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18.08.2007

Ist die Schweiz auf dem richtigen Weg?

Referat von Bundesrat Christoph Blocher am ausserordentlichen Parteitag der SVP, 18. August 2007, in Basel 18.08.2007, Basel Basel. Am ausserordentlichen Parteitag der SVP in Basel sprach Bundesrat Christoph Blocher über die höchsten Gebote eines Landes: Handlungsfreiheit, Sicherheit und Eigenverantwortung. Dazu betonte er auch, dass die Schweiz eine starke Zukunft haben könnte, wenn die Schweizer das wollten. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Meine Damen und Herren Wir haben in eindrücklichen Szenen auf die Ursprünge der Schweiz zurückgeschaut. Nun gilt es, nach vorne zu blicken und uns zu fragen: * Ist die Schweiz auf dem richtigen Weg? * Kann sich unser Land behaupten? * Seinen Wohlstand, seine Wirtschaftskraft, seinen Unternehmergeist sichern? * Ist ein so kleines Land überhaupt fähig, sein ihm zustehendes Plätzchen in dieser globalisierten Welt zu schaffen? Ich sage Ihnen mit Überzeugung: Ja, die Schweiz hat Zukunft. Ja, die Schweiz wird einen erfolgreichen Weg gehen! Wenn die Schweizerinnen und Schweizer dies wollen! Was heisst das? 1. Handlungsfreiheit Wer seine Geschicke selbst bestimmen will, muss frei handeln können. Das gilt erst recht für ein Land! Die Handlungsfreiheit, Selbstbestimmung, Unabhängigkeit ist das höchste Gebot für jedes Land! Das war so, ist so und wird so sein! Ein Land, das darauf verzichtet, wird fremd bestimmt. Fremde werden sagen was gilt – nicht die Schweizerinnen und Schweizer. Die Selbstbestimmung ist ein Gut, für das man wachsam sein muss. Zurzeit ist wohl ein Beitritt der Schweiz zur EU oder bilaterale Verträge, die die Handlungsfähigkeit einschränken, die grösste Gefahr. Nicht, weil wir von aussen bedrängt werden, sondern weil viele Politiker und führende Leute meinen, die Heimat sei zu eng, man müsse sich in den Schoss der Grossmächte legen. Konkret heisst dies: Die Schweiz ist dann auf dem richtigen Weg, wenn die Schweiz nein sagt zum EU-Beitritt, nein sagt zu internationalen Verträgen, die die Handlungsfähigkeit einschränken. Hingegen sagen wir ja zu einer weltoffenen Schweiz; Zu einer Schweiz, die sich anderen Ländern gegenüber freundschaftlich erweist, auf dem Boden der dauernden Neutralität steht, aber ohne sich einbinden zu lassen. Dafür hat die SVP zu kämpfen! 2. Sicherheit Eine Grundlage unseres Staates ist also die Selbstbestimmung und die Handlungsfreiheit nach aussen. Und was ist die Grundlage im Innern? Es ist die Anerkennung, dass die oberste Pflicht eines Staates darin besteht, für die Sicherheit seiner Bewohnerinnen und Bewohner zu sorgen. Nur wenn der Staat für den Schutz von Leib und Gut der Bürger sorgt, ist eine Zukunft in Freiheit gewährleistet. Zur inneren Sicherheit gehört sowohl der Schutz von Leib und Leben als auch der Schutz des Eigentums vor allen Übergriffen. Auch staatlichen Übergriffen! Die Kinder und Schüler sollen in Sicherheit leben – ohne, dass sie angepöbelt, erpresst, gedemütigt, genötigt und geschlagen werden. Das heisst heute: Den schweren Gewalttaten, leider auch zunehmend unter Jugendlichen, entgegenzutreten. Der starke Anstieg der Kriminalität, z.Z. insbesondere der Ausländerkriminalität, hat die SVP entschieden anzutreten. Das heisst Grenzen setzen und Regeln fordern! Die SVP hat hier mutig anzutreten! 3. Eigenverantwortung Werden diese Grundwerte Selbstbestimmung und Wahrung der Sicherheit eingefordert, so ist dem Bürger im persönlichen Leben und als Staatsbürger viel Vertrauen zu schenken. Die SVP vertraut den Menschen, schenkt und verlangt Eigenverantwortung. Dies ist gewähr für die Wohlfahrt für alle. Nicht nur der Staat braucht Handlungsfreiheit, sondern und vor allem auch die Bürger brauchen Handlungsfreiheit. Hier sind gerade dem Staat Grenzen zu setzen: Die Lust des Staates zu regulieren, zu bevormunden, zu fördern schwächt die Eigeninitiative und die Eigenverantwortung. Aber auch durch laufend höhere Steuern, Abgaben, Prämien und Gebühren, wird dem Bürger Handlungsfreiheit genommen und er wird materiell entmündigt. Diese Trends sind zu unterbinden. * Freiheit statt mehr Regulierung * Steuern, Abgaben, Prämien und Gebühren sind zu senken! 4. Die Eid-Genossen In Landsgemeinden war es Sitte und Brauch, dass nicht nur die Amtsträger einen Eid leisten, sondern alle. Auch die Landsleute – also die Bürger - schwörten, „des Landes Nutz und Ehre zu fördern und den Schaden zu wenden“. Das ist eine „Eid-Genossenschaft“ im tiefsten Sinne des Wortes. Jeder sorgt an seinem Ort zum Wohl des Landes. Und bezeugt dies durch den Eid. Darum ist es von tieferem Sinn, dass die bisherigen, die heutigen, die künftigen Amtsträger einen Vertrag schliessen mit dem Volk. Zum Wohl des Landes – und zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger unserer freien Schweiz. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger werden an der Urne mit ihrer Stimmabgabe diesen Vertrag besiegeln. Darum gilt es ernst: Zum Wohl von «Land und Lüt» zum Wohl einer sicheren Zukunft in Freiheit!

