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01.08.2007

1. August-Rede 2007

An seiner 1. August-Rede in Schwarzenburg, Andermatt, Hallau und Gruyères lobte Bundesrat Christoph Blocher den Willen zur Unabhängigkeit und zur Selbstbehauptung, welcher im Bundesbrief von 1291 zum Ausdruck komme. Er warnte, dass der Niedergang der Eidgenossenschaft drohe, wenn dieser Grundgedanke missachtet und der vorgezeichnete Weg verlassen würde. 01.08.2007, Schwarzenburg, Andermatt, Hallau, Gruyères Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Liebe Miteidgenossinnen, liebe Miteidgenossen, liebe Geburtstagsgäste Wir feiern den 1. August auch dieses Jahr an unzähligen Orten in gut traditioneller Schweizerart, das heisst: Bescheiden, in Gemeinschaft, stellvertretend für das ganze Land, gleichzeitig an zahlreichen Orten in der Schweiz. Die Gründungsurkunde ist der Bundesbrief von 1291. Er ist Bekenntnis und Ausdruck des Willens zur Unabhängigkeit und zur Selbstbehauptung. Dieser Grundgedanke hielt sich im Wesentlichen 716 Jahre, obwohl seither viel geschehen ist. Eines aber zeigte sich klar: Immer wenn die Schweiz von diesem vorgezeichneten Weg abkam, immer wenn die Schweiz sich mit Grossmächten einliess, immer wenn die Schweiz sich nicht auf sich selbst besann, drohte der Niedergang der Eidgenossenschaft und dies bis auf den heutigen Tag! Doch in der entscheidenden Auseinandersetzung fand die Schweiz immer wieder auf den eigenen Weg zurück. Jede Zeit kennt ihre besonderen Gefahren. Jede Zeit hat ihre – oft selbsternannten - Vögte, die die Macht an sich reissen möchten. Bei internationalen Abmachungen werden Volksrechte abgetreten und so dem Volke die Entscheide entzogen. Es sei – so heisst es dann beschönigend – eben „übergeordnetes Recht“. Auf jeden Fall ist es „dem vom Volk gesetzten Recht übergeordnet“. Das ist das Gegenteil, von dem, was der Bundesbrief wollte. Man nennt es auch internationales Recht oder noch schöner „Völkerrecht“, als hätten es alle Völker demokratisch gesetzt. „Übergeordnetes Recht bricht Landesrecht! Damit ist ja alles gesagt. Die heutige Tendenz, die Volksrechte leichtfertig durch übergeordnetes Recht zu ersetzen, nimmt beängstigend zu. Das ist meine kurze Erfahrung in der Zeit, in der mir das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement anvertraut worden ist. Und dies ist genau das Gegenteil des Freiheitsbriefes von 1291. Wer leichtfertig versucht, die Entscheidungsmöglichkeit des Volkes und der Stimmbürger auszuschalten oder zu umgehen, bedroht die Freiheit. In der Schweiz heisst Freiheit auch und vor allem Vertrauen in den einzelnen Bürger. Denken wir daran: Der Bundesbrief ist die Absage an unkontrollierte staatliche Macht und eine geradezu rebellische Absage an die Einschränkung des Volkswillens. Darum ist der Kampf gegen „Vögte“, die den Volkswillen einschränken, eine Daueraufgabe. Es ist der dauernde Kampf um die Freiheit. In Dankbarkeit begehen wir heute den Geburtstag unseres Landes. Die heutige Wohlfahrt des Landes und seine wirtschaftliche Stärke ist nicht zuletzt der Selbstbestimmung des Volkes und der Selbstverantwortung der Bürger zu verdanken. Die Schweiz legt hohen Wert darauf, selbst die Zukunft bestimmen zu können, und zwar durch Regeln, welche das Volk setzt. Die internationalen Gremien haben dies zu respektieren. Das gilt aber auch für unser eigenes Parlament, für unsere Regierung und unsere Gerichte. Auch sie haben sich nicht über Volksentscheide und über durch das Volk gesetztes Recht hinwegzusetzen! Dazu gehört aber auch die Pflicht der Verantwortlichen, seien es jene in der Regierung, seien es Richter, seien es Volllzugsbehörden, (beispielsweise die Strafvollzugsbehörden) diese Gesetze auch anzuwenden! Nicht zuletzt infolge der hohen Zahl der Gesetze in unserem Lande werden viele Gesetze gar nicht angewendet oder dann nur in einzelnen Fällen gegenüber Leuten, die man nicht mag und denen man eine Strafe gönnen will. Das ist auch Rechtsmissbrauch. Mit dieser Botschaft - meine Damen und Herren - wollen wir auch die nächsten 366 Tage, das 717. Lebensjahr unseres Landes, in Angriff nehmen.

