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30.06.2007
29.06.2007
Vor- und Nachteile offener Arbeitsmärkte
Referat von Bundesrat Christoph Blocher am Tag der Bauwirtschaft, 29. Juni 2007, in Luzern 29.06.2007, Luzern Luzern. In seiner Rede am Tag der Bauwirtschaft ging Bundesrat Christoph Blocher auf die Schweizer Erfolge bei der Integration von Ausländern in den Arbeitsmarkt, die Ziele der Arbeitsmarktpolitik und die Bedeutung der Personenfreizügigkeit ein. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Meine Damen und Herren 1. Die Schweiz als Arbeitsmarkt In der Schweiz leben etwas mehr als 1,5 Millionen Ausländerinnen und Ausländer, d.h. 20,4 % der Gesamtbevölkerung. Und die Einbürgerungen pro Bevölkerung sind im internationalen Vergleich sehr hoch: in den letzten 20 Jahren wurden gut 430'000 Personen eingebürgert, allein 46'711 im letzten Jahr. Die Schweiz liegt damit nach den klassischen Einwanderungsländern Kanada, USA und Schweden an vierter Stelle. Meine europäischen Regierungskollegen staunen regelmässig ab diesem hohen Anteil. Kürzlich sagte mir ein Minister: "20,4 % Ausländer? Da sind natürlich auch alle bisher eingebürgerten Ausländer mitgezählt". Dies stimmt selbstverständlich nicht. Die Kollegen staunen, weil sie zum Teil schon mit 5, 7, 8 % grösste Schwierigkeiten haben. Ich betone dies, weil die Schweiz bisher grosse Erfolge bei der Integration von Ausländern in den Arbeitsmarkt ausweisen kann. Trotz dem hohen Ausländeranteil ist die Arbeitslosigkeit aber relativ gering. Spannungen zwischen der einheimischen und ausländischen Bevölkerung blieben bisher weitgehend aus. Das neue Ausländergesetz einerseits und die bilateralen Verträge andererseits sind eine logische Folge der bisherigen Ausländerpolitik. Diese strebt gegenüber der EU schrittweise - auf der Basis strikter Gegenseitigkeit - die volle Personenfreizügigkeit an. Die Zulassung von Arbeitskräften von ausserhalb der EU/EFTA begrenzt sich auf qualifizierte, hier nicht verfügbare Arbeitskräfte. Ich gehe davon aus, dass das Thema "Offene Arbeitsmärkte" gerade für Ihre Branche eine grosse Bedeutung hat: 2004 wurden gemäss Bundesstatistik 36 % des Arbeitsvolumens im Baugewerbe von ausländischen Arbeitskräften verrichtet, also deutlich mehr als die 26 % des Durchschnitts aller Branchen. 2. Ziele der Arbeitsmarktpolitik Die Arbeitsmarktpolitik hat zum Ziel, die Schweizer Wirtschaft zu stärken, um den Wohlstand zu erhalten und zu fördern. Dafür müssen wir gute Rahmenbedingungen für den Standort Schweiz haben. Die Schweiz, ein kleines Binnenland ohne Bodenschätze und nur mit einem kleinen Heimmarkt ist auf offene Märkte für Import und Export angewiesen. Sie muss alles unternehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Schweiz hat nur Chancen, wenn sie die besseren Produkte und Dienstleistungen zu konkurrenzfähigen Preisen anbietet. Bei billigen Massenprodukten, welche in rohstoffreichen Niedriglohnländern hergestellt werden, kann die Schweiz nicht mithalten. Das Schwergewicht muss auf der Entwicklung von hochspezialisierten Produkten für besondere Märkte liegen. Entscheidend ist die Qualität, welche wir mit spezialisierten Arbeitskräften unter Ausnutzung von preisgünstigem Kapital erreichen. Diese Ausrichtung hat sich als Erfolgsrezept erwiesen. Wir verfügen über eine der höchsten Erwerbsbeteiligungen und einen hohen Lebensstandard. 