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17.11.2002

«Ein gutes Management hat keine Angst, wenn Ems Einsitz nimmt»

Über seine Rolle als Lonza-Grossaktionär, seine Nachfolge und die Konjunktur Interview mit der "SonntagsZeitung" vom 17. November 2002 von Andreas Kälin und Daniel Zulauf Herrliberg ZH - Die von Christoph Blocher kontrollierte Ems-Chemie hält direkt und indirekt über Put-Optionen 20,7 Prozent der Aktien von Lonza. Obwohl Ems nun der grösste Aktionär des Feinchemiekonzerns ist, hat Lonza-Präsident Sergio Marchionne im "Cash" erklärt, er sei "nicht überzeugt, dass es nötig ist, Christoph Blocher in den Verwaltungsrat aufzunehmen". Noch wichtiger als Lonza ist dem 62-jährigen Blocher die Regelung seiner Nachfolge: Bald entscheidet er über die Börsenzukunft seiner Ems-Chemie. Christoph Blocher, Sie wollen einen Sitz im Lonza-Verwaltungsrat. Lonza-Präsident Sergio Marchionne hat auf Ihr Ansinnen öffentlich ablehnend reagiert. Hat er Sie auch direkt kontaktiert? Christoph Blocher: Von einer feindlichen Reaktion ist mir von Lonza direkt nichts bekannt. Auf Herr Marchionnes Aussage trete ich nicht ein. Wir können nicht über die Medien kommunizieren. Ich habe mit dem Verwaltungsrat von Lonza einen Termin vereinbart, um über mein Anliegen zu sprechen. Aber eines ist klar, Ems kann nicht 500 bis 800 Millionen Franken gebunden haben, ohne im Verwaltungsrat vertreten zu sein. Andernfalls müssten wir die Beteiligung abbauen. Rechnen Sie jetzt damit, dass Lonza Ihnen den Verwaltungsratssitz verweigert? Blocher: Nein. Der Verwaltungsrat kann nichts dagegen haben, dass der grösste Aktionär im Verwaltungsrat vertreten ist. Ein gutes Management hat davor keine Angst. Dass Ems Einsitz nehmen will, ist auch kein Zeichen des Misstrauens. Beim Umfang unserer Beteiligung ist eine Kontrolle notwendig. Ob ich mich selber für diesen Verwaltungsrat zur Verfügung stelle, ist noch offen. Das Amt kann auch jemand anders übernehmen. Marchionne hält Ihnen vor, dass Sie wegen Ihrer Tochter Ems Dottikon in einen Interessenkonflikt geraten könnten. Blocher: Auch das höre ich zum ersten Mal. Ich war ja schon bis 2001 im Verwaltungsrat von Lonza, und die Frage allfälliger Interessenkonflikte wurde selbstverständlich damals schon geprüft. Gab oder gibt es Absichten, Ems mit Lonza zusammenzuspannen? Blocher: Alusuisse-Lonza fragte damals, ob man Ems nicht mit der Algroup fusionieren könne. Wir prüften das und sahen, es macht keinen Sinn. Heute besteht keine Absicht, Ems mit Lonza zusammenzulegen. Wollen Sie mit Ihrer Beteiligung auch verhindern, dass Lonza an einen ausländischen Konkurrenten geht? Blocher: Ich sähe es nicht gerne, wenn Lonza an einen ausländischen Konzern ginge. Das wäre für die schweizerische Chemie wohl eine Schwächung. Haben Sie in der Auktion des Lonza-Paketes von Martin Ebner mitgeboten? Blocher: Nein. Es war von Anfang an klar, dass die Aktien zu einem relativ hohen Preis den Besitzer wechseln würden. Warum das? Blocher: Wenn Dritte für die Lonza-Aktien nicht den erhofften Preis zahlen, nehmen Ebners Gläubigerbanken die Titel selber in ihre Schatullen. Das ist wie bei einem Haus mit einer Hypothek von 800 000 Franken. Wird es zwangsversteigert und niemand bietet so viel, kauft es die Bank für 800 000 Franken. Sie nimmt lieber das Haus als Verluste auf den Guthaben. Dann glauben Sie, dass