14.08.2007

Wer setzt Recht in unserem Land?

«Christoph Blocher: Die Tendenz, dem Volk schleichend Rechte wegzunehmen, muss gebremst werden.» 14.08.2007, Aargauer Zeitung, Peter Buri, Christoph Bopp Herr Bundesrat Blocher, kann man ein bisschen schwanger sein?   Nach meiner Erfahrung als Vater nicht.   Die Frage stellen wir deshalb, weil Ihnen etwas in dieser Richtung vorschwebt. Sie stellen den Vorrang des Völkerrechts gegenüber dem nationalen in Frage und plädieren für eine Beachtung nach dem Prinzip: "Internationales Recht ist, was uns recht ist". Wird die Schweiz damit nicht zu einem unzuverlässigen, unglaubwürdigen Partner?   Nein, das wird sie nicht. Es gibt in anderen Staaten die Praxis, dass internationales Recht erst gilt, wenn es ordnungsgemäss ins nationale Recht überführt worden ist. Die Juristen nennen ein solches System Dualismus. Demgegenüber haben wir heute in der Schweiz ein monistisches System. Das bedeutet, dass völkerrechtliche Normen in der Schweiz direkt anwendbar sind und keine Überführung ins nationale Recht brauchen. Früher bestand das internationale Recht aus einigen unbestrittenen Normen. Mit der Globalisierung haben wir aber einen Katalog von teilweise diffusen Grundsätzen bekommen, deren Interpretation gelinde gesagt strittig ist. Und worauf ich besonders Wert lege: Es ist Mode geworden, Volksanliegen auszuhebeln, indem man sich auf internationales Recht beruft. Dem könnte man entgegen wirken, indem internationales Recht in der Schweiz erst gilt, wenn es ordnungsgemäss ins nationale Recht durch den Gesetzgeber übernommen worden ist.   Sie wollen für die Schweiz quasi ein übergeordnetes Recht à la carte zusammenstellen?   Es gibt das so genannte zwingende Völkerrecht und es gibt internationale Verträge, die rechtmässig abgeschlossen worden sind, die man einhalten muss. Werden diese Verträge vom Gesetzgeber ausdrücklich übernommen, so werden dadurch Unklarheiten ausgeräumt und Interpretationsspielräume eingeschränkt. Mit übergeordnetem Recht à la carte hat das nichts zu tun.   Und wenn bei uns die Kantone Bundesrecht à la carte anwenden würden?   Da muss man unterscheiden. Die Schweiz ist ein Bundesstaat, hier bricht Bundesrecht kantonales Recht. In Bezug auf das internationale Recht sind die Verhältnisse viel weniger klar. Dadurch droht Expertokratie: Experten sagen uns, wie wir dieses internationale Recht anwenden müssen, und die Richter legen es aus und schaffen damit neues Recht. Sie kritisieren ja auch das Bundesgericht. Widerspricht das nicht unserem Grundsatz der Gewaltentrennung?   Nein, sicher nicht. Bei meiner 1.-August-Rede hatte ich auch nicht die Justiz speziell im Visier, sondern alle Gewalten, die Regierung, die Verwaltung, das Parlament und natürlich auch die Gerichte. Entscheide, auch wenn sie einem nicht passen, muss man akzeptieren; aber das heisst nicht, dass man sie nicht kritisieren darf. Montesquieu hat ja den Grundsatz der Gewaltentrennung eingeführt, damit die Gewalten sich gegenseitig kontrollieren und hemmen. Besonders störend ist, wenn bei uns etwas nicht gehen soll, was in anderen Staaten gang und gäbe ist.   Können Sie uns ein Beispiel geben?   Bei uns hat der Ständerat zunächst beschlossen, dass abgewiesene Asylbewerber, die nicht kooperativ sind, die ihre Identität nicht preisgeben und die sich illegal hier aufhalten, keine Nothilfe erhalten sollen. Das Bundesgericht hat das gestützt auf die Grundrechte abgelehnt. So konnte der verfassungsmässige Gesetzgeber diese Norm nicht verwirklichen. Aber andere Länder handhaben dies anders, obwohl diese die gleichen Konventionen und Abkommen unterschrieben haben.   Auf welche Grundsätze hat sich das Bundesgericht berufen?   Das Gericht meinte, so etwas würde der Bundesverfassung widersprechen. Also hätte man die Verfassung ändern müssen. Aber da haben die Völkerrechtler argumentiert, dass man damit das Völkerrecht umgehen wolle. Dadurch wird eine Verfassungsänderung zum vornherein verunmöglicht.   