3. Das wirtschaftliche Umfeld Die Arbeitslosigkeit ist zurzeit niedrig. Ein schwach regulierter Arbeitsmarkt ist flexibler und begünstigt die notwendigen Anpassungen in der Wirtschaft. Folgende Stärken sind dabei entscheidend: * Ein praxisnahes Bildungssystem, welches die Jugend auf das Erwerbsleben vorbereitet und in die Arbeitswelt integriert. Mit unserem Ausbildungssystem entsprechen wir den Anforderungen der Wirtschaft. Es gibt bei uns viele gut qualifizierte Berufsleute. Die "Berufslehre" ist - neben einem praxisbezogenen Hochschulabschluss - von besonderer Bedeutung; * Eine geringe Regulierungsdichte. Bisher konnte die Regulierungsdichte des Arbeitsmarktes im internationalen Vergleich noch tief gehalten werden. Ein übertriebener Kündigungsschutz, vom Gesetzgeber verordnete Mindestlöhne oder eine 35-Stunden-Woche kennt die Schweiz zu ihrem Vorteil nicht. Das führt dazu, dass die Schweizer Unternehmen bei gutem Geschäftsgang auch schneller Personal einstellen. Es gibt Staaten, welche solche Massnahmen kennen, aber gerne wieder rückgängig machen würden. * Sozialpartnerschaft. Die Schweiz hat eine insgesamt gut funktionierende Sozialpartnerschaft. Übertriebene Lohnforderungen und wirtschaftsschädigende Streiks gehören nicht zur Tagesordnung. * Verantwortungsbewusstsein. Die Schweizer Arbeitgeber - und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - zeichnen sich mehrheitlich durch ein grosses Verantwortungsbewusstsein aus. Die Kluft zwischen den Chefs und den Mitarbeitern ist normalerweise geringer als im Ausland. * Steuerniveau. Ein vergleichsweise günstiges Steuerniveau begünstigt Investitionen in Betriebe und Arbeitsplätze. Ein massvoller Steuerwettbewerb trägt dazu bei, dass sich auch ausländische Unternehmungen in der Schweiz niederlassen. * Die Schweizerische Ausländerpolitik Unser Arbeitsmarkt wurde immer stark durch ausländische Arbeitskräfte gestützt. Rund ein Viertel der Arbeit wird durch Ausländerinnen und Ausländer erledigt. Die Ausländerpolitik muss sich aber den rasant veränderten Bedürfnissen anpassen. Unsere Wirtschaft benötigt heute mehr denn je gut ausgebildetes Personal. Dementsprechend hat sich auch der Anteil der Zugewanderten mit abgeschlossener Berufs- oder Hochschulbildung in den letzten Jahren markant erhöht. 4. Erfahrungen der Schweiz mit der Personenfreizügigkeit Einerseits führte die Personenfreizügigkeit zu einer erhöhten Zuwanderung aus dem EU/EFTA-Raum. Andererseits mässigte sich die Zuwanderung aus Drittstaaten. Diese hohe Zuwanderung entsprach vor allem der konjunkturellen Nachfrage des Schweizer Arbeitsmarktes. Der grösste Teil dieser zugewanderten Arbeitskräfte war gut bis sehr gut qualifiziert. Trotz der Zuwanderung hat sich die Arbeitslosenquote nicht erhöht. 