Ebners Gläubigerbanken das Lonza-Paket übernommen haben? Blocher: Ziemlich sicher. Die Banken haben die Aktien wahrscheinlich zu 85 Franken ersteigert. Dann wurde wohl der Kurs auf 89 Franken hochgehalten. Später folgte eine Kaufempfehlung für Lonza-Aktien. Die Banken können so die Titel weiterplatzieren. Wenn es sich so abgespielt hat, wäre das ein schlimmes Beispiel einer Interessenkollision bei den Banken. Blocher: Beweise gibt es nicht, aber Vermutungen. Die Banken lernen nichts. Sie sagen, wir haben eine Kreditabteilung, eine Abteilung für Kundenberatung, haben Analysten, eine separate Gruppe für Bookbuildings, alles getrennt. Aber in diesem Fall lässt sich erkennen, wie wunderbar alles ineinander läuft. Wie geht es weiter mit Ihrer Ems-Chemie, wo Sie Ihre Nachfolge regeln müssen? Blocher: Es geht darum, ob wir aus Ems-Chemie eine echte Publikumsgesellschaft machen wollen oder ob man die Firma von der Börse nehmen soll. Es ist ein schwieriger Entscheid, den ich bis Ende Jahr fällen muss. Wovon hängt er ab? Blocher: Klar, das Going Private liegt mir näher. Zudem ist bei einer privaten Firma die Steuersituation für die Erben besser. Ich konnte die Vermögenssteuer zahlen, ohne die Firma auszubluten. Dies muss auch bei meinen Erben so sein. Aber zuallererst muss die Weiterentwicklung der Firma gewährleistet sein. Heute brauchen wir die Börse zwar nicht. Aber in fünf oder zehn Jahren, wenn wir stark expandieren, könnte sich das ändern. Wollen Sie Ems-Chemie zusammenhalten, oder ist eine Aufsplittung denkbar? Blocher: Als Publikumsgesellschaft ist eine Aufteilung nicht sinnvoll. Als private Firma wäre es theoretisch denkbar. Man könnte diese einzelnen Teile separat wieder an die Börse bringen. Sie sehen, alles wird geprüft. "Die Wirtschaft braucht die Rezession als Selbstreinigungsprozess" Man könnte auch Teile mit Lonza zusammenlegen. Blocher: Heute sehe ich darin keinen Sinn. Aber als Unternehmer wie als Politiker halte ich mir gerne viele Varianten offen. Kommen Ihre Kinder in Frage, um Ihre Nachfolge in der Unternehmensleitung anzutreten? Blocher: Wir werden sehen. Meine älteste Tochter ist Vizepräsidentin des Ems-Verwaltungsrats. Sie war zuerst bei einer amerikanischen Chemiefirma, dann Verkaufschefin bei Rivella. Sie stand hinter der Kampagne "Welche Farbe hat ihr Durst?". Sie könnte Ems operativ führen. Und Ihre anderen Kinder? Blocher: Der zweite Sohn ist Chemiker und arbeitete zwei Jahre für McKinsey. Seit einem Monat ist er bei Ems als Leiter für besondere Projekte tätig. Er muss sich jetzt bewähren. Gefällts ihm und gefällts mir auch, dann können wir zusammenschaffen. Die anderen zwei Kinder sind nicht im Unternehmen. Alle vier können auch nicht in der gleichen Firma tätig sein. In der Regel gibt so etwas nur Streit. Was ist heute wahrscheinlicher, die Variante, dass Sie aus Ems-Chemie eine echte Publikumsgesellschaft machen, oder ein Going Private? Blocher: Es steht immer noch 50 zu 50 Prozent. Bis Ende Dezember entscheide ich. Sie halten an Ems-Chemie 70 Prozent vom Kapital und 85 Prozent der Stimmen. Würden Sie, wenn Sie die Variante Publikumsgesellschaft wählen, die Mehrheit abgeben? Blocher: Wenn wir eine echte Publikumsgesellschaft werden wollen, müssen wir wohl eine Einheitsaktie einführen. Auch dann hätte ich das Stimmenmehr. Aber um den Aktienhandel liquider zu machen, müsste ich