstaltung der SVP in Riehen (BS) sprach Bundesrat Christoph Blocher über Ursachen und Ausmass der Jugendgewalt und informierte über verschiedene Massnahmen zur Bekämpfung dieses Problems. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Sehr geehrte Damen Sehr geehrte Herren 1. Das Ausmass der Taten In der Stadt Zürich vergewaltigt eine Bande von Jugendlichen ein dreizehnjähriges Mädchen. Alle zwölf Verdächtige haben polizeiliche Vorakten, unter anderem wegen Raubdelikten. Die Medien und Behörden versuchen die Herkunft der Täter zu vertuschen. Erst Tage später schreibt der Tages-Anzeiger: „Unter den zwölf Verhafteten sind sechs Schweizer. Es soll sich um eingebürgerte Jugendliche aus dem Balkan und der Türkei handeln; die restlichen stammen ebenfalls aus dem Balkan sowie je einer aus Italien und der Dominikanischen Republik.“ Das sind keine Amtsgeheimnisse (TA 18.11.2006). Im November 2006 wird eine Massenvergewaltigung in Steffisburg (BE) bekannt. Die Beschuldigten: Zwei albanische Brüder (15 und 16 Jahre alt), ein Pakistani (15), ein Schweizer tamilischer Herkunft (16), ein Brasilianer (18) und zwei weitere 18jährige Ausländer. Das sind keine Amtsgeheimnisse (Blick, 15.11.2006) Ebenfalls im November 2006 wird die Schändung der katholischen Kirche von Muttenz bekannt. Die jugendlichen Täter aus dem Balkan (alle nichtchristlichen Glaubens) haben den Innenraum mit Kot und Urin besudelt. Das sind keine Amtsgeheimnisse, sondern öffentlich bekannte Taten. (Basellandschaftliche Zeitung, 21.11.2006) Bereits im Juni 2006 ereignete sich im bündnerischen Rhäzüns eine brutale Schändung eines 5jährigen Mädchens. Die Täter: Zwei Jungen (10 und 13 Jahre alt) stammen aus dem Kosovo. Alles öffentlich bekannt. Im März 2007 wurde ein weiterer Fall bekannt und zwar aus dem Kanton Freiburg. Junge bis jugendliche Täter sollen sogar über mehrere Monate minderjährige Mädchen vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen haben. Die Täter stammen laut dem Freiburger Justizdirektor Erwin Jutzet mehrheitlich aus dem Balkan. Auch dies ist öffentlich bekannt. Einen Monat später werden drei weitere Vorfälle publik: In der Gemeinde Bettlach (So) sollen gleich mehrere minderjährige Mädchen Opfer von sexuellen Übergriffen geworden sein. Was ist diesen öffentlich zugänglichen Meldungen gemeinsam? Und was bestätigen eingehende Untersuchungen aus Fachkreisen? 1. Das Ausmass der Jugendgewalt und die Brutalität haben erschreckend zugenommen. 2. Viele der jugendlichen Täter sind schlecht integrierte Ausländer, namentlich aus dem Balkan. 3. Es herrscht allgemeine Hilflosigkeit gegenüber dieser Entwicklung. Alle fühlen sich zuständig – also ist niemand wirklich zuständig. Alle halten die anderen für schuldig – also trägt keiner Verantwortung. 4. Nach wie vor versuchen Amtsstellen, aber auch gewisse Medien und politische Kreise das Thema Gewalt von jungen Ausländern zu leugnen, zu vertuschen oder zu verharmlosen. 2. Arbeitsgruppe zur Jugendgewalt Die Gewalt unter Jugendlichen beschäftigt viele Menschen. Die Bürgerinnen und Bürger – vor allem auch Eltern und andere Erziehungsverantwortliche – sind beunruhigt über die Entwicklungen in der Jugendkriminalität. – Dies gilt nicht nur für Ausländer, sondern allgemein. Ausserdem sind verschiedene Fachleute, Direktbetroffene, Ämter an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement gelangt. Die eingangs erwähnten Vorfälle haben uns weiter bestärkt, die Jugendgewalt zur Kernaufgabe im Jahr 2007 zu erklären. Es besteht Handlungsbedarf. Die Jugendgewalt hat massiv zugenommen. Zugenommen hat nicht nur das Ausmass. Beängstigend ist, dass die Gewalt härter, brutaler und gnadenloser geworden ist. Es wird auf Schwache eingeprügelt, auch wenn das Opfer bereits wehrlos am Boden liegt. Und es gibt immer mehr auch organisierte Gewalt durch Gruppen und Banden, die sich oft ad hoc zusammensetzen und aktiv werden. Die Gesamtzahl der Jugendstrafurteile wegen Gewaltdelikten hat von 2000 bis 2005 um mehr als 80 % zugenommen, hat sich also fast verdoppelt (Statistik der Jugendstrafurteile 2006, S. 261). Jugendstrafurteile nach Delikt, 2000-2005 (Statistik der Jugendstrafurteile 2006, Tabelle 14) 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Einfache Körperverletzung 265 381 401 466 519 638 Raub (Art. 140 StGB) 209 241 259 322 332 374 Drohung (Art. 180 StGB) 148 208 218 244 298 317 Bekanntlich lässt sich von Strafanzeige- bzw. Strafurteilsstatistiken nicht ohne weiteres auf die tatsächliche Häufigkeit von Straftaten schliessen (sog. Dunkelfeldproblematik), so dass über das Ausmass und die Entwicklung der Jugendgewalt keine vollständige Klarheit besteht. Die Dunkelziffer dürfte aber erheblich sein: Oftmals getrauen sich die Opfer nicht, die Strafbehörden einzuschalten, häufig aus Furcht vor weiteren Repressalien. Vor diesem Hintergrund scheint es weitgehend sinnlos, sich über Steigerungsraten zu streiten. Fakt ist: Jugendgewalt besteht in einem beunruhigenden Ausmass und Jugendgewalt nimmt stark zu. Grundsätzlich stellen wir fest, dass die Hemmschwelle bei Jungen stark gesunken ist; sie schlagen schneller zu. Dabei spielt zum Teil übertriebener Alkoholgenuss eine Rolle, aber auch die omnipräsenten Gewaltdarstellungen im Alltag. Die Ausländerfrage spielt mit hinein. Die Zahlen und die Erfahrungen der Fachleute sprechen ein klare Sprache: Auffallend hoch ist der Anteil von Tätern mit „Migrationshintergrund“. Und dort wieder vor allem von Jugendlichen aus dem Balkan. Das ist die übereinstimmende Aussage der Verantwortlichen. Jugendstrafurteile nach Aufenthaltsstatus, 2005 (Statistik der Jugendstrafurteile 2006, Tabelle Total Schweizer/innen Ausländer/innen mit Wohnsitz in der Schweiz Anzahl Anzahl % Anzahl % Einfache Körperverletzung 638 270 42,3 347 54,4 Raub 374 161 43,0 198 52,9 Drohung 317 147 46,4 159 50,2   Setzt man die Anzahl der Verurteilungen zur Anzahl der Angehörigen der entsprechenden Wohnbevölkerung in Beziehung, so akzentuieren sich die Unterschiede: Bei verschiedenen Delikten werden jugendliche Ausländer mit Wohnsitz in der Schweiz um ein Mehrfaches häufiger straffällig als Schweizer ihrer Altersgruppe (vgl. die Statistik der Jugendstrafurteile 2006, Tabelle 10). Aber auch unter den Jugendlichen ausländischer Herkunft bestehen beträchtliche Unterschiede. So machen gemäss den neuesten Zahlen aus dem Kanton Zürich bei Delikten gegen Leib und Leben Jugendliche aus Balkanländern 52,6 Prozent von allen ausländischen tatverdächtigen Jugendlichen aus. (Neue Zürcher Zeitung, 9.2.2007. Daten aus der Kriminalstatistik der Kantonspolizei Zürich.) So weit die ersten Erkenntnisse. So weit die ersten Schlüsse. So weit die erste Einkreisung des Problems. 3. Das übliche Reaktionsschema Als ich ein erstes Mal über die Ergebnisse einer dazu gebildeten dieser Arbeitsgruppe sprach, lief das übliche Reaktionsschema ab (wir kennen den Vorgang ja aus anderen Zusammenhängen): Die einen verharmlosen den Sachverhalt oder streiten ihn rundweg ab. Aus diesen Kreisen tönt es dann, die Jugendkriminalität habe im Vergleich zum Vorjahr gar nicht zugenommen. Es komme einfach auf das Zählverfahren an. Interessant. Die Kriminalität ist also bloss eine Frage der Buchhaltung. Andere rufen sofort: Aber halt! Der Justizminister ist für diese Frage gar nicht zuständig! „Eigenmächtige Einmischung“, betitelte eine Sonntagszeitung ihren Kommentar. Die Bekämpfung der Jugendkriminalität sei doch Sache der Kantone. Der Bundesrat dürfte ja gar nichts unternehmen gegen die Jugendgewalt. Eine dritte Gruppe beschwichtigt: Wir haben doch schon alles bestens geregelt. Wir verfügen über die nötigen Gesetze. Keine der vorgeschlagenen Massnahmen sei wirklich neu. Die Ausweisung von notorischen Jugendstraftätern etwa werde bereits praktiziert. Besonders beliebt ist es auch nach wie vor, jeden Hinweis auf den auffallend hohen Ausländeranteil unter jugendlichen Straftätern als „fremdenfeindlich“ abzutun. Auf die gleiche Weise wurde jahrelang der Asylmissbrauch verschlampt. Auf die gleiche Weise wurden sämtliche Ausländerprobleme geleugnet. Schlimmer noch: Wer die Ausländerkriminalität beim Namen nannte, wer die hohen Sozialkosten von Ausländern kritisierte, wer auf die Gewaltbereitschaft von Leuten aus dem Balkan verwies, wer auf die grossen Probleme in Schulen mit hohem Ausländeranteil zu sprechen kam, wurde sofort selbstherrlich von den Linken, den Medien und Gerichten in die fremdenfeindliche Ecke gestellt. Beim Thema Jugendgewalt läuft es ähnlich ab. Die einen sagen: Das Problem ist herbeigeredet. Die Anderen sagen: Doch, doch, wir haben ein Problem – aber schuld sind die anderen. Die Jugendämter sprechen von der Verantwortung der Schule. Die Schulen von der Verantwortung der Eltern. Die Eltern von der Verantwortung der Schulen. Die Politik von der Verantwortung der Polizei. Die Polizei von der Verantwortung der Politik. Das Fazit der ganzen Aufregung: Am Ende passiert gar nichts. 