5. Was ändert sich mit der Öffnung des Arbeitsmarktes? Für die Schweiz, welche im internationalen Wettbewerb gut ausgebildete Arbeitskräfte benötigt, darf die Bedeutung der Personenfreizügigkeit nicht unterschätzt werden. Firmen, welche technologisch zuvorderst mitmachen wollen, sind auf das Wissen ausländischer Spezialisten angewiesen. Ich gehe davon aus, dass auch Sie in der Bauwirtschaft entsprechende Erfahrungen gemacht haben. Das Baugewerbe verzeichnete zwischen 2004 und 2006 ein deutlich überdurchschnittliches Beschäftigungswachstum. Ich bin schon - anders als früher - dem einen oder andern deutschen Facharbeiter auf einer Baustelle begegnet. Auch Sie hätten wohl Mühe gehabt, Ihren Arbeitskräftebedarf ohne Ausländer zu decken. Ich bin mir aber bewusst, dass die Öffnung des Arbeitsmarktes sowohl für Arbeitgeber wie auch für Arbeitnehmer eine Herausforderung ist. Schweizerische Unternehmen sind wegen den europäischen - und internationalen (GATS) Dienstleistungserbringern auch stärkerer Konkurrenz ausgesetzt. Da ist es wichtig, dass durch die nötige Regelung und Kontrolle unter den schweizerischen und ausländischen Konkurrenten für "gleich lange Spiesse" gesorgt wird. Bezüglich der Kontrolle der Zuwanderung sind drei Absicherungen von Bedeutung: * Erstens wurden mit der EU Übergangsfristen vereinbart. Gegenüber der EU-15 liefen diese am 31. Mai dieses Jahres aus. Für die neuen osteuropäischen Staaten sind Zuwanderungsbeschränkungen bis 2011 möglich. Diese Fristen schränken das Risiko einer unkontrollierten Zuwanderung ein. Mit Rumänien und Bulgarien beginnen erst die Verhandlungen. * Zweitens wurde das Abkommen 2002 für eine erstmalige Zeitperiode von sieben Jahren abgeschlossen. Vor Ablauf des Abkommens im Jahr 2009 wird die Schweiz in Form eines referendumsfähigen Bundesbeschlusses über die Weiterführung beschliessen. * Drittens können bis 2014 bei einer übermässigen Zuwanderung mit der sog. Ventilklausel die Aufenthaltsbewilligungen erneut beschränkt werden. 6. Fazit und Schluss Mit dem Freizügigkeitsabkommen hat sich die Schweiz gegenüber der EU geöffnet. Bei Mangel können Schweizer Unternehmen darüber hinaus gut qualifizierte Arbeitskräfte in begrenzter Zahl auch von ausserhalb des EU-Raums rekrutieren. Die Schweiz hat als Unternehmensstandort damit weiter an Attraktivität gewonnen. Experten gehen davon aus, dass das Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren auch durch den freien Personenverkehr mit der EU gestützt wurde. Negative Auswirkungen für die Schweiz wurden während der guten Wirtschaftsentwicklung bisher kaum festgestellt. Die wirkliche "Nagelprobe" wird man jedoch bei einem Konjunkturabschwung genau prüfen müssen. Die Personenfreizügigkeit soll strikt auf den EU/EFTA-Raum begrenzt bleiben. Gegenüber Drittstaaten bleibt die Ausländerpolitik weiterhin restriktiv und im Wesentlichen auf gut qualifizierte Arbeitskräfte beschränkt. Diese Zulassungspolitik wurde vom Schweizer Volk in mehreren Abstimmungen eindrücklich bestätigt. Die mangelnde Integration eines Teils der ausländischen Bevölkerung muss verbessert werden und Missbräuche sind rigoros zu bekämpfen. Nur so wird die Migrationspolitik des Bundesrates auch inskünftig vom Volk mitgetragen. Wir stecken in dieser Beziehung mitten in der Arbeit.
28.06.2007
Wirtschaftsstandort Schweiz – quo vadis?