wohl auch die Mehrheit abgeben. Ihnen wird eine gute Nase für die Konjunkturentwicklung nachgesagt ... Blocher: Im Moment werde ich wohl etwas überschätzt. Wie wird sich die Wirtschaft in den nächsten Jahren entwickeln? Blocher: In Europa hat die Rezession erst angefangen, ich sehe es in der Autoindustrie. Amerika steckt schon seit 1998 im Tief, dort kommt bald die Wende. Aber die USA haben damals ja noch Wachstumsraten ausgewiesen. Blocher: Das sind gemachte Wachstumsraten gewesen. Ich glaube, beim Bruttoinlandprodukt werden Dienstleistungen ganz falsch bewertet. Auf solche Daten schaue ich weniger, ich bin am Markt und liebe einfache Parameter, zum Beispiel den Papier- oder Autoabsatz. Es gibt ein paar Indizien, die in den letzten dreissig Jahren immer zuverlässig waren. Vor kurzem prophezeiten Ökonomen noch, es werde künftig keine Zyklen wie früher mehr geben. Blocher: Hoch und Tiefs sind eine Notwendigkeit. Es gibt immer wieder Rezessionen und immer aus dem gleichen Grund. In einer Hochkonjunktur ist das Angebot zu klein. Dann investieren alle, und zwar zu viel. Dann dauert es Jahre, bis die Überkapazitäten bereinigt sind. Wie lange wird es denn dauern, bis Ems wieder investiert? Blocher: Ich habe nun vier Jahre wenig investiert. Immer wenn die Euphorie am grössten ist, muss man bremsen. Im Superjahr 1998 hat Ems einen Personal- und Investitionsstopp angeordnet. Jetzt fangen wir wieder an zu investieren. Dann sind wir parat, wenn es 2004, vielleicht auch erst 2005, aufwärts geht. Das ist wie bei den biblischen Zyklen, mit sieben mageren und sieben fetten Jahren. Zyklen als eherne Notwendigkeit? Blocher: Ja. In allen Hochkonjunkturjahren wird in den Firmen viel Mist gemacht. Der Mensch erträgt gute Jahre schlecht. Da tauchen auch die angenehmen Repräsentationsfiguren auf, die aussehen, als wenn sie den ganzen Tag am Mittelmeer lägen. Schlechte Manager, die in den Gigantismus hineininvestieren. Es wird bei den Bilanzen geschummelt. Jetzt in der Rezession wechselt man die unfähigen Manager aus. Die Wirtschaft braucht die Rezession als Selbstreinigungsprozess.

16.11.2002

Parti gouvernemental ou parti d’opposition?

Mon discours au congrès de l'UDC, Lupfig 16. novembre 2002

13.11.2002

Stopp dem Asylmissbrauch

Mein Beitrag zur aktuellen Situation im schweizerischen Asylwesen Nationalrat Christoph Blocher, Herrliberg, November 2002 Seit über zehn Jahren versuchen Bundesverwaltung, Hilfswerke und Medien die Asylmissstände zu leugnen und zu verharmlosen. Gerade das Kartell der Hilfs-werke hat ein vitales Eigeninteresse an einem funktionierenden Asylbusiness. Hunderte von Millionen Franken versickern so jährlich in einem überzüchteten Ver-waltungsapparat. Unsere Gesetze (insbesondere die Asylrekurskommission) begünstigen die illegale Einwanderung und somit den Asylrechtsmissbrauch. Dies geschieht auf Kosten der Schweizer Bevölkerung und auf Kosten der tatsächlichen Flüchtlinge. Die SVP will mit ihrer Initiative dem Asylrechtsmissbrauch rechtlich und politisch den Riegel vorschieben. Dies, nachdem sie seit über 10 Jahren die Exzesse im Asylwesen bekämpft hatte und jeder Vorstoss mit Versprechen, die nie eingehalten werden konnten, abgeschmettert worden war Vorgeschichte Schon 1996 hat man die SVP-Initiative gegen die illegale Einwanderung mit Argu-menten bekämpft, die man rückblickend als krasse Täuschung