4. Probleme erkennen und benennen Der erste Schritt zur Problemlösung ist immer der gleiche: Zuerst muss das Problem erkannt werden und zweitens muss das Problem beim Namen genannt werden. Wie sieht es mit dem Anstieg der Jugendkriminalität aus? Es gibt Zahlen, soweit sich diese polizeilich erfassen lassen. Doch die Dunkelziffer ist relativ hoch. Einerseits stellt man fest, dass die Opfer sich aus Furcht vor Repressalien oft nicht getrauen, die Polizei einzuschalten. Andererseits bestehen namentlich in Schulen Hemmungen, die Polizei einzuschalten. Wie sieht es mit der Zusammensetzung bei den Jugendstraftätern aus? Der Anteil von Tätern mit „Migrationshintergrund“ ist sehr hoch. Dabei handelt es sich vor allem um Jugendliche mit Identitätsproblemen. Diese führt zu Unsicherheit und Minderwertigkeitsgefühlen. Unsicherheitsgefühle werden sehr oft durch Gewaltanwendung kompensiert. Wenn wir die Probleme lösen wollen, muss man sie ansprechen dürfen, ohne dass einem Rassismus vorgeworfen wird. Durch Verdrängen löst man keine Probleme. Wie sieht es mit den Erziehungsverantwortlichen aus? Wir leiden heute unter den Spätfolgen antiautoritärer Erziehungsformen. Die Kinder werden alleine gelassen. Die Eltern setzen Grenzen oder stellen Schranken oft zu spät auf. Oft erst, wenn die Kinder und Jugendlichen am Rand der Kriminalität stehen. Und verstehen Sie mich richtig: Die Erziehungsfrage betrifft uns alle. Schweizer und Ausländer. Es beginnt damit, dass nicht mehr feststeht, wer verantwortlich für die Erziehung ist. Ist es die Schule? Sind es die Eltern? Ist es „die Gesellschaft“? Eltern haben begonnen, einen Teil der Erziehung an die Schule auszulagern – das überfordert die Lehrer. Man kann nicht verlangen, dass die Schule allein für die Erziehung verantwortlich ist. Fachleute sprechen von einer eigentlichen „Erziehungsverweigerung“ der Eltern. Bei aller Idealisierung der externen Kinderbetreuung: Die Eltern sind und bleiben verantwortlich für das, was ihre Kinder tun. Sie sind auch in die Pflicht zu nehmen. Wie jeder Obhutspflichtige müssen auch Eltern zur Rechenschaft gezogen werden: Mit Schadenersatzzahlungen, bei ausländischen Kindern bis hin zur Ausweisung der ganzen Familie. Natürlich kann sich auch die Schule nicht aus der Erziehungsaufgabe abmelden. Die Lehrpersonen brauchen darin aber Unterstützung, was oft fehlt. In schweren Fällen hat die Schule mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Lange Zeit hatten viele Lehrpersonen ein gestörtes Verhältnis zur Polizei; sie duldeten keine Polizei im Schulumfeld. Erste Versuche zeigen, dass wir Gewaltprävention auch in den Schulen brauchen: Erziehung zum gewaltfreien Zusammenleben an Schulen durch dafür ausgebildete Personen wie etwa Polizisten, ähnlich der Verkehrserziehung. Passieren Straftaten auf den Pausenplätzen, muss die Schule die Polizei rufen: Verletzung von Regeln ist konsequent zu sanktionieren. Dort, wo die Situation sehr problematisch ist, sind regelmässige Polizeipatrouillen sinnvoll. 5. Was ist zu tun? Wo haben wir also anzusetzen? Ein Missstand ist, dass die Strafverfolgung nicht immer effizient funktioniert. Es scheint nicht in erster Linie ein Problem der Gesetze zu sein, sondern des Vollzugs. Die Verfahren dauern zu lange, die angeordneten Sanktionen greifen oft zu kurz und verfehlen deshalb ihre Wirkung, die Koordination staatlicher Tätigkeiten ist mangelhaft. Die Folgen sind gravierend: Polizisten und andere Vollzugsleute sind frustriert, weil sie sehen, dass nichts passiert. Das lähmt die Arbeit. Resignation ist weit verbreitet. Auch bei Lehrern. Tatsache ist auch, dass die Behörden zu wenig gut vernetzt sind; oft weiss die eine Behörde nicht, was die andere tut. Migrations-, Einbürgerungs- und Polizei-, Zivilstands- und Schulämter müssen besser zusammenarbeiten und gemeinsame Ziele verfolgen. Die ersten Ergebnisse bringen uns zu folgenden Schlüssen: 1.Die Eltern sind durch geeignete Massnahmen zu unterstützen: Eine Vielzahl von Studien geht heute davon aus, dass eine Ursache für Jugendgewalt durch Beziehungsdefizite in den Generationenbeziehungen zu erklären ist – also gestörte Beziehungen zwischen Jugendlichen und ihren Eltern, Lehrern oder anderen erwachsenen Bezugspersonen. Auch die COCON Studie des Jacobs Centers for productive youth development bestätigt, wie wichtig die emotionale Verbundenheit zwischen Eltern und Kindern ist und wie prägend für den Entwicklungsstand des Mitgefühls und der Verantwortungsbereitschaft von Jugendlichen. Zu prüfen ist aber auch eine verstärkte Verpflichtung der Eltern zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung in der Erziehung. Denkbar wäre z.B. eine Verschärfung der zivilrechtlichen Haftung der Eltern bei Vernachlässigung elementarer Erziehungspflichten. 2. Die Zusammenarbeit zwischen den Behörden muss verbessert werden: Das gilt zunächst einmal für Migrations-, Einbürgerungs- und Polizeibehörden. Es darf nicht sein, dass diese Amtsstellen unabhängig voneinander vorgehen und die eine Behörde nicht weiss, was die andere tut. Hier ist vermehrte Koordination unabdingbar. Zentral erscheint aber die Zusammenarbeit zwischen den Schulen und der Polizei: Hier ist zu prüfen, ob für die Lehrkräfte bei Delikten einer bestimmten Schwere eine Anzeigepflicht geschaffen werden soll. Wenn auf Pausenplätzen gravierende Straftaten begangen werden, muss die Polizei darüber informiert werden. Diese Massnahmen haben aber nur dann Erfolg, wenn die Lehrerinnen und Lehrer in ihrer pädagogischen und erzieherischen Funktion gezielt geschult und unterstützt werden sowie im Zusammenspiel mit präventiven und intervenierenden und repressiven Massnahmen im Rahmen der Schulsozialarbeit umgesetzt werden. 3. Die Präventionsarbeit muss intensiviert werden, vorab an der Schule. Gewalt ist nicht nur als Thema in den Unterricht einzubauen, denkbar scheint insbesondere auch der Beizug erfahrener Polizeibeamter nach dem Vorbild des sog. Verkehrsunterrichts. Viele Präventionsmassnahmen erfordern ferner die aktive Beteiligung der Familien. Aus diesem Grund müssen Bemühungen vermehrt darauf ausgerichtet werden, auch fremdsprachige und wenig gebildete Familien ausländischer Herkunft für Präventionsmassnahmen zu erreichen. 4. Die Integration ausländischer Jugendlicher muss stärker forciert werden. Namentlich Sprachkenntnisse müssen so früh als möglich vermittelt werden. Wo die Integration aber konsequent verweigert wird, müssen effiziente ausländerrechtliche Massnahmen zur Verfügung stehen. Das muss bis zur Ausweisung führen können. 5. Die Strafverfahren sollen nach Möglichkeit verkürzt werden: Jugendliche müssen für begangenes Unrecht so rasch als möglich sanktioniert werden. Erfahrungen in der Jugendarbeit belegen, dass grosse zeitliche Distanzen zwischen Straftat und Sanktionsmassnahmen zusätzlich zu problematischem Verhalten führen. Dabei geht es nicht darum, um jeden Preis eine hohe Strafe zu fordern. Es müssen "massgeschneiderte", dem Täter angepasste Sanktionen verhängt werden. 6. Das neue Jugendstrafgesetz ist jetzt seit dem 1.1.2007 in Kraft. Es sieht eine breite Palette von Sanktionsmöglichkeiten vor, es können nun auch härtere Strafen verhängt werden (Freiheitsentzug bis zu vier Jahren: Art. 25 JStG; statt wie bisher Einschliessung bis zu einem Jahr: Art. 95 StGB alte Fassung). Die weiteren Entwicklungen in diesem Bereich sind genau zu beobachten. Sollte sich das neue Gesetz als unzureichend erweisen, sind möglichst rasch entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Wir wollen, dass Kriminelle und Integrationsverweigerer die Konsequenzen ihres Handelns spüren. Wir wollen, dass auch jugendliche Problemausländer hart angefasst werden, zum Schutz all jener Immigranten, die sich bemühen in unserem Land, die arbeiten, Leistung erbringen, sich an die Gesetze halten und sich mit der Schweiz identifizieren. Wir wollen, dass die Jugendkriminalität als gesellschaftliche Fehlentwicklung angegangen wird. Da sind wir alle gefordert: Schweizer und Ausländer. Eltern und Schulen. Behörden und Private. 1Neuere gesamtschweizerische Zahlen mit vergleichbarem Detaillierungsgrad sind nicht verfügbar.