Gibt es noch andere Beispiele als aus dem Asylbereich?   Volk und Stände haben die Verwahrungsinitiative angenommen. Nun hat die Rechtskommission des Nationalrats beschlossen, dass sie nicht umgesetzt werden könne, weil sie der Europäischen Menschenrechtskonvention widerspreche. Das sind Missbräuche. Man beruft sich auf Normen, die nur schwer fassbar sind. Verschiedene Völkerrechtler äussern sich oft kontrovers.   Halten Sie das Völkerrecht für uneinheitlich?   Ich habe erst im Lauf meiner Amtszeit als Vorsteher des EJPD gemerkt, dass das meiste Völkerrecht ausserordentlich schwammig ist. Da gibt es so viele Meinungen, dass man am Schluss auf unklarer Grundlage entscheiden muss. Wir leben in einer Demokratie. Ein möglicher Volksentscheid darf nicht leichtfertig als völkerrechtswidrig erklärt werden. Das ist undemokratisch, die Demokratie, wo der Bürger entscheidet, wird damit ausgehebelt.   Aber gerade Sie und Ihre Partei werden bei heiklen Abstimmungen über internationale Abkommen und Gesetzesinitiativen nicht müde zu betonen, dass hier internationales Recht ohne Volksentscheid nachvollzogen werden müsse. Das Volk weiss das, aber es hat sich trotzdem eine Mehrheit gefunden.   Ich weiss nicht recht, wie das mit der Mehrheit steht. Ich habe ja auch erst in den drei Jahren an der Spitze des EJPD gemerkt, wie das geht. Die Fälle haben sich gehäuft, wo man einfach zur Kenntnis nehmen musste, dass etwas nicht geht, weil internationales Recht dagegen spricht. Aber ich habe gemerkt, dass das vielen sehr willkommen ist. Es ist ein klassischer Gegensatz zwischen Obrigkeit und Volkswille. Es geht darum, ob der Volksentscheid bindend ist oder ob die Verwaltung sagt, was aus Gründen des Völkerrechts geht und was nicht.   Ist es nicht Legitimation genug, wenn diese Punkte im Volk vor Abstimmungen eingehend diskutiert worden sind?   Wenn das Volk über die Aufnahme von internationalem Recht ins schweizerische abstimmen kann, dann habe ich nichts dagegen. Im Gegenteil. Aber immer mehr Dinge werden dem Volk gar nicht vorgelegt und dem Volksentscheid entzogen, weil gesagt wird, es sei - wirklich oder angeblich - völkerrechtswidrig. Und dann gibt es Auslegungen von Konventionen, die wir unterschrieben haben, mit denen niemand gerechnet hat. Gegen die Menschrechte kann man ja nicht sein. Aber das Vorgehen ist nicht demokratisch.   Sollen wir dann die Menschenrechtskonvention künden? Oder Artikel per Artikel darüber abstimmen?   Es gab ja einmal einen Vorstoss im Ständerat, die Konvention zu künden und mit Vorbehalt zu unterzeichnen. Eben weil man nicht weiss, wohin sich das alles entwickelt. Aber bei diesen Missständen ist es immer das Gleiche: Man muss sie aussprechen und die Leute dafür sensibilisieren. Was mich stört, ist die Leichtfertigkeit, mit der man sich auf das Völkerrecht beruft. Da stimmen mir sogar meine Kritiker zu.   In den meisten Punkten stimmen Ihnen die Kritiker aber nicht zu?   Das Echo ist eben das Interessante. Man will gar nicht hören, wo das Problem liegt, sondern sagt sofort: "Blocher ist gegen das Völkerrecht!" Und unterstellt mir alles Mögliche, was ich gar nicht gesagt habe. Ich habe nie gesagt, das Völkerrecht sei schlecht. Es geht darum, wer im Land bestimmt. Die Obrigkeit oder das Volk. Können wir da überhaupt etwas machen? Das Völkerrecht hat sich gewandelt. Es regelt nicht nur den Verkehr von Staaten miteinander, sondern bestimmt immer mehr auch, welche Rechte Individuen im zwischenstaatlichen Raum haben? Das muss doch international festgelegt und ausgehandelt werden?   Wir haben doch jetzt ein neues Asylgesetz erlassen. Das zeigt, dass wir national einen Spielraum haben. Ich bin ja nicht gegen das Völkerrecht. Aber gegen den Automatismus, mit dem "übergeordnetes Recht", wie man es vorzugsweise nennt, ins Spiel gebracht wird, und gegen die Leichtfertigkeit, mit der internationales Recht unbesehen übernommen wird, um Landesrecht auszuschliessen.   Und an die Wahlen haben Sie nicht gedacht?   