27.07.2007

Schweiz wenig erfreut über geplante Online-Einreiseregistrierung

Die USA planen eine Verschärfung der Einreiseregeln für Europäer. Auch Schweizer sollen sich 48 Stunden vor dem Abflug in die USA online registrieren müssen. Bundesrat Christoph Blocher ist darüber "nicht sehr erfreut". 27.07.2007, Washington (sda) Seine Bedenken habe er in einer Unterredung mit dem US-Minister für innere Sicherheit, Michael Chertoff, geltend gemacht, sagte Blocher am Freitagabend der Nachrichtenagentur SDA. Wenn man sich vor einer US-Reise registrieren und einen Fragebogen ausfüllen müsse, sei das eine zusätzliche administrative Belastung. Chertoff habe ihn "ein wenig besänftigt", sagte Blocher. Der US-Minister habe versichert, dass es nicht für jede Einreise eine Registrierung brauche, sondern diese jeweils für ein oder zwei Jahre gelte. Es handle sich für Chertoff um eine "rein formelle Angelegenheit". Allerdings sei klar, dass die USA die Einreise verweigern könnten, wenn die Antworten nicht befriedigten, sagte Blocher. Die Initiative für die Online-Registrierung sei vom Kongress ausgegangen; Blocher erwartet, dass die Vorlage demnächst verabschiedet wird. Die Schweiz werde gegen die Neuerung nicht viel unternehmen können, erklärte der Justizminister. Auch die EU wird nicht Widerstand leisten, wie der zuständige Sprecher der EU-Kommission kürzlich sagte. Denn die Neuregelung gewährleistet eine Gleichbehandlung aller EU-Bürger. Bislang sind die Bürger eines Teil der osteuropäischen EU-Staaten visumspflichtig. Neues Terrorabkommen ab Ende Jahr Blocher sprach in den USA auch mit Justizminister Alberto Gonzales, FBI-Direktor Robert Mueller und Nachrichtendienstkoordinator Mike McConnell. Mit Gonzales habe er namentlich über den neuen Vertrag über die Zusammenarbeit in der Terrorismusbekämpfung gesprochen, sagte Blocher der SDA. Die Eidgenössischen Räte gaben in diesem Jahr Grünes Licht. Das Abkommen soll nach den Worten Blochers Ende 2007/Anfang 2008 – nach Ablauf der Referendumsfrist - in Kraft gesetzt werden. Im Zentrum dieses Vertrags steht für den Justizminister die Absicht zur Zusammenarbeit bei Verbrechen, die sowohl in den USA als auch in der Schweiz einem Straftatbestand unterliegen. Blocher sagte, er habe gegenüber den US-Gesprächspartnern unterstrichen, dass die Schweiz ein eigener, kleiner Staat sei und "dass die Amerikaner, wenn sie mit uns zusammenarbeiten wollen, die schweizerische Rechtsordnung voll und ganz berücksichtigen müssen". Früher habe dies Schwierigkeiten bereitet, räumte Blocher ein. In den letzten drei Jahren habe die Schweiz aber auf diesen Sachverhalt gepocht; "seither haben wir keine Probleme mehr". Daten über Flugpassagiere Nicht gesprochen hat Blocher über Flugpassagierdaten. Das Abkommen Schweiz-USA läuft im Herbst 2008 aus. Die Staatssekretäre Gerber und Ambühl hätten sich auf ihren jüngsten US-Reisen mit dem Thema befasst, sagte Blocher. Die EU hatte am Freitag ein neues Abkommen mit den USA unterzeichnet. Blocher betonte, dass die Schweiz nicht darum herumkommen werde, bei der Neuerung mitzumachen, wenn Schweizer in die USA einreisen wollen. Man werde aber auf keinen Fall strengere Bedingungen als die EU akzeptieren.