01.06.2007

Will die Schweiz wirklich ein durchlöchertes Patentrecht?

Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der Generalversammlung SGCI Chemie Pharma Schweiz, 1. Juni 2007, in Basel 01.06.2007, Basel Basel. Bundesrat Christoph Blocher hat sich an der Generalversammlung der SGCI Chemie Pharma Schweiz gegen einen Abbau des Patentschutzes und gegen Parallelimporte für patentgeschützte Waren ausgesprochen. Die weltweit führende Rolle der schweizerischen Forschung gerade auf dem Gebiet der Chemie und Pharma gelte es zu behaupten, sagte der Justizminister. Daher müssten die Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung in der Schweiz erhalten und weiter verbessert werden. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Sehr geehrte Damen und Herren Ich freue mich, der SGCI Chemie Pharma Schweiz die Glückwünsche des Bundesrats zum 125-jährigen Bestehen zu überbringen. Ich bin besonders gerne zu Ihnen gekommen, denn meine frühere unternehmerische Tätigkeit verbindet mich persönlich mit Ihnen und Ihrer Gesellschaft. Ausgerechnet an Ihrer Jubiläumsgeneralversammlung fragen Sie mich besorgt und zu Recht „Will die Schweiz wirklich ein durchlöchertes Patentrecht?“. 1. Einleitung Wir alle hier drin wissen: Das Patentrecht ist für ein Land wie die Schweiz von allergrösster Bedeutung. Die Schweiz hat keine Bodenschätze. Sie ist ein rohstoffarmes Land. Wir verfügen über keinen allzu grossen Binnenmarkt. Da unser Land an kein Meer anstösst, müssen auch lange Transportwege für Güter in Kauf genommen werden. Gerade die schweizerische Chemie- und Pharmaindustrie ist eine Branche, die in besonderer Weise die Bedeutung von Forschung und Entwicklung und die Bedeutung und die Notwendigkeit des Schutzes des geistigen Eigentums für die wirtschaftliche Tätigkeit kennt. Die derzeitigen Versuche im Parlament – und publizistisch begleitet vom „Blick“ bis zur „NZZ“ – die Patentrechte unter dem Stichwort „Parallelimporte“ auszuhöhlen, sind tatsächlich schwer verständlich, angesichts der Tatsache, dass die erfolgreichen Branchen der Schweizer Wirtschaft (wie Chemie und Pharma, die Uhrenindustrie, die innovativen Firmen der Biotechnologie und des Apparatebaus, welche einen Grossteil der Wertschöpfung in der Schweiz ausmachen) auf die Forschung und Entwicklung und damit auf einen wirksamen Schutz des geistigen Eigentums angewiesen sind. Allein die chemische und pharmazeutische Industrie ist mit einem Anteil an den schweizerischen Gesamtexporten von 34 % von allen Industriezweigen die wichtigste Exportbranche und steigerte von 1980 bis 2006 ihren Export um jährlich durchschnittlich 24,7 %! Allein in den letzten 10 Jahren stieg die Produktion um 124 %. (Als Vergleich dazu dient der Maschinenbau mit einem Produktionswachstum von lediglich 7,3 %). Die Unternehmen der schweizerischen chemischen und pharmazeutischen Industrie gehören zu den weltweit innovativsten Unternehmen der Branche. Sie investieren einen erheblichen Anteil ihres Umsatzes in die Forschung und Entwicklung neuer Produkte und Verfahren. In der Spezialitätenchemie sind es rund 4 %, bei den Pflanzenbehandlungsmitteln 8 % des Umsatzes, beim Saatgut 12 % und bei den pharmazeutischen Produkte 18 % des Umsatzes. Von den 9,7 Milliarden privaten firmeninternen Forschungsausgaben in der Schweiz fallen rund 4.3 Milliarden oder die Hälfte auf Chemie und Pharma. Jetzt habe ich hier nur von Zahlen gesprochen. Von der volkswirtschaftlichen Bedeutung und von der Bedeutung für die Beschäftigungssituation, das heisst für den Werk- und Arbeitsplatz Schweiz, habe ich noch gar nichts gesagt! Geradezu gespenstig muss für Menschen, die wissen, dass eine starke Wirtschaft uns nicht einfach in den Schoss fällt, die jetzige Diskussion um die Abschaffung der nationalen Erschöpfung erscheinen! 2. Chemische Industrie Die weltweit führende Rolle der schweizerischen Forschung gerade auf dem Gebiet der Chemie und Pharma gilt es zu behaupten. Das erfordert nicht nur Anstrengungen der Unternehmen, sondern auch des Staates! Daher müssen die Rahmenbedingen für die Forschung und Entwicklung in der Schweiz erhalten und weiter verbessert werden. Ohne Patente gäbe es hier keine durch Unternehmen finanzierte Forschung. Bei der jetzigen Patentrechtsrevision handelt es sich um eine zentrale wirtschafts- und gesellschaftspolitische Vorlage, denn sie passt das Patentrecht dem technologischen Fortschritt und den internationalen Entwicklungen der vergangenen Jahre an. Ziel ist, das innovative Klima sowie das Wirtschaftswachstum in der Schweiz zu erhalten und zu fördern. Und dazu gehört vor allem Ihre Branche. 3. Schutz von Biotech-Erfindungen Schwerpunkt der jetzigen Revision ist darum der Patentschutz der Bio- und Gentechnologie. Sie stellt einen angemessenen Patentschutz für biotechnologische Erfindungen sicher. 4. Schutzumfang bei Gensequenzen Aus wirtschaftlicher Sicht gibt es allerdings einen schwierigen Diskussionspunkt. Dieser betrifft den Schutzumfang bei Gensequenzen. Der vom Bundesrat vertretene Lösungsansatz ist ein Kompromiss innerhalb der Wirtschaft. Die forschende Industrie auf der einen Seite wollte einen möglichst umfassenden Schutz. Die Forschungsinstitute und mehrheitlich auch die kleinen und mittleren Unternehmen auf der anderen Seite sprachen sich für weitgehende Einschränkungen aus. Sie fürchteten, durch Patente zu stark in der Forschung behindert zu werden. Nach langem Ringen konnten sich Industrie, Forschungsinstitute und KMU auf einen Ansatz verständigen. Nunmehr ist diese wirtschaftspolitische Vorlage aber auf gutem Weg. Die Opposition seitens der Grünen, Sozialdemokraten und Fundamentalisten wird auch in einer Volksabstimmung unterliegen. Da bin ich überzeugt. 5. Parallelimporte In den Medien werden diese wirtschaftlich wichtigen Reformen in Kernbereichen des Patentrechts kaum mehr erwähnt. Hingegen wird ein anderes Phantom an die Wand gemalt, das der Parallelimporte. Dabei wird die Preisinsel Schweiz bemüht! Und hier – meine Damen und Herren – droht eine veritable Durchlöcherung des Patentrechtes. Dabei tut man so, als ob die nationale Erschöpfung im Patentrecht schuld an den wirklich oder angeblich zu hohen Preisen in der Schweiz sei. Darum wird ein Wechsel zur internationalen Erschöpfung gefordert. Ein Preissenkungspotenzial in Milliardenhöhe wird herbeigeredet. Packen wir doch den Stier an den Hörnern: Haben wir höhere Preise und wenn ja, warum? Ist das wirklich auf das Patentgesetz zurückzuführen? Hier ist klar zu stellen: 1. Die Schweiz ist ein wohlhabendes, hoch entwickeltes Land. Solche Länder haben ein hohes Preisniveau. Sudan hat tiefe Preise, die Schweiz hat hohe! Wollen Sie tauschen? 2. Im weiteren wissen Sie aus Ihrer Tätigkeit mit Ihren Produkten: Jedes Land hat ein anderes Preisniveau. Kein Produkt verkauft man in jedem Land zum gleichen Preis. 