Referat von Bundesrat Christoph Blocher am „Swissmem Industrietag“, 28. Juni 2007, in Zürich 28.06.2007, Zürich Zürich. Am Swissmem Industrietag in Zürich hat Bundesrat Christoph Blocher angesichts der guten Konjunktur vor der Gefahr einer Überhitzung der Wirtschaft gewarnt. Er wandte sich auch gegen die parlamentarischen Versuche, den Patentschutz durch Parallelimporte auszuhöhlen. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Meine Damen und Herren 1. Demut Ich lese die Wirtschaftszeitungen. Was lese ich? Die Wirtschaft brummt, die Auftragsbücher sind voll, die Volkswirtschaft wächst wie schon lange nicht mehr, im letzten Jahr sind 50'000 neue Stellen geschaffen worden, im März 2007 waren die Kontingente für Daueraufenthalter innerhalb von 41 Minuten ausgebucht, es werden Höchstgewinne veröffentlicht, Rekorde gefeiert, die Börsekurse rauschen nach oben, es herrscht Zuversicht, Optimismus, Partylaune, die Investitionen fliessen, es wird fusioniert, eingekauft, übernommen, Produktionen werden ausgebaut… es ist herrlich! Doch dank langjähriger wirtschaftlicher und politischer Erfahrung stimme ich in diesen Jubelchor nicht mit ein: Genau jetzt, auch in diesen Minuten, werden die Fehler gemacht - ohne dass man sie realisierte - die morgen zur Katerstimmung führen. Die gefährlichsten Jahre für ein Unternehmen sind seine guten Jahre. Erfolg führt regelmässig zu Selbstüberschätzung und Übermut. Gute Jahre heisst: Viele Unternehmer verlieren ihre Demut vor der Aufgabe. Sie vergessen, dass auch sie einen Auftrag zu erfüllen haben: Nämlich das Unternehmen kurz-, mittel- und langfristig erfolgreich zu führen, ständig die Konkurrenz zu analysieren, und stets die eigene Beschränktheit zu beachten. Vor allem aber gilt es zu bedenken: Es geht im Leben nie nur aufwärts, sondern immer auch wieder abwärts. Das gilt insbesondere für die Wirtschaft. 2. Gefahr der Überhitzung Ich weiss, wenn die Korken knallen, mag man die Partykiller nicht besonders. Trotzdem: Wir haben zurzeit mehr als eine Hochkonjunktur, ich würde eher von einer Überhitzung sprechen. Was heisst eine gute Konjunktur? In der freien Marktwirtschaft ist es klar, was das heisst: Die Nachfrage ist ausserordentlich gross und das Angebot zu klein. In der Regel expandieren alle Firmen, um die noch nicht befriedigte Nachfrage zu decken. Diese Expansionen übertreffen aber bald diese Nachfrage und so entsteht ein Überangebot. Deshalb folgen nach fetten Jahren die mageren. Warum investieren alle gleichzeitig. Die Sache ist einfach. Lassen Sie mich dies an einem Beispiel erklären: Die Unternehmer A, B und C haben die gleichen Produktionsbetriebe. Jetzt kommt ein Kunde zur Firma A, um 1 000 Tonnen Material zu kaufen. Dieser kann nicht liefern, weil er ausgelastet ist. Der Kunde bietet für diese 1 000 Tonen jeden Preis. Aufgrund dieser Anfrage gehen A’s Untergebene zu A und fordern ihn auf zu investieren, damit man zu diesen guten Preisen liefern könne. A investiert. Und was tut der Kunde? Er geht zu B, um das gesuchte Material bei diesem zu kaufen. Auch dieser ist ausgelastet und kann nicht liefern, worauf auch dessen Mitarbeiter ihren Chef auffordern zu expandieren. Auch B investiert. Das Gleiche wiederholt sich bei C. Am Ende bauen die drei Unternehmer aufgrund der gleichen Nachfrage und aufgrund der gleichen Preiskalkulationen in einem verknappten Markt neue Produktionsanlagen, die alle gleichzeitig in Betrieb genommen werden. Dadurch verändert sich die Situation. Wenn A dem Kunden nach dem Ausbau die damals gewünschten 1 000 Tonnen Material anbietet, merkt er, dass der Kunde nun