Artikel

 

31.12.2006

Alles grundsätzlich überprüfen

Justizminister Christoph Blocher will die Bundesverwaltung radikal umbauen 31.12.2006, Christoph Lauener Der Bundesrat überprüft die Struktur der Departemente; div. Mitglieder haben ihre Ideen bereits kundgetan (das erläutern wir in einem sep. Text). Was sind Ihre Visionen für die künftige Gestalt der Bundesverwaltung? Man soll sich nicht mit einzelnen Retouchen aufhalten. Es mag in Ordnung sein, ein Bildungsdepartement zu schaffen, wie es breit gefordert wird. Aber das allein genügt nicht, denn jede Umorganisation schafft eine neue. Entweder man überprüft alles grundsätzlich, oder man lässt es bleiben. Welche Ideen also werden Sie einbringen? Richtig wäre auch ein Sozialdepartement zu prüfen. AHV, IV, Krankenkassen, Bundesamt für Gesundheit, die Fürsorge - soweit der Bund dafür zuständig ist - die Migration, die ja heutzutage auch und vor allem eine soziale Aufgabe geworden ist, eventuell die Arbeitslosenversicherung. Wozu das? Die sozialen Einrichtungen und ihr Angebot überschneiden sich heute teilweise. Das liesse sich vermeiden. Zudem wäre man zu einer Gesamtsicht gezwungen: Die Betreuung von Flüchtlingen zum Beispiel zahlt heute das EJPD, dabei ist es eine Sozialleistung. Andere Reformvorschläge? Zu prüfen wäre auch ein Departement, das für die rechtliche Aufsicht zuständig wäre: Bankenkommission, Versicherungsaufsicht, Revisionsaufsichten, das Bundesamt für Justiz, Beschwerdedienste soweit sie in der Bundesverwaltung bleiben. Es muss das Prinzip gelten: Gleichgelagerte Funktionen und Aufgaben gehören in dieselben Departemente. Damit sind die Verantwortlichkeiten klar, man vermeidet Überschneidungen und man spart Kosten. Verkehr und Medien passen nicht unbedingt zusammen. Die sind heute beide im UVEK. Der Medienbereich würde besser in ein neues Bildungsdepartement als ins Verkehrsdepartement passen; der Verkehr ist für sich allein schon umfangreich genug. Bei der Bildung unterzubringen wäre ausserdem die Kultur. Was halten Sie von einem Sicherheitsdepartement, wie es Ihrem Parteikollegen Schmid vorschwebt? Man müsste auch das prüfen, wenngleich es Probleme gibt: Armee und Polizei in einem Departement sind problematisch. Darum haben die kantonalen Polizeicorps und die Linke Bedenken – und ich auch. Und das Aussendepartement? Gleich? Kleiner? An ein anderes koppeln? Man muss sich ernsthaft fragen, ob nichte ein Aussendepartement zu einem Servicedienst für alle Auslandtätigkeiten der einzelnen Departemente ausgebaut werden und gleichzeitig das Schwergewicht auf der Koordination liegen müsste. Sie würden also die Verwaltung völlig umgekrempeln. Es würde wohl keiner der sieben Bundesräte sein Departement wieder erkennen. Deshalb müsste man vorne beginnen, was am besten nach einer Gesamterneuerungswahl möglich wäre, also 2008: Jeder gibt sein Departement ab, dann werden sie neu formiert, und die Bundesräte übernehmen der Anciennität nach ihr neues Departement. Die Zahl der Departemente müssen wir nicht ändern. Das ist wohl trotzdem zu radikal für das Kollegium. Das kann sein. Es ist aber auch Unterstützung zu erkennen. Wichtig ist, dass wir jetzt entweder grundsätzlich über die Bücher gehen, oder diese Diskussionen begraben; sie schürt nur den Zwist und die Buschkämpfe in der Verwaltung. Die heutige Gestalt der Departemente ist zum Teil historisch gewachsen; so haben die Sozialwerke oder der Verkehr heute wesentlich mehr Gewicht. Dann gab es auch opportunistische Zuteilungen wie das Zuteilen des Sports zum VBS, zugunsten von Adolf Ogi. Es ist Zeit, das Ganze anzuschauen.   Moritz Leuenberger steht vor einer heiklen Aufgabe Moritz Leuenberger hat vom Gesamtbundesrat den Auftrag erhalten, zu prüfen, ob und wie die Departemente neu zusammengesetzt werden sollen. Die Sache ist delikat: Es geht nicht nur um mehr Effizienz und weniger Kosten; es geht auch um Macht und Prestige. Verschiedene Mitglieder der Landesregierung sind deshalb vorgeprellt und haben ihre Ideen öffentlich gemacht. Innenminister Pascal Couchpin plädiert für eine grosse Rochade: Er schlägt vor, das Sozialwesen von seinem Departement zu Volkswirtschaftsministerin Doris Leuthard zu verschieben und dafür die ganze Bildung zu übernehmen. Leuthard selber möchte die Bildung bei sich zusammenlegen. Militärminister Samuel Schmid wünscht sich seit längerem ein Sicherheitsdepartement, in dem Armee, Grenzschutz und Polizei vereinigt sind. Schmids Parteifreund Christoph Blocher hat aber Bedenken - und wird radikale Vorschläge einbringen. So schwebt ihm vor, das Aussenministerium zur "Servicestelle" für die anderen Departemente zu degradieren (siehe Interview oben). Ende Januar soll Moritz Leuenberger den Bundesrat über das weitere Vorgehen informieren.