07.07.2007

«1000 Jahre und no e Wili»

Referat von Bundesrat Christoph Blocher anlässlich der Feier "1000 Jahre Stein am Rhein" vom 7. Juli 2007 07.07.2007, Stein am Rhein Stein am Rhein. An der Feier "1000 Jahre Stein am Rhein", die auch den Auftakt zum Freilichtspiel "No e Wili" bildet, richtete Bundesrat Christoph Blocher die Grüsse des Bundesrates aus und wünschte der Stadt weitere 1000 Jahre Bestehen. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Meine Damen und Herren 1. Sichtbare Geschichte 1000 Jahre Stein am Rhein! Dieses Städtchen am Auslauf des Bodensees ist also ein Gewächs mit Wurzeln, die tausend Jahre zurückreichen. Das Mittelalter ist hier Gegenwart, und der Stolz des Bürgertums zeigt sich noch heute in den wunderschön bemalten Häuserfassaden, an den Schildern der Handwerker und Wirtsleute. Der Marktplatz, das Rathaus und die Kirche bilden das gesellschaftliche Dreieck: Wirtschaft (Marktplatz), Politik (Rathaus) und Religion (Kirche). Umschlossen wird die Stadt von einer Mauer. Stein am Rhein ist zwar eine Handelsstadt an bester Lage – gleichwohl war es ganz selbstverständlich, dass man wissen wollte, wer hier rein und raus geht und ausserdem bot die Mauer Schutz in Kriegs- und Krisenzeiten. Diese mittelalterlichen Mauern demonstrieren die Wehrbereitschaft, sie stehen für Recht und Ordnung innerhalb der Stadt, sie stecken den Verantwortungsbereich ab, innerhalb dessen die Stadtoberen ihren Pflichten gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern nachzukommen hatten – schliesslich wurden solche Mauern meist unter gemeinsamer materieller und persönlicher Anstrengung errichtet. 2. Tausend Jahre bewährt 1000 Jahre Stein am Rhein! 1000 Jahre haben hier Menschen gearbeitet, geheiratet, gestritten, sich wieder vertragen, gefeiert, getrauert – was halt das Leben so bereit hält und das war bei unseren Vorfahren nicht viel anderes als heute. Tausend Jahre haben sich Menschen hier zu Hause gefühlt, haben die verwinkelten Gassen geliebt und den Blick auf den langsam gleitenden Fluss genossen, und heute feiert Stein am Rhein sich selbst und seine Geschichte. Ich kann nur sagen: Was tausend Jahre besteht, ist Zeichen der Bewährung. Stein am Rhein ist älter als die Eidgenossenschaft, fünfhundert Jahre älter als der Kanton Schaffhausen (1501), dem es heute angehört und viel älter als unser Bundesstaat, den es erst seit 1848 in dieser Form gibt. Sie verstehen meine Freude, dass ich dieser besonderen Stadt die Gratulationen und Glückwünsche des schweizerischen Bundesrates – unserer Landesregierung – überbringen darf. Was hat Stein am Rhein alles in seiner Geschichte schon kommen und gehen sehen! Drei deutsche Reiche sind an seiner Grenze mehr oder eher weniger friedlich zu Grunde gegangen. Dutzende Kriege wurden ausgefochten. Es mussten Feuersbrünste, feindliche Bedrohungen, wirtschaftlicher Niedergang überstanden werden. Und Stein am Rhein steht noch heute da. In seiner ganzen Pracht. Darum ist dieses Jubiläum auch ein Fest der Dankbarkeit. Zum Seitenanfang Zum Seitenanfang 3. Keine Steuern für alle Einige interessante Details aus ihrer neuen Stadtchronik sind bereits bekannt: So erhob Stein am Rhein bis 1912 offenbar keine Gemeindesteuern – was eine Vielzahl reicher "Privatiers" anzog (sind Sie froh, dass es damals noch keine EU gab, sonst würden die intervenieren, damit Sie die Steuern erhöhen müssten). Sie bauten herrschaftliche Villen und genossen die schöne Lage, das ruhige Städtchen und die niedrigen Steuern. 4. 1000 Jahre überstanden Wer tausend Jahre überstanden hat, verfügt über einen langen Atem. Wer sich seiner Vergangenheit bewusst ist, spürt die Verwurzelung, die Verankerung im Boden der Geschichte. Wer verwurzelt ist, wird auch nicht so schnell umfallen. Er spürt den Halt. Dieser Halt ist wichtig, besonders in einer Zeit, die uns immer schneller, anonymer, globaler vorkommt. Heimat, Verbundenheit, Traditionen sind nötige Rückzugsorte. Man hat uns lange genug eingeredet, das sei alles veraltet und engstirnig. Die Rückbesinnung der Menschen auf ihre Herkunft und ihre Traditionen beweist das Gegenteil. Darum feiern Sie heute mit Recht und mit Stolz diese 1000 Jahre Stein am Rhein. 