über weitere Möglichkeiten verfügt: B oder C können die gleiche Menge auch anbieten. Ein Preisdruck entsteht. Dies hat zur Folge, dass am Ende der Markt zusammenbricht. Aus diesen Überlegungen heraus habe ich in unserer Firma bei Hochkonjunktur stets einen Investitionsstopp angeordnet. In der Rezession hingegen habe ich die Investitionen erhöht. Regelmässig bin ich auf Unverständnis gestossen. Doch Betriebe gehen in der Regel in guten Zeiten zu Grunde, weil diese Zeiten zu Fehlinvestitionen, Übertreibungen, zu Grössenwahn und Abkehr von der unternehmerischen Disziplin verleiten. „Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe guter Tage.“ Das Gesagte gilt noch ausgeprägter für die Politik! 3. Wirtschaftsstandort Schweiz - quo vadis? Wirtschaftsstandort Schweiz – quo vadis, wohin führt dein Weg? lautet der Titel der diesjährigen Swissmem-Tagung und ich bekenne: Ich weiss es nicht. Ich weiss nicht, wohin der Schweizer Wirtschaftsstandort gehen wird. Ich bin kein Prophet und will auch keiner sein. Ich weiss nur, dass vor zweihundert Jahren die Schweiz so etwas wie der Vietnam Europas war. Ein Billig-Lohn-Land, stark in der Textilherstellung, sonst bäuerlich geprägt. Hätte damals einer voraussagen können, wohin der „Wirtschaftsstandort Schweiz“ geht? Nein. Man kann bloss im Nachhinein eine gewisse Logik in der Entwicklung erkennen. Eine wichtige Voraussetzung für die rasante Entwicklung der Schweiz war, dass sie ein liberales – ich sage lieber freiheitliches -Selbstverständnis pflegte: Tüchtigkeit, Fleiss, Qualitätsbewusstsein, wenig Staat und Bevormundung, Leistungsbereitschaft, Erfindungsgeist, Strebsamkeit bildeten das Fundament. Dann stellt sich das Unternehmertum von alleine ein, sofern der Erfolg und die Leistung nicht umgehend durch den Staat in Form von Steuern und Regulierungen bestraft wird. Wachstum und Wohlstand sind die Früchte eines freiheitlichen Staates. Das – und hier wage ich doch eine Prognose – hatte die letzten zweihundert Jahre Gültigkeit und wird auch in Zukunft so bleiben. Wann immer die Schweiz ihre freiheitlichen Grundsätze verlassen und verraten hat – ich erinnere an die unsäglichen neunziger Jahre – musste sie es mit Missständen, Schulden, Wachstumsschwäche bezahlen. 4. Was macht die Schweiz als Wirtschaftsstandort stark? Eine souveräne, neutrale, föderalistische Schweiz bietet den idealen politischen Rahmen, damit die Wirtschaft sich entfalten kann. Das heisst aber: Souverän sein, das heisst selbst bestimmen zu wollen und zu müssen. Es heisst, die Neutralität pflegen, ohne sie durch umtriebigen Aktionismus aufzuweichen. Das heisst aber auch Föderalismus bzw. Dezentralismus, so weit es nur möglich ist, zu wahren. Wenn heute die Wirtschaft im Blick auf Obwalden noch nicht bemerkt haben sollte, was der Segen des Föderalismus bedeutet, dann kann man nicht mehr helfen. Nicht die Gleichmacherei, nicht die Nivellierung ist gefragt, sondern die Herausforderung durch den Wettbewerb, das heisst Wettbewerb der Regeln und Systeme! Notwendig ist schliesslich der dauernde politische Kampf: Für eine freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Nicht mehr Staat ist gefragt, sondern mehr Freiheit für den Bürger! 