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02.11.2002

«Schuldenabbau kaum dauerhaft»

SVP-Nationalrat Chr. Blocher Interview mit der Finanz und Wirtschaft vom 02. November 2002 Herr Blocher, der Souverän hat am 22. September die AHV-Initiative der SVP und den Gegenvorschlag mit der Solidaritätsstiftung abgelehnt. Was spricht dagegen, mit den 20 Mrd. Fr. aus dem ‹überschüssigen› Nationalbankgold dem riesigen Schuldenberg von Bund, Kantonen und Gemeinden von 220 Mrd. Fr. die Spitze zu nehmen? Christoph Blocher: Die staatlichen Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Wer also Schulden abzahlt, sorgt dafür, dass die Steuerlast in der Zukunft leichter wird. Deshalb wäre der Schuldenabbau theo-retisch eine gute Sache. Weshalb nur theoretisch? Blocher: Meine langjährige Erfahrung zeigt, dass der psychologische Druck zum Geld-ausgeben für die Politiker derart gross ist, dass die Reduktion von kurzer Dauer wäre. Der neu gewonnene finanzielle Spielraum würde sofort wieder mit zusätzlichen Ausgaben gefüllt. Dann würde der Bürger gleich zweimal bezahlen, erstens mit dem Gold und zweitens mit der höheren Fiskalquote. Könnten die Politiker nicht mit Vorschriften analog der Schuldenbremse gezwungen werden, die Verschuldung auf dem neuen, tieferen Niveau zu halten? Blocher: Wenn Sie mir eine absolut wasserdichte Lösung bringen, werde ich mich sofort für den Schuldenabbau engagieren. Aber die Praxis zeigt, dass die Politiker jedes Regelwerk aushebeln oder so uminterpretieren, dass sie mehr Geld aus-geben können. Auch heute werden zum Beispiel in Bern trotz Schulden-bremse Defizite gemacht. Die Ausgabenfreudigkeit der Politiker lässt sich nur bremsen, wenn kein Geld mehr da ist und keine neuen Schulden mehr gemacht werden können. Sie wollen die Schulden und die schwere Zinsbürde nicht angehen, weil die Ent-lastung nicht von Dauer wäre. Ist das nicht so, wie wenn ein Doktor einen Bein-bruch nicht einschienen will, weil sich der Patient, wenn er gesundet, den Hals brechen könnte? Blocher: Nicht jeder, der sich ein Bein bricht und verarztet wird, bricht sich danach den Hals. In der Politik beträgt aber die Wahrscheinlichkeit, dass wieder Schulden gemacht werden, 99,99%. Wie sollen denn die 20 Mrd. Fr. nun eingesetzt werden? Blocher: Der AHV-Fonds wäre die beste Lösung. Damit werden künftige Steuern vermieden, was dem Effekt des Schuldenabbaus entspricht. Fliesst das Geld an die Kantone, ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese damit Schulden tilgen, leider sehr klein.