30.12.2006

Das Volk frisst heute nicht mehr alles

Blocher kämpft gegen neue Steuern, will Ausländer zu Sprachkursen verdonnern und verlangt Einblicke in die Sündenregister der Jugend. Er ist ganz der Alte geblieben. 30.12.2006, Neue Luzerner Zeitung, Jürg auf der Maur Letztes Jahr zogen sie auf dem Gurten Bilanz, jetzt auf dem Uetliberg. Sind das nächste Mal der Pilatus oder die Rigi am Zug? Eine sehr gute Idee! Die Orte würden sich bestens eignen, Bilanz zu ziehen. Im Dezember 2007 wird diese Pressekonferenz ganz besonders interessant sein, weil dann ja auch die Wahlen vorbei sind. Werden Sie noch Bundesrat sein? Ich gehe jedenfalls davon aus. Dann betreiben Sie und die SVP Panik auf Vorrat, wenn sie befürchten, man wolle Sie nicht mehr wählen? Wenn die Linke - das heisst die SP und die Grünen - es seit einem Jahr als oberstes Wahlziel bezeichnet, dass der Blocher aus der Regierung müsse, dann hat man das ernst zu nehmen. Das hat es in der Schweizer Konkordanz bisher ja noch nie gegeben. Dass eine grosse Regierungspartei jemanden nicht mehr wählen will, nur weil einem die Politik des betreffenden Bundesrates nicht gefällt. Genau das machen ja SP und Grüne. Sie werfen mir ja nicht vor, ich würde meine Aufgabe nicht erledigen oder mein Departement schlecht führen. Blocher ist die Personifizierung der neuen Politik - vor allem im Asyl- und Ausländerbereich. Darum muss er weg. Auch die vereinigte Linke kann Sie nicht abwählen. CVP-Präsident Christoph Darbellay erklärt, die CVP werde Blocher nicht wählen. Das sagte er, bevor er CVP-Präsident wurde. Jetzt tönt es anders. Warten wir ab. Es geht um eine politische Ausrichtung. Die SVP hat klar Stellung bezogen und ein Bekenntnis zur Konkordanz abgegeben. Die SVP wird alle wählen, die von den Regierungsparteien vorgeschlagen werden. Sie fordert aber Gegenrecht, sonst wird sie in die Opposition gehen. Für sie sind Sprachkenntnisse zur Integration. Diese müssen zwingend verlangt werden. Wie soll das geschehen? Mein Departement ist daran, erste Ideen zu entwickeln. Und? Wer in die Schweiz kommt, irgendeine Aufenthaltsbewilligung erhält und hier bleiben darf, soll sich zwingend um seine Sprachkenntnisse kümmern müssen. Sonst wird seine Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängert. Das ist aber noch nicht ausgegoren. Bei den Flüchtlingen ist dieses Vorgehen nicht möglich, bei allen anderen Ausländern aber schon. Wer eine Aufenthaltsbewilligung will, soll die Landessprache reden und verstehen. Dann brauchen Sie Heerscharen von neuen Sprachlehrern? Und? Das ist ja auch kein Problem. Die Sprachkurse sollen von den Ausländern bezahlt werden. Die dürfen den Staat direkt nichts kosten. Das geht? Bei Flüchtlingen wird der Staat zahlen müssen. Wenn ein betroffener Flüchtling jedoch nicht an einem Sprachkurs teilnimmt, soll die Sozialhilfe gekürzt werden können. Obligatorische Sprachkurse sind das eine. Sie prüfen aber auch die Einbürgerung auf Probe. Die Leichtfertigkeit der Einbürgerung ist näher anzusehen. Wir stellen fest, dass wir in der Schweiz die Bedingungen zur Einbürgerung oft missachten. Das hat man gerade wieder bei den Vorfällen in Seebach gesehen. Jetzt kommt die Polizei und sagt, sie habe sich immer gewundert, dass diese Burschen eingebürgert worden seien. Das heisst? Das zeigt, dass entweder eingebürgert wird, ohne dass man weiss, was die Polizei weiss. Oder man bürgert ein, obwohl man weiss, dass die Polizei Vorbehalte hat. Beides geht nicht. Was ist Ihre Lösung? Wir brauchen eine bessere Einsicht in die Polizeiakten und -dossiers. Das prüfen wir jetzt. Wir brauchen klarere Regeln zur Einbürgerung und wir brauchen einfachere Regeln, um jemandem das Bürgerrecht wieder entziehen zu können. Besser ist jedoch die genaue Prüfung vor der Einbürgerung, also bei der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung oder bei Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Konkret? In die Anzeigen- und Vorstrafenregister der Einbürgerungswilligen muss zwingend Einsicht genommen werden. Auch Einsicht zum Beispiel in Schulakten müsste möglich sein. Vor allem bei Jugendlichen stellt sich zusätzlich das Problem, dass nur Verurteilungen zu einem Freiheitsentzug oder zu einer Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung im Strafregister eingetragen werden. Haben Sie sich konkrete Termine gesetzt? Zur Zeit läuft die Diskussion im Departement. Bis im Frühling sollte man aber wissen, ob und wie unsere Ideen realisiert werden können. Dann legen wir einen Bericht vor. Noch gibt es zwei Knackpunkte: Die Frage der Doppelbürgerschaft und wie wir die Einbürgerungen sicherer gestalten können. Mit Ihrer Bilanz-Pressekonferenz haben Sie Wahlkampf für Ihre Partei betrieben. In den 90er Jahren waren SP und Grüne für Fehlentwicklungen verantwortlich, seit 2003 gehe es aufwärts im Land, sagten Sie. So habe ich das nicht gesagt. Es wäre falsch, die Schuld an den Fehlentwicklungen in den Neunzigerjahren der Linken alleine in die Schuhe zu schieben. Erstens waren die Grünen noch nicht so stark wie heute und zweitens konnte die