5. Der Schutz des geistigen Eigentums 1789 wurden in Frankreich die Menschen- und Bürgerrechte erklärt. Neben den persönlichen Freiheitsrechten hielt das Dokument ausdrücklich das „Recht auf Eigentum“ fest und damit verbunden ist der Schutz des Eigentums. Es gehört zu den vornehmsten Pflichten des Staates, den Schutz des Eigentums zu garantieren. Ein Spötter mag jetzt einwerfen, wie kann der Staat sich als Hüter des Privateigentums aufspielen, wo er doch selber den Bürger zu fünfzig Prozent enteignet durch die grosse Zahl von Zwangsabgaben. Wir müssen dem Spötter Recht geben. Gewissermassen sollte der Staat den Bürger auch vor dem Raubtier Staat schützen. Ich will jetzt aber auf einen Bereich hinweisen, wo besonders fahrlässig der Schutz des Eigentums, nämlich der Schutz des geistigen Eigentums, missachtet wird. Es geht um den Patentschutz. Die derzeitigen Versuche im Parlament die Patentrechte – das geistige Eigentum – unter dem Stichwort „Parallelimporte“ auszuhöhlen, sind tatsächlich schwer verständlich. Gerade die erfolgreichsten Branchen der Schweizer Wirtschaft (wie Chemie und Pharma, die Uhrenindustrie, die innovativen Firmen der Biotechnologie und des Apparatebaus, welche einen Grossteil der Wertschöpfung in der Schweiz ausmachen) stützen sich auf die Forschung und Entwicklung und damit auf einen wirksamen Schutz des geistigen Eigentums. Allein die chemische und pharmazeutische Industrie ist mit einem Anteil an den schweizerischen Gesamtexporten von 34 % von allen Industriezweigen die wichtigste Exportbranche und steigerte von 1980 bis 2006 ihren Export um jährlich durchschnittlich 24,7 %! Allein in den letzten 10 Jahren stieg die Produktion um 124 %. (Als Vergleich dazu dient der Maschinenbau mit einem Produktionswachstum von lediglich 7,3 %). Die Unternehmen der schweizerischen chemischen und pharmazeutischen Industrie gehören zu den weltweit innovativsten Unternehmen der Branche. Sie investieren einen erheblichen Anteil ihres Umsatzes in die Forschung und Entwicklung neuer Produkte und Verfahren. Von den – im weltweiten Vergleich – sehr hohen privaten Forschungsausgaben von 9,6 Milliarden fallen über 50 % allein in die chemisch-pharmazeutische Industrie! Die weltweit führende Rolle der schweizerischen privaten Forschung gilt es zu behaupten. Daher müssen die Rahmenbedingen für die Forschung und Entwicklung in der Schweiz erhalten und weiter verbessert werden. Ohne Patente gäbe es hier keine durch Unternehmen finanzierte Forschung. 6. Den Forschungsstandort behaupten Die Gegner des umfangreichen Patentschutzes rufen jetzt nach der internationalen Erschöpfung. Dass sich so viele Parlamentarier daran beteiligen, ist umso erstaunlicher, als kein einziges Industrieland auf der Welt eine solche internationale Erschöpfung kennt. Nur Länder, die wirtschaftlich rückständig sind, haben die internationale Erschöpfung, vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer. Ein Systemwechsel bei der Erschöpfung würde vor allem dem Forschungs- und Entwicklungsstandort Schweiz schaden. Der ökonomische Nutzen, der im besten Fall erwartet werden könnte, ist unbedeutend und würde die Nachteile eines Wechsels nicht aufwiegen. Deshalb sprach sich der Bundesrat immer für die nationale Erschöpfung aus. Diese Haltung bekräftigte er seither mehrfach. Würden wir diese Haltung auflösen, dann hiesse diese Tagung nicht mehr „Wirtschaftsstandort Schweiz – quo vadis?“. Sondern „Wirtschaftsstandort Schweiz – ade!“
28.06.2007
Mit eigenen Stärken auf dem Weg zum Erfolg
Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der Verleihung des Vigier-Preises, 28. Juni 2007, in Solothurn 28.06.2007, Solothurn Solothurn. Bundesrat Christoph Blocher rief die Jungunternehmer anlässlich der Verleihung des Vigier-Preises auf, den Erfolg als Ziel zu sehen. Erfolgreiche Unternehmer sollen sich auf ihre Stärken und auf Weniges konzentrieren. Dies brauche die Stärke zur selbstkritischen Analyse, den Mut Dinge wegzulassen, sowie die Demut gegenüber der Sache. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Meine Damen und Herren 1. Was ist ein Unternehmer? Ein klassischer Unternehmer ist ein Mensch, dem eine Firma gehört und der diese auch selbst führt. Er ist Manager und Eigentümer in einem. Sein Dasein – man könnte etwas pathetisch auch von Schicksal reden – ist eng mit der Firma verbunden, weil sein Kapital in der Firma steckt und er diese auch führt. Das unterscheidet ihn vom Manager, der als Angestellter die Firma nur führt. Bei den börsenkotierten Unternehmen ist es allerdings anders. Dort gibt es den klassischen Unternehmer – der Eigentümer und Manager zugleich ist – nicht. Führung und Eigentum fallen nicht zusammen. Der Eigentümer besteht darüber hinaus aus einer Vielzahl von Aktionären. Die Börsenkotierung dürfte allerdings nicht das Problem der heutigen Preisträger sein. Ihr Problem ist vielmehr: Sie wollen Unternehmer werden bzw. Sie haben eine Geschäftsidee, aber Ihnen fehlen noch Mittel, diese umzusetzen. Wenn Sie die Stiftung Vigier überzeugen, werden Sie mit 100'000 Franken Startkapital ausgestattet. Das ist ein schöner Erfolg. Nun geht es darum, den Erfolg zu verfestigen. Der Vigier-Preis soll ja der Auftakt einer Erfolgsgeschichte bilden und nicht deren Abschluss. 2. Das Ziel ist das Ziel (oder der Erfolg) Es gibt den verführerischen Satz: „Der Weg ist das Ziel“. Nicht das tatsächliche Erreichen eines Ziels, also nicht der Erfolg, zählt, sondern der Weg. Das tönt angenehm und bequem, das erinnert uns an einen sonntäglichen Spaziergang. Der „Weg ist das Ziel“ meint, es ist nicht so wichtig, wohin wir gehen; vielleicht weiss man nicht einmal, ob der Weg überhaupt an ein Ziel führt. Hauptsache, man ist unterwegs und hat es gut miteinander, man geht miteinander. Für einen Unternehmer ist dies ein unbrauchbarer Satz. Leider wird er in der Politik häufig befolgt. Für den Unternehmer gilt: Das Ziel ist das Ziel. Das heisst: Auf die Zielerreichung, den Erfolg, die Auftragserfüllung allein kommt es an. Zum Seitenanfang Zum Seitenanfang 3. Wann habe ich Erfolg? * Die Konzentration auf die eigene Stärke ist – das sage ich aus Erfahrung – etwas vom Wichtigsten, um Erfolg zu haben. Dies ist einfach einzusehen: Muss ich hundert gleichwertige Dinge tun, kann ich jeder Sache nur einen Hundertstel meiner Energie widmen. Mache ich nur eine Sache, so kann ich meine ganze Energie dieser einen Sache widmen, also fliesst in diese Sache hundertmal mehr Energie. Da ist das Geheimnis der Konzentration. Sie ist für den Erfolg entscheidend. Bei voller Konzentration auf eine Sache wird das Risiko, dass sie scheitert, kleiner. Wer sich mit hundert verschiedenen Dingen abgibt, wird sich beruhigen, er habe ja noch 99 andere, falls eine Sache schief gehe. In der Regel funktionieren aber alle 100 schlecht. Die Erfahrung zeigt, dass diejenigen Unternehmen, die sich voll auf ihr Gebiet konzentriert haben, erfolgreicher waren. „Gemischtwarenläden“, die meinen, Maschinenfabriken, Banken, Hotels, Versicherungen und vieles mehr führen zu können, waren nicht erfolgreich. Es gab zwar Jahre – wirtschaftlich gute Jahre – da predigte man Diversifikation und meinte Risikoverteilung. Am Anfang – weil die Konjunktur beflügelte – funktionierte dies. Sobald die Wirtschaft lahmte – und erst dann zeigt sich die Tauglichkeit einer Strategie – brach dieses System regelmässig zusammen. Diversifikationen überfordern die Führung, vor allem die Spitze des Unternehmens. Man muss sich gleichzeitig verschiedenen Gebieten widmen. Aber der Mensch ist beschränkt. Bei zu vielen Gebieten leidet sowohl die