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24.06.2007

«Wo no i Freiheit gsunge wird…»

St. Moritz. In seiner Eröffnungsansprache am nordostschweizerischen Jodlerfest würdigte Bundesrat Christoph Blocher das Heimatgefühl, das aus den Volksliedern spreche. Während die Politik von Globalisierung schwärme, sehnten sich die Menschen nach Halt. 24.06.2007, St. Moritz Eröffnungsansprache von Bundesrat Christoph Blocher am nordostschweizerischen Jodlerfest in St. Moritz, 24. Juni 2007 Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Liebe Jodlerinnen und Jodler Liebe Alphornbläser und Fahnenschwinger Liebe Festgemeinde 1. Eine schöne Einladung Sie haben zum Fest geladen. Und wiederum sind Tausende dieser Einladung gefolgt, um sich am Jodelgesang und an der Schweizer Volkskultur zu freuen. Zum 26. Mal findet das Nordostschweizerische Jodlerfest statt, heuer in St. Moritz im Oberengadin. Zum 26. Mal sind Sie zusammen gekommen, um sich im freundschaftlichen Wettkampf zu messen und die unbeschwerte Geselligkeit zu geniessen. Schon vor 3 Jahren haben Sie mich als nordostschweizerischer Bundesrat zum 25. Nordost-schweizer Jodlerfest in Bülach eingeladen. Ich sagte zu: Bülach liegt ja schliesslich im Kanton Zürich, und ich bin ja schliesslich ein Zürcher. Dieses Mal fand ich wieder eine Begründung, um Ihrer freundlichen Einladung Folge zu leisten. Das 26. Nordostschweizerische liegt ja im Kt. Graubünden, einem Kanton also, dem ich durch meine frühere Tätigkeit als Unternehmer eng verbunden bin. Es gibt aber auch noch einen dritten Grund, warum ich hier bin. Das ist der Kurdirektor Hans-Peter Danuser. Wir waren nämlich beide vor 48 Jahren im Waadtland als Bauernknechte tätig. Zwei Deutschschweizer Knechte in der Romandie. Ihn führte der Weg nach St. Moritz, und er ist heute wohl der markanteste Kurdirektor in der Schweiz und ein begeisterter Alphornbläser. Mich führte der Weg auch nach Graubünden, d.h. nach Domat/Ems und schliesslich nach Bern. 2. Ein Abbild der schweizerischen Vielfalt Vor drei Jahren Bülach – heuer St. Moritz. Kann man sich zwei unterschiedlichere Orte vorstellen? Dort Bülach, eine Zürcher Stadt im Mittelland, früh industrialisiert, schnell gewachsen, ein Abbild der rasanten Entwicklung, die die Schweiz in den letzten hundert, hundertfünfzig Jahren gepräg hat. Und hier St. Moritz, mondäner Kur- und Touristenort, in einem Hochtal von seltener Naturschönheit gelegen, mit einer romanischsprachigen Bevölkerung. Allen Unterschieden zum Trotz oder gerade deswegen: Die beiden Orte sind sich verbunden: Sie sind in ihrer Verschiedenheit Ausdruck der Vielfalt, die unser Land prägt. Auch Sie, geschätzte Besucherinnen und Besucher stellen diese Vielfalt dar (in der Volkskultur). Sie besingen die Schweiz in verschiedenen Dialekten, Sprachen und Trachten. Die Fahnenschwinger werfen stolz ihre eigenen Kantonsfahnen in die Luft – und in all dem vereinen wir uns unter dem Schweizer Kreuz und im gemeinsamen Bekenntnis zu unserem Land mit seinen vielfältigen Traditionen und Ausprägungen. Wenn es in einem Lied heisst: "Ich chume i mys Dörfli hei", dann denkt zwar jeder von uns an sein eigenes Dorf, die Gefühle aber, die wir dabei empfinden, sind bei allen gleich: Das starke, schöne Gefühl der Geborgenheit, der Verwurzelung, der Vertrautheit, des Daheimseins. Des Heimatgefühls eben. Dieses Heimatgefühl mag bei uns Schweizern besonders ausgeprägt sein. Während der Söldnerzeit sprach man vom Heimweh der Söldner als vom "Mal Suisse". Ja, ob wir von St. Moritz oder von Bülach oder eben sonst einem Ort sind – wir alle sind verbunden durch unsere gemeinsame Heimat, die Schweiz. Ich glaube, solche Zusammenkünfte wie dieses Jodlerfest werden immer wichtiger: Je mehr die hohe Politik von der Globalisierung schwärmt, je mehr uns das Heil in nicht fassbaren und nicht überschaubaren Organisationen versprochen wird, umso mehr sehnen sich die Menschen nach Halt, nach Tradition und Heimat – denn dort ist der Ort des Vertrauten und des Überschaubaren, des im wahrsten Sinne des Wortes Begreifbaren. Was wären wir ohne all die Vereine (ohne die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer) ohne die Volksfeste wie dieses heute? Was wären wir ohne Sängerinnen, Sänger, Jodlerinnen und Jodler, Alphornbläser und Fahnenschwinger? Arm wären wir! Wir wären Menschen in einer leeren, einsamen, grauen, eintönigen Welt. 3. Wo no i Freiheit gsunge wird Es gibt eine schöne Textzeile in einem Lied von Hans Täschler (aus "Sängertreu"). Sie lautet: "Wo no i Freiheit gsunge wird, da isch es glücklichs Land". Wer einmal ein Jodlerfest besucht hat und am Abend durch die verschiedenen Beizen marschiert ist, weiss, was Hans Täschler gemeint hat. Es wird zusammen gefeiert, zusammen gesungen, frei von der Leber – es gibt keine friedlicheren Feste als Jodlerfeste. Frei, frisch und fröhlich singen kann aber nur, wer unbeschwert ist, frei und offen seinen Gedanken und seinen Gefühlen freien Lauf lassen kann. "Wo no i Freiheit gsunge wird, da isch es glücklichs Land" – tragen wir Sorge zur Freiheit. Sie ist ein Geschenk unserer Vorfahren, aber wir müssen dieses Geschenk bewahren und auch verteidigen. Wir sind verantwortlich für diese Freiheit – jeder an seinem Platz, mit seinen Mitteln. Wo nötig müssen wir uns aber auch gemeinsam für unsere Freiheit wehren. Wie es im gleichen Lied "Sängertreu" von Hans Täschler heisst: "Wenn’s aber gilt, de stönd mer i, die Junge näb de Alte, und sind mer au a Zahl nur chli, in Treu wird zäme ghalte." Geniessen Sie die verbleibenden Stunden. Freuen Sie sich am Engadin, an den Alpen, an den Bergen, der Natur und tragen Sie weiterhin Sorge zu unserem Brauchtum. Damit wir auch in Zukunft in Freiheit feiern können.