3. Dass viele Detailhandelspreise in der Schweiz auch ein höheres Preisniveau als die umliegenden Länder haben, hat viele Gründe: o Der Detailhandel ist von ganz wenigen Gross-Detailhandels-Unternehmen mit sehr hohemMarktanteil beherrscht! Dadurch wird die Schweiz von vielen nicht beliefert: Was bei Migros und Coop nicht im Sortiment ist, wird oft gar nicht in unser Land geliefert. o Im landwirtschaftlichen Bereich gibt es mit vielen Produkten einen Schutz vor Tiefpreisen! o Eine der Hauptgründe sind aber Sondernormen, die man erlassen hat, um den Konsumenten eine hohe technische Sicherheit, Gesundheit, Umweltschutz und vieles mehr tatsächlich oder angeblich zu gewährleisten, was der Bundesrat mit dem Projekt: „Abschaffung technischer Handelshemmnisse oder Cassis de Dijon-Prinzip“ nun zu umgehen versucht. o Unbedeutend für die Konsumpreise ist dagegen der Abbau des Patentschutzes und der gesetzliche Zwang Parallelimporte für patentgeschützte Waren zuzulassen. Dafür würde die wirtschaftliche Gestaltungsfreiheit des Eigentümers massiv gesetzlich eingeschränkt. Man hofft, dies würde für die Konsumenten zu billigeren Produkten führen. Kurzfristig mag dies sogar zutreffen. Wenn Sie jemandem Eigentum ganz oder teilweise wegnehmen – sei dies geistiges oder Sacheigentum – und es verteilen, bringt es den Nutzniessern dieser Verteilung – mindestens kurzfristig – einen Vorteil. Das haben die Kommunisten anfänglich auch gemerkt. Wenn aber der Staat das Eigentum nicht mehr schützt, verliert jeder das Interesse Eigentum zu erarbeiten. Allgemeine Verarmung und wirtschaftlicher Niedergang sind die logische Konsequenz. Auch hier lässt der Kommunismus grüssen. Die Gegner des umfangreichen Patentschutzes rufen jetzt nach der internationalen Erschöpfung. Dass sich so viele Parlamentarier daran beteiligen, ist umso erstaunlicher, als kein einziges Industrieland auf der Welt eine solche internationale Erschöpfung kennt. Nur Länder, die wirtschaftlich rückständig sind, haben die internationale Erschöpfung. Es ist erstaunlich, dass das Parlament dies für die Zulieferprodukte in der Landwirtschaft bereits ins Landwirtschaftsgesetz aufgenommen hat und sich eine Verbilligung der landwirtschaftlichen Produktionskosten erhofft. Der Bundesrat hat sich in den letzten Jahren intensiv mit den verschiedenen Argumenten, für und wider die nationale Erschöpfung auseinandergesetzt. Er ist immer zum gleichen Schluss gekommen: Ein Systemwechsel bei der Erschöpfung würde vor allem dem Forschungs- und Entwicklungsstandort Schweiz schaden. Der ökonomische Nutzen, der im besten Fall erwartet werden könnte, ist unbedeutend und würde die Nachteile eines Wechsels nicht aufwiegen. Deshalb sprach sich der Bundesrat immer für die nationale Erschöpfung aus. Diese Haltung bekräftigte er seither mehrfach. Wohlverstanden: Der Bundesrat befürwortet nicht die hohen Preise in der Schweiz. Er ist für einen Abbau der Hochpreisinsel Schweiz, soweit dies staatlich möglich ist. Doch will er diesen durch gezielte, spürbare und sinnvolle Massnahmen und nicht durch Enteignung privater Rechte erreichen. 6. Schluss Der Bundesrat befürwortet die nationale Erschöpfung im Patentrecht. Sie ist für ihn ein Garant für den Innovationswettbewerb und damit auch ein wichtiges Element einer wohlfahrtsfördernden Wirtschaftpolitik. Der Eingriff in die nationale Erschöpfung im Bereich der Landwirtschaft weist in eine falsche Richtung. Meine Damen und Herren, der Bundesrat ist bereit, sich für den Patentschutz einzusetzen. Er allein kann aber nicht die ganze Überzeugungsarbeit leisten. Wenn Ihnen daher am Pharmastandort Schweiz gelegen ist, sollten Sie ebenfalls gegen Löcher im Patentschutz ankämpfen. Beteiligen Sie sich an der jetzt laufenden Vernehmlassung zur Frage der Erschöpfung im Patentrecht. Rechte und Errungenschaften gilt es zu verteidigen und – falls man die Rechte nicht hat – dafür zu kämpfen!

31.05.2007

Aktuelle Fragen zur Aktienrechtsrevision

Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der Generalversammlung von SwissHoldings, 31. Mai 2007, in Bern 31.05.2007, Bern Bern. Das neue Aktien- und Rechnungslegungsrecht wird Schweizer Unternehmen laut Bundesrat Christoph Blocher für Investoren noch attraktiver machen. Der Justizminister legte an der Generalversammlung von SwissHoldings erneut die Eckpfeiler der Gesetzesrevision und die Positionen des Bundesrats dar. Es müsse sichergestellt werden, dass das Geset-zeswerk den modernen Erfordernissen entspreche und dass die Rechtssicherheit, die Kontrolle und d Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Sehr geehrte Damen und Herren Seit Jahren wird eine Revision des Aktienrechtes gefordert. Allerdings sind die Wünsche an eine solche Revision sehr unterschiedlich, oft diametral entgegengesetzt. 1. Stossrichtung der Revision Der Bundesrat verfolgt mit der Revision des Aktienrechtes vier Ziele: a) Die Corporate Governance ist zu verbessern. b) Die Kapitalstrukturen sind flexibler auszugestalten. c) Für die Generalversammlung sollen die neuen elektronischen Kommunikationsmittel genutzt werden können. d) Die veraltete Ordnung der Rechnungslegung soll für alle Rechtsformen modernisiert und vereinheitlicht werden. 2. Zur Corporate Governance Zuerst zur Corporate Governance: Die Corporate Governance regelt die Beziehungen zwischen den verschiedenen Organen in einer Aktiengesellschaft. Es geht dabei namentlich um eine angemessene Kontrolle des Verwaltungsrats durch die Generalversammlung. Es muss sichergestellt sein, dass die Aktionäre über genügend Informationen verfügen und dass sie ihre Rechte gebührend wahrnehmen können. Der Regelungsbedarf ist verschieden, je nach dem, ob es sich um eine Familiengesellschaft mit einem einzigen oder wenigen Aktionären einerseits oder eine Publikumsgesellschaft mit stark pulverisierten Eigentümern und tausenden von Aktionären andererseits handelt. 2.1 Zu den Publikumsgesellschaften: Als Hauptmangel wird empfunden, dass die Eigentümer Mühe haben, ihre Eigentumsrechte gebührend wahrzunehmen. Es kann daher zu einem Ungleichgewicht zwischen Eigentümern des Risikokapitals und Entscheidungsträgern kommen. Doch müssen sich die Aktionäre einer Publikumsgesellschaft dessen bewusst sein: Geteiltes Eigentum ist eben nie volles Eigentum. Mit der Revision soll dafür gesorgt werden, dass Eigentümer, d.h. Aktionäre, dort, wo sie bestimmen können und bestimmen müssen, auch dazu in die Lage versetzt werden. Es braucht deshalb Vorschriften zur Transparenz, zur Vertretung der Aktionäre in der Generalversammlung, zur Stimmabgabe, zur Rechnungslegung. Der Staat verpflichtet die Gesellschaften zur Einhaltung formeller Regeln. Für die Richtigkeit von Rechnungen, Stimmabgaben, Strategien etc. haben die Gesellschaften selbst zu sorgen! 2.2 Was die sogenannten privaten Gesellschaften - im Gegensatz zu den Publikums-Aktiengesellschaften meist kleineren Gesellschaften - anbelangt, ist der Schutz der Aktionäre oft prekär. Dies gilt selbst für Aktionäre, deren Vermögen zu einem grossen Teil in einem Unternehmen gebunden ist (namentlich durch Erbfall). Die Minderheiten können oft auch nicht aus der Gesellschaft ausscheiden, weil es keinen Markt für ihre Beteiligungen gibt. Auch hier muss der Gesetzgeber gewährleisten, dass die Aktionäre sich über die Situation ihres Unternehmens ausreichend informieren können. Weiter sind den Aktionären geeignete Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sie ihr Eigentum schützen können, insbesondere beim Ausscheiden. 