Wir befinden uns stets vor den Wahlen. Wir stehen am Anfang eines grossen Themas: Die Bedeutung des eigenen Rechts vor fremdem Recht. Vielleicht ist dies ein Thema für die Wahlen 2011. Schön wärs. Für dieses Jahr wird die Zeit nicht reichen, um die Menschen zu sensibilisieren.   Sensibilisieren ist das Eine, aber haben Sie auch eine Lösung?   Zuerst muss man das Problem anerkennen, das ist bereits 50 Prozent der Lösung. Wenn man zu früh mit einer Lösung kommt, wird diese Lösung bekämpft. Weil man das Problem nicht wahrhaben will. Die Sensibilität für das Problem schaffen bringt schon viel. Immerhin habe ich am Anfang unseres Gesprächs einen möglichen Lösungsansatz skizziert – nämlich die Umsetzung völkerrechtlicher Normen im nationalen Recht durch den Gesetzggeber.   Um die Tendenz zu brechen, müsste man aber bereits jetzt etwas tun. Eine "Lösung", mit der Sie einverstanden sein könnten, könnte darin bestehen, dass man internationales Recht "portionenweise" und falls es kompatibel ist mit dem nationalen, übernehmen würde? Und: Wer anders als der Justizminister könnte eine Lösung aufzeigen?   Wenn es eine rechtliche Lösung braucht, dann schon. Vielleicht reicht es, vor allem die Behörden zu sensibilisieren. Das mahnt zur Vorsicht beim Abschluss von internationalen Verträgen und beim leichtfertigen Umgang mit dem Völkerrecht.   Ist noch keine Arbeitgruppe an der Arbeit?   Nein. Aber natürlich diskutieren wir immer über solche Probleme. Wir sehen - als Medienleute - ein Muster: Bundesrat Christoph Blocher, mit dem Feuerzeug in der einen Hand, der Feuer macht, damit es Rauch gibt; und einen Bundesrat Christoph Blocher mit dem Feuerlöscher, der wieder abschwächt und differenziert. Auch ein Blocher-Prinzip? (Lacht) Das steht aber nicht im Buch „Das Blocher-Prinzip“. Aber Sie müssen doch sehen: Einen Missstand aufzeigen heisst, den Finger auf den wunden Punkt zu legen. Bedroht ist etwas Urschweizerisches: Die Selbstbestimmung unseres Landes

13.08.2007

Völkerrecht bricht Volkes Recht

Gastautor Bundesrat Christoph Blocher befürchtet eine Verwässerung der Schweizer Werte 13.08.2007, Beitrag von Bundesrat Christoph Blocher in der Mittelland-Zeitung vom 13. August 2007. Beitrag von Bundesrat Christoph Blocher in der Mittelland-Zeitung vom 13. August 2007. Mit der Internationalisierung der Politik hat die Bedeutung des Völkerrechts stark zugenommen. Gerade weil ein sicherer völkerrechtlicher Rahmen wichtig ist und seine Errungenschaften zum Schutze des Einzelnen unbestritten sind, besteht die Gefahr einer Überhöhung, einer Instrumentalisierung und einer unkritischen, leichtfertigen Übernahme von gültigem oder angeblichem Völkerrecht. Zudem dient es den obrigkeitlichen Behörden allzu oft als Alibi um den demokratischen Willen ins Gegenteil zu kehren. Souveränitätsverlust Es ist eine Tatsache, dass durch Völkerrecht die nationale Souveränität der Schweiz geschmälert wird. Häufig und allzu bereitwillig wird die Entwicklung des internationalen Rechts als unvermeidliche Tatsache dargestellt, die nicht beeinflusst oder abgelehnt, sondern einfach nur hingenommen werden muss. Diese Haltung weicht die demokratischen Werte der Schweiz auf und höhlt die Selbstbestimmung aus. Gerade weil die demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen international nur mangelhaft ausgebildet sind, muss die Schweiz besonders dafür sorgen, dass ihre grundlegenden Werte nicht verwässert werden. Direkte Demokratie Zu diesen grundlegenden Werten gehört die direkte Demokratie. Auch wenn heute das fakultative Referendum für sämtliche Staatsverträge mit Bestimmungen, die in der Schweiz in einem Bundesgesetz erlassen werden müssten, gilt, dürfen die direktdemokratischen Einflussmöglichkeiten auf die Aushandlung von Staatsverträgen nicht verklärt werden. Zwar können Volk und Bundesversammlung Staatsverträge ablehnen, inhaltlich aber ist ihr Einfluss praktisch sehr gering. Und bei multilateralen Konventionen sind die Einflussmöglichkeiten des Kleinstaates Schweiz naturgemäss sehr