des Volkes be-zeichnen muss. So hiess es in der Botschaft des Bundesrates: "Die Zahlen be-weisen, dass es mit den von Parlament und Bundesrat ergriffenen Massnahmen im Asylbereich gelungen ist, die anstehenden Probleme zu lösen und die Lage zu stabilisieren." Der damalige Flüchtlingsdelegierte verkündete gar: "Der Asylant und Drogendealer wird von unserem neuen Gesetz erreicht und wird verschwinden." (Sonntagsblick, 17.4.1994) Das Gegenteil ist der Fall: Illegale Einwanderung und Ausländerkriminalität kennzeichnen weiterhin die Asylmisere. Wie die folgenden Zahlen und Fakten belegen, dürfen auch die gesellschaftspolitischen Auswirk-ungen in den Bereichen Sicherheit, Bildung und Finanzhaushalt nicht ver-schwiegen werden Zahlen und Fakten Zur Zeit haben wir jährlich etwa 20'000 Asylgesuche. Das sind pro Kopf sechs mal mehr als unser Nachbar Frankreich. Die Schweiz nimmt prozentual mehr Asyl-gesuche entgegen als jedes andere Land in Europa. Die meisten reisen illegal über ein sicheres Drittland ein. Um die Asylzahlen zu kaschieren, hat man neue Aufenthaltskategorien geschaffen ("anerkannte Flüchtlinge", "vorläufig Aufge-nommene"). Insgesamt sind also fast 100'000 Personen dem "Asylbereich" zu-zuordnen. Etwa 90% aller Asylgesuche werden abgelehnt. Über 70% der abge-wiesenen Asylbewerber tauchen einfach unter. Man muss davon ausgehen, dass viele davon illegal in der Schweiz weiter leben. Die Zahl der Illegalen wird auf 150'000 bis 200'000 Personen geschätzt. Nur ein Bruchteil aller Asylanten, vor-läufig Aufgenommenen und anerkannten Flüchtlingen gehen einer Arbeit nach. Der ganze Rest lebt von der Fürsorge oder bezieht Arbeitslosenunterstützung. Von "Wirtschaftsflüchtlingen" kann also keine Rede sein. Wir haben eine (illegale) Zu-wanderung in unser Sozialsystem. Die Kriminalität ist beträchtlich. Der Strassen-handel mit Drogen ist oft in den Händen von Asylbanden. Allein für den Strafvollzug krimineller Asylanten müssen jährlich 350-400 Millionen Franken aufgewendet werden. Die gesamten Kosten im Asylwesen belaufen sich laut Berechnungen der "Weltwoche" auf zwei Milliarden Franken jährlich! Folgerungen Nur 5-10% der Asylsuchenden sind echte Flüchtlinge. Und dies obwohl der Flücht-lingsbegriff systematisch ausgeweitet wird, um die Anerkennungsquote künstlich nach oben zu treiben. Wenn ein Gesetz von 90% der Betroffenen ge-brochen wird, muss man sich zwei Dinge fragen. Erstens: Taugt dieses Gesetz? Und zweitens: Werden die Gesetze in unserem Land überhaupt noch durch-gesetzt und hat das Folgen für den Rechtsbrecher? Man muss im Asylzu-sammenhang leider beide Fragen mit Nein beantworten. Die SVP-Initiative wird deshalb die Attraktivität des Asyllandes Schweiz senken. Die SVP-Initiative wird den Asyltourismus verhindern und so die Zahl der Scheinasylanten senken und damit auch die unverhältnis-mässigen Kosten. Die SVP-Initiative schafft eine wirksame rechtliche Grundlage gegen den Asylmissbrauch. Die Gesetze allein lösen aber das politische Problem noch nicht. Bundesrat und Bundesverwaltung sind heute schon nicht fähig oder nicht willens, die bestehenden Gesetze durch-zusetzen. Neben der asylrecht-lichen Wende braucht die Schweiz darum auch eine asylpolitische Wende. Mit einem Ja zur SVP-Initiative "Gegen Asylrechts-missbrauch" kann das Schweizer Volk die dringend nötige asyl-politische Wende einleiten.