2.3 In der Kritik am Vorentwurf spiegeln sich die verschiedenen Interessen: So finden Aktionäre - namentlich Minderheitsaktionäre - die heutigen gesetzlichen Hürden für die Ausübung der Aktionärsrechte als zu hoch angesetzt. Dies obwohl die Hürden für die Ausübung der Rechte der Minderheitsaktionäre bereits in der letzten Aktienrechtsrevision gesenkt wurden. Verschiedene Aktionärsrechte – so etwa für eine Sonderprüfung – könnten wegen zu hoher Quoren oft kaum geltend gemacht werden. Auf der anderen Seite verlangen die Vertreter des Managements – begreiflicherweise – eine hohe Hürde, d.h. ein relativ hoher Aktien-Anteil um ein solches Recht ausüben zu können. Sie fürchten den Missbrauch! Der Bundesrat findet, dass die im Entwurf vorgesehenen Rechte für den Schutz des Eigentums der Aktionäre erforderlich sind. Ein guter Schutz des Eigentums kann Investoren motivieren, in der Schweiz zu investieren. Die genaue Höhe der Schwellenwerte, die erreicht werden müssen, um eine Sonderprüfung zu verlangen, wird nochmals einer genauen Prüfung unterzogen. Wohlwissend, dass die Festlegung eines Quorums eine Gratwanderung bedeutet. 2.4 Interessengegensätze zeigten sich in der Vernehmlassung auch bei der Neuregelung der Stimmrechtsvertretung in der Generalversammlung. Die Wirtschaftsverbände, welche stark vom Management grosser Firmen dominiert sind, stehen der Abschaffung des Organ- und des Depotvertreters ablehnend gegenüber. Sie fürchten, dass dadurch Zufallsentscheide in der Generalversammlung begünstigt werden. Doch was sind schon „Zufallsentscheide“? Nicht jedes Ergebnis, das gegen den Antrag des Verwaltungsrates ausfällt, ist ein Zufallsentscheid und auch nicht jeder knappe Entscheid ist ein Zufallsentscheid, den es zu verhindern gilt. Wenn die Aktionäre ohne konkrete Weisungen Dauervollmachten unterzeichnen oder einem Organvertreter ohne Weisungen ihre Stimmrechte überlassen, so ist das für die Kontrolle in der Gesellschaft mindestens so problematisch wie allfällige „Zufallsentscheide“. Namentlich bei schlecht geführten Unternehmen und in schlechter Situation hat sich dies verhängnisvoll ausgewirkt. 2.5 Ein meines Erachtens überproportionales Gewicht nimmt die Neuregelung betreffend Vergütungen des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung ein. Was ist vorgesehen? Der Vorentwurf sieht vor, dass die Statuten Bestimmungen betreffend der Entschädigung des Verwaltungsrates vorsehen können. Hier ist allenfalls zu prüfen, ob dies nicht eine „Muss – Vorschrift“ sein sollte. Allerdings ist eine solche Vorschrift – je nach dem Abstraktionsgrad – nicht besonders aussagekräftig. Die stark von Seiten der Manager beeinflussten Stellungnahmen erachten die Generalversammlung als nicht in der Lage, über eine Regelung der Entschädigung zu befinden. Die Vertreter der Aktionäre auf der anderen Seite möchten sogar eine zwingende Kompetenz der Generalversammlung, um die Saläre im Detail festzulegen. Wieder andere fordern gesetzlich festgelegte Höchstgrenzen der Entschädigungen. Der Vorschlag des Bundesrats stellt einen praktisch gangbaren und meines Erachtens die Eigentümer schützenden Kompromiss dar: Durch die jährliche Einzelwahl des Verwaltungsrates können die Aktionäre, die über die Bezüge der Verwaltungsräte und die des Managements Bescheid wissen, unter Ausschluss von stimmverfälschenden Organ- und Depotstimmrechten indirekt über die Saläre in Kenntnis der Leistung abstimmen. Bereits heute kennen 7 SMI-Gesellschaften die jährliche Wahl des Verwaltungsrats. Einzelne Gesellschaften haben angekündigt, zur jährlichen Wahl überzugehen. Missstände bei diesem System sind mir nicht bekannt. Zum Seitenanfang Zum Seitenanfang 3. Zu den Kapitalstrukturen Im Bereich der Kapitalstrukturen wird für die Unternehmen mehr Spielraum geschaffen: * Mit dem neuen Rechtsinstitut des Kapitalbands kann dem Verwaltungsrat die Kompetenz eingeräumt werden, das Aktienkapital zu erhöhen oder herabzusetzen. * Der gesetzliche Mindestnennwert von Aktien wird aufgehoben: Er muss aber grösser sein als Null. Er kann auch unter einem Rappen liegen. Dies ermöglicht es, die Aktien beliebig zu splitten. Damit bleibt stets eine Herabsetzung des Nennwerts offen. * Aufgrund der Stellungnahmen in der Vernehmlassung hat der Bundesrat beschlossen, auf eine Abschaffung der Inhaberaktie vorläufig zu verzichten. Bevor nicht andere Industriestaaten, namentlich auch die europäischen, die Inhaberaktie abgeschafft haben, sieht die Schweiz keinen Grund, die sehr beliebte und auch in vielen Kleingesellschaften heute noch gängige Inhaberaktie abzuschaffen. 4. Zu den Neuerungen betreffend die Generalversammlung Bei der Vorbereitung und Durchführung der Generalversammlung sollen zukünftig die neuen elektronischen Kommunikationsmittel genutzt werden dürfen. Dadurch können die Kosten gesenkt werden. Weiter wird durch die Nutzung des Internets auch eine aktive Teilnahme der Aktionäre an der Generalversammlung gefördert. 5. Zur Neuregelung der Rechnungslegung Für die Aktionäre und für die Investoren ist die Rechnungslegung ein vorrangiges Mittel zur Information über ein Unternehmen. Nur mit den Aufschlüssen der Rechnungslegung können sie ihr Eigentum wahrnehmen und entsprechend handeln. Aufgrund der Rechnungslegung kann aber auch darüber entschieden werden, welche Investitionen zu verantworten sind und welche nicht! Es ist zu bemerken: Die Realität der Rechnungslegung ist schon lange besser als die gesetzliche Regelung. Dies gilt vor allem für die Publikumsgesellschaften. Bedeutungsvoll ist jedoch für alle Rechtsformen eine harmonisierte und einfache Neuregelung zu schaffen. Für Publikumsgesellschaften ändert sich jedoch kaum viel. In der Vernehmlassung wurde geltend gemacht, dass die Neuregelung zu unerwünschten Steuerfolgen führen könnte. Insbesondere ist die Vorschrift auf Kritik gestossen, wonach Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen in der Handelsbilanz rückgängig zu machen sind und detailliert verbucht werden müssen. Der Bundesrat hat dieser Kritik Rechnung getragen und beschlossen, dass nicht anerkannte Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen im Unterschied zum Vorentwurf nur als Gesamtbetrag im Anhang zur Jahresrechnung offen zu legen sind. Das Kapitel Rechnungslegung wird entsprechend neu überarbeitet. 6. Wie geht es weiter? Der Bundesrat hat das EJPD beauftragt, bis Ende 2007 eine Botschaft vorzulegen. An der Vorlage wird grundsätzlich festgehalten. Sie wird aber im Lichte der Vernehmlassung überarbeitet. 7. Schlusswort Lassen Sie mich meine Ausführungen mit einem Zitat eines amerikanischen Financiers beenden. Bernard Baruch - ein Berater von John F. Kennedy - hat einmal gesagt: "Es gibt tausende Möglichkeiten, sein Geld auszugeben, aber nur zwei, es zu erwerben: Entweder wir arbeiten für das Geld - oder das Geld arbeitet für uns". Die Revision des Aktienrechts ist dann geglückt, wenn diejenigen, die für Geld arbeiten und diejenigen, für die das Geld arbeitet, zusammenfallen. Das Zweite – dass das Geld für uns arbeitet – ist mit den Pensionskassenregelungen, wo die Leute für ihr Alter durch das Kapitaldeckungsverfahren arbeiten, immer wichtiger geworden. Ich bin überzeugt, dass das neue Aktien- und Rechnungslegungsrecht dazu beiträgt, dass es für Investoren noch attraktiver wird, ihr Geld in Schweizer Unternehmen "arbeiten" zu lassen. Und gleichzeitig ist sicherzustellen, dass ein den modernen Erfordernissen entsprechendes, einfaches Gesetzeswerk vorliegt, damit die Rechtssicherheit, die Kontrolle, die Bedürfnisse der kleinen und der grossen Gesellschaften gewahrt sind.