SP ja nicht alleine regieren. Also? Es war ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das zu diesen Fehlentwicklungen führte. Der Fall der Berliner Mauer, der Zusammenbruch des Kommunismus, die Vorstellung, jetzt herrsche ewiger Friede führte zu einer Euphorie und einer gewissen Sorglosigkeit in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Sie verleitete dazu, Geld zu verschleudern, Steuern zu erhöhen oder das Heil in EU und Nato zu sehen. Gutschweizerische Werte wie Eigenständigkeit, Neutralität oder Fleiss galten nichts mehr. Das hat mit der Doppelvertretung der SVP im Bundesrat 2003 geändert? Die SVP war jene Partei, die am stärksten Gegensteuer gab. Darum wurde sie von der kleinsten Regierungspartei zur stärksten Partei im Land. Seit 2003 hat es beim Bund keine Steuererhöhungen mehr gegeben.  Das ist so. Seit langem sind in dieser Legislatur erstmals die Steuern nicht mehr erhöht oder neue geschaffen worden. Die 0,8 Prozent zusätzliche Mehrwertsteuerprozente, die zur Finanzierung der AHV erhoben werden sollten - eine Vorlage der früheren Regierung - sind ja vom Volk abgelehnt worden. Man sieht, die Zeiten haben sich geändert. Das Volk frisst heute nicht mehr alles. Für die kommende Legislatur zeichnen sich neue Steuern ab. AHV und IV brauchen Finanzspritzen. Das ist zu hinterfragen. Ich kann nicht für alle Ewigkeit versprechen, dass es keine neuen Steuern gibt. Ihre persönliche Meinung? Der Bundesrat hat für die IV Mehreinnahmen beschlossen. Ob das Parlament folgt, muss sich zeigen. Der Bundesrat ist der Meinung, es müsse für die IV-Sanierung eine Steuererhöhung oder mehr Lohnprozente geben. Die SVP ist anderer Meinung. Moritz Leuenberger kündigt an, als Linker Ja zur Erhöhung des AHV-Alters zu sagen, wenn die Bürgerlichen Ja zur Finanzierung sagen. Machen Sie einen Schritt auf ihn zu? Um eine Erhöhung des Rentenalters wird man ja kaum herumkommen. Die Frage ist wann. Mit zusätzliche Steuereinnahmen? Wenn man dem Volk die Frage unterbreiten würde, ob es lieber das Rentenalter erhöht oder höhere Mehrwertsteuern bezahlt, glaube ich, dass es sich für ein höheres Rentenalter, nicht aber für mehr Fiskalabgaben ausspricht. Man kann den Leuten nicht immer mehr wegnehmen. Das heisst konkret? Am Schluss besteht wohl die Gefahr, dass beides gemacht wird. Dass man also das AHV-Alter erhöht, gleichzeitig aber noch mehr Geld einfordert. Das zeigt, dass wir seit 2003 zwar auf dem richtigen Weg sind, aber noch bei weitem nicht alles zum besten steht. Insofern sind die Wahlen 2007 sehr wichtig. Hier entscheidet sich, auf welche Seite das Pendel schlägt. Nämlich? Den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern stellt sich im Wahljahr die Frage, ob sie die seit 2004 erfolgte Wiederbelebung der erfolgreichen schweizerischen Werte gutheissen oder zur realitätsfremden Politik der Neunzigerjahre zurückkehren möchten. Die Linke wird den Steuerwettbewerb zum Hauptthema machen. Sie haben noch immer kein Problem damit? Nein, im Gegenteil. Die Kunst der kommenden Jahre wird sein, mit möglichst tiefen Steuern möglichst viel Einkommen zu schaffen. Für die Linke ist das ein Widerspruch. Die Realität belegt die Richtigkeit dieser Regel immer von neuem: Sei es in Zug, in Schwyz, in Nid- und Obwalden, aber auch in Schaffhausen. Sobald die Steuern gesenkt werden, entstehen neue Arbeitsplätze und letztlich wird mehr Steuersubstrat generiert. Sie sehen keine Grenzen nach unten? Weiter als auf Null wird man nicht gehen können. Und im Ernst? Das wird man sehen, wenn die Rechnung nicht mehr aufgeht. Es gibt ja die Idee, Unternehmen sollten von den Steuern befreit werden. Solche Modelle existieren. Was den Linken der Steuerwettbewerb ist der Rechten die Neutralität. Sie wird ebenfalls zum Wahlkampfthema. Für ein kleines Land wie die Schweiz ist sie extrem wichtig. Auch in Zeiten des Terrorismus ist sie bedeutungsvoll. Terroristen stehen innerhalb der globalen Spannungsfelder. Die Schweiz tut gut daran, sich aus den globalen Konflikten herauszuhalten. Sie sagen, die Neutralität gelte heute wieder mehr als 1990. Genügt Ihnen das, oder soll sie in der Verfassung stärker verankert werden? Die Diskussion ist alt. Die Neutralität wird in der Verfassung verlangt! Die Frage ist, ob sie enger und konkreter umschrieben werden soll. Was ist Ihre Meinung? Ich bin dagegen, die Neutralität in der Verfassung enger zu definieren. Je genauer sie umschrieben wird, desto grösser ist die Gefahr, dass der konkrete Fall dann nicht definiert ist. Die SVP und die Auns wollen eine Neutralitäts-Volksinitiative vorlegen. Aus verständlichen Gründen, denn heute bezeichnen sich viele als neutral, nur um das Gegenteil tun zu können. Trotzdem: Ich bin dagegen, die Neutralität in der Verfassung näher zu umschreiben. Der Auns und der SVP geht es um die Disziplinierung von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey. Das darf man nicht allzu personenbezogen betrachten. Heute ist Frau Calmy-Rey Aussenministerin. Bis der Verfassungsartikel greifen würde, ist sie vielleicht schon nicht mehr im Bundesrat.  