notwendige Tiefe in der Bearbeitung als auch der Überblick. Wenn es überall brennt, dann kann man nirgends mehr löschen. * Der Unternehmer muss sich stets behaupten. Er will gut sein. Dadurch hat er stets Angst, es könnte scheitern. Aber hier etwas Tröstliches: Man muss nicht gut sein, sondern nur besser als die Konkurrenz! Sie werden einwenden: Wer sich auf eine Sache konzentriert, kann sich ja auch auf die falsche Sache konzentrieren und damit seinen Untergang erst recht einläuten. Natürlich kann ich mich auch auf das Falsche konzentrieren. Sich auf eine Sache festzulegen, ist noch keine Garantie auf Erfolg. Doch wer sich voll und ganz einer Sache widmet, läuft weniger Gefahr, dass er sich auf das Falsche konzentriert. Er merkt früher, ob es die richtige oder die falsche Sache ist. Natürlich: Man muss sich stets auf die Stärke konzentrieren. Nur, wie findet man das „Richtige“? Diese Frage ist zu vertiefen. Wo habe ich eine Stärke? Das heisst: Wo bin ich anders und besser als die Konkurrenten und ist diese Stärke auf dem Markt gefragt? Darum gehört die Konkurrenzanalyse zu den Grundvoraussetzungen für jeden, der selber erfolgreich sein will. Unternehmerisches Schaffen ist stets begleitet durch die bange Frage. Wo bin ich weniger schlecht als die Konkurrenz? Werfe ich dann all meine Kraft und die all meiner Mitarbeiter, alles Geld und alles, was ich habe auf meine Stärke, bin ich erfolgreich. Mit aller Kraft die Stärke meiner Position zu pflegen ist erfolgreicher als Schwächen auszumerzen. Dieser Weg erfordert freilich gründliche Analysen und viel Selbstkritik. Sie müssen bereit sein, sich und alles immer wieder zu hinterfragen. Sie müssen kontroverse Meinungen zulassen, Sie müssen sie sogar einfordern. Doch je mehr Sie sich in eine Frage vertiefen, desto besser erkennen Sie ihre Stärken. Die Erfolgschance zu erkennen, ist für jeden Unternehmer überlebensnotwendig. Aber wie gesagt: Ich muss nicht, absolut gesehen, stark sein. Es genügt, wenn ich besser bin als der Konkurrent. Weniger schwach! * Was heisst aber, „sich konzentrieren“? Die Kunst des sich Konzentrierens heisst: Weglassen! Weglassen können! Weglassen müssen! Abschneiden! Vernachlässigen! Das Falsche nicht tun! Nicht die Konzentration ist die Hauptschwierigkeit, sondern das Weglassen von Geschäftstätigkeiten. Konzentration heisst Abschied nehmen von Dingen, die auch gut, einem auch lieb sind, aber eben doch zu wenig wichtig. Man glaubt immer, man könne dies auch noch tun. Man überschätzt und überfordert sich in der Regel. Persönlich hilft stets die Konzentration auf Weniges. Was kann ich wegschneiden. „Ordnung im Fadezeinli machen.“ Vor allem aber muss man darauf dringen, dass sich der Verantwortliche auf den Auftrag konzentrieren kann. Zersplitterung ist ein häufiger Grund für das Scheitern. 4. Unternehmer sein heisst demütig sein Ein guter Chef zeichnet sich vor allem durch Demut aus. Demut gegenüber der Sache, gegenüber dem Auftrag - nicht so sehr gegenüber Personen und schon gar nicht gegenüber Personen, die nicht bei der Sache sind. Ebenso ist die Einsicht in die Beschränktheit des eigenen Handelns erforderlich. Unter diesen Voraussetzungen wird man fähig, ein Problem zu erkennen und zu analysieren. Man gewinnt die Kraft zu entscheiden und den Mut, seine Untergebenen auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören und mit diesen das Ziel zu erreichen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie die Kraft und den Mut und eben auch die Demut aufbringen, ihren Auftrag zu finden, ihre Stärken zu erkennen und ihre Ziele zu erreichen.
27.06.2007