5. Selbstbestimmung ist nicht gratis Die heutige Feier ist ja auch der Auftakt für das Freilichtspiel "No e Wili". Das Spiel bezieht sich auf das 15. Jahrhundert und den Unabhängigkeitskampf des Städtchens. Sehen Sie, auch hier dient uns die Geschichte als Mahnmal und als Beispiel. Stein am Rhein unterstand damals lokalen Adeligen, den so genannten Landesherren: Erst den Zähringern, später dem Kloster St. Georgen, den Freiherren von Hohenklingen, der Familie Klingenberg. War nicht diese Familie hoch verschuldet und bereit, ihre Vogteirechte an die Stadt zu verkaufen? Und Stein am Rhein griff zu. Die Steiner Bürger haben sich wortwörtlich freigekauft. Das ist doch ein beeindruckender Akt. Nach dem Prinzip: Wir wollen selber für uns schauen. Wir wollen selber bestimmen. Aber auch selber für unser Gemeinwesen aufkommen. Zum Seitenanfang Zum Seitenanfang 6. Aus "no e Wili" lernen Das Freilichtspiel "no e Wili" beschreibt den Verrat eines habsburgerfreundlichen Steiners, der mit der neuen Unabhängigkeit nicht einverstanden war. Der Sage nach bemerkte ein aufmerksamer Bäckermeister den Plan, als er frühmorgens verdächtige Geräusche hörte und beim Tor stehen blieb, worauf eine Stimme ihn von ausserhalb fragte: "Ist’s Zeit?" Der Bäcker erkannte sofort die Gefahr und flüsterte zurück: "No e Wili", rannte zum Bürgermeister, worauf Sturm geläutet wurde und die Bürger zu den Waffen eilten und die Angreifer in die Flucht schlugen. Was kann die moderne Schweiz daraus lernen? Erstens: Sei stets auf der Hut. Nicht jeder, der zu Dir kommt, meint es gut! Zweitens:Der Bäckermeister bewies: Der Schlaue ist der Starke. Drittens: Gut gibt es fleissige Handwerker, die bereits am frühen Morgen auf sind. Frühaufsteher braucht das Land und nicht Langschläfer. Ich wünsche Ihnen im Namen des Bundesrates ein schönes Fest, eine schöne Jubiläumsfeier und ich wünsche Ihnen nochmals tausend Jahre – und "no e Wili"!

30.06.2007

Fragen der Migration und Integration

Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz, 30. Juni 2007, Liestal 30.06.2007, Liestal Liestal. Anlässlich der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz sprach Bundesrat Christoph Blocher Themen wie die Bekämpfung des Asylmissbrauchs, das neue Ausländergesetz und die Auswirkungen der Personenfreizügigkeit an. Probleme müssten benannt und konsequent angegangen werden; wer wegschaue oder bestehende Probleme unter den Teppich kehre, handle unverantwortlich und fahrlässig. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Meine Damen und Herren 1. Missbrauchsbekämpfung im Zentrum Die Migrationspolitik, insbesondere die Asylpolitik, beschäftigt die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sehr stark. Nicht die Aufnahme von tatsächlich verfolgten Menschen, nicht die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte, welche eine Aufenthaltsbewilligung erhalten haben, sind Stein des Anstosses: Nein, für den Unmut in der Bevölkerung sorgen all jene, die missbräuchlich ein Asylgesuch einreichen oder diejenigen, die sich illegal in der Schweiz aufhalten. Es ist das Anliegen jedes Staates, für seine Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Jede Regierung auf der Welt bestimmt auch, wann ausländische Menschen eine Aufenthaltsbewilligung erhalten und wann nicht. Mit Ausländerinnen und Ausländern, welche eine Aufenthaltsbewilligung korrekt beantragen und eine solche Bewilligung auch erhalten, hat die Schweiz im Grossen und Ganzen keine Probleme. Ein grosser Teil der ausländischen Bevölkerung ist gut integriert und leistet ihren Beitrag am Wohlergehen unseres Landes. Mit einem Ausländeranteil von rund 22 Prozent stehen wir an der Spitze der europäischen Staaten. 