beschränkt. Oft erzwingt eine diffuse „Solidarität mit der Völkergemeinschaft“ die leichtfertige Übernahme. Schwierige Vertragsänderungen Einmal in Kraft getretene Staatverträge können nicht ohne weiteres abgeändert oder ergänzt werden. Die Erfahrungen mit der EU in den letzten 20 Jahren belegen dies eindrücklich. Ist die Schweiz mit dem Ist-Zustand nicht einverstanden, bleibt als einzige Möglichkeit die Kündigung. Darauf droht man regelmässig mit Retorsionsmassnahmen. Die Diskussionen mit Deutschland um die An- und Abflüge auf den Flughafen Zürich zeigen dies deutlich. Die Starrheit des Völkerrechts schränkt den schweizerischen Gesetzgeber ein. Während bei einer Verfassungsnorm oder einem Bundesgesetz überholte Bestimmungen ohne weiteres geändert werden können, hängt die Änderung von Völkerrecht von Faktoren ab, auf welche die Schweiz keinen Einfluss hat. Dies gilt insbesondere bei multilateralen Konventionen. Aushöhlung durch Auslegung Zudem: Überall dort, wo ein Staatsvertrag ein internationales Gericht vorsieht, wird das Recht über den ursprünglich vereinbarten Zustand hinaus verändert. Eine ungewollte Rechtsfortbildung durch diese internationalen Gerichte kann mittels Rechtsetzung in der Schweiz nicht korrigiert werden. Daraus kann eine Dynamik entstehen, welche bei der Ratifizierung nicht vorhersehbar war. Ein Beispiel ist die Rechtsprechung der Organe der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu Art. 6 EMRK, welche die Schweiz zu tief greifenden Änderungen ihres Prozessrechts gezwungen hat. Der Gerichtshof in Strassburg hat seine Kompetenzen ausgeweitet – wenn nicht überschritten – und schweizerisches Recht zum Nachteil der staatlichen Souveränität verändert. Auch schweizerische Gerichte tragen zu dieser Entwicklung bei, wenn sie in der Auslegung internationaler Verträge nicht äusserst zurückhaltend sind. Auf jeden Fall muss von schweizerischen Gerichten erwartet werden, dass sie Verträge nicht unbesehen in diese verhängnisvolle Richtung weiterentwickeln. Den demokratischen Grundrechten der Schweiz ist Rechnung zu tragen. Sie sind nicht gering zu achten! Extensive Auslegung Es ist nicht zu übersehen: In politischen Debatten wird mit dem „Völkerrecht“ manipuliert. Allzu oft wird es extensiv „ausgelegt“ und dazu benutzt, eine von der Obrigkeit ungewollte Entwicklung des nationalen Rechts zu bremsen. Die Behauptung, es liege eine Verletzung zwingenden Völkerrechts vor, wird häufig nur verwendet, um eine nicht erwünschte politische Debatte zu verhindern. Vorrang des Völkerrechts Der Vorrang des Völkerrechts ist nicht sakrosankt. Die Bundesverfassung verlangt nur dessen „Beachtung“. Nicht zuletzt wegen der zunehmenden Internationalisierung haben in den letzten 20 Jahren vermehrt Stimmen aus der juristischen Lehre und aus der Politik seinen allgemeinen Vorrang in Frage gestellt. Selbst das Bundesgericht hat den Vorrang nicht lückenlos durchgesetzt, sondern anerkennt – seit dem so genannten Schubert-Entscheid – dass der Gesetzgeber und damit wohl auch der Verfassungsgeber bewusst von dem für die Schweiz geltenden Völkerrecht abweichen kann. Leider verhindern aber die selbst gesetzten Schranken in unseren Köpfen und die fast schon bedingungslose Bereitschaft zur Aushöhlung der Selbstbestimmung unserer Bürgerinnen und Bürger, dass der bestehende Spielraum genutzt wird. Eine Sensibilisierung ist dringend nötig! Verhängnis der Musterschülerin Die Schweiz ist eine Musterschülerin bei der Umsetzung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen. Das Recht aber ist ein dynamisches Gebilde und lebt stark vom Konflikt. Durch den Konflikt wird es weiterentwickelt, durch den Konflikt wird es verbessert. In der Anwendung von Völkerrecht muss die Schweiz vermehrt das Risiko von Konflikten eingehen, statt brav und kopfnickend der eigenen Entmündigung zuzusehen. Hier ist vor allem die Obrigkeit gefordert – Regierung, Parlament, Justiz und Verwaltung – die Wahrung der demokratischen Rechte ihrer Bürger ernst zu nehmen.  