13.12.2006

Privatrecht und direkte Demokratie

Ansprache von Bundesrat Christoph Blocher am Abendempfang der "Study Group on an European Civil Code SGECC" vom 13. Dezember 2006 in Luzern 13.12.2006, Luzern Luzern. In seiner Ansprache am Abendempfang der "Study Group on an European Civil Code SGECC" wies Bundesrat Christoph Blocher auf die Besonderheiten der direkten Demokratie und deren Auswirkungen auf das schweizerische Privatrecht hin. Im Hinblick auf das Projekt "European Civil Code" gab er zu bedenken, dass gleiches Recht immer auch mit der Gefahr verbunden sei, die gleichen Fehler zu machen. Die Study Group on a European Civil Code tagt erstmals ausserhalb der Europäischen Union. Ich freue mich, Ihnen zu diesem Ereignis die Grüsse des Schweizerischen Bundesrates überbringen zu dürfen. Sie tagen in der Schweiz. Was ist die Schweiz? Zunächst ist sie ein Teil Europas, aber will der EU nicht angehören. Und doch gehören wir alle, die hier versammelt sind, rechtsstaatlich verfassten, demokratischen Staaten an. Das Unterscheidende ist lediglich die Tatsache, dass die schweizerische Demokratie eine direkte Demokratie ist. Was ist damit gemeint? In der Schweiz meint direkte Demokratie das Recht des Volks, in letzter Instanz über jedes vom Parlament beschlossene Gesetz befinden zu können. Diese Art der Demokratie, also Volksherrschaft, ist auch der Hauptgrund, warum die Schweiz nicht der EU angehört. Denn das Volk hat die Möglichkeit an der Urne zu allen entsprechenden Vorlagen Nein zu sagen. Und das ist mit dem EU-Beitritt unvereinbar. Was heisst direkte Demokratie? Was heisst nun Direkte Demokratie im konkreten politischen Alltag. Eine Volksabstimmung über ein vom Parlament beschlossenes Gesetz kommt dann zustande, wenn innerhalb von 100 Tagen nach Erlass eines Gesetzes 50'000 Stimmberechtigte eine Volksabstimmung verlangen. Anders als bei einer Verfassungsänderung findet also nicht in jedem Fall eine Volksabstimmung statt. Entsprechend ist statt von direkter Demokratie häufig auch vom fakultativen Referendum die Rede. Heissen die Stimmberechtigten das Gesetz gut, so kann dieses in Kraft treten. Andernfalls ist es gescheitert. Die Abstimmung hat also weder bloss konsultativen noch plebiszitären Charakter. Deshalb kann die Regierung auch nach einer Abstimmungsniederlage im Amt bleiben, und auch das Parlament wird in diesem Fall nicht aufgelöst. Müsste die Regierung nach jeder verlorenen Abstimmung abtreten, dann hätten wir wahrscheinlich mehr Regierungswechsel zu verzeichnen gehabt als Italien. Also eine ganze Menge. Privatrecht als Wiege der direkten Demokratie Die direkte Demokratie ist ohne Zweifel die Besonderheit des schweizerischen Staatsrechts. Die Stimmberechtigten können damit unmittelbar auf die Gesetzgebung Einfluss nehmen und nicht nur, wie im Ausland üblich, über die Wahl bestimmter Personen und Parteien. Dies gilt selbstverständlich auch für das Privatrecht. Es stand sogar an der Wiege der direkten Demokratie in der Schweiz. Das fakultative Referendum fand 1874 Aufnahme in die schweizerische Bundesverfassung, just zum gleichen Zeitpunkt, als Volk und Stände auch jener Verfassungsänderung zustimmten, die den Weg zur Vereinheitlichung des Privatrechts auf Bundesebene freimachte: Es folgte 1881 das Obligationenrecht und 1907 - nach einer nochmaligen Ergänzung der Verfassung - das Zivilgesetzbuch. Das Zusammentreffen von direkter Demokratie und Rechtsvereinheitlichung in der Verfassung von 1874 war kein Zufall. Im Gegenteil. Den politischen Akteuren der damaligen Zeit war klar, dass ohne Ausbau der Demokratie auf Bundesebene keine Mehrheit für die Vereinheitlichung des Privatrechts auf Bundesebene zu finden war. Ohne Referendum keine Rechtseinheit! Bedeutung der direkten Demokratie Auch wenn das Referendum nur in wenigen Fällen ergriffen wird, darf man nicht glauben, dass die direkte Demokratie ohne Bedeutung ist. Im Gegenteil: die direkte Demokratie ist die Möglichkeit, Nein zu sagen. So wissen alle politischen Akteure in der Schweiz - angefangen von den politischen Parteilen über den Bundesrat bis hin zum Parlament - nur zu gut, dass es ihnen nichts nützt, von einer Vorlage überzeugt zu sein, wenn sie schliesslich nicht auch die Stimmberechtigten überzeugen können. Die Referendumsmöglichkeit begleitet so die Gesetzgebung von Beginn weg. Der Wert der direkten Demokratie könnte man folglich als "Prävention gegen bürgerfeindliche Gesetze" bezeichnen. Nun werden Sie fragen: Nützt oder schadet die direkte Demokratie dem Privatrecht? Diese Frage kann man nicht beantworten. Weil es eine Frage der persönlichen Wertung ist. Wer für ein Gesetz war, dem das Volk zugestimmt hat, rühmt dann meistens die Klugheit und Weitsicht des Volkes. Wer hingegen in einer Volksabstimmung unterliegt, leidet an der Niederlage und verwünscht dann das "tumbe" Volk mitsamt der direkten Demokratie. Ähnliche Vorbehalte vermute ich auch auf Seiten der Wissenschaft. Das Privatrecht blickt bekanntlich auf eine sehr lange Geschichte des gelehrten Rechts zurück. Da kann es schon als anstössig gelten, dass seit 200 Jahren Parlamente und damit zwangsläufig auch juristische Laien Hand ans Privatrecht legen. Aber für viele gilt das erst recht, wenn das gemeine Volk mitentscheidet. Privatrecht und Wissenschaft? Es ist klar, dass ein solches Privatrecht nie und nimmer einem wissenschaftlichen Ideal entsprechen wird. Die Frage ist aber, ob das Privatrecht einem wissenschaftlichen Ideal entsprechen soll. Versucht man von diesen mehr oder weniger subjektiven Einschätzungen etwas Abstand zu nehmen, lässt sich etwa das Folgende sagen: Die direkte Demokratie führt weder zu besserem noch zu schlechterem Privatrecht. Hingegen trägt sie zu einer besonderen Verankerung des Privatrechts im Volk bei und garantiert auf diese Weise für Stabilität und Verlässlichkeit. Dadurch mag der Fortschritt manchmal etwas später kommen. Dafür stellt dieser dann eine bleibende Errungenschaft dar. Meine Damen und Herren. Welche Schlüsse ziehe ich aus dem Gesagten für Ihr Projekt: Den European Civil Code? Ein European Civil Code Zu bedenken ist, dass gleiches Recht immer auch mit der Gefahr verbunden ist, die gleichen Fehler zu machen. In der Wirtschaft begegnet man dieser Gefahr mit dem Ruf nach (mehr) Wettbewerb. Wieso sollte Gleiches nicht auch für Privatrechtsordnungen gelten? Wieso will man es verhindern, dass Staaten in einen Wettbewerb um die beste Privatrechtsordnung treten? Wieso soll zum Beispiel überall in Europa der gleiche Verbraucherschutz gelten? Die Erfahrung der letzten Jahre und Jahrzehnte lehrt auf jeden Fall, dass unterschiedliche Privatrechtsordnungen einem regen Austausch von Gütern und Dienstleistungen nicht im Wege stehen. Dies gilt auch und gerade zwischen der Europäischen Union und der Schweiz. Viel wichtiger als gleiches Privatrecht ist eben, dass sich alle Beteiligten - Staaten wie Private - an bestimmte grundlegende Werte halten. Ich denke da beispielsweise an den Schutz des Eigentums und der Vertragsfreiheit, aber auch an den Schutz der Persönlichkeit. An diesen Werten sollte sich auch ein European Civil Code immer wieder ausrichten. Nur so macht das Unterfangen überhaupt Sinn. Nur so lohnt sich der Aufwand. Dann aber lohnt sich jeder Aufwand! Ich wünsche Ihnen bei Ihrer Arbeit Glück und Erfolg.