2. Auswirkungen der Personenfreizügigkeit Durch das Personenfreizügigkeitsabkommen mit den EU-Mitgliedstaaten hat sich die Zusammensetzung der ausländischen Bevölkerung in den vergangenen Jahren stark zugunsten der EU-Staatsangehörigen verändert und auf besser Qualifizierte verlagert. Der Anteil der Drittstaatsangehörigen hingegen ist rückläufig. Diese Entwicklung entspricht den ausländerpolitischen Zielsetzungen von Bundesrat und Parlament. Seit dem 1. Juni 2007 sind die Kontingente für die alten 15 EU-Länder weggefallen. Vorerst gibt es nun für ein Jahr probeweise den freien Personenverkehr. Dadurch wird der zurzeit grosse Bedarf an Arbeitskräften wohl gedeckt werden können. Zum heutigen Zeitpunkt ist allerdings noch nicht abschätzbar, wie sich die Zuwanderung entwickeln wird. Sollte sich im Verlaufe dieses Jahres, vom 1. Juni 2007 bis 31. Mai 2008, eine hohe Zuwanderung aus den EU-15 Ländern ergeben, d. h. mehr als 10 % als im Durchschnitt der drei vorangegangenen Jahre, so würde das Freizügigkeitsabkommen der Schweiz ermöglichen, ab dem 1. Juni 2008 wieder für zwei Jahre Kontingente einzuführen. Damit die verschiedenen Menschen in einem Land jedoch miteinander leben können, braucht es Regeln und diese müssen auch von allen respektiert und eingehalten werden. 3. Neues Ausländergesetz Das neue Ausländergesetz, das am 1. Januar 2008 in Kraft treten wird, bietet die Grundlage dafür, dass die Schweiz die erforderlichen Arbeitskräfte erhält, ohne das Arbeitslosigkeit entsteht und ohne dass die Sozialwerke unverhältnismässig belastet werden. Es geht auch darum, die unbestritten vorhandenen Probleme zu lösen. So muss die heute oft ungenügende Integration von ausländischen Menschen stark verbessert werden. Der Gesamtbundesrat hat auf meinen Antrag hin eine interdepartementale Arbeitsgruppe beauftragt, dem Bundesrat bis Ende Juni 2007 konkrete Massnahmen für die Verbesserung der Integration in den verschiedenen Bereichen, wie z. B. Spracherwerb, Bildung, Erwerbstätigkeit, usw., vorzuschlagen. Eine Arbeitsgruppe meines Departementes ist zurzeit auch daran, Massnahmen zur Bekämpfung der Jugendgewalt zu erarbeiten. Probleme müssen benannt und konsequent angegangen werden. Wer wegschaut oder bestehende Probleme unter den Teppich kehrt, handelt unverantwortlich und fahrlässig. Wir müssen bei der Integration vor allem fordern. So sind auch Integrationsvereinbarungen vorgesehen. Sollte sich jemand jedoch nicht integrieren wollen oder sich nicht um seine Integration bemühen, muss dies bei der Erteilung oder eben bei der Nicht-Erteilung einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung und bei der Einbürgerung berücksichtigt werden. Mit dem neuen Ausländergesetz werden ebenfalls die Massnahmen gegen Missbräuche wie Schleppertätigkeit, Schwarzarbeit und Scheinehen verstärkt. 4. Schengen/Dublin Durch die Teilnahme der Schweiz an Schengen/Dublin soll die innere Sicherheit und der Kampf gegen die Missbräuche verbessert werden. Dies u. a. durch den Zugriff auf die Datenbanken wie das VIS für die Visa-Erteilung, EURODAC für den Asylbereich und das Schengener Informationssystem (SIS) für die Polizei. Beim SIS hat sich der Bundesrat für die Teilnahme am Übergangssystem "SISone4all" entschieden. Die Einführung ist frühestens auf Ende 2008 vorgesehen. 5. Asylbereich In den ersten fünf Monaten des Jahres 2007 wurden 4'684 neue Asylgesuche in der Schweiz eingereicht. Dies entspricht einem Anstieg um 15.9 % im Vergleich zu den ersten fünf Monaten im Jahre 2006. 769 Gesuche, d. h. ein Sechstel aller Gesuche, wurden von eritreischen Personen, 471 Gesuche von irakischen Personen und 461 von Personen aus Serbien eingereicht. Die grosse Zahl von eritreischen Asylgesuchen kann auf ein publiziertes ARK-Urteil zurückgeführt werden. Gemäss diesem Urteil, sind Dienstverweigerer und Deserteure aus Eritrea als Flüchtlinge zu anerkennen. Mit systematischen Abklärungen im Einzelfall (Nationalität, Möglichkeit von Rückübernahmen durch Drittstaaten) wirkt das Bundesamt für Migration vor allem dieser Sogwirkung entgegen. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2007 stellten 495 rumänische Personen ein Asylgesuch. Im Monat Mai hielten sich rund 300 rumänische Staatsangehörige in den Empfangs- und Verfahrenszentren auf und reichten ein Asylgesuch ein. Ein grosser Teil von ihnen wollte von der Rückkehrhilfe profitieren. Das Bundesamt für Migration strich daraufhin die Rückkehrhilfe für Angehörige von europäischen Staaten und führte die betroffenen rumänischen Personen mit zwei Sonderflügen nach Bukarest zurück. Diese Vorgehensweise zeigte Wirkung: In den vergangenen Wochen stellten nur noch 15 rumänische Staatsangehörige ein Asylgesuch. Durch konsequente Rückführungen konnte der Bestand der Personen im Vollzugsprozess im Vergleich zum Vorjahr um 28.8 % auf 6'713 Personen Ende Mai 2007 gesenkt werden. Von diesen 6'713 Personen müssen für 4'637 Personen Papiere beschafft werden. Der Bestand der Personen im Asylprozess betrug Ende Mai 2007 43'485 Personen. Ende Mai 2006 waren es noch 46'465. Seit dem 1. Januar 2007 wird auf Asylgesuche nicht mehr eingetreten, wenn keine gültigen Reisedokumente abgegeben werden und keine entschuldbaren Gründe vorliegen. In den ersten fünf Monaten waren dies 572 Nichteintretensentscheide wegen fehlenden gültigen Reisedokumenten. Auch die neu eingeführte Durchsetzungshaft wird von den Kantonen angewandt. Das Bundesgericht und das Bundesverwaltungsgericht haben die von den Gegnern der Vorlage vor der Abstimmung als völkerrechts- und verfassungswidrig bezeichnete Haft und den sogenannten "Papierentscheid" als völkerrechts- und verfassungskonform bezeichnet. Ab dem 1. Januar 2008 wird auch der zweite Teil der Bestimmungen des revidierten Asylgesetzes in Kraft treten. Die Regelung, wonach alle Personen, deren Asylgesuch abgelehnt wurde, keine Sozialhilfe mehr erhalten werden, soll das Ausreiseverhalten der Betroffenen verbessern. Ein Schwerpunkt im laufenden Jahr ist die verbesserte Integration von anerkannten Flüchtlingen. Unter anderem soll vor allem der Spracherwerb und die Erwerbstätigkeit von anerkannten Flüchtlingen gefördert werden. 6. Konsequente Um- und Durchsetzung Nach der Annahme des revidierten Asylgesetzes und des neuen Ausländergesetzes sind die Behörden auf allen Stufen verpflichtet, die vom Schweizer Volk gutgeheissenen Bestimmungen konsequent durchzusetzen. Die politische Herausforderung besteht darin, legitime Bedürfnisse – freier Personenverkehr und kontrollierte Zuwanderung - auszubalancieren und gleichzeitig, die humanitäre Tradition zu wahren. Das können wir nur, indem wir Regelungen finden, die unser Staat gesellschaftlich und volkswirtschaftlich tragen kann und indem wir die Missstände beseitigen. Nur so kann die Bereitschaft, tatsächlich verfolgte Menschen aufzunehmen, in der Bevölkerung verankert bleiben. Der Bundesrat hat die Pflicht, hin zu schauen, Probleme zu analysieren und hat den Auftrag, Lösungen zu finden. Wegsehen, Probleme zu bagatellisieren oder diese schön zu reden hilft niemanden. Ich versichere Ihnen, weiterhin hinzuschauen und Lösungen vorzuschlagen. Ich will, dass die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sich sicher sind und sich wohl fühlen können.

29.06.2007

Vor- und Nachteile offener Arbeitsmärkte

Referat von Bundesrat Christoph Blocher am Tag der Bauwirtschaft, 29. Juni 2007, in Luzern 29.06.2007, Luzern Luzern. In seiner Rede am Tag der Bauwirtschaft ging Bundesrat Christoph Blocher auf die Schweizer Erfolge bei der Integration von Ausländern in den Arbeitsmarkt, die Ziele der Arbeitsmarktpolitik und die Bedeutung der Personenfreizügigkeit ein. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Meine Damen und Herren 1. Die Schweiz als Arbeitsmarkt In der Schweiz leben etwas mehr als 1,5 Millionen Ausländerinnen und Ausländer, d.h. 20,4 % der Gesamtbevölkerung. Und die Einbürgerungen pro Bevölkerung sind im internationalen Vergleich sehr hoch: in den letzten 20 Jahren wurden gut 430'000 Personen eingebürgert, allein 46'711 im letzten Jahr. Die Schweiz liegt damit nach den klassischen Einwanderungsländern Kanada, USA und Schweden an vierter Stelle. Meine europäischen Regierungskollegen staunen regelmässig ab diesem hohen Anteil. Kürzlich sagte mir ein Minister: "20,4 % Ausländer? Da sind natürlich auch alle bisher eingebürgerten Ausländer mitgezählt". Dies stimmt selbstverständlich nicht. Die Kollegen staunen, weil