23.06.2007

Das darf man nicht dramatisieren

"Bundesrat Blocher sieht in den zahlreichen Übernahmen von Schweizer Firmen kein Problem. Mit der Zürcher Kantonalbank geht er scharf ins Gericht, will sie aber nicht privatisieren." 23.06.2007, Tagesanzeiger, Anetta Bundi und Stefan Eiselin Ein Schweizer Industrieflaggschiff nach dem anderen gerät ins Fadenkreuz ausländischer Investoren. Stört Sie das? Nein, das darf man nicht dramatisieren. Finanzinvestoren übernehmen meistens unterbewertete Firmen. Es kann sein, dass diese oft schlecht geführt sind. Sie sind überzeugt, aus dem Unternehmen mehr machen zu können. Das muss weder für die Firma noch für die Angestellten ein Nachteil sein. Bei Oerlikon zum Beispiel kam das frühere Management kaum vorwärts. Unter der neuen Führung sind deutliche Fortschritte erkennbar, was hoffentlich dauerhaft ist. Missmanagement mag ein Grund für Übernahmen sein. Die neuen Investoren haben doch aber auch einfach unendlich viel Geld? In Russland und anderen aufstrebenden Ländern gibt es in der Tat viele Finanzgesellschaften, die durch Privatisierungen rasch unglaublich reich geworden sind und nun im Westen nach Anlagemöglichkeiten Ausschau halten. Diese Investoren können zweifellos auch hoch bewertete, teure Betriebe erwerben. Die Firmen gehören dann zwar zum Beispiel einem Russen, sind aber hier ansässig und müssen sich an unser Recht halten. Ich kann daran nichts Schlechtes erkennen. Schweizer Unternehmen wie Nestlé, Roche, Novartis, Swisscom oder Sulzer machen ja das Gleiche. Die Banken investieren ebenfalls weltweit. Bei den in der Schweiz laufenden Übernahmen ist oft nicht klar, welche Ziele die Investoren haben – ausser Kasse zu machen. Finanzinvestoren sind natürlich an einem möglichst hohen Wert der Firma und damit an einem hohen Gewinn interessiert. Raider wollen dies in kürzester Zeit, was in guten Börsenjahren oft zu leicht gelingt. Da sie den Gewinn aber nur realisieren können, wenn sie die Firma gut führen, darf man nicht den Teufel an die Wand malen. Problematisch wird es erst, wenn sie ein Unternehmen einzig erwerben, um sich die Konkurrenz vom Leib zu halten – und nach dem Kauf die Firma zerstückeln und Arbeitsplätze vernichten. Problemantisch ist auch, wenn sie sich nicht an die gesetzlichen Meldepflichten halten, was anscheinend vorkam. Wie zum Beispiel bei Sulzer. Das ist inakzeptabel. Es braucht nun aber nicht strengere Gesetze, sondern die Durchsetzung der bestehenden; die Börse, die Bankenkommission und das Finanzdepartement müssen fehlbare Akteure zur Rechenschaft ziehen. Die Investoren, die in die Schweiz kommen, weigern sich häufig, langfristig Verantwortung zu übernehmen. Enttäuscht? Das ist selbstverständlich nicht ideal. Es käme mir deshalb aber nie in den Sinn, die Gesetze zu verschärfen. Das würde bloss zu neuen Ungerechtigkeiten und Problemen führen. Der Markt wird das abstrafen. Sie haben in den Neunzigerjahren zweimal auch sehr kurzfristig angelegte Geschäfte gemacht. Ich war nie ein Investor, der eine Firma bloss erwirbt, um sie ein paar Monate später Gewinn bringend zu veräussern. Als Ems-Chemie-Chef sind Sie aber sowohl bei der Alusuisse als auch bei der Atisholz eingestiegen. Beide Unternehmen haben Sie nach kurzer Zeit wieder abgestossen. Atisholz habe ich gekauft, weil besorgte Leute mit diesem Wunsch an mich herangetreten sind. Sie befürchteten, dass die Firma durch einen Käufer sonst ausgehöhlt und kaputt gemacht worden wäre. Als ich bemerkte, dass die Produkte der Atisholz nicht zur Ems-Chemie passten, suchte ich für die Firma einen neuen industriellen Investor, was auch gelang. Und bei der Alusuisse-Lonza? Die Ems-Chemie Holding interessierte vor allem der Chemieteil – die Lonza. Da der Aluminiumteil seit Jahren von der Chemiesparte lebte und allein keine Zukunft hatte, entschloss man sich, die beiden Teile Alusuisse und Lonza zu trennen, um beiden die weitere Entwicklung zu ermöglichen. Alusuisse hatte allein keine Chance, darum musste sie mit einer anderen Firma, der kanadischen Alcan, zusammengehen. Lonza ist seither ein blühendes Unternehmen. Das sind Investitionen, die industriell Sinn ergeben. Bei der jetztigen Übernahmewelle mischt auffallend oft die Zürcher Kantonalbank mit. Passt das denn zu einer Staatsbank? Dass die Zürcher Kantonalbank mithilft, die Meldepflichten zu umgehen, wie dies im Fall Sulzer anscheinend passiert ist, ist inakzeptabel. Die ZKB hat inzwischen aber die Konsequenzen gezogen und das oberste Management ausgewechselt. Welche Lehren müssen sonst noch aus dem Fall gezogen werden? Von meinem Credo her stehe ich grundsätzlich dafür ein, die Kantonalbanken zu privatisieren. Schliesslich sind sie im freien Markt tätig. In Bezug auf die Zürcher Kantonalbank bin ich aber