28.11.2006

«Man will mich aus der Politik drängen!»

Fernsehautor und Journalist Kurt Felix im grossen Gespräch mit Bundesrat Christoph Blocher und dessen Frau Silvia: Liebe nach 40 Jahren Ehe, kriminelle Jugendliche, öffentliche Bundesratssitzungen, die «Lex Anti-Blocher» – die drei haben nichts ausgelassen 28.11.2006, Schweizer Illustrierte, Kurt Felix und Marc Walder Kurt Felix: Herr und Frau Blocher, das Mikro läuft. Schauen Sie eigentlich oft Fernsehen? Bundesrat Christoph Blocher: Nein, wir hatten zu Hause nie einen Fernsehapparat. Jedoch In unserer Berner Wohnung steht von Amtes wegen ein Gerät. Oh je, dann muss ich wohl annehmen, dass Ihnen Namen wie Thomas Gottschalk oder Frank Elstner nichts sagen. Also möchte ich Sie darüber aufklären, dass ich vor dem jetzigen Job bei der Schweizer Illustrierten auch schon mal im Fernsehen vorkam... Bundesrat Christoph Blocher: (lacht schelmisch) Joo waas! Dann ist es toll, dass Sie mit uns Fernsehabstinenten überhaupt reden. Sie verstehen ja Spass, oder! Sie haben meiner Frau und mir vor zwei Wochen per SMS gratuliert, weil wir von den deutschen Fernsehzuschauern zum Traumpaar gewählt wurden. Sie gehören ebenso zum Club all der glücklich Verheirateten, die als Traumpaar wahrgenommen werden. .. Silvia Blocher: Herr Felix, wir leben in der Realität, nicht im Traum... Bundesrat Christoph Blocher: ...es gibt ja auch Albträume. Jeder, der mit Silvia zusammen lebt, wird durch sie zum Traumpaar. Silvia Blocher: Wir sind schon 40 Jahre zusammen... Bundesrat Christoph Blocher:.. und wir haben eine intensive Zeit miteinander erlebt, die nicht immer nur ein Traum war, sondern ein gemeinsamer Kampf für unsere Anliegen. Auch ein Durchstehen und Überleben gegenüber Anfeindungen von aussen. Frau Blocher, wissen Sie, dass auch wir eine Gemeinsamkeit haben? Silvia Blocher: (fragendes Schweigen) Wir haben in den 60er Jahren aushilfsweise im selben Schulhaus in Amriswil unterrichtet. Und uns knapp um ein Jahr verpasst. Stellen Sie sich vor, wir wären uns im Lehrerzimmer begegnet und ich hätte Sie zu einem romantischen, kerzenbeleuchteten Dinner auf das Schloss Sonnenberg eingeladen. Dann wären Sie vielleicht heute nicht die Frau eines Bundesrates. Silvia Blocher: (hält sich vor Lachen am Stuhl) ...und ich hätte auch kein Schloss, aber dafür ein Haus am Luganersee. Mein erstes Lehrergehalt betrug sechshundert Franken. Ich habe vernommen, dass damals Ihre grosse Liebe Christoph noch ärmer dran war als ich. Mussten Sie Ihren Lover durchfüttern? Silvia Blocher: Ja. Er hatte damals gar nichts. Bundesrat Christoph Blocher: Mein ganzes Hab und Gut hatte in einem kleinen, blauen Köfferli Platz. Silvia Blocher: Als wir 1967 heirateten, war er Werkstudent. Mausarm. Was fasziniert Sie noch heute an diesem Mann? Silvia Blocher: Er ist ursprünglich, originell, ausserordentlich intelligent, gefühlsstark, grosszügig, ein Fels in der Brandung. Bundesrat Christoph Blocher: Hör auf, ich werde ja so rot, wie dieses Mikrofon vor mir. An Ostern konnte ich in einem Tessiner Grotto beobachten, wie Ihnen die Gäste zwischen Gitzi und Polenta Merlotflaschen zur Unterschrift reichten. Sie haben diese Wünsche mit Spass erfüllt. Mein verstorbener Kollege Rudi Carrell, von dem Sie ja sicher noch nie etwas gehört haben, ist jeweils ausgerastet, wenn er am Tisch gestört wurde. Bundesrat Christoph Blocher: Viele dieser Leute treten spontan an mich heran und sagen zum Beispiel: „Wir schätzen Ihre Arbeit; man merkt, dass Sie im Bundesrat sind. Wir sind froh darüber.“ Wissen das Ihre Gegner? Bundesrat Christoph Blocher: Darum tun die doch so wüst! Wissen Sie, ich gebe nicht nur meine Unterschrift, sondern rede mit den Leuten mindestens ein paar Worte. Meine Devise ist: Christoph Blocher steht Red und Antwort. Wenn man im Bundesrat sitzt, besteht die Gefahr, dass man plötzlich abhebt. Ich war vor Jahren mit Adolf Ogi und einem anderen Bundesrat unterwegs. Dölf national hat zehn Autogramme verteilen müssen, sein Kollege eins. Bundesrat Christoph Blocher: (platzt heraus) Der Ogi hat halt den kürzesten Namen! In der Zeit, in der andere einmal schreiben können, schafft er zehn. Aber die Stimmung war dann futsch! Wie futsch und eifersüchtig ist die Stimmung im heutigen Bundesrat? Bundesrat Christoph Blocher: Eifersucht ist tatsächlich eine weit verbreitete Krankheit in der Politik. Seit wir im Bundesrat offener miteinander umgehen, ist die Stimmung sehr gut und die Sitzungen werden sogar kürzer. Selbst Ihre Gegner attestieren jedoch, dass Sie Herr Blocher, im privaten Umgang ein äusserst höflicher Mensch sind. Ich bin Ihnen schon ein paar Mal begegnet und habe dabei konstatiert, dass Sie vor allem gegenüber Frauen ein richtiger Charmebolzen sind. Ich komme mir im Vergleich zu Ihnen wie ein Rüppel vor. Und dann schlage ich die Zeitung auf und lese, der Blocher sei ein Polterer ohne Manieren. Silvia Blocher: (verzweifelt) Ach, diese Zeitungen! Ein Polterer ist Christoph nicht: Er ist einer, der seine Meinung klar und pointiert ausspricht. Und auch mit Engagement. Da gibt es Leute, die das nicht ertragen. Mir tut es sehr weh, wie mein Mann oft angefeindet wird. Ihr Mann ist aber manchmal auch unzimperlich... Silvia Blocher: ...aber nie so beleidigend, wie man ihm gegenüber ist. Bundesrat Christoph Blocher: Manchmal erfüllt mich der heilige Zorn, und den will ich einfach nicht verstecken. Man muss den Mut aufbringen, Dinge, die falsch laufen, beim Namen zu nennen. Dann gibt es auch ein politisches Führungsmittel: Die Provokation. Das Wort kommt von „provocare“ hervorrufen. Oder ausrufen, Herr Blocher. Aber hier in Ihrem Schloss sind Sie ein sanfter und liebendwürdiger Gastgeber. An einer Wand des Schlosses steht der Spruch: „Flectimur non frangitur“ Bundesrat Christoph Blocher: Frei übersetzt heisst das: Wir werden gebogen, aber wir brechen nicht. Heute erlebe ich, dass viele Stimmbürger gar nicht mehr zuhören, wenn meine Gegner aufzählen, was ich wieder alles falsch gemacht haben soll. Sie stellen sich nur noch die Frage: Gibt er nach oder nicht? Kippt er jetzt oder nicht? Frau Blocher, Sie könnten als Frau eines prominenten Politikers ebenfalls ein politisches Amt übernehmen und eine Art Hillary Clinton der Eidgenossen werden. Man vermutet ja jetzt schon, Sie seien heimlich das achte Mitglied des Bundesrates. Silvia Blocher: (amüsiert) Mein höchstes politisches Amt hatte ich bis jetzt in der Pfarrwahl-Kommission. Bundesrat Christoph Blocher: (schmunzelt) Das war der Glanzpunk ihrer Polit-Karriere! Wir haben keine Trennung zwischen Berufs- und Privatleben. Die grossen Sachen diskutieren wir dauernd miteinander. Es ist gut, dass meine Frau ausserhalb des aktuellen politischen Geschehens bleiben will. Sie liest zum Beispiel meine Reden und deckt sofort die Schwachstellen auf. Silvia Blocher: (in unmissverständlichem Tonfall) Für mich ist das Leben Politik und Politik das Leben. Meine zentrale Aufgabe war jedoch, Mutter von vier Kindern und Hausfrau zu sein und da bin ich stolz darauf. Ich wurde auch schon angefragt für politische Ämter, aber ich habe stets abgelehnt. Eine deutsche Politikerin hat schon mal angeregt, dass die Medien bei ihrer Kriminal-Berichterstattung die Nationalität der Täter nicht mehr bekannt geben sollten. Die bisherige Praxis würde den Fremdenhass fördern. Wäre dies ein Beitrag zur Bekämpfung der Abneigung gegenüber gar fremden Ausländern? Bundesrat Christoph Blocher: Die Leute haben bei uns schnell gemerkt, dass, wenn nicht ausdrücklich „Schweizer“ steht, es sich um einen Ausländer handeln muss. Und wenn heute demonstrativ „Schweizer“ geschrieben