sie zum Teil schon mit 5, 7, 8 % grösste Schwierigkeiten haben. Ich betone dies, weil die Schweiz bisher grosse Erfolge bei der Integration von Ausländern in den Arbeitsmarkt ausweisen kann. Trotz dem hohen Ausländeranteil ist die Arbeitslosigkeit aber relativ gering. Spannungen zwischen der einheimischen und ausländischen Bevölkerung blieben bisher weitgehend aus. Das neue Ausländergesetz einerseits und die bilateralen Verträge andererseits sind eine logische Folge der bisherigen Ausländerpolitik. Diese strebt gegenüber der EU schrittweise - auf der Basis strikter Gegenseitigkeit - die volle Personenfreizügigkeit an. Die Zulassung von Arbeitskräften von ausserhalb der EU/EFTA begrenzt sich auf qualifizierte, hier nicht verfügbare Arbeitskräfte. Ich gehe davon aus, dass das Thema "Offene Arbeitsmärkte" gerade für Ihre Branche eine grosse Bedeutung hat: 2004 wurden gemäss Bundesstatistik 36 % des Arbeitsvolumens im Baugewerbe von ausländischen Arbeitskräften verrichtet, also deutlich mehr als die 26 % des Durchschnitts aller Branchen. 2. Ziele der Arbeitsmarktpolitik Die Arbeitsmarktpolitik hat zum Ziel, die Schweizer Wirtschaft zu stärken, um den Wohlstand zu erhalten und zu fördern. Dafür müssen wir gute Rahmenbedingungen für den Standort Schweiz haben. Die Schweiz, ein kleines Binnenland ohne Bodenschätze und nur mit einem kleinen Heimmarkt ist auf offene Märkte für Import und Export angewiesen. Sie muss alles unternehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Schweiz hat nur Chancen, wenn sie die besseren Produkte und Dienstleistungen zu konkurrenzfähigen Preisen anbietet. Bei billigen Massenprodukten, welche in rohstoffreichen Niedriglohnländern hergestellt werden, kann die Schweiz nicht mithalten. Das Schwergewicht muss auf der Entwicklung von hochspezialisierten Produkten für besondere Märkte liegen. Entscheidend ist die Qualität, welche wir mit spezialisierten Arbeitskräften unter Ausnutzung von preisgünstigem Kapital erreichen. Diese Ausrichtung hat sich als Erfolgsrezept erwiesen. Wir verfügen über eine der höchsten Erwerbsbeteiligungen und einen hohen Lebensstandard. 3. Das wirtschaftliche Umfeld Die Arbeitslosigkeit ist zurzeit niedrig. Ein schwach regulierter Arbeitsmarkt ist flexibler und begünstigt die notwendigen Anpassungen in der Wirtschaft. Folgende Stärken sind dabei entscheidend: * Ein praxisnahes Bildungssystem, welches die Jugend auf das Erwerbsleben vorbereitet und in die Arbeitswelt integriert. Mit unserem Ausbildungssystem entsprechen wir den Anforderungen der Wirtschaft. Es gibt bei uns viele gut qualifizierte Berufsleute. Die "Berufslehre" ist - neben einem praxisbezogenen Hochschulabschluss - von besonderer Bedeutung; * Eine geringe Regulierungsdichte. Bisher konnte die Regulierungsdichte des Arbeitsmarktes im internationalen Vergleich noch tief gehalten werden. Ein übertriebener Kündigungsschutz, vom Gesetzgeber verordnete Mindestlöhne oder eine 35-Stunden-Woche kennt die Schweiz zu ihrem Vorteil nicht. Das führt dazu, dass die Schweizer Unternehmen bei gutem Geschäftsgang auch schneller Personal einstellen. Es gibt Staaten, welche solche Massnahmen kennen, aber gerne wieder rückgängig machen würden. * Sozialpartnerschaft. Die Schweiz hat eine insgesamt gut funktionierende Sozialpartnerschaft. Übertriebene Lohnforderungen und wirtschaftsschädigende Streiks gehören nicht zur Tagesordnung. * Verantwortungsbewusstsein. Die Schweizer Arbeitgeber - und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - zeichnen sich mehrheitlich durch ein grosses Verantwortungsbewusstsein aus. Die Kluft zwischen den Chefs und den Mitarbeitern ist normalerweise geringer als im Ausland. * Steuerniveau. Ein vergleichsweise günstiges Steuerniveau begünstigt Investitionen in Betriebe und Arbeitsplätze. Ein massvoller Steuerwettbewerb trägt dazu bei, dass sich auch ausländische Unternehmungen in der Schweiz niederlassen. * Die Schweizerische Ausländerpolitik Unser Arbeitsmarkt wurde immer stark durch ausländische Arbeitskräfte gestützt. Rund ein Viertel der Arbeit wird durch Ausländerinnen und Ausländer erledigt. Die Ausländerpolitik muss sich aber den rasant veränderten Bedürfnissen anpassen. Unsere Wirtschaft benötigt heute mehr denn je gut ausgebildetes Personal. Dementsprechend hat sich auch der Anteil der Zugewanderten mit abgeschlossener Berufs- oder Hochschulbildung in den letzten Jahren markant erhöht. 