12.08.2007

Die Reitermusik – Symbol für die Schweiz

Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der Feier 100 Jahre Reitclub Uzwil und 50 Jahre St. Gallische Reitermusik, 12. August 2007, in Henau. 12.08.2007, Henau Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Meine Damen und Herren Ich möchte Ihnen zuallererst zu Ihren Jubiläen gratulieren: 100 Jahre Reitclub Uzwil und 50 Jahre St. Gallische Reitermusik. Wir hatten als Kinder das Glück, dass gleich bei unserem Pfarrhaus in Laufen am Rheinfall ein Landwirtschaftsbetrieb war – unser Nachbar war also im wahrsten Sinne des Wortes ein „Nachbuur“, ein „naher Bauer“. Von dort stammt meine Liebe zur Landwirtschaft, zu den Tieren, speziell zu den Pferden. Das war auch der Grund, warum ich als 15-Jähriger eine landwirtschaftliche Lehre begann, und warum ich bei einem Ackerbauern die Ausbildung absolvierte – selbstverständlich mit Pferden! Und so meldete ich mich zwischen den Winter-kursen an der landwirtschaftlichen Schule auf einem Bauernhof im Waadtland, um dort die Schweine und die Pferde zu besorgen, so dass das Reiten meine grosse Leidenschaft wurde. Es war eine meiner grossen Enttäuschungen, dass ich - weil wir eben keinen eigenen Bauernhof hatten – in keine Truppengattung eingeteilt wurde, die es mit Pferden zu tun hatte. Umso mehr freut es mich, heute bei Ihnen zu sein und umso grösseren Respekt habe ich vor Ihrer Leistung, die Sie als Reitermusiken vollbringen. 1. Drei Aufgaben gleichzeitig Respekt – warum? Es ist schwierig, ein Instrument zu spielen. Noch schwieriger ist es, ein Instrument schön zu spielen. Noch anspruchsvoller wird es, gemeinsam in einer Formation zu spielen, so dass es schön und harmonisch klingt. Doch Ihnen reicht das alles nicht. Ihnen reicht es nicht, ein Instrument schön und in einer Musikformation zu spielen: Sie spielen schön, gemeinsam in einer Formation und Sie steigen dazu noch auf ein Pferd! Sie haben also meinen dreifachen Respekt! Verschiedene Aufgaben gleichzeitig bewältigen, können sonst nur Frauen: Gleichzeitig telefonieren, Kreuzworträtsel lösen, Radio hören und den Kindern Anweisungen geben. 2. Jubiläen soll man feiern Aber wir wollen jetzt nicht über Ihre Arbeit reden, denn Sie feiern heute ein Jubiläum. Und es ist gut, Jubiläen zu feiern. Denn was fünfzig oder hundert Jahre Bestand hat, ist zumindest ein Indiz dafür, dass es sich um eine gute Sache handelt, sonst wäre sie längst untergegangen. Die Reitermusik hat einen ernsthaften Ursprung, den man durch alles spürt. Es ist ein militärischer Ursprung. Diese Musik hängt mit der Landesverteidigung zusammen: Mit der Kavallerie. Reitermusiken sind schöne, imposante und freudige Demonstrationen der Entschlossenheit eines Landes, sich zu verteidigen. Wer aber fragt: Wie soll denn die Reitermusik ein Land verteidigen? Mit der Trompete in der Hand? Mit dem Waldhorn? - der hat nichts verstanden. Die Verteidigung der Selbst-bestimmung und Unabhängigkeit der Schweiz hat nicht nur mit der Technokratie etwas zu tun. Ebenso wichtig ist der Geist, die Seele und die Symbolik. Das Bild der schnaubenden Pferde – gepaart mit Musik – erfreut das Gemüt und erquickt die Seele, schafft eine Zusammengehörigkeit, wie sie Worte, Paragraphen und politische Deklarationen nicht fertig bringen! Politiker, denen das eigene Land zu eng geworden ist, wollen den Nationalstaat totsagen. Ich aber freue mich, dass nach meinem Grusswort die versammelten Reitermusiken gemeinsam unsere Nationalhymne spielen werden. Sie werden genau dieses Gefühl erleben, von dem ich jetzt nur in Worten sprechen kann. Das Gefühl der Verbundenheit, der Eigenständigkeit und Besonderheit und ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit! 100 Jahre Reitclub Uzwil. 