vorsichtig. Wenn man sie privatisiert, droht die Gefahr, dass sie rasch von einer Grossbank übernommen wird, die am Kreditgeschäft mit dem Gewerbe kein grosses Interesse hat. Dann wären wir wieder soweit wie vor 100 Jahren: Die Kantonalbanken wurden seinerzeit ja gegründet, um Handwerkern und kleineren Betrieben Kredite zu ermöglichen. Und wie steht es mit der Staatsgarantie? Diese sollte man im Sinne der Gleichbehandlung aller Banken abschaffen. Aber machen wir uns nichts vor: Wenn der Kanton Eigentümer bleibt und der Bank etwas passiert, wird der Staat – als Eigentümer – faktisch trotz allem haften müssen. Das ist bei den Grossbanken nicht anders –­ und selbst wenn es eine grosse Versicherungsgesellschaft "lupfen" würde, würde der Staat die Versicherten wohl kaum einfach im Stich lassen. Sie kämpfen seit Jahren gegen die Verfilzung von Politik und Wirtschaft. Sind diese beiden Bereiche immer noch zu fest verbandelt? Es ist auf jeden Fall besser geworden. Viele Firmen haben gemerkt, dass ihnen die "Sauhäfeli-Saudeckeli-Strategie" nichts bringt. Die CS hat zwar nach wie vor einen Beirat, in dem auch Politiker sitzen. Er wurde aber verkleinert. Und UBS-Chef Marcel Ospel sitzt meines Wissens bewusst in keinem anderen Verwaltungsrat. Dass jemand ein Mandat erhält, nur weil er das richtige Parteibuch hat, kommt immer weniger vor. Peter Spuhler ist bei der UBS denn auch nicht als Politiker, sondern als Industrieller gefragt. Beim Bund hat sich auch einiges getan: Den Gremien seiner Unternehmen dürfen keine Parlamentarier mehr angehören. Wollen Sie diese Betriebe privatisieren? Wir sollten alle Unternehmen des Bundes, die im Wettbewerb stehen, privatisieren. Bei der Swisscom erachte ich diesen Schritt nach wie vor für besonders dringlich. Sie braucht mehr Freiheit. Es kann doch nicht sein, dass der Bundesrat nebenbei unternehmerische Entscheide fällen muss. Da ist mir immer etwas «gschmuuch». Die Post ist zu privatisieren, sobald das Monopol vollständig fällt. Bei den SBB macht dieser Schritt indes keinen Sinn. Man kann nicht drei Eisenbahnlinien in Konkurrenz zwischen Zürich und Bern betreiben. Wo ein Monopol nötig ist oder nicht verhindert werden kann, ist mir ein staatliches lieber als ein privates. Staatliche Monopole unterstehen wenigstens der demokratischen Kontrolle. Sie haben mehrfach die Abschaffung des Wirtschaftsdepartements gefordert. Was stört Sie daran? Staatliche Wirtschaftspolitik neigt dazu, Geld zu verteilen und unnötigerweise in den Markt einzugreifen. Beides lähmt die Selbstverantwortung und die unternehmerische Initiative. Die im Rahmen der Wohnbauförderung, Regionalpolitik, Tourismusfinanzierung oder Exportförderung fliessenden Gelder werden von den Unternehmen natürlich nicht verschmäht. Jeder holt das Geld dort, wo er es bekommen kann. Das ist normal. Was dem einzelnen Unternehmen nützt, ist aber wirtschaftspolitisch noch nicht richtig. Ein Wirtschaftsdepartment zur Geldverteilung und Intervention in die freie Marktwirtschaft ist schädlich. Gefordert ist die Wirtschaftspolitik dort, wo es um den Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen geht. Darum kümmerte sich früher das Bundesamt für Aussenwirtschaft (BAWI). Wenn Sie den Zollabbau unterstützen, weshalb haben Sie vor einem Jahr den einen Freihandelsvertrag mit den USA bekämpft?  Der Verhandlungsspielraum war viel zu klein –­ nicht nur bei der Landwirtschaft. Im Patentrecht zeigten sich die Amerikaner zum Beispiel ebenfalls sehr unnachgiebig. Wir hätten voll zum amerikanischen System übergehen müssen. Da wir im europäischen System eingebunden sind, waren solche Zugeständnisse nicht möglich. Also hofft die Wirtschaft vergeblich auf einen neuen Anlauf? Keineswegs. Ein Freihandelsabkommen mit den USA wäre zweifellos wünschenswert. Ich habe ja schon vor zehn Jahren angeregt, mit den Amerikanern einen derartigen Vertrag abzuschliessen. Nun müssen wir aber warten, bis die amerikanischen Wahlen vorbei sind. Die USA können uns im Moment aus innenpolitischen Gründen keine Zugeständnisse machen. Nach den Wahlen ist der Verhandlungsspielraum wohl grösser. Das Thema wird uns in der nächsten Legislatur sicher beschäftigen. Dann werden wohl auch die Departemente neu verteilt. Was reizt Sie am meisten? Es geht nicht um meine eigenen Wünsche, sondern um eine wirksamere und homogenere Zusammensetzung der einzelnen Verwaltungseinheiten des Bundes. Alles, was mit den Infrastrukturen oder den Sozialversicherungen zu tun hat, ist sicher dornenreich und wichtig. Im Justiz- und Polizeidepartement, wo ich jetzt bin, könnte ich ebenfalls relevante Vorlagen fördern – beispielsweise die Modernisierung des Urheberechts, des Aktienrechts oder des Patentgesetzes. Das sichert und stärkt den Wirtschaftsstandortes Schweiz.