wird, vermuten die Leute, dass es sich um einen Eingebürgerten handelt, was ja leider oft zutrifft. Man muss die Medien-Konsumenten nicht für so dumm verkaufen. Das vorsätzliche Vertuschen fördert die Ausländerfeindlichkeit. Silvia Blocher: Menschen aus gewissen Kulturkreisen haben halt ein anderes Verständnis zur Kriminalität. Auch ihr Verhältnis zu uns Frauen ist anders. Ausländer-Kriminalität In Zürich Seebach wurde die 13-jährige Michelle von skrupellosen Sextätern mehr-fach vergewaltigt. Es sind 13 Burschen im alter von 15 bis 18 Jahren. Es handelt sich um Ausländer. In diesem Fall aus Ex-Jugoslawien, Italien und der Dominikanischen Republik sowie um eingebürgerte Schweizer aus dem Balkan und der Türkei. Hilmi Gaschi, Gewerkschaftssekretär für Migration, sagte letzte Woche in der Sendung "Rendez-vous" auf DRS 1: "Ich wehre mich dagegen, dass Gewalt einer Region oder bestimmten Kulturen zugeordnet wird. (...) Schuld ist das Frustrationspotenzial wegen der Diskriminierung und mangelndes Selbstwertgefühl." Bundesrat Christoph Blocher: Ich sehe bereits, dass Fachleute diese schreckliche Tat verpsychologisieren und schön reden wollen. Man entschuldigt die Täter damit, dass sie aus einem anderen Kulturkreis stammen. Man gibt allem Schuld: der Pornoindustrie, den Handys, der mangelnden Integration, und, und, und. Stimmt ja alles, aber wesentlich ist etwas anderes: Das Unrecht! Unrecht ist begangen worden und muss bestraft werden. In vielen Medien, die dieses Thema lange ausgeblendet haben,  liest und hört man zunehmend: Wir haben ein Ausländerproblem..... Bundesrat Christoph Blocher: ....das ist nicht von der Hand zu weisen. Probleme machen uns oft junge Ausländer und eingebürgerte Leute. Da gibt es Schwachstellen. Die Einbürgerungsbehörden haben keinen direkten Zugang zu den Polizeiakten. Nur zum Leumundszeugnis. Delikte von Jugendlichen bis 15 Jahren sind nicht im Strafregister eingetragen. So stehen z. B. bei einem 16-jährigen Jugendlichen, wenn er eingebürgert wird, im Strafregister keine Delikte, die er in früheren Jahren begangen hat. In einem schlimmen Fall müsste einem jungen Ausländer die Einbürgerung wieder entzogen werden können. Notfalls müsste eine solche Person das Land verlassen. Wenn es sein müsste, sogar die ganze Familie. Umso mehr ist doch die Integrationsarbeit angesagt. Da können Sie sicher nichts dagegen haben. Bundesrat Christoph Blocher: Integrationsprojekte sind wichtig. Aber ich warne davor, die Integration als allein selig machende staatliche Massnahme anzusehen. Hier geht es um die Einstellung zu Recht und Unrecht. Die Leute müssen unsere Gesetze und unsere Kultur akzeptieren. Einbürgerung als Integrationsmassnahme ist Unsinn. Die Einbürgerung muss immer die Folge der Integration sein. Die grosse Mehrheit des Volkes hat das alles schon längst begriffen, nur linke Politiker und die so genannten Gutmenschen noch nicht. Umfragen zeigen auf, dass das Ausländerproblem zuoberst auf der Liste des Unbehagens steht. Wie könnte man dieses Thema entschärfen? Bundesrat Christoph Blocher: Die Strafverfolgung hat in den letzten 20 Jahren eine zu weiche Linie verfolgt. Nach dem Motto: "Therapie statt Strafe". Dabei ist die Strafe ein Teil der Therapie! Das Unrecht muss geahndet werden. Gerade Junge müssen spüren, dass sie etwas Verbotenes getan haben. Nicht Beschönigung und Verständnis ist angezeigt, sondern sie müssen die „Grenzen“ ihres Tuns erfahren. Das hören aber die Psychologen, Therapeuten und Migrationsexperten nicht gerne.  - es sind immer etwa dieselben, die sich in den Medien äussern - nicht gerne. Ich vermute, dass dies wieder eine ihrer Provokation ist. Bundesrat Moritz Leuenberger und Sie spielen ja meisterhaft auf der Medienklaviatur. Ihr Kollege schnüffelt am Auspuff und diese Bilder werden bei jeder CO2-Diskussion immer wieder abgedruckt. Und Sie setzen die Themen, indem Sie alles auf den Tisch legen. Beispiel Afrika. Beispiel Anti-Rassismus-Gesetz. Sind Sie ein bewusster Stratege, oder ist es Intuition? Bundesrat Christoph Blocher: Ich brauche die Intuition und die Strategie. Was ich wann als Thema setze, hängt von Missständen oder Provokationen der andern ab. Mich beschäftigen zurzeit die Fehleinschätzungen, der 90-Jahre. Vieles war naiv: Man dachte, der Weltfrieden sei definitiv ausgebrochen, nur weil die Mauer fiel. Es sollte nichts Negatives, nichts Böses mehr geben. Man wollte die Neutralität aufgeben, hatte aber zum Glück Angst vor dem Volk. Wichtige Strukturen wurden zerstört. Das Geld wurde verschleudert. Staatliche Defizite entstanden. Alles was aus früherer Zeit kam, wurde, wie von einem pubertären Kind, abgelehnt. Sie bezeichnen die 90er-Jahre rückblickend als die "düstersten der letzten Jahrzehnte" für unser Land. Was sind für Sie die gravierendsten Folgen? Bundesrat Christoph Blocher: Kein Wirtschaftswachstum, mehr Kriminalität, Wertezerfall. Auch, dass ich nun in der Regierung bin, ist ein Zeichen dafür, dass etwas nicht mehr gestimmt hat. Solche Leute wie mich wählt man nicht in die Regierung, wenn alles in Ordnung ist. Herr Blocher, Sie können mit den Medien umgehen und wissen sicher auch, wie das Fernsehen demaskieren kann. Diese Tatsache bestätigt sich für mich immer wieder, wenn ein Bundesrat unengagiert vor die Kamera tritt und eine Parole vertreten muss, die er überhaupt nicht teilt. Das sind doch Eiertänze vor aller Öffentlichkeit. Und die machen Sie jetzt auch mit! Vor-Vorgänger Justizminister Kurt Furgler hat sich einst in der Frage des Schwangerschaftsabbruchs, dem er menschlich nicht zustimmen konnte, einen medialen Stellvertreter ernannt. hand aufs Herzog: Wäre das nicht ehrlicher? Bundesrat Christoph Blocher: Kurt Furgler erhielt eine Ausnahmebewilligung. Das kann man nur sehr selten aus Gewissensgründen beantragen! Das mit dem Eiertanz ist leider so. Es ist doch klar: Wenn ich mit Überzeugung für etwas gekämpft habe, sieht man es mir an, wenn ich vor der Kamera das Gegenteil erzählen muss. Ich kann zu wenig gut schauspielern. Dann sage ich halt: "Der Bundesrat findet...." Ich bin der Meinung, das Publikum darf ruhig erfahren, wer welche Meinung bis zur Abstimmung im Bundesrat vertreten hat. Darum bin ich an sich auch für öffentliche Bundesratssitzungen. Doch nachdem der Bundesrat entschieden hat, muss man sich an den Beschluss halten. Die Linke möchte Sie im kommenden Jahr als Bundesrat abwählen. Die SVP droht, in diesem Fall den Bundesrat zu verlassen und in die Opposition zu gehen. Würden Sie als Ex-Bundesrat die Opposition wieder anführen? Bundesrat Christoph Blocher: Warum nicht.... Silvia Blocher: (greift sofort ein) Die Linke will meinen Mann ja nicht draussen haben, weil er als Bundesrat ein Versager wäre, sondern weil er die Dinge beim Namen nennt und danach handelt. Er ist ihnen zu stark. Bundesrat Christoph Blocher: Der SVP will man schon zwei Sitze zugestehen, aber ihre Politik will man nicht zulassen. Eigentlich könnten Sie ja von sich aus Ihr Amt aufgeben und sich wieder als Nationalrat wählen lassen, um dann im Parlament die Opposition anzuführen. Und zudem könnten Sie später erneut als Bundesratanwärter kandidieren. Mit dem Nachteil, dass Sie noch etwas länger warten müssten, bis Sie Bundespräsident würden. Alles ist also offen, Herr Blocher. Bundesrat Christoph Blocher: (nachdenklich) Ja. Das stimmt. Auch das wird man prüfen. Darum reden die Linken bereits über ein neues Gesetz, dass es einem Bundesrat verbieten würde, als Nationalrat zu kandidieren. Eine Art Lex Anti-Blocher. Man will mich aus der Politik drängen. Danke für diesen Paar-Talk! Doch es heisst nun schon: Mikro aus!