12.11.2002

Attraktivität des Asyllandes Schweiz senken

Interview mit dem "Bündner Tagblatt" vom 12. November 2002 Die SVP-Initiative schaffe die Grundlage für eine kompromisslose Asyl-politik. Davon ist SVP-Nationalrat Christoph Blocher überzeugt. Es gelte, die humanitäre Tradition für echte Flüchtlinge weiter zu garantieren, dem Missbrauch aber einen Riegel zu schieben. Interview Claudio Willi Das Stimmvolk hat 1996 und 2000 Nein zu Asyl- oder Ausländervorlagen gesagt. Warum sollte es dies nicht auch jetzt tun? Christoph Blocher: Weil das Schweizervolk seit der SVP-Initiative gegen illegale Einwanderung von 1996 gemerkt hat, dass der Bundesrat mit falschen Versprechungen und falschen Argumenten operiert hat. 1994 verkündete der damalige Flüchtlingsdelegierte des Bundes: "Der Asylant und Drogendealer wird von unserem neuen Gesetz erreicht und wird verschwinden." ("Sonntags-Blick", 17. April 1994) Fragen Sie die Polizei oder lesen Sie die Zeitungen! Der Drogenhandel ist nach wie vor fest in den Händen von Asylbanden. Die Gefängnisse sind voll von kriminellen Asylanten und Ausländern. Diese Missstände müssen ein Ende haben. Wir haben heute bedeutend weniger Flüchtlinge in der Schweiz als 1999 - die Rückführung in den Balkan hat funktioniert. Wieso werden jetzt weitere verschärfende Massnahmen gefordert? Blocher: Ob die Rückführung in den Balkan wirklich geklappt hat, wage ich zu bezweifeln. Was sich unabhängig von der Zahl der Asylgesuche nicht geändert hat, ist der Prozentsatz der Asylrechtsmissbräuche. 90 bis 95 Prozent aller Asylgesuche werden abgelehnt. Die grosse Mehrzahl sind also Scheinasylanten, die unsere Gesetze, unseren Sozialstaat und nicht zuletzt unsere Bevölkerung ausnutzen. Das dürfen wir nicht mehr länger hinnehmen. Hauptpfeiler der Initiativforderung bildet die Drittstaatenregelung, das Zurückschicken in ein sicheres Land. Eine Umsetzung dieser Forderung sei gar nicht möglich, betonen Bundesrat und Parlamentsmehrheit. Blocher: Wo der politische Wille fehlt, ist tatsächlich nichts möglich. Schon heute sind Bundesrat und Bundesverwaltung nicht fähig oder nicht willens, das bestehende Recht durchzusetzen. Die SVP-Initiative schafft wenigstens die gesetzliche Grundlage für eine kompromisslose Asylpolitik. Dass diese Gesetze nicht konsequent umgesetzt werden, ist ein politisches Problem. Will die politische Führung, kann die Asylinitiative auch umgesetzt werden. Die Initiative rennt teilweise offene Türen ein - so werden beispielsweise Fluggesellschaften, die Passagiere ohne gültige Papiere transportieren, schon heute mit Sanktionen belegt. Blocher: Die Behörden haben in dieser Beziehung dem politischen Druck nachgegeben. Allerdings ist an der konsequenten Umsetzung zu zweifeln, wenn die Asylinitiative abgelehnt werden sollte. Die Kantone können doch bereits Kürzungen vornehmen, da braucht es dazu die Initiative nicht? Blocher: Die Schweiz nimmt pro Kopf am meisten Asylanten auf in Europa. Sieben Mal mehr als unser Nachbar Frankreich! Bund, Kantone und Gemeinden geben jährlich über zwei Milliarden Franken aus für das Asylwesen. Das ist im Jahr eine Million Franken pro anerkannten Flüchtling! Der Asyltourist sucht sich jenes Land aus, das ihm am meisten Annehmlichkeiten bietet. Wird die Initiative angenommen, senkt dies die Attraktivität des Asyllandes Schweiz, ohne dass gleichzeitig die echten Flüchtlinge bestraft werden. Die Initiative will ein verschärftes Arbeitsverbot. Ist es aber nicht für alle Beteiligten besser, wenn Asylsuchende etwas arbeiten als nur herumzusitzen? Blocher: Nein. Die meisten Asylanten kommen illegal in die Schweiz, um sich hier niederzulassen. Entscheidend ist, dass Asylanten zentral untergebracht werden und dort möglichst rasch über das Gesuch entschieden wird. Wer illegal einwandert und das Asylrecht missbraucht, soll nicht noch mit Arbeitserlaubnis und Aufenthaltsbewilligung belohnt werden. Was bewirkt ein Ja zur Volksinitiative? Blocher: Wir werden bessere Gesetze haben, aber nicht bessere Politiker. Die illegale Einwanderung wird gestoppt, die Attraktivität des Asyllandes Schweiz gesenkt und damit die horrenden Kosten reduziert, sofern die Initiative umgesetzt wird. Die bisherige Asylpolitik hat gezeigt, dass es neben den Gesetzen auch die richtigen Leute braucht, die diese Gesetze restriktiv umsetzen. Widerspricht ein Ja letztlich nicht der humanitären Tradition der Schweiz? Blocher: Die humanitäre Tradition gilt für die echten Flüchtlinge, nicht für den Missbrauch. Es gibt auch eine Tradition des schweizerischen Rechtsstaates. Wenn ein Gesetz von 90 bis 95 Prozent der Betroffenen gebrochen wird, kann dies so nicht gehen. Warum steht die SVP Schweiz auf nationaler Ebene mit ihrer Forderung allein in der politischen Landschaft? Blocher: Allein? Wie kommen Sie darauf? Im Gegenteil. Die letzten Abstimmungen haben gezeigt, dass die Hälfte der schweizerischen Bevölkerung die Ziele der SVP teilt. Wir sind eine Volkspartei und setzen uns für die Anliegen des Volkes ein und nicht für die Interessen von irgendwelchen Parteien, Verwaltungen oder der Asylindustrie. Das werden wir auch weiterhin tun.