22.06.2007

Aussen fix – innen nix

Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der 100 Jahr-Jubiläumsfeier Schweizerischer Verband „Dach und Wand“, 22. Juni 2007, St. Gallen 22.06.2007, St. Gallen St.Gallen. Bundesrat Christoph Blocher hat dem Verband "Dach und Wand" zu seinem hundertjährigen Bestehen gratuliert. Er forderte ihn auf, sich weiterhin für die Umsetzung von intelligenten Lösungen beim Hausbau einzusetzen. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Sehr geehrte Damen und Herren 1. Ein Dach über dem Kopf Wenn ich als kleiner Knirps – z.B. an einem festlichen Sonntag – frisch und neu eingekleidet vor meinem Vater stand, ziemlich stolz, schön angezogen und sauber gewaschen, dann pflegte mein Vater – der sich als Pfarrer mehr mit dem Innern als mit dem Äussern zu beschäftigen hatte – jeweils zu sagen: „Aussen fix und innen nix……“. Er wollte mir sagen: Dein Äusseres ist zwar wundervoll fix, aber innen? Wohl nicht viel, ziemlich sicher nix. Heute für Sie von „Dach und Wand“ gilt etwas ganz anderes. Wenn „Dach und Wand“ fix sind – d.h. einwandfrei und richtig – dann habe ich innen nix – d.h. nichts Falsches, nichts Unangenehmes, kein Wind, Regen und Wetter in der Stube. Das hat seine Bedeutung: Seit jeher ist der Mensch bestrebt, ein Dach über dem Kopf zu haben. Ob eine Holzhütte in den Bergen, ob die Rustici aus Stein in den Tessiner Tälern, ob eine Häuserzeile in einem mittelalterlichen Städtchen oder ein Appenzeller Bauernhaus mit angegliedertem Stall – gemeinsam ist ihnen allen eines, dass sie dem Menschen ein Dach über dem Kopf geben. Doch was ist ein Dach ohne Wand? Sicher kein Haus. Aber ein Haus ist immer auch ein Zuhause. „Dach und Wand“ haben heisst: ein Zuhause haben. „Obdach-los“ sein heisst eben kein Zuhause zu haben. Darum möchte ich Ihnen zuallererst die Glückwünsche des Bundesrates überbringen und Ihnen zu Ihrem hundertjährigen Bestehen des Verbandes „Dach und Wand“ gratulieren. Ihnen danken, dass sie so vielen Menschen in diesen 100 Jahren „Obdach“ geboten haben. Sie sind nicht nur ein wichtiger Wirtschaftszweig, sondern auch „Seelsorger“, die den Menschen Obdach bieten! Nun: Nicht jedes Dach ist ein gutes Dach. Nicht jede Wand ist solide und tragfähig. Nicht jede Seelsorge ist gute Seelsorge. Aber wir haben in der Schweiz eine lange Tradition für qualitativ hochstehendes Bauen. In einem Land, das Schnee, Wetter, Wind und Wasser kennt, war es eine Frage des Überlebens und des Überdauern-Könnens, solide zu bauen. Sie und Ihr Verband setzen diese Tradition und diese Qualität fort. 2. Aussen fix - innen nix Aber wie gesagt: „Aussen fix – innen nix“ heisst mein Referatsthema. Diese Redensart besagt ja, dass der schöne Schein – das Äussere – nicht immer etwas aussagt über den inneren Wert oder etwas aussagt über den Wert an sich. „Es ist nicht alles Gold, was glänzt.“ Doch auf Ihren Verband bezogen, ist es sogar eine Pflicht, „aussen fix“ zu sein. Oder auf die aktuelle Energiedebatte bezogen: Je besser die Haushülle, desto tiefer und günstiger wird der Energieverbrauch für das Innere. Das schont das Portemonnaie und die Umwelt. Sie liegen also mit Ihrer Branche im vollen Trend. Denn der Energieverbrauch zu Hause macht einen wesentlichen Anteil des persönlichen Verbrauchs aus. Wer wirtschaftlich denkt, der setzt sein Geld dort ein, wo er für möglichst wenig Mittel den grössten Effekt erzielt. Wer gut baut oder umbaut, kann problemlos die Energiekosten bis zu einem Drittel senken. Aber in der Schweiz steht plötzlich die gute alte Glühbirne am Pranger. Sie soll persönlich haftbar gemacht werden für den Klimawandel. In Australien wird ein Glühbirnenverbot erlassen. An einer Bundesratssitzung wurde kürzlich eine Stromsparlampe installiert. Diese brauche viel weniger Energie! Es war ein fahles – kein schönes Licht –, aber weniger Strom brauche sie. Kürzlich erhielt ich ein Telefon, jemand erklärte mir, diese Glühbirne enthalte Quecksilber. Der Gebrauch und vor allem die Entsorgung seien viel problematischer als der von normalen Glühbirnen! Bei uns tauchen abenteuerliche Berechnungen auf: Würden alle Glühbirnen durch Energiesparlampen ersetzt, könnte ein Atomkraftwerk geschlossen werden. Würde – Könnte. Ich warte noch auf den parlamentarischen Vorstoss, der Nachttischlämpchen verbietet. Dabei gilt es, von Ihnen zu lernen: Bauen Sie gute Dächer und gute Wände, dann sparen wir im Innern Energie und Kosten und Geld! 3. Nichts Neues unter der Sonne Was die aktuelle, angeblich so neuartige Energiedebatte betrifft, muss ich sagen: Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Es ist