16.11.2006

Unternehmertum im Angesicht der internationalen Entwicklung und Liberalisierung

Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der Plenarversammlung von bauenschweiz am 16. November 2006 in Bern 16.11.2006, Bern Bern. Anlässlich der Plenarversammlung von bauenschweiz in Bern referierte Bundesrat Christoph Blocher über verschiedene Aspekte der Wirtschaft und der Globalisierung. Er ging auf die Ängste der Unternehmer ein und zeigte Alternativen auf. Schliesslich forderte er die Anwesenden auf, sich auf ihre Stärken zu konzentrieren und von besseren Konkurrenten zu lernen, um von der Schweiz aus im Weltmarkt zu bestehen. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. 1. Die Schweiz im Weltmarkt Wo heute von der Wirtschaft die Rede ist, hören Sie immer wieder Schlagworte, die beunruhigen. Globalisierung, chinesischer Drache, Lohndruck, Auslagerung, Deindustrialisierung, Massenarbeitslosigkeit… Wer ehrlich ist, muss zugeben, dass er bei all diesen Wörtern zunächst Angst bekommt. Angst, nicht bestehen zu können. Angst, nicht überleben zu können. Angst, als Verlierer dazustehen. Tatsächlich: Ganze Nationen mit niedrigen Löhnen, grossem Leistungswillen, gut ausgebildetem Personal, weniger Regulierung, mit sehr tiefen Steuern drängen auf die Weltmärkte. Es gilt einem ungeheuren Konkurrenzdruck zu begegnen. Die Wirtschaft blickt deshalb wie gebannt auf die Politik und die Politik wiederum blickt mindestens so gebannt auf die Wirtschaft. Doch für einen Unternehmer ist die bange Frage: „Kann ich mit meinem Unternehmen, mit meinen Produkten, mit meinen Kosten, mit meinem Marketing vor der Konkurrenz bestehen?“ keine neue Frage. Für einen Unternehmer ist die Frage nach seiner Konkurrenzfähigkeit eine alltägliche Frage. Und nur schlechte Unternehmer stellen sich solche existenziellen Fragen nicht andauernd. Meine persönliche Erfahrung zeigt: Der Unternehmer steht mit den Fragen, die sein Unternehmen in seiner Existenz betreffen, stets allein. Das ist die Einsamkeit jener Menschen, die Verantwortung tragen müssen. Um diese Einsamkeit kommen Sie nicht herum, wenn es an Ihnen liegt, Entscheidungen zu treffen. Wie sollen wir, wie soll ein Unternehmer dem globalen Wettbewerb begegnen? Die grosse Gefahr ist, dass man die besseren Bedingungen der Konkurrenz (seien es tiefere Lohnkosten, weniger Regulierung, niedrigere Steuern etc.) überschätzt und damit auch deren Einfluss auf den Erfolg. Die erste Reaktion lautet deshalb häufig: Ich will die gleichen Bedingungen, ich verlege meine Produktion in jene Länder, wo so gute Bedingungen vorherrschen. Oft sieht man in der Auslagerung sogar die einzige Überlebenschance für einen Betrieb. Vielfach blendet man jedoch andere, schlechte Bedingungen, gerade von Billiglohnländern, aus. Es mag schon Situationen geben, wo man nur noch ein billiges Massenprodukt im eigenen Betrieb hat und darum die Auslagerung die einzige Möglichkeit ist. Aber ist dies die Regel? 2. Und die Baubranche? Sie könnten sich jetzt als Vertreter der Bauwirtschaft zufrieden zurücklehnen und sagen: Aber was hat die Verlagerung von Arbeit und Arbeitern mit mir zu tun? Häuser müssen doch immer noch hier gebaut werden – und nicht in China. Das stimmt. Allerdings kann sich auch Ihre Branche nicht der globalen Entwicklung entziehen. Nur hat die Liberalisierung bei Ihnen schon Jahre früher eingesetzt. Sie ist Ihnen vertrauter als anderen Wirtschaftszweigen. Es ist für Sie seit langem ganz selbstverständlich, dass bei grösseren Bauvolumen auch ausländische Mitbewerber auftreten. Bei öffentlichen Ausschreibungen sind ganz konkrete juristische Vorgaben einzuhalten. Dass heute eine österreichische Firma massgeblich am NEAT-Bau beteiligt ist, zeigt, dass selbst hier nicht automatisch Schweizerfirmen bauen. Diese frühen Liberalisierungen und der hohe Konkurrenzdruck haben übrigens dazu geführt, dass gerade die Bauwirtschaft den Vergleich mit den umliegenden Nachbarländern nicht zu scheuen braucht. Zudem ist die Baubranche traditionell ein Sektor, wo schon seit Jahrzehnten Arbeitnehmer aus anderen Ländern rekrutiert werden. Für Sie ist die Personenfreizügigkeit schon länger Realität. Allerdings kann man an Ihrer Branche auch die Schwierigkeiten und mitunter Nachteile dieser – ich sage jetzt einmal – Arbeitnehmerfreizügigkeit ablesen. Zum Beispiel, wenn ausländische Arbeitskräfte freigestellt werden oder wieder durch neue – wenn möglich ausländische – Arbeitskräfte ersetzt werden, und es dann schwierig ist, die entlassenen Personen wieder einer Beschäftigung zuzuführen, wenn einmal die Sozialwerke eingesprungen sind. Aber zurück zur Frage: Wie sehr muss Sie die „Globalisierung“ als Vertreter von „bauenschweiz“ interessieren? Nun, ich halte die Bauwirtschaft seit je für den genauesten Konjunktur-Thermometer. Je munterer gebaut wird, desto besser steht es um unsere Volkswirtschaft. Die Bauwirtschaft reagiert schneller, ja geradezu feinfühliger als alle Analysten, Ökonomen und Wachstumsinstitute zusammen. Insofern ist es für Sie von grosser Bedeutung, ob sich die Schweiz als Ganzes in dieser Globalisierungsphase behaupten kann. Denn, wenn unser Land attraktiv bleibt, wenn die Schweiz konkurrenzfähig bleibt, wenn die Schweiz ihre Stärken ausbauen kann, wenn die Schweiz eine bessere Alternative bietet zu den meisten anderen Ländern, dann haben wir hier Wachstum und Wohlstand – und diese zeigt sich eben auch in einer regen Bauwirtschaft. 3. Alternativen Also: Es bleibt die Frage: Wie kann die Schweiz in diesem weltweiten Markt bestehen? Wie können wir den Werk- und Produktionsstandort Schweiz erhalten. Hierzu stellt sich eine weitere, ganz simple Frage: Was kann man in der Schweiz noch herstellen? Oder anders gesagt: Was stellt man in der Schweiz besser nicht her? Billige Massenwaren herzustellen – das heisst, Produkte, die jeder herstellen kann und wo es nur noch auf den Preis ankommt – dafür ist die Schweiz tatsächlich kein Standort. Die Schweiz ist ein teures Produktionsland. Das ist an sich keine negative Eigenschaft. Länder mit hohem Lebensstandard sind teure Länder. Bei der Massenproduktion sind uns die Billiglohnländer haushoch überlegen. Aber Massenprodukte sind nicht die einzige Möglichkeit. Länder mit hoher Qualität können andere Produkte herstellen, wo sie gegenüber Billiglohnländern im Vorteil sind. Wie soll also ein Unternehmer auf die Herausforderungen der Globalisierung reagieren? Zunächst gilt es: Einen klaren Kopf zu behalten. Man hat das zu tun, was man als Unternehmer in schwieriger Situation eben oft nicht tut: Man hat seine eigenen Stärken zu suchen. Nicht nach den eigenen Schwächen fragen. Diese werden in schlechten Zeiten ohnehin und ohne Zutun sichtbar. Was – in schwierigen Zeiten – weit schwieriger zu erkennen ist, sind die eigenen Stärken. Viele Unternehmen beschäftigen sich in panischem Aufruhr stets mit den eigenen Schwächen und fragen, was andere besser machen. Nein: Fragen Sie, was Sie besser können! Jedes Unternehmen hat eine Stärke. In guten Zeiten überschätzt man die eigene Stärke, in schlechteren unterschätzt man sie. Das gilt auch für die Standortqualität eines Landes. 