06.11.2002

«So wäre das Regieren interessant»

Interview mit dem Tages Anzeiger vom 6. November 2002 In Brasilien habe Lula da Silva 22 Jahre gekämpft, bis er an die Macht kam, sagt Christoph Blocher. "Ich werde mein Ziel wohl erst erreichen, wenn ich aus Altersgründen für den Bundesrat nicht mehr in Frage komme." Interview: Richard Aschinger Am 4. Dezember wählt die Bundesversammlung eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für die Genfer Sozialdemokratin Ruth Dreifuss. Warum treten nicht Sie als Sprengkandidat an? Christop Blocher: Wir haben in der SVP fähige Leute, die bereit sind anzutreten. Ich bin da nur die letzte Reserve. Aber Sie sind doch der Beste . . . Blocher: Toni Bortoluzzi ist ein hervorragender Kandidat. Ein ausgezeichneter Kenner der Probleme im Sozialversicherungsbereich. In der zuständigen National-ratskommission, die er jetzt präsidiert, hat er an wichtigen Reformen mitge-arbeitet. Als selbstständiger Schreinermeister verfügt er über KMU-Erfahrung. Wir hätten endlich wieder einmal einen Bundesrat, der in diesem Gebiet über eigene Sachkompetenz verfügt. Frau Dreifuss hat einfach ihr gewerk-schaftliches Modell vertreten, und Frau Metzler betet die Botschaft ihrer unter-gebenen Beamten nach. Toni Bortoluzzi wäre ein zweiter Willi Ritschard, nur auf soliderem Boden, weil er nicht Sozialdemokrat ist. Es wäre gut, im Bundesrat wieder einmal einen mit viel gesundem Menschenverstand zu haben. Nehmen wir einmal an, am 4. Dezember würde der SVP-Kandidat gewählt. Was wären die Konsequenzen? Blocher: Dann wären in Zukunft unsere Vorschläge schon in der Regierung viel stärker vertreten. Der Reihe nach: Wenn Bortoluzzi gewählt würde, wäre die Chance gross, dass die SP sich ganz aus der Regierung zurückzieht. Blocher: Warum? Wir haben ja auch nur einen Sitz im Bundesrat und treten nicht aus. Für die SP hat die Dreifuss-Nachfolge symbolische Bedeutung. Und für Bundesrat Leuenberger wäre ein Rücktritt aus Protest gegen eine bürgerliche Sprengaktion die Gelegenheit, als guter Sozialdemokrat und Verteidiger der Konkordanz in die Geschichte einzugehen. Blocher: Das ist möglich. Da muss die SP selber wissen, was sie will. Wenn Leuenberger zurückträte: Wer sollte den zweiten SP-Sitz erben? Blocher: Vom Wähleranteil her gesehen könnte die SVP drei Sitze bean-spruchen. Von der Grösse der Fraktion die im Ständerat stärker vertretene FDP. Wir würden uns da sicher einigen. Wichtig wäre dann, dass eine Person gewählt würde, die das bürgerliche Gedankengut voll und ganz vertritt. Allein im Bundesrat würden die Bürgerlichen die Verantwortung tragen. Wir müssten uns ständig mit einer echten Opposition auseinander setzen. So wäre das Regieren interessant. In einer solchen Regierung wäre ich gern. Basis eines bürgerlichen Bundesrats müsste ein Koalitionsvertrag zwischen der SVP, FDP und CVP sein. Was wären die Kernpunkte? Bei den Finanzen, wo die SVP weitere Steuersenkungen fordert? Blocher: Wir verlangen seit 1999, die Steuern seien um 10 Prozent zu senken, nicht nur für Familien, sondern auch für die Unternehmen. Das könnten die drei bürgerlichen Parteien im Rahmen des Steuerpakets, das jetzt im Parlament liegt, rasch verwirklichen. Das wäre auch ein starkes wirtschaftspolitisches Signal. Dann kämen viele neue Unternehmen mit vielen neuen Arbeitsplätzen in die Schweiz. Zuerst gäbe das weitere Milliardenlöcher im Haushalt von Bund und Kantonen . . . Blocher: Wir haben Sparvorschläge im Umfang von rund 2,5 Milliarden Franken pro Jahr unterbreitet. Im Gesamthaushalt