nicht neu, dass der Mensch versucht, die Wärme im Haus zu behalten. Schauen Sie sich die Engadiner Häuser an oder jene im Jura: Mit dicken Steinmauern, kleinen Fenstern, nach Süden ausgerichtet. Diese Bauten hatten nur eines im Sinn: Die Kälte soll draussen bleiben und die Wärme drin. Isolation heisst das Zauberwort und unsere Vorfahren isolierten, ohne zu wissen, dass wir dieses Verfahren einmal so nennen würden. Jetzt, da die Energiepreise anziehen, überlegt sich der Kunde doppelt, wie er günstiger davon kommt. Jetzt kommen wieder Sie ins Spiel: Der Kunde möchte den Energieverbrauch senken, also reagiert der Markt. Ich muss Ihnen sicher nichts davon erzählen. Sie sind alle konfrontiert mit dieser Situation, dass der Kunde möglichst günstige, möglichst stabile, möglichst gut isolierte Bauten will. Sie haben die Bedürfnisse des Kunden zu erfüllen und ihm gute Lösungen anzubieten. Das ist ihr Auftrag als Unternehmer. Wenn Sie diesen Bedürfnissen nicht nachkommen, sind Sie weg vom Fenster. Auch da wirken die Gesetze des Marktes. 4. Hysterie ist ein schlechter Ratgeber Doch kommen wir nochmals zurück auf die Klimadebatte. Gewisse Diskussionen und Horrorszenarien kann man nur noch als hysterisch bezeichnen. Und Hysterie ist der denkbar schlechteste Ratgeber in der Politik. Allzu oft wird aufgrund eines einzelnen Ereignisses gleich der ganze Gesetzgebungsapparat in Bewegung gebracht. Statt die Verfehlung eines Einzelnen zu bestrafen, werden mit neuen Gesetzen, die eine künftige Tat verhindern sollen, noch zusätzlich all jene bestraft, die sich nichts zu Schulden haben kommen lassen. Ich erinnere an den tödlichen Fall mit dem Kampfhund. Ganz sicher ein tragisches Ereignis und trotzdem bezeichnend. Sofort nach dem Unglück rief die Politik unter dem massiven Druck der Medien nach einem Verbot oder einer Einschränkung oder einem Zuchtverbot oder speziellen Zulassungskriterien für Hunde und und und. Die Juristen, Verwaltungen und Parlamente werden Jahre mit der Ausarbeitung eines solchen „Kampfhundgesetzes“ beschäftigt sein, ohne dass man sich zuvor die ganz grundsätzliche Frage gestellt hätte: Braucht es ein neues Gesetz? Wird ein neues Gesetz überhaupt die gewünschte Wirkung erzielen? Im Fall des Kampfhundes hat man übrigens festgestellt, dass der fehlerhafte Halter bereits gegen bestehende Gesetze verstossen hat. So ist es sehr oft: Es werden bereits bestehende Gesetze nicht befolgt, nicht durchgesetzt, nicht kontrolliert. Statt aber die Durchsetzung zu verbessern, wird ein neues Gesetz geschaffen, das an denselben Vollzugskrankheiten leiden wird. Aber neue Gesetze machen, ist eben einfacher, als die bisherigen zu befolgen. Das kann doch nicht unser Weg sein. Nun ist wieder einmal eine Klimakatastrophe angesagt. Ich will nicht verharmlosen. Denn ich weiss gar nicht mehr, ob ich etwas verharmlosen kann. Denn verharmlosen kann ich nur, was auch wirklich gefährlich ist. Und genau darin besteht die Schwierigkeit: Sind die Klimaphänomene überhaupt erkennbar und messbar? Sind sie wirksam? Wenn sie wirksam sind, sind sie auch ausschliesslich schädlich? Historisch gesehen, litt die Menschheit stets unter Kälteperioden und Zeiten der Erwärmung gingen immer einher mit Aufschwung, Wohlstand und Wohlergehen. Hysterie ist jedenfalls auch hier ein schlechter Ratgeber. 5. Intelligente Lösungen statt hysterische Nutzlosigkeiten Was will ich damit sagen: Sie sind alles Handwerker, die sich mit dem Hausbau beschäftigen. Seit hundert Jahren sind Sie als Verband organisiert. Ihr Berufsstand beschäftigt sich noch viel länger mit genau solchen Fragen. Was aber Sie zu bieten haben, sind intelligente Lösungen statt nutzlose Hysterie. Jeder, der Augen im Kopf hat, sieht, dass uns die Entwicklung in der Technik, im Bauwesen, neuartiger Produkte vorwärts gebracht hat. Ich habe die Jurahäuser mit ihren ganz kleinen Fenstern erwähnt. Die Überlegung dahinter war absolut richtig: Das Fenster ist das Einfallstor für die Kälte, also muss man es möglichst klein machen. Heute aber können Fenster mit einem K-Wert (Isolationswert) eingebaut werden, die den höchsten Anforderungen genügen. Bereits denkt man an Fenster, die gleichzeitig die Sonnenenergie absorbieren könnten. Das ist nur ein Beispiel. Ein Lob der handwerklichen Erfindungsgabe! Der Mensch will ein warmes behagliches Zuhause. Das ist sein gutes Recht. Mit Verboten und Einschränkungen, wie es die Ökologen wollen, kommen wir nicht weiter. Aber mit intelligenten Lösungen. Ihr Verband, Ihre Branche steht für die Umsetzung solcher Lösungen bereit. Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg.