27.05.2007

Manager sollen sich nicht mehr selbst bedienen können

«Bundesrat Christoph Blocher über Abzockerei, Einwanderung und seine Pläne» 27.05.2007, Sonntagszeitung, Victor Weber und Arthur Rutishauser Herr Blocher, die Wirtschaft kommt erst richtig in Fahrt , und Sie warnen bereits vor einer Überhitzung. Es ist schön, dass die Wirtschaft läuft. Doch nun gibt es eindeutig eine Überhitzung, wenngleich noch ohne Inflation. Fragt sich, was passiert, wenn wieder eine Rezession kommt. Eine solche wird bestimmt folgen. Warum? In der freien Wirtschaft folgte der Hochkonjunktur immer eine Rezession. Eine ähnliche Überhitzung erlebten wir zum Beispiel 1989, und die Arbeitslosigkeit war viel tiefer als heute. Der Vorteil ist, dass der Anstieg des Lohnniveaus kleiner ist. Aber es führt in einer Rezession zu einer höheren Arbeitslosigkeit, die sich dann den europäischen Verhältnissen angleichen wird. Nun wandern vor allem Deutsche ein, wobei hochqualifizierte Arbeitskräfte kommen, die Wachstum ermöglichen. Ihre Befürchtungen sind bisher nicht eingetreten. Ich weiss nicht von welchen Befürchtungen Sie sprechen. Mein Statement war klar, die Öffnung des Arbeitsmarktes gegenüber der EU war unvermeidlich. Gerade in der Zeit der starken Konjunktur nimmt die Wirtschaft viele Beschäftigte auf. Auf die Dauer bringt dies eine Verflachung des Lohnniveaus und in der Tendenz eine steigende Arbeitslosigkeit. Dies hat man in Kauf zu nehmen. Wird die Abschaffung der Einwanderungskontigente dies weiter verschärfen? Die letzte Quartalsquote für Daueraufenthalter aus den alten EU-Ländern war innert 41 Minuten vergeben. Am 1. Juni fallen die Kontingente für die alten EU-Staaten ganz weg. Bei der starken Konjunktur werden die bisherigen Quoten gegenüber den „alten“ EU-Ländern mit Bestimmtheit überschritten werden. Sie befürchten eine zweite deutsche Einwanderungswelle?Am Anfang, also Juni/Juli, wird die Zuwanderung wohl relativ stark sein, dann wird sie wieder etwas abflachen. Wir müssen aber das erste Jahr abwarten, um zu wissen, ob man die Kontingente wieder einführen muss oder nicht – so wie dies auch in den Verträgen vorgesehen ist. Das würde aber das Verhältnis zu EU weiter trüben. Brüssel übt ja jetzt schon Druck aus, damit die Schweiz Steuervorteile für ausländische Unternehmen abbaut. Wir dürfen auf die Forderung der EU nicht eingehen, das ist klar. Es geht doch nicht an, dass die EU uns sagen will, wie wir in den Kantonen und im Bund die Steuern gestalten wollen. Die Souveränität der Staaten ist zu achten! Was kann die Schweiz gegen den Machtblock EU setzen? Die Schweiz ist für die EU in vielerlei Hinsicht wichtig. Man denke nur an die Nord-Süd-Verbindung durch die Alpen, an den Strom und die Stromdrehscheibe Schweiz, an die Personenfreizügigkeit. Wir sind ein wichtiges Exportland für die EU, wir zahlen grosse Beiträge, zum Beispiel die Kohäsionsmilliarde, von denen auch neue EU-Mitglieder wie Bulgarien und Rumänien profitieren wollen. Haben Sie in der Steuerfrage einen Mitbericht verfasst, in dem Sie darauf verweisen, dass die Schweiz allenfalls die Kohäsionsgelder sowie die erweiterte Personenfreizügigkeit in die Waageschale werfen soll? Der Bundesrat hat beschlossen, dass er mit der EU reden, aber nicht verhandeln will, was auch richtig ist. Die Schweiz kann es sich leisten, nicht auf alle Forderungen der EU einzutreten. Jetzt muss die Schweiz Flagge zeigen. Sehen sie eine Möglichkeit, dass man sagt, wir besteuern ausländische und schweizerische Unternehmen gleich? Mein ursprünglicher Antrag für die Unternehmensbesteuerung war: Abschaffung der Unternehmensgewinnsteuern. Die Steuern werden ja bei der Ausschüttung der Dividenden erhoben. Bundesrat und Parlament sind aber andere Wege gegangen. Mit den feindlichen Übernahmen von Sulzer und Co. ist die Diskussion aufgeflammt, ob schon Pakete von unter fünf Prozent gemeldet werden müssen. Offenbar ist es heute zu einfach, heimlich eine beherrschende Beteiligung aufzubauen. Das Problem ist nicht ein zu hoher Schwellenwert. Sondern die Melderegeln werden heute nicht durchgesetzt. Also muss dafür gesorgt werden. Folglich müssten die Sanktionen verschärft werden? Vor allem muss gehandelt werden. Wenn sich dann die heutigen Sanktionsmöglichkeiten als unbrauchbar erweisen, so sind diese zu verschärfen. Diese Frage liegt aber in der Kompetenz der Schweizer Börse, der Eidgenössischen Bankenkommission und des Finanzdepartements. Welche Sanktionen könnten Sie sich vorstellen? Das kann eine happige Busse sein oder noch besser: Die heimlich erworbenen Aktien werden nicht anerkannt, die Transaktionen gelten nicht. Nächste Woche referieren Sie bei einer Veranstaltung am Novartis-Hauptsitz über den Schutz des Patentrechts. Ich fordere die chemische und die pharmazeutische Industrie auf, sich gegen die im Parlament zu beobachtende Tendenz zur Wehr zu setzen, das Patentrecht zu durchlöchern, indem Parallelimporte patentgeschützter Güter zugelassen werden. Das ist unverantwortlich: Nur Entwicklungsländer - wie es die Schweiz im 19. Jahrhundert war - kennen das Prinzip der internationalen Erschöpfung, das es einem Hersteller untersagt, dem ausländischen Abnehmer Auflagen zu machen. Das ist doch ein gutes Mittel gegen die steigenden Medikamentenkosten und Krankenkassenprämien. Kurzfristig hätte dies vielleicht eine geringe preissenkende Wirkung, das ist immer so, wenn Eigentum enteignet und verteilt wird. Es ginge ja um eine Enteignung von geistigem Eigentum. Die Wirtschaft investiert jedoch nicht Milliarden in Forschung und Entwicklung, wenn ihr Eigentum an den patentierten Resultaten ausgehöhlt wird. Die Schweiz liegt mit 9,6 Milliarden Franken privaten Forschungsaufwendungen an der Spitze. Die Hälfte davon investiert allein die Pharmaindustrie. Bezeichnenderweise haben die USA als innovativstes Land der Welt auch den stärksten Patentschutz. …und das teuerste Gesundheitswesen. In den USA sind neue Medikamente teurer, nach kurzer Zeit aber brechen die Preise zusammen, weil sie keine Preisbindung haben und oft neue andere Patentprodukte kommen. Der Wettbewerb schliesst die Möglichkeit aus, hohe Preise zu verlangen. Patente schützen aber vor Nachahmung, aber nicht vor Konkurrenz durch vergleichbare Produkte. Innovationsgewinne während des Patentschutzes sind gewollt. Sie sind die Triebfeder für Forschung und Entwicklung. Der Pharmamarkt ist aber ein verzerrtes Beispiel, weil hier die Preise in Europa staatlich geregelt sind. Für die Schweiz ist aber der Patentschutz für die gesamte Wirtschaft – auch für die innovative Apparate-, Uhren- und Biotech-Industrie – eminent wichtig. Letztlich geht es um den Interessenskonflikt zwischen der innovativen Industrie und dem Zwischenhandel, der möglichst billig Produkte einführen will, um seine Marge zu verbessern. Bei der Revision des Unternehmerrechts wollten Sie die Inhaber-Aktie abschaffen, nach dem Protest der Wirtschaft  sind Sie davon abgekommen Auf internationalem Druck unter dem Stichwort Geldwäscherei wollte der Bundesrat die Inhaber-Aktien abschaffen, die nicht ins Aktienbuch eingetragen werden müssen und darum dem Eigener eine gewisse Anonymität gewähren. Inzwischen haben wir festgestellt, dass Europa gesamthaft nicht vorwärts macht, so dass wir keinen Grund sehen, voranzugehen und die in der Schweiz beliebte Inhaber-Aktie als eines der ersten Länder abzuschaffen. Selbst in zwei US-Bundesstaaten