50 Jahre St. Gallische Reitermusik. Ein Jubiläumstag der Freude und der Dankbarkeit. Wir dürfen dankbar sein, dass Sie, liebe Reiter und Musikanten, diese Schweiz verinnerlichen! 3. Sorge tragen zum Besonderen Wie die Reitermusik ist auch die Schweiz etwas Besonderes. Wer das Besondere nicht erträgt, will alles harmonisieren, nivellieren, gleich machen! Mir liegt der Sonderfall der Reitermusik, aber auch der Sonderfall Schweiz am Herzen: Diese Schweiz, die auf den Bund der Eidgenossen zurückgeht. Diese Schweiz, die sich ihre Freiheit und Selbstbestimmung in Jahrhunderten erkämpft hat. Diese Schweiz, die eine uralte demokratische Tradition hat. Die Schweiz, die wie kein anderes Land die Herrschaft des Volkes pflegt. (Ein Schweizer kann in einem Jahr an mehr Abstimmungen teilnehmen als z.B. ein Engländer, ein Franzose oder ein Deutscher sein ganzes Leben lang). Diese Volksrechte sind einzigartig, also besonders, ein Sonderfall – und wir sollten zu etwas Besonderem besonders Sorge tragen – so wie Sie das mit Ihrer Reitermusik auch tun. Tragen wir Sorge zu diesen Sonderfällen! Danke, dass Sie zur Musik, zur Reitermusik, zum Reitsport, zu dieser tiefsinnigen Tradition Sorge tragen. Denn Sie symbolisieren die Schweiz in besonderer Weise.

06.08.2007

Hier werden Volksrechte ausgehebelt

«Justizminister Christoph Blocher hat einen Angriff auf das Völkerrecht lanciert. Dieses verdränge je länger, je mehr unsere Volksrechte. Im Interview erklärt er seine Motive. Von Lösungen mag er noch nicht sprechen.» 06.08.2007, NZZ am Sonntag, Heidi Gmür, Markus Häfliger Die zentrale Botschaft Ihrer 1.-August-Rede war, dass das Völkerrecht die Volksrechte bedrohe. Der direkte Angriff auf das Völkerrecht ist neu, so hat man das von Ihnen noch nie gehört. Insbesondere seit ich das Justiz- und Polizeidepartement leite, fällt mir auf, wie stark der Trend ist, Landesrecht durch internationales Recht zu verdrängen. Nicht nur in der Schweiz. Vor allem wenn die Bevölkerung etwas will, das der Obrigkeit nicht passt, wiegelt man es leichtfertig ab unter Berufung auf internationales Recht. Die Zeit ist reif, das zu thematisieren. Warum gerade jetzt, vor den Wahlen? Wie gesagt, das Unbehagen war schon da, heute aber bin ich mir der Sache sicher. Wo genau wurden denn "Volksrechte leichtfertig durch übergeordnetes Recht ersetzt", wie Sie in Ihrer Rede sagten? Es geht weniger darum, dass bereits erlassenes Gesetz ausser Kraft gesetzt wird. Sondern dass die Gesetzgebung ausserordentlich behindert wird durch die Berufung auf Völkerrecht. Sie sprachen von Ihren Erfahrungen als Justizminister: Nennen Sie uns Beispiele. Wenn ich die Asylrekursentscheide der letzten Jahre anschaue, wären mehrere Fälle zu nennen. Im Ständerat wurde ein ehemaliger Bundesrichter zitiert, der sagte, das Bundesgericht werde die neue Strafprozessordnung insoweit nicht anwenden, als es dem internationalen Recht widerspreche, sonst werde „Strassburg zum Rechten“ sehen. Oder nehmen Sie die Verwahrungsinitiative: Das Volk hat diese entgegen Regierung und Parlament gutgeheissen. Jetzt will die Rechtskommission des Nationalrats diese Verfassungsbestimmung unter Berufung aufs Völkerrecht nicht umsetzen. Hier werden Volksrechte ausgehebelt. Auch Sie haben hier Ihr Versprechen nicht gehalten: Bereits ihre Gesetzesvorlage wich vom Wortlaut der Initiative ab, obschon Sie eine wortgetreue Umsetzung versprochen hatten. Der Gesetzesvorschlag ist verfassungstreu. Es steht dem Parlament frei, den Vorschlag zu verbessern. Aber den Volksentscheid nicht erfüllen? Nein. Wenn sich Parlament oder Bundesgericht auf das Völkerrecht berufen, erfüllen sie unsere