19.06.2007

Ein Lob dem Kantönli-Geist

Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der SVP-Informationsveranstaltung, 19. Juni 2007, in Aarau 19.06.2007, Aarau Aarau. Zum Föderalismus, dem Thema seiner heutigen Rede an der SVP-Informationsveranstaltung in Aarau, sagte Bundesrat Christoph Blocher, er bedeute nichts anderes, als dass ein Staat von unten nach oben aufgebaut sei; dies im Gegensatz zum Zentralismus, der von oben nach unten regiere. Bundesrat Christoph Blocher kritisierte Bestrebungen zur Abschaffung des Föderalismus. Nicht zu viel Föderalismus sei das Problem, sondern zu wenig konsequent gelebter Föderalismus. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. 1. Unsere drei Säulen Es gibt drei politische Säulen, die die Schweiz ausmachen: Ihre Neutralität, die direkte Demokratie und der Föderalismus. Die dritte Säule, das Thema meines heutigen Referats, ist vielleicht die komplizierteste: Der Föderalismus. Die Gegner verunglimpfen den Föderalismus gerne als "Kantönligeist". Sie wollen damit sagen, diese kleinen Kantone würden bloss herumwursteln, nicht über den Tellerrand blicken. So würden die grossen Würfe verhindert und verunmöglicht. Zum "Kantönligeist" kann ich nur sagen: Immerhin haben die Kantone Geist – das kann man nicht von jedem und allem behaupten. Zweitens, ich glaube nicht an die grossen Würfe in der Politik. Der Föderalismus hat es wahrscheinlich deshalb so schwer, weil er so heisst: Föderalismus. Ein schwieriges Wort für eine Sache, die sich gerade durch ihre Einfachheit auszeichnet. Denn Föderalismus heisst nichts anderes, als dass ein Staat von unten nach oben aufgebaut ist. Das heisst nahe bei den Bürgern und seiner Lebenswelt. Der Föderalismus ist das Gegenteil des Zentralismus, der von oben nach unten regiert – wo die Entscheidungen also weit weg von den Menschen in anonymen Regierungspalästen getroffen werden. 2. Bekenntnis zum Föderalismus Vorausschicken möchte ich, dass ich ein überzeugter Föderalist, ja ein Erzföderalist bin. Dies aus geschichtlichen, aus politischen, aber auch aus Gründen der Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Zu den geschichtlichen Gründen: Unser Staat ist im Gegensatz zu fast allen Staaten Europas nicht durch einen Fürsten oder König erobert oder zusammengeschweisst worden. Er ist vielmehr aus dem freiwilligen Zusammenschluss autonomer und sehr unterschiedlicher "Völker" – wie es in der früheren Bundesverfassung noch hiess – entstanden. Kantone haben sich im Laufe von mehr als 550 Jahren zu einem Bundesstaat, zu einer föderalen Schweiz zusammengeschlossen. Ob die Schweiz "fertig" ist, lässt sich übrigens nicht sagen. Die Bildung des Kantons Jura 1978 zeigt, dass unser Staat nicht abgeschlossen ist. Gerade die Entstehung unseres 26. Kantons veranschaulicht sehr deutlich, wie integrativ und bürgernah der Föderalismus wirken kann: Denn der Jura ist von unten und mit Hilfe von demokratischen Instrumenten entstanden. Ich bin aber auch Föderalist aus politischen Gründen. Der Föderalismus gewährt die höchstmögliche direktdemokratische Mitbestimmung im überblickbaren Raum. Er verhindert eine "über dem Kopf der Bürger" regierende Zentralmacht. Auch die Effizienz führt mich zum Föderalismus. Darum habe ich im Unternehmen stets föderalistische – keine zentralistischen – Strukturen bevorzugt. D.h. möglichst autonome Unternehmenseinheiten! Der Föderalismus ist keine abstrakte Theorie, sondern ein vielfach erprobtes Erfolgsrezept! 3. Verwischen von Verantwortung Zentralisierung oder Harmonisierung oder Fusionen oder wie man den Vorgang auch immer benennen und beschönigen will, zeigen eines: Die Zentralisierung mag vielleicht im Augenblick Probleme und Verantwortlichkeiten verwischen – aber genau darin liegt die Ursache für zahlreiche Fehlentwicklungen. Überbordender Staat und zunehmende Zentralisierung hängen zusammen, sind Ausdruck derselben unheilvollen Mentalität. Darum: der Anti-Föderalismus ist nicht nur ineffizient, sondern auch teuer – zu teuer. Er entspricht letztlich dem Hang zur "Harmonisierung", zur Gleichmacherei und zum Perfektionismus, ohne Verantwortung übernehmen zu müssen. Der Zentralismus ist Ausdruck des Mangels an Vertrauen in die kleinere Gemeinschaft. Er vertraut der Tatkraft der Kantone nicht mehr und auch nicht der Tatkraft der Gemeinden. Während der Staat und insbesondere die Aufgaben des Bundes Schritt um Schritt ausgebaut worden sind, hat man die Kompetenzen der Kantone Schritt um Schritt abgebaut. Meist ohne dies zu merken oder zuzugestehen. Ganz übertragen hat man die Aufgaben nie: Man hat sie halb weggenommen oder besser: Man hat sie abgekauft mit Subventionen. Die Kantone vergassen dabei: Wer zahlt, befiehlt. 