gesehen ist das ein Pappenstiel. Hätten wir die Expo nicht gemacht und uns nicht ins Swiss-Abenteuer gestürzt, hätten wir für das laufende Jahr schon drei Milliarden gespart. Persönlich wäre ich für wesentlich grössere Einsparungen von 5 Milliarden. Da müsste man sich in einer bürgerlichen Regierung dann halt einigen. Rasch Steuern senken. Später über Sparmöglichkeiten reden. Das Resultat wären massive Defizite. Haben die Bürgerlichen nicht immer wieder der Linken vorgeworfen, sie propagiere Defizitwirtschaft? Blocher: Steuereinnahmen steigen und sinken mit der Konjunktur. Schlimm sind steigende Ausgaben, nicht vorübergehende Defizite. Wir müssen die Steuern senken und die Gesamtausgaben reduzieren. Wo konkret? Zum Beispiel bei der Land- und Forstwirtschaft, wo SVP-Wähler und -Wählerinnen betroffen wären? Blocher: Kaum ein Bereich hat Reduktionen erfahren wie die Landwirtschaft. Seit man die Landwirtschaft nicht mehr über Preise, sondern mit Direktzahlungen unterstützt, haben die Bauern massive Einbussen erlitten. Ich habe nichts gegen dieses System, aber die Agrarbürokratie muss weg. Wir brauchen ein einfaches System, in dem Bauern abgestuft nach Lage für die Bewirtschaftung des Landes entschädigt werden. Unser Interesse ist, dass das Land nicht vergandet. Was die Bauern anbauen, ist ihre Sache. Also keine weiteren Sparschnitte in der Landwirtschaft? Blocher: Nein, aber das genannte System brächte geringere Kosten und mehr für die Bauern. Bei der Armee? Blocher: Alle Departemente können Kosten senken, ohne Leistungen abzubauen. Und überall gibt es auch Leistungen, auf die man verzichten kann. Am grössten ist das Sparpotenzial in der Aussenpolitik, vom Asylwesen bis zur Entwicklungshilfe. Auch bei der Armee kann man noch sparen. Die Auslandeinsätze der Armee sind aussenpolitischer Schnickschnack. Und Dienstleistungen der Armee für zivile Anlässe, die auch andere erbringen können, soll man streichen. Es ist eine Sauerei, wenn man Soldaten für Wiederholungskurse aufbietet, die drei Wochen am Arbeitsplatz fehlen, um sie an der Expo Hilfsdienste leisten, bei Pferderennen Hindernisse aufstellen oder bei Schwingfesten den Verkehr regeln zu lassen. Auch in der Bürokratie kann die Armee noch sparen. Der grösste Teil der Militärfinanzen geht nicht in Auslandeinsätze, sondern in den Betrieb von Hightech-Waffensystemen. Blocher: Für Bauten und Administration sind die Kosten zu reduzieren. Nicht aber für Waffen gegen neue Bedrohungen. Wir brauchen zwar keine Panzerarmee mehr. Aber auf einen Schutzschild gegen Angriffe aus der Luft können wir nicht verzichten. Unser Ziel muss es sein, Kosten zu senken und gleichzeitig die Leistung zu erhöhen. Das ist das erklärte Ziel der Armeereform, gegen die jetzt aus Kreisen der SVP das Referendum ergriffen wird. Blocher: Dieses Ziel wird nicht erreicht. Ich unterstütze dieses Referendum nicht. Aber ich bin nicht für diese Armeereform. Sie ist ein Schritt weg vom Milizsystem und bringt eine weitere Annäherung an die Nato. Eine Armee nach den Vor-stellungen der SVP ist wirksamer, aber nicht teurer. Im Bereich Verkehr: Was würde eine bürgerliche Koalition da ändern? Blocher: Im Strassenbau sind Geld und Projekte vorhanden. Hier kann der Staat in Zeiten wirtschaftlicher Flaute etwas mehr ausgeben, ohne dass sich die Situation des Bundeshaushalts verschlechtert: Die Lücken im National-strassennetz rasch schliessen, Hauptachsen ausbauen und am Gotthard eine zweite Röhre bauen. Und im öffentlichen Verkehr? Blocher: Da wird so viel investiert, dass man