Verfassung. Sie besagt, Völkerrecht müsse eingehalten werden. Das hat das Volk beschlossen. Man kann sich natürlich immer auf einen abstrakten Volkswillen berufen und dann die Regelung so oder anders auslegen. Die Verfassung sagt nur, das Völkerrecht sei zu beachten. Das Bundesgericht hat entschieden, dass das Völkerrecht prinzipiell dem Landesrecht vorgeht. Bundesgerichtsentscheide sind zu akzeptieren. Die Problematik sieht man auch anderswo: Im Moment werden zum Beispiel Unterschriften gesammelt für die Minarett-Initiative. Es wird zu prüfen sein, ob diese Initiative rechtsgültig ist. Doch bereits jetzt wird sie, sogar von der Bundespräsidentin, für völkerrechtswidrig erklärt. Das wird gemacht, um einen Entscheid der Stimmbürger zu verhindern. Das ist der Trend, dagegen ist anzutreten. Völkerrecht ist ein weiter Begriff. Es gibt Konventionen, die wir ratifizieren können, wenn wir wollen; es gibt bilaterale Verträge, die wir ebenfalls selber wählen können; und es gibt das Gewohnheitsrecht. Womit haben Sie ein Problem? Gerade weil Völkerrecht ein weiter und sehr unbestimmter Begriff ist, kann man sich all zu leicht darauf berufen. Darin liegt das Problem. Was wollen Sie denn konkret ändern? Es geht jetzt um die Thematisierung, die Sensibilisierung, eine Mentalitäts-Änderung, damit man beim Abschluss internationaler Verträge und bei der Berufung auf „übergeordnetes Recht“ vorsichtiger wird. Denkbar wäre, dass das Völkerrecht zuerst ausdrücklich ins Landesrecht übernommen wird, damit es gilt. Ich spreche hier nicht von der angestrebten Lösung, sondern nur von einer Möglichkeit. Es handelt sich um einen typischen Konflikt zwischen dem Volk einerseits und der Obrigkeit andererseits. Die Frage ist, wer in unserem Staat das Recht setzen soll. Bei der Verwahrungsinitiative besteht ein Konflikt mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) — bereitet Ihnen auch die EMRK Unbehagen? Ich erkenne die Gefährlichkeit Ihrer Frage schon! Wir glauben ja, die Menschenrechte schützen die Würde des Menschen. Andererseits haben Bundesrat und Parlament die Verwahrungsinitiative für gültig erklärt. Aber die Tatsache, dass man sich leichtfertig auf die EMRK beruft, das bereitet mir Sorgen. Ein Kleinstaat wie die Schweiz muss daran interessiert sein, dass die internationalen Beziehungen auf dem Recht und nicht auf Machtpolitik basieren. Richtig. Darum muss die Schweiz aufpassen, was sie unterzeichnet und übernimmt. Was an irgendwelchen Kongressen oder Ministerkonferenzen zusammengebraut wird, dient all zu oft fremder Machtpolitik und schaltet – oft unbemerkt - das Landesrecht aus. Als Kleinstaat gilt besonders: Wenn wir Recht übernommen haben, müssen wir es einhalten. In Ihrer Rede erwähnten Sie keinen einzigen positiven Aspekt des Völkerrechts. Sprechen Sie etwa den Genfer Konventionen eine positive Wirkung ab? Es geht nicht um gut oder schlecht. Sondern: Wer ist im bestimmten Fall der Gesetzgeber? Die Bürger oder die Obrigkeit? Wenn uns eine Verfassungsbestimmung nicht mehr passt, kann das Volk sie ändern. Aber im internationalen Recht ist der von der Verfassung bestimmte Gesetzgeber – in der Schweiz ist dies Parlament, Volk und evtl. Stände – oft juristisch, sicher aber faktisch machtlos. Oder Sie müssten gleich die ganze EMRK kündigen, und das macht man ja nicht. Würden Sie sie denn kündigen wollen? Es gab ja einst einen Vorstoss aus CVP-Kreisen, ob man sie nicht kündigen und mit Vorbehalten neu ratifizieren müsste. Das war interessant. Aber anerkennen wir aber zuerst das Problem, bevor wir über Lösungen sprechen. Wenn Sie einen Missstand beklagen, dann erwartet man auch Lösungen. Lösungen zur Unzeit verhindern die Erkennung des Problems.