4. Zu wenig Föderalismus ist das Problem Was ich hier sage, ist so neu nicht. Die politische Landschaft, die Verantwortlichen im Bund, in den Kantonen und in den Gemeinden spüren dies. Sie versuchen vorsichtig zu entflechten, begehen allerdings gleichzeitig neue Sünden. Ein hoffnungsvoller Anfang – wenn auch ein bescheidener – ist der neue Finanzausgleich. Klare Zuweisung der Führungsverantwortung mit übereinstimmender Finanzverantwortung ist das Ziel. Plötzlich kommt aber auch von ganz anderer Seite Kritik und diese Seite schüttet das Bad mit dem Kinde aus. Man will den Föderalismus schlechthin abschaffen. Man will zentralisieren. Statt 26 Kantone nur noch wenige Grossregionen. Kleinere Gemeinden, aber auch Städte und ihre Agglomerationen sollen fusionieren. Abgesehen davon, dass dieses Denken allein verwaltungstechnisch motiviert ist, verkennt diese Forderung das Grundübel: Nicht zu viel Föderalismus ist das Problem, sondern zu wenig konsequent gelebter Föderalismus. Sie können das übrigens an einer einfachen Zahl ablesen: Schauen Sie sich die finanzielle Situation des Bundes, der Kantone und Gemeinden an. Der Bereich "Verschuldung" sagt alles: Je weiter oben, desto mehr Schulden. Die Gemeinden stehen finanziell am solidesten da. Weil sie wissen, was nötig ist – und vor allem, was unnötig ist. Weil hier die Kontrolle durch den Bürger am unmittelbarsten wirkt. 5. Rückbesinnung auf den Föderalismus Der Bund ist durch die Kantone gegeben – nicht umgekehrt. Im föderalistischen Denken steht der Einzelne, die Familie, dann die Gemeinde, dann der Kanton im Vordergrund. Erst am Schluss steht der Bund – dann und nur dann und soweit nötig. Darauf ist mit Nachdruck zu pochen. Vor allem von den Gemeinden und Kantonen. Zentralen wollen zentralisieren. Wir sehen dies deutlich beim Bund, wo die Politiker zusammen mit der Verwaltung immer wieder neue Aktivitäten erfinden, mit denen man den Radius auf Kosten der Kantone ausweiten könnte. Wir sehen dies aber auch bei den Kantonen, die zwar einerseits Opfer einer zunehmenden Zentralisierung sind, aber gleichzeitig im Umgang mit ihren Gemeinden auf die gleiche Weise versuchen, sich mehr Einfluss zu erschleichen und zu erkaufen. Wir sehen dies auch bei der Europäischen Union, die zwar auf Verträgen beruht, wo aber mittlerweile die EU-Kommission in Zusammenarbeit mit den Spitzenpolitikern und Spitzenbeamten der Mitgliederländer – ohne vom betroffenen Bürger gestört zu werden – eine Dynamik und Gleichmacherei entwickelt hat, angesichts derer die Gründerväter der EU sich im Grabe umdrehen würden. Leider erliegen Politiker und Stimmbürger in heutiger Zeit oft dem Irrtum zu glauben, was grösser und mächtiger sei, sei auch besser und effizienter. Sobald in den Kantonen ein Problem besteht, wird nach dem Bund gerufen. Man will eine einheitliche Lösung. Und die einheitliche Lösung scheint auf den ersten Blick überlegen zu sein. Keine Konkurrenz. Keine unbequemen Vergleichsmöglichkeiten. Kein Zwang zur Verbesserung. Man kann ruhig und selig und vereint vor sich hindösen. Die zunehmende "Harmonisierung" schwächt jedoch den Hauptvorteil des Föderalismus, nämlich den Wettbewerb der Systeme. 6. Nötige Konkurrenz der Systeme Die Verhinderung des Wettbewerbs ist vermutlich der gravierendste Nachteil der Zentralisierung. Dies in der Schweiz wie auch auf europäischer Ebene. Wettbewerb wird von den Politikern und der Verwaltung gescheut, wie der Teufel das Weihwasser scheut. Harmonisierung und Ausgleich sind die Zauberworte. Eigenständiges Handeln wird verfemt mit Begriffen wie "Kantönligeist" oder "nationalstaatlicher Egoismus". Damit verabschieden sich die Schweiz und Europa von dem, was sie zu dem gemacht hat, was sie sind. Sie verabschieden sich vom Wettbewerb der Systeme, von der bereichernden Vielfalt. Doch man kann nur im Vergleich zu anderen Systemen erkennen, wenn und wo Fehler gemacht werden. Heute können wir glücklicherweise feststellen: Die Schweiz bewegt sich wieder. Sie besinnt sich wieder auf ihre Stärken. Wir müssen doch auf das setzen, was uns besonders macht, was uns unterscheidet, worin wir besser sind als die anderen. Und sehen Sie, der Steuerwettbewerb zeigt sehr augenfällig die Stärke unseres Systems. Der Föderalismus ermöglicht den Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen. Weil wir eben keine Vereinheitlichung kennen. Der Föderalismus schafft Auswahlmöglichkeiten. Die Bürger können sich in rund 3000 Schweizer Gemeinden umsehen und ihren Wohnort entsprechend auswählen. Gewiss: Die Steuern sind bloss ein Faktor bei dieser Entscheidung. Bestimmt nicht der einzige, sonst würden ja 7,5 Millionen Menschen nach Wollerau oder Pfäffikon oder Hergiswil ziehen. Aber die Steuersätze sind ein wichtiger Faktor und das ist auch richtig so. Damit hier keine falschen Vorstellungen aufkommen: Die Kantone senken die Steuern nicht freiwillig. Sie tun es, weil der Wettbewerb wirkt. Weil sie sich verbessern müssen, weil ihnen sonst die Bürger davon laufen. Und es ist nicht nur der Föderalismus, der diesen Steuerwettbewerb überhaupt ermöglicht, sondern die direkte Demokratie die ihn sogar ausdrücklich legitimiert. Denn in der Schweiz bestimmen die Bürgerinnen und Bürger ihre Steuersätze. Ganz demokratisch. Eine Rückbesinnung auf den Föderalismus würde bedeuten, dass Ungleichheit nicht als schlecht, sondern als Chance anerkannt wird.