gibt es sie noch. Der Bundesrat hat beschlossen, diese zu belassen. Knatsch gibt es wegen der vorgesehenen Einführung einer einjährigen Amtszeit für Verwaltungsräte. Die Wirtschaftsverbände sind von den Managern der grossen Publikumsgesellschaften geführt. Man hat die Stellungnahmen der Führungsorgane, ob die Generalversammlung über die Festsetzung der Bezüge der Verwaltungsräte entscheiden soll, entsprechend zu gewichten. Heute funktioniert der Schutz des Aktionärs, also des Eigentümers, in grossen Publikumsgesellschaften schlecht. Das ist fast wie im Kommunismus: Die Produktionsmittel gehören allen, alle können bestimmen, das heisst keiner, ausser der Nomenklatura. Mit der einjährigen Wiederwahl des Verwaltungsrats kann das stark pulverisierte Aktionariat verstärkt Einfluss nehmen auf die Salärpolitik, was dem Management nicht passt. Diejenigen, denen die Firma gehört, sollen aber entscheiden können, wie viel aus der Firmenkasse ausbezahlt werden soll. Der Selbstbedienungsmentaliät soll ein Riegel geschoben werden? So ist es. Aber der Generalversammlung zwingend jedes Einzelsalär der Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungsmitglieder vor Beschlussfassung vorzulegen, das würde zu weit gehen. Hingegen sollen die Aktionäre die Mitglieder des Verwaltungsrates, deren Leistung und deren Bezüge beurteilen können und jedes Jahr über das Mandat entscheiden. Findet der Aktionär, dass die offen gelegte Entschädigung im Vergleich zur erbrachten Leistung zu hoch ist, stimmt er gegen die Wiederwahl, und zwar in Einzelwahlgängen. So hat er Einfluss auf die Entschädigungen. Thomas Minder will mit seiner Volksinitiative der GV die Kompetenz geben, die Gesamtvergütungen von Konzernleitung und VR zu bewilligen. Insgesamt ist es ja noch eine gemässigte Initiative. Zu bedenken ist aber, dass auch eine solche Regelung sehr nachteilig sein  kann. Der Konzernchef reisst im Extremfall den Löwenanteil der bewilligten Gesamtvergütungen an sich und speist die anderen mit den Resten ab. Während vier Jahren ist er mit hohen Bezügen und schlechtem Resultat im Amt, ohne die Gesamtentschädigung zu überschreiten. Die Wirtschaftsverbände sind indes alarmiert. Die in einigen Fällen übertriebenen Managervergütungen beschäftigen halt die Bevölkerung. Sie sind zu einem grossen politischen Thema gemacht worden. Die geplante Revision des Aktienrechts ist aber die bessere Lösung als die Abzocker-Initiative. Die Manager müssen einfach bereit sein, vor die Aktionäre hin zu stehen! Soll auch der Konzernchef jährlich bestätigt werden? Für den Verwaltungsratspräsidenten und den allfälligen Verwaltungsratsdelegierten wäre das so. Der Konzernchef allerdings wird nach wie vor vom Verwaltungsrat angestellt. Betroffen wäre er aber, wenn er gleichzeitig VR-Präsident beziehungsweise VR-Delegierter ist. In jedem Fall aber sind seine Bezüge offen zu legen. Bringen Sie die einjährige Amtszeit gegen den Widerstand von Economiesuisse durch? ABB und sechs andere SMI-Grossfirmen haben sie bereits von sich aus eingeführt. Bei ABB kennt man ja die himmeltraurige Vorgeschichte von schlechtem Management und ungerechtfertigt hohen Abgangsentschädigungen. Bald werden Sie in Ihrem Departement alle grossen Baustellen geschlossen haben. Stimmt. Zumindest die wichtigsten Baustellen. Und was kommt dann, eine Departementswechsel? Mal sehen. Das Justiz- und Polizeidepartement haben sie mir gegeben. Nun geht es nicht mehr in erster Linie um neue Gesetze, sondern um die konsequente Anwendung der bestehenden. Sie würden gerne ein neues Departement übernehmen. Ja, das EJPD gibt dann nicht mehr sehr viele Probleme auf. Behalte ich es, dann habe ich noch mehr Zeit für die Gesamtpolitik des Bundesrates. Welches Departement hätten Sie am liebsten? Wo grosse Probleme anstehen, etwa das EDI mit den Sozialwerken. AHV und IV sanieren, das wären die ganz grossen Brocken. Dann gehen Sie in Pension? Wo denken Sie hin! Politische Freunde sagen, ich müsse bleiben, bis ich jedes Departement geführt habe (lacht).

26.05.2007

Klare Schranken für die Sterbehilfe

Beitrag von Bundesrat Christoph Blocher in der Neuen Zürcher Zeitung vom 26. Mai 2007 26.05.2007, Beitrag von Bundesrat Christoph Blocher in der Neuen Zürcher Zeitung Seit altersher beschäftigen sich die Menschen mit Fragen des Überganges vom Leben zum Tod und mit der Sterbehilfe. Dass sich die Schüler der Heilkunde mit dem Hippokratischen Eid verpflichteten, keine Tötung auf Verlangen und keine Beihilfe zur Selbsttötung durchzuführen, weist darauf hin, dass bereits in der Antike solche Anfragen an Ärzte gerichtet wurden und manche Ärzte solche Handlungen auch durchführten. In den letzten Jahren hat in der Schweiz insbesondere das Phänomen des so genannten Sterbetourismus die Diskussion um die Sterbehilfe neu entfacht. Der Bundesrat hat in seinem, Ende Mai 2006, veröffentlichten Bericht über Sterbehilfe und Palliativmedizin ausführlich dargelegt, dass das geltende Recht klare Schranken setzt und dass kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Fragen muss man sich allerdings, ob die Strafvollzugsbehörden in allen Kantonen ihrer Pflicht nachkommen. Ihnen obliegt es nämlich, bei jedem Todesfall abzuklären, ob es mit rechten Dingen zugegangen ist. Am absoluten Tötungsverbot nicht rütteln Der Schutz des menschlichen Lebens gehört zu den vornehmsten und primären Aufgaben des Staates. Bisher haben es sowohl der Bundesrat wie das Parlament entschieden abgelehnt, das unserer Rechtsordnung zugrunde liegende absolute Tötungsverbot zu lockern. Zwar waren die parlamentarischen Vorstösse zur Legalisierung der direkten aktiven Sterbehilfe restriktiv formuliert. Nur in extremen Ausnahmefällen sollten jene von einer Strafe befreit werden, die aus Mitleid einen unheilbar und schwer kranken, vor dem Tode stehenden Menschen, auf sein eindringliches Verlangen hin von einem unerträglichen und menschenunwürdigen Leiden befreien. Dass diese Vorstösse abgelehnt wurden ist auf den breiten Konsens zurückzuführen, dass selbst eine äussert restriktive Strafbefreiung der direkten aktiven Sterbehilfe ein Tabu brechen, Hemmschwellen senken und gefährliche Schleusen zur unfreiwilligen Sterbe-„Hilfe“ öffnen würde. Man erkannte bisher, dass wir die Geister, die wir gerufen haben, nicht mehr loswerden würden. Gesetz oder eigene Verantwortung? Die indirekte aktive und die passive Sterbehilfe dagegen gehören seit langem zum Schweizer Spitalalltag und sind in den standesrechtlichen Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften detailliert geregelt. Dennoch fordern parlamentarische Vorstösse, diese unter bestimmten Voraussetzungen straflosen Formen der Sterbehilfe auch ausdrücklich im Strafgesetzbuch zu regeln. Die Befürworter einer Regelung im Strafgesetzbuch sind sich allerdings uneinig, ob eine restriktivere oder liberalere Lösung anzustreben ist, und bezeichnenderweise schweigen sich die Vorstösse über den genauen Inhalt einer solchen Regelung aus. Es wäre zwar durchaus möglich, im Strafgesetzbuch festzulegen, unter welchen allgemeinen Voraussetzungen etwa der Verzicht auf lebenserhaltende Massnahmen (passive Sterbehilfe) oder eine Schmerzbehandlung mit lebensverkürzenden Nebenwirkungen (indirekte aktive Sterbehilfe) straflos sind. Doch eine abstrakte, allgemeingültige Regelung könnte nicht alle möglichen Einzelfälle und heiklen Fragen erfassen und wäre deshalb nicht von praktischem