4. Erfahrungen der Schweiz mit der Personenfreizügigkeit Einerseits führte die Personenfreizügigkeit zu einer erhöhten Zuwanderung aus dem EU/EFTA-Raum. Andererseits mässigte sich die Zuwanderung aus Drittstaaten. Diese hohe Zuwanderung entsprach vor allem der konjunkturellen Nachfrage des Schweizer Arbeitsmarktes. Der grösste Teil dieser zugewanderten Arbeitskräfte war gut bis sehr gut qualifiziert. Trotz der Zuwanderung hat sich die Arbeitslosenquote nicht erhöht. 5. Was ändert sich mit der Öffnung des Arbeitsmarktes? Für die Schweiz, welche im internationalen Wettbewerb gut ausgebildete Arbeitskräfte benötigt, darf die Bedeutung der Personenfreizügigkeit nicht unterschätzt werden. Firmen, welche technologisch zuvorderst mitmachen wollen, sind auf das Wissen ausländischer Spezialisten angewiesen. Ich gehe davon aus, dass auch Sie in der Bauwirtschaft entsprechende Erfahrungen gemacht haben. Das Baugewerbe verzeichnete zwischen 2004 und 2006 ein deutlich überdurchschnittliches Beschäftigungswachstum. Ich bin schon - anders als früher - dem einen oder andern deutschen Facharbeiter auf einer Baustelle begegnet. Auch Sie hätten wohl Mühe gehabt, Ihren Arbeitskräftebedarf ohne Ausländer zu decken. Ich bin mir aber bewusst, dass die Öffnung des Arbeitsmarktes sowohl für Arbeitgeber wie auch für Arbeitnehmer eine Herausforderung ist. Schweizerische Unternehmen sind wegen den europäischen - und internationalen (GATS) Dienstleistungserbringern auch stärkerer Konkurrenz ausgesetzt. Da ist es wichtig, dass durch die nötige Regelung und Kontrolle unter den schweizerischen und ausländischen Konkurrenten für "gleich lange Spiesse" gesorgt wird. Bezüglich der Kontrolle der Zuwanderung sind drei Absicherungen von Bedeutung: * Erstens wurden mit der EU Übergangsfristen vereinbart. Gegenüber der EU-15 liefen diese am 31. Mai dieses Jahres aus. Für die neuen osteuropäischen Staaten sind Zuwanderungsbeschränkungen bis 2011 möglich. Diese Fristen schränken das Risiko einer unkontrollierten Zuwanderung ein. Mit Rumänien und Bulgarien beginnen erst die Verhandlungen. * Zweitens wurde das Abkommen 2002 für eine erstmalige Zeitperiode von sieben Jahren abgeschlossen. Vor Ablauf des Abkommens im Jahr 2009 wird die Schweiz in Form eines referendumsfähigen Bundesbeschlusses über die Weiterführung beschliessen. * Drittens können bis 2014 bei einer übermässigen Zuwanderung mit der sog. Ventilklausel die Aufenthaltsbewilligungen erneut beschränkt werden. 6. Fazit und Schluss Mit dem Freizügigkeitsabkommen hat sich die Schweiz gegenüber der EU geöffnet. Bei Mangel können Schweizer Unternehmen darüber hinaus gut qualifizierte Arbeitskräfte in begrenzter Zahl auch von ausserhalb des EU-Raums rekrutieren. Die Schweiz hat als Unternehmensstandort damit weiter an Attraktivität gewonnen. Experten gehen davon aus, dass das Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren auch durch den freien Personenverkehr mit der EU gestützt wurde. Negative Auswirkungen für die Schweiz wurden während der guten Wirtschaftsentwicklung bisher kaum festgestellt. Die wirkliche "Nagelprobe" wird man jedoch bei einem Konjunkturabschwung genau prüfen müssen. Die Personenfreizügigkeit soll strikt auf den EU/EFTA-Raum begrenzt bleiben. Gegenüber Drittstaaten bleibt die Ausländerpolitik weiterhin restriktiv und im Wesentlichen auf gut qualifizierte Arbeitskräfte beschränkt. Diese Zulassungspolitik wurde vom Schweizer Volk in mehreren Abstimmungen eindrücklich bestätigt. Die mangelnde Integration eines Teils der ausländischen Bevölkerung muss verbessert werden und Missbräuche sind rigoros zu bekämpfen. Nur so wird die Migrationspolitik des Bundesrates auch inskünftig vom Volk mitgetragen. Wir stecken in dieser Beziehung mitten in der Arbeit.