19.06.2007

Zukunft Marke Schweiz

Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der Generalversammlung von Swiss Label, 19. Juni 2007, in Bern 19.06.2007, Bern Bern. Eine wahre Zukunftspersektive für die Marke Schweiz ergibt sich nur, wenn die Wirtschaftsteilnehmer zu klaren Regeln Hand bieten, die von Produzenten und Konsumenten mitgetragen werden. Dies sagte Bundesrat Christoph Blocher an der GV von Swiss Label und stellte die Eröffnung der Vernehmlassung zur Gesetzesrevision noch für dieses Jahr in Aussicht. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Sehr geehrte Damen und Herren 1. Bedeutung Marke Schweiz Die Zukunft der Marke Schweiz betrifft uns alle als Schweizer und Sie zudem als Mitglieder von Swiss Label direkt. Dabei geht es nicht um eine Marke im rechtlichen Sinn, die auf die betriebliche Herkunft hinweist. Es geht um die geografische Herkunft. Als „Marke Schweiz“ nimmt die Öffentlichkeit das Schweizerkreuz sowie Bezeichnungen wie „Swiss“ oder "made in Switzerland" oder „Swiss made“ wahr. Auch Bildzeichen, die auf die Schweiz hinweisen, wie etwa das Matterhorn oder Wilhelm Tell, gehören dazu. Die sogenannte Swissness wird automatisch mit positiven Vorstellungen wie Hochwertigkeit, Präzision und Zuverlässigkeit verbunden. Diese Prägung ist das Resultat des über Jahrzehnte geleisteten Einsatzes unserer Vorfahren zur Herstellung von Qualitätsprodukten. Kein Wunder, dass Produzenten das Kreuz und swiss made immer häufiger als Marketing-instrument verwenden. Dieses wertvolle Gut gilt es deshalb sorgfältig zu erhalten und zu verteidigen. 2. Schutz heute Vorab zum Schweizer Kreuz. Es prangt auf Joghurtbechern, Beisszangen und Vitamintabletten. Das ist illegal, weil das Kreuz als Herkunftsangabe auf Waren gemäss Wappenschutzgesetz verboten ist. Zulässig ist es nur, wenn ein rein dekorativer Zweck verfolgt wird (klares Beispiel: T-Shirt für die WM; weniger klar: Sackmesser). Im Gegensatz dazu dürfen Unternehmen das Kreuz jedoch zur Kennzeichnung einer schweizerischen Dienstleistung brauchen (Beispiel: Swiss Life). Bei der Bezeichnung Schweiz nennt das Markenschutzgesetz nur sehr allgemeine Voraussetzungen: Die Herkunft einer Ware bestimmt sich nach dem Ort der Herstellung oder nach der Herkunft der verwendeten Ausgangsstoffe und Bestandteile. Der Bundesrat kann diese Voraussetzungen konkretisieren, wenn das allgemeine Interesse der Wirtschaft oder einzelner Branchen es rechtfertigt. Bisher hat er dies einzig in der „Swiss made“-Verordnung für Uhren von 1971 getan. Und dies nach längerer Auseinandersetzung mit den höchst kontroversen Interessen der Uhrenbranche. Abgesehen von dieser Verordnung kann man sich einzig auf die spärliche Rechtsprechung stützen. Danach muss der schweizerische Wertanteil an den Herstellungskosten der Ware mindestens 50% betragen und der wesentliche Fabrikationsprozess in der Schweiz stattgefunden haben. Die Strafverfolgung obliegt den Kantonen. Im Inland müssten sie bei Verstössen gegen das Wappenschutzgesetz von Amtes wegen einschreiten. Zudem könnte jedermann Strafanzeige erstatten. Bei der Bezeichnung Schweiz stehen den Betroffenen (typischerweise Schweizer Produzenten) sowie den Branchen- und Konsumentenorganisationen Zivil- und Strafklage offen, während der gewerbsmässige Missbrauch ebenfalls von den Kantonen von Amtes wegen zu verfolgen ist. Missbräuche werden trotz diesen rechtlichen Möglichkeiten im Inland kaum verfolgt. Unklar ist, ob bei den Herstellungskosten zur Bestimmung der schweizerischen Herkunft Forschungskosten mitberücksichtigt werden dürfen. Eine aktuelle Frage, da auch renommierte Schweizer Firmen wie Juvena, Mövenpick oder Raichle „Swiss“ verwenden, obwohl sie ihre Produktion grösstenteils ins Ausland verlagert haben. Auch im Ausland werden kaum Verfahren angestrengt, weil Prozesse mit zu hohen Risiken verbunden sind. 3. Wo stehen wir heute? Letztes Jahr haben Postulate die mangelnde Durchsetzung des Schutzes schweizerischer Herkunftsbezeichnungen aufgegriffen. In Erfüllung der Postulatsanliegen hat der Bundesrat bereits im letzten November einen Bericht zum Schutz der Bezeichnung „Schweiz“ und des Schweizerkreuzes vorgelegt. Darin nimmt er die heutige Situation unter die Lupe und schlägt vier konkrete Massnahmen für einen konsequenteren Schutz vor. 1. soll mit einer Gesetzesrevision mehr Klarheit geschaffen werden. Das Schweizerkreuz soll auf Schweizer Produkten künftig erlaubt sein. Für die Verwendung der Bezeichnung Schweiz sollen präzisere Kriterien formuliert werden. 2. signalisiert der Bundesrat den Branchenverbänden seine Bereitschaft, bei entsprechendem Interesse und klarer Initiative eine oder mehrere Verordnung(en) auszuarbeiten, um den Gebrauch der Bezeichnung Schweiz für spezifische Wirtschaftszweige zu regeln. 3. soll der Schutz der Bezeichnung Schweiz / des Schweizerkreuzes in der Schweiz verstärkt werden. Neu soll das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum bei Missbräuchen nicht nur abmahnen, sondern auch anzeigen können. 4. soll der Schutz im Ausland, soweit möglich und zweckmässig, verstärkt werden. Das Institut kann bei Missbräuchen allein oder mit Unterstützung der betroffenen Branchenverbände intervenieren. Das Institut für Geistiges Eigentum arbeitet gegenwärtig auf Hochtouren an der vorgeschlagenen Gesetzgebungsrevision. 4. Was ist zu tun? Ganz gleich, ob schliesslich strengere oder liberalere Regeln formuliert werden: Eine wahre Zukunftsperspektive für die Swissness ergibt sich nur dann, wenn die Wirtschaftsteilnehmer zu klaren Regeln Hand bieten, die von Produzenten und Konsumenten mitgetragen werden. Zu diesem Mittragen gehört auch das Ausnützen des zur Verfügung gestellten rechtlichen Instrumentariums. Darüber hinaus ist es entscheidend, dass der Charakter der Bezeichnung „Schweiz“ / des Schweizerkreuzes und deren Kommunikation im In- und Ausland gepflegt und weiter entwickelt wird. 1. Das Parlament soll den Bundesratsbericht diesen Sommer behandeln. 2. Für die Gesetzesvorlage beschliesst der Bundesrat voraussichtlich noch vor Jahresende über die Eröffnung der Vernehmlassung. 3. Sollten zu wesentlichen Punkten erhebliche Meinungsverschiedenheiten bestehen, wird der Bundesrat im ersten Halbjahr 2008 über das weitere Vorgehen beschliessen. Andernfalls kann er eine Gesetzesbotschaft zur Revision des Marken- und des Wappenschutzgesetzes ausarbeiten. Sie entscheiden, ob Sie mit der Armbrust allenfalls in Richtung Positionierung eines Qualitätszeichens "Schweiz plus" gehen und strengere Anforderungen für die Schweizer Herkunft definieren wollen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei dieser kreativen Auseinandersetzung.