Nutzen. Das Standesrecht auf der Grundlage des absoluten Tötungsverbotes eignet sich viel besser, um komplexe und vielfältige Fallkonstellationen detailliert und konkret zu regeln. Und letztlich muss der Arzt oder die Ärztin in eigener Verantwortung, je nach Gegebenheiten des Einzelfalls, entscheiden, welche Massnahmen unterlassen werden können und welche Therapie unerlässlich oder zulässig ist. Dieser Entscheid kann und darf ihm ein Gesetzesartikel nicht abnehmen, auch wenn dies viele Ärzte fordern. Liberale Regelung der Suizidhilfe Die Bundesverfassung schützt nicht nur das Recht auf Leben, sondern auch das Recht auf persönliche Freiheit. Die individuelle Selbstbestimmung schliesst das Recht ein, auch über die Beendigung des eigenen Lebens frei zu entscheiden und unter Umständen den Freitod zu wählen. Indem der Staat die Beihilfe zum Suizid ohne selbstsüchtige Beweggründe zulässt, hilft er dem Einzelnen in dieser Situation seinen Willen frei zu bilden und danach zu handeln. Gerade diese Straflosigkeit der uneigennützigen Beihilfe zum Suizid erleichtert es, konsequent und ohne Abstriche am absoluten Tötungsverbot festzuhalten. Die liberale Regelung der Suizidhilfe, die seit Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches gilt, ist eine Ausnahme im Vergleich mit den umliegenden Ländern. Aber gerade sie hat zur Entstehung von Suizidhilfeorganisationen geführt und ist eine Hauptursache für das Aufkommen des sog. Sterbetourismus. Die Schweiz ist allerdings kein Sonderfall: In Holland und Belgien ist die Suizidhilfe unter bestimmten Bedingungen ebenfalls legal. Bisher wurde in der Schweiz von keiner Seite eine Revision der geltenden Gesetzesbestimmung gefordert, um diese liberale Regelung aufzuheben. Es besteht vielmehr ein breiter Konsens, dass diese bewährte Regelung, die sowohl das menschliche Leben schützt als auch den Willen der sterbewilligen Person respektiert, nicht angetastet werden soll. Missbräuche bei der Suizidhilfe unterbinden In rund 20% aller Suizidfälle wird heute in der Schweiz der Suizid mit Hilfe einer Suizidhilfeorganisation begangen. In höchstens 7% der Suizidfälle handelt es sich um Personen mit Wohnsitz im Ausland. Auch, wenn man in Anbetracht dessen nicht von einem Boom des Sterbetourismus sprechen kann, sind mit der Zunahme der organisierten Suizidbeihilfe zweifellos Missbrauchsgefahren verbunden, die dazu führen können, dass die Grenze vom legalen zum strafbaren Verhalten überschritten wird. Und selbst wenn keine strafbaren Handlungen begangen werden, zieht namentlich der Sterbetourismus eine Reihe unerwünschter Folgen nach sich: So stellt der Betrieb von Suizidhospizen weit über deren unmittelbare Nachbarschaft hinaus eine Störung und Belastung dar. Ferner drohen die schnelle „Abwicklung“ und andere stossende Begleiterscheinungen des Sterbetourismus dem Ruf der Schweiz zu schaden und er bewirkt einen beträchtlichen Arbeitsaufwand und entsprechende Kosten für die betroffenen Behörden. Mögliche Missbräuche im Rahmen der Suizidhilfe sind durch eine konsequente Anwendung des Straf- und Gesundheitsrechts zu unterbinden, was auch möglich ist. Zuständig dafür sind die Kantone und Gemeinden. Wenn zum Beispiel die Grenzen von der uneigennützigen - und damit straflosen Beihilfe zur Selbsttötung - zur Fremdtötung überschritten werden oder bei der Verschreibung des todbringenden Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital (NAP) der Sterbewunsch nicht sorgfältig und fachkundig abgeklärt wird, sind die Behörden und nicht der Gesetzgeber gefordert. Es ist unerlässlich, dass auch nach jeder Selbsttötung die Strafverfolgungsbehörden sorgfältig und umfassend die Todesart abklären, da bei einem aussergewöhnlichen Todesfall eine strafbare Handlung von Dritten grundsätzlich nie ausgeschlossen werden kann. Diese Behörden haben einen Augenschein vor Ort zu nehmen, Einvernahmen durchzuführen und eine Untersuchung der Leiche durch einen sachverständigen Arzt anzuordnen, um den Sachverhalt abzuklären. Ebenso müssen die Gesundheitsbehörden konsequent gegen Sorgfaltspflichtverletzungen von Ärzten vorgehen und ihnen allenfalls die Bewilligung zur Berufsausübung entziehen. Diese konsequent eingeführte Praxis, die die Handlungsmöglichkeiten konsequent nutzt, verfehlt seine Wirkung nicht. So ist. z.B. der Sterbetourismus im Kanton Aargau dadurch praktisch zusammengebrochen. Die Kontroll- und Interventionsmöglichkeiten, die das geltende Recht bietet und zu nutzen gebietet, werden jedoch nicht immer voll ausgeschöpft. Ein Aufsichtsgesetz? Statt die Gesetze zu vollziehen, wird in der Öffentlichkeit immer wieder der Erlass eines Bundesgesetzes über die Zulassung und Beaufsichtigung von Suizidhilfeorganisationen gefordert. Doch neue Gesetze schützen nicht vor der Passivität der Behörden, sondern beschönigen diese. Auch die Schaffung eines Aufsichtsgesetzes hat der Bundesrat abgelehnt, denn es bietet keine taugliche und brauchbare Lösung, um Missbräuche zu verhindern. Die Gefahr ist sehr gross, dass dadurch lediglich von der eigentlichen Aufgabe abgewichen wird, die geltenden Gesetze konsequent anzuwenden. Noch schlimmer: Ein Aufsichtsgesetz könnte die verantwortlichen Behörden dazu verleiten, die Fälle nicht mit der notwendigen Konsequenz und Gründlichkeit abzuklären, da sogenannt staatlich qualifizierte und beaufsichtigte Organisationen über jeglichen Zweifel und Verdacht erhaben zu sein scheinen. Statt Fremdtötung zu verhindern, würde ein solches Gesetz diese in der Praxis fördern! Es ist ausserordentlich gefährlich, dass der Staat durch ein Aufsichtsgesetz gleichsam nach aussen diese Organisationen und deren Tätigkeit legitimieren oder ihnen gar ein Gütesiegel verleihen würde. Ob ein Aufsichtsgesetz tatsächlich einen besseren Einblick in die Finanzen einzelner Organisationen ermöglicht, um allfällige selbstsüchtige Beweggründe leichter nachweisen zu können, ist fraglich. Die nicht unentgeltlich tätigen Suizidhilfeorganisationen sind nämlich zur Eintragung ins Handelsregister verpflichtet und können im Unterlassungsfall von Amtes wegen zwangsweise eingetragen werden. Damit sind sie auch verpflichtet, ihre Geschäftsbücher ordnungsgemäss zu führen und aufzubewahren. Im Falle eines Zweifels an der Rechtmässigkeit einer Suizidbegleitung können sich also die Strafverfolgungsbehörden einen Einblick in die Art und den Umfang der Geschäfte verschaffen, was Behörden häufig unterlassen. Kein rechtsfreier Raum Sterbehilfe ereignet sich in der Schweiz nicht in einem rechtsfreien Raum. Die Regeln sind heute in der Bundesverfassung, im Bundesrecht und im kantonalen Recht, in Gemeindebeschlüssen sowie im Standesrecht gegeben. Hinsichtlich der Strafbarkeit der direkten aktiven Sterbehilfe besteht keine Rechtsunsicherheit. Sie ist verboten. Unvermeidliche Grenzzonen (z.B. im Grenzbereich zwischen Schmerztherapie und gezielter Lebensverkürzung) lassen sich nicht durch gesetzliche Regelungen aus der Welt schaffen. Jede Regelung würde dazu führen, dass Töten in Ausnahmefällen grundsätzlich erlaubt wäre. Töten muss aber grundsätzlich verboten bleiben. Erstrebenswert ist hingegen ein Ausbau des Angebots der Palliativmedizin. Denn eine umfassende Unterstützung und Betreuung todkranker Patienten ermöglicht es diesen Menschen, in Würde zu leben und zu sterben. Die Palliativmedizin trägt damit dazu bei, den Sterbewunsch und die Nachfrage nach Suizidhilfe abzuschwächen.