kaum noch mehr machen kann. Im öffentlichen Verkehr muss stärker die Wirtschaftlichkeit beachtet werden. Hier kann gespart werden. Was würde eine bürgerliche Koalitionsregierung bei der AHV anders machen? Blocher: Unser Konzept zielt auf eine Rentenerhaltung ohne neue Steuern und Abgaben bis mindestens 2012. Kein Ausbau der Leistungen, aber auch keine Kürzung. Die bereits beschlossene Mehrwertsteuererhöhung und die höhere Tabaksteuer müssen voll in die AHV fliessen. Und wir sind nach wie vor der Meinung, dass die Erträge der überschüssigen Goldreserven in die AHV-Kasse gehören. Von Bürgerlichen hört man den Vorschlag, das Rentenalter weiter zu erhöhen. Blocher: Das Rentenalter 65 für Männer und Frauen ist beschlossen. Das ist aber nicht für alle Ewigkeit fixiert. Auch der Trend, dass wir immer älter werden, kann sich ja wieder ändern. Zur Aussenpolitik: Würde ein bürgerlicher Bundesrat unter SVP-Führung den Austritt der Schweiz aus der Uno anstreben? Blocher: Nein. Austreten ist schwieriger als nicht beitreten. Der Beitritt ist be-schlossen. Aber eine ganz klar andere Linie gäbe es in der Europapolitik. Ein bürgerlicher Bundesrat müsste der EU endlich klar mitteilen, dass die Schweiz nicht beitreten wird. Die laufende zweite Runde der bilateralen Verhandlungen wäre abzubrechen. Über einzelne Sonderabkommen kann man verhandeln. Aber die Schweiz braucht kein neues Vertragspaket. Dass der Bundesrat in diese Ver-handlungen eingestiegen ist, hat nur zwei Ursachen: Bundesrätin Metzler will die Schweiz ins Schengen-Abkommen integrieren und so die Unfähigkeit des Bundesrats in der Ausländerpolitik vertuschen. Und man will das Land mit weiteren kleinen Schritten einem EU-Beitritt näher bringen. Wie würde ein bürgerlicher Bundesrat auf die Forderung der EU reagieren, das bilaterale Abkommen, insbesondere die Freizügigkeit, auf die neuen EU-Mitglieder auszudehnen? Blocher: Sie müsste Nein sagen. Ich würde dafür eintreten, dass über eine Aus-dehnung erst verhandelt wird, wenn das Volk nach sieben Jahren in der im Vertrag vorgesehenen Abstimmung Gelegenheit hatte, über die praktischen Folgen der Freizügigkeit zu befinden. Auch dann, wenn die EU die weitere Gültigkeit des ganzen Abkommens von der Ausdehnung auf die neuen Mitglieder abhängig machen würde? Blocher: Ja. Die Vorteile des bilateralen Abkommens für unsere Wirtschaft sind minim, weil wir im Schwerverkehr mit der Zulassung von 40-Tönnern schwere Nachteile tragen. Zurück zum 4. Dezember. Gehen wir davon aus, dass diesmal kein zweiter SVP-Vertreter in den Bundesrat gewählt wird. Dann trifft man sich ein Jahr später nach den Parlamentswahlen zur Gesamterneuerung der Regierung. Welche Forder-ungen stellt die SVP, wenn sie ihre Position als wählerstärkste Partei noch ver-bessert? Blocher: Nach den Wahlen stellt sich die gleiche Frage wie vorher: Will die Schweiz eine Konkordanzregierung oder nicht. Wenn ja, bekommen die drei grossen Parteien je zwei Regierungssitze und die kleine einen. Wenn nicht, dann müssen sich FDP und CVP entscheiden, ob sie eine Koalition mit der SVP oder mit der SP eingehen wollen. Wenn sie, wie heute, lieber mit der SP regieren, dann wird die in den Wahlen gestärkte SVP ihre Opposition halt verstärken. Unser Ein-stieg als vollberechtigte Regierungspartei ist nur eine Frage der Zeit. In Brasilien hat Lula da Silva 22 Jahre in der Opposition gekämpft. Jetzt wurde er zum Präsi-denten gewählt. Ich werde mein Ziel wohl erst erreichen, wenn ich aus Alters-gründen für ein Amt im Bundesrat nicht mehr in Frage komme.