4. Globalisierungsängste von gestern Ich habe gleich zu Beginn meiner Ausführungen von den Globalisierungsängsten gesprochen. Diese Ängste sind nicht neu. Die Vergangenheit anzuschauen kann diese Ängste in einem grösseren Zusammenhang erscheinen lassen. 1985 wurde in der Schweiz eine – auch aus heutiger Sicht – aufschlussreiche Umfrage erhoben. Gegenstand der Untersuchung: Wie schätzen die Schweizerinnen und Schweizer die Wirtschaftsnation Japan ein und wie erklären sie sich deren Erfolg (Japan wurde damals als die grosse Gefahr der Industrieländer bezeichnet – ähnlich wie heute China). Unser Land befand sich noch in den Ausläufern einer Rezession und man schaute gebannt nach Japan, dessen hochtechnologische Produkte sowohl in Preis und Qualität die europäischen Anbieter ausstachen. Fazit der Umfrage: * 1985: „Zwei von drei Schweizern haben Angst vor Japans Wirtschaft.“ Nur ein Fünftel der Befragten stufte die Zukunftschance der Schweizer Wirtschaft höher ein als jene Japans. Schauen wir nun aber, wie sich Japan in der Folge weiterentwickelte. Ich lese Ihnen dazu ein paar Zeitungsmeldungen aus den letzten zwanzig Jahren vor. Zunächst ging der japanische Aufschwung scheinbar unaufhaltsam weiter. * 1993 zeichnet sich eine Wende ab. Eine Zeitung titelt mit leicht schadenfroher Poesie: „Das Schwert des Samurais rostet.“ * 1994: „Japans Sonne sinkt.“ * 1995: „Japans Wirtschaftsmassnahmen am Ziel vorbei.“ * 1998 werden die Prognosen noch düsterer: „Die grosse japanische Krise steht noch aus.“ Ein Schweizer Nachrichtenmagazin reimt: „Der Riese in der Krise.“ (Facts). * 1999: Die ehemalige Bewunderung kippt endgültig ins Höhnische: „Das Land der untergehenden Börse.“ * 2001: „Japan kommt nicht aus der Krise heraus.“ * Ein diesmal deutsches Nachrichtenmagazin weiss auch warum: „Japan fühlt seine wirtschaftliche Vormachtstellung durch China bedroht.“ * Das war 2002. Schon ein Jahr darauf heisst es: "Japans Wirtschaft zieht wieder an.“ * 2004: „Die Angst in Japan ist verflogen.“ – „Wer in Asien investiert, kommt an Japan nicht vorbei.“ * 2006: „Japans Wirtschaft gewinnt an Fahrt.“ * Das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ fasst zusammen: „Nach Jahren der Dauerkrise häufen sich die guten Nachrichten aus Japan: Die Wirtschaft wächst, die Börse boomt. Asiens Industrienation Nummer eins verdankt sein Comeback ausgerechnet seinem neuesten und härtesten Konkurrenten — China.“ Was können wir diesem Wechselbad der Nachrichtenmeldungen entnehmen? Die Bedrohungen erweisen sich als Chancen. Japan musste sich regenerieren, indem es sich wieder auf seine Stärken besann und auf die Prinzipien der Marktwirtschaft. Die staatlichen Interventionen verzögerten diesen Prozess nur. 5. Globalisierungsängste heute Auf unsere Verhältnisse übertragen: Die Bedrohung in der Marktwirtschaft heisst nicht Japan oder China oder Indien. Die Bedrohung ist immer der bessere Mitbewerber. Die Reaktion auf einen besseren Konkurrenten kann deshalb nicht darin bestehen, den Konkurrenten schlechter zu machen, ihn mit Schutzzöllen zu bestrafen, ihn politisch auszuhebeln. Die Reaktion kann auch nicht darin bestehen, den Schwächeren mit staatlichen Mitteln künstlich zu stärken. Der einzige Weg führt über das bessere Produkt, den besseren Preis, die bessere Entwicklung. Wir müssen anders sein, besser sein als unsere Konkurrenten. Für den Staat heisst dies nicht, serbelnde Wirtschaftszweige zu unterstützen, sondern dafür zu sorgen, dass die Wettbewerbsfähigen vorankommen! Gleichwohl haben wir uns schon ein paar Fragen im Zusammenhang der Globalisierung zu stellen. Etwa: * Wie können schweizerische oder europäische Firmen mit chinesischen Anbietern konkurrenzieren, wenn hier Auflagen und Bestimmungen eingehalten werden müssen, die andernorts einfach wegfallen? Oder anders gesagt: Wenn Sie einen Kühlschrank kaufen, der in Westeuropa hergestellt wurde, finanzieren Sie vielleicht mit 10 bis 20 Prozent des Kaufpreises den westlichen Sozialstaat mit. * Was sind die Konsequenzen? Soll sich Europa abschotten? Zölle erheben? Produkte schützen? Weltgewerkschafter spielen und in anderen Staaten die Arbeitsbedingungen diktieren? Sicher nicht. * Ein Bereich, wo die Politik aber durchaus gefragt ist, betrifft den Schutz des geistigen Eigentums. Der Schutz von Patenten. Schutz vor Fälschungen und Nachahmungen. Es kann ja nicht sein, dass ein Unternehmen hohe Summen in die Entwicklung eines neuen Produktes steckt – und damit auf Vorsprung durch Innovation setzt – und dann wird dieses Produkt einfach kopiert und dann mit unschlagbar günstigen Produktionsbedingungen konkurrenziert. Wenn ich eingangs gesagt habe, in dieser beschleunigten Globalisierungsphase würde die Politik gebannt auf die Wirtschaft und die Wirtschaft gebannt auf die Politik schielen, dann hat das manchmal durchaus auch Gründe. 6. Auf die unternehmerische Freiheit setzen Ich möchte aber noch einmal auf die Umfrage von 1985 zurückkommen. Wie gesagt, äusserten damals zwei Drittel ihre Besorgnis über die aufsteigende Wirtschaftsnation Japan. Allerdings sagte auch die Hälfte der Befragten, Japans Qualitäten (namentlich der Arbeitseifer) könnten Vorbild und Ansporn für uns sein. Auf diese Hälfte müssen wir setzen. Und ich gehe davon aus, dass Sie sich auch zu dieser Hälfte zählen. Ich wünsche Ihnen hierbei viel Erfolg. Als Bundesrat sage ich Ihnen: Wir – der Staat – haben dafür zu sorgen, dass Sie ein Umfeld bekommen, in dem Sie produzieren können. Das heisst: weniger Vorschriften, gute Schulen, weniger Steuern, Abgaben und Gebühren, gute Verkehrsbedingungen und vor allem: möglichst viel unternehmerische und persönliche Freiheit! Ich wünsche Ihnen und mir viel Erfolg, dass dies alles gelingt!