01.11.2002

Das musste Martin Ebner bitter erleben

Christoph Blocher, Ex-Ebner-Gefährte und Industrieller aus Überzeugung, über Manager, Martin Ebner und den Shareholder-Value. Interview mit Bilanz vom Oktober 2002, Rubrik "Wie Bitte?" Interview: Jean-Luc Ingold Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Wirtschaftslage? Christoph Blocher: Wir haben keine Krise ... Wie bitte? Blocher: ... keine Krise, aber einen Bruch im weltweiten Konjunkturverlauf - eine Rezession -, sozusagen als Reaktion auf die vielen sehr guten Jahre zuvor. Bis 1998 haben die USA praktisch einen zwölfjährigen Aufschwung erlebt, den längsten seit dem letzten Weltkrieg. Man vergisst viel zu schnell die einfache Regel, wonach auf fette Jahre magere Jahre folgen, und umgekehrt. Demzufolge sind wir in einem halben Jahr nicht über den Berg. Blocher: Wenn es ihm gut geht, denkt der Mensch, dass es ewig so weitergehe; das ist naturgegeben. Wenn es ihm schlecht geht, denkt er das Gegenteil. Ich glaube nicht, dass wir früher als in zwei oder drei Jahren aus der gegenwärtigen Flaute herauskommen. In der Schweiz hatten Beratungsfirmen einen grossen Einfluss auf Entscheidungen von Unternehmen, zum Beispiel der Swissair. Was ist falsch gelaufen? Blocher: Ihre Methode war an sich nicht falsch. Aber die beratenden Firmen haben die Methode zum Inhalt erhoben, und damit gingen sie davon aus, dass sich damit jederzeit alle Probleme lösen liessen. Wo die Methode zur Strategie wird, gepaart mit blindem Wachstumsglauben - wie eben bei der Swissair - stürzen Firmen ab. Die Swissair ist hier kein Einzelfall. Im Wahn wurden die Bilanzen angepasst: "Wir sind die Grössten, und deshalb genügt ein Eigenkapital von zehn Prozent, und wir können beliebig viele Schulden machen." Man sieht, wohin das bei Enron geführt hat. Aber auch wenn es mit rechten Dingen zugeht: Schulden haben ihre Grenzen. Das musste Martin Ebner bitter erleben. Er ist mit zu wenig eigenen Mitteln zu gross geworden. Was hat Martin Ebner falsch gemacht? Blocher: Hinterher ist es immer einfach zu sagen, die Strategie sei falsch gewesen. Nach der Gründung seiner ersten Gesellschaft - der Pharma Vision, an der ich beteiligt war - hat Ebner begonnen, die Anzahl seiner Firmen zu vervielfachen. Das Ganze wurde zu breit. Hier konnte ich nicht mehr folgen. Das war 1997. Als Industrieller darf und kann ich mich nicht verzetteln. Wenn die Anzahl Firmen stetig zunimmt und es an allen Ecken und Enden zu brennen beginnt, wird man zum Feuerwehrmann, der von einem Brandherd zum anderen rennt, aber kein einziges Feuer mehr löschen kann. Martin Ebner war ein Verfechter des Shareholder-Value. Haben die Versuche, dieser Maxime nachzukommen, erst recht zu Verlusten geführt? Blocher: Nein. Ich bin ein vehementer Verfechter des Shareholder-Value. Aber durch Überbetonung auch guter Ziele wurden Fehler gemacht, und es ist Missbrauch betrieben worden. Wir haben es hier mit demselben Phänomen zu tun wie in der so genannten New Economy. Ein blinder Glaube an Wachstum - ohne Produkte. Waren das die einzigen Fehler? Blocher: Die guten Unternehmer, die ich kenne, arbeiten nicht alle nach der besten Managermethode. Aber sie führen ihr eigenes Unternehmen mit allen Chancen und Risiken. Sie haben die Fähigkeit, dafür ihr Letztes zu geben, und leben für und vor allem vom Unternehmen. Ganz im Gegensatz zu den Managern, die plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht sind. Diese haben die Unternehmen - ihre rechtmässigen Besitzer, die Aktionäre - enteignet und so in die eigene Tasche gewirtschaftet. Deshalb kämpfe ich dafür, dass die Manager von börsenkotierten Firmen ihre Saläre inklusive Boni, Optionen und anderer Gratifikationen offen legen. Ich verlange auch, dass sie auf Grund der Resultate, die sie erreichen, entlöhnt werden sollen.

27.10.2002

Machtkampf der Alphatiere um Lonza

Bericht von Sonntags Zeitung vom 27. Oktober 2002 Aktionär Christoph Blocher will in den Verwaltungsrat zurück, Präsident Sergio Marchionne sträubt sich dagegen von Peter Knechtli Durch den Zwangsverkauf der Ebner-Aktien kommt es um die Führung des Basler Feinchemie-Konzerns Lonza zu einem Machtkampf: Grossaktionär Christoph Blocher will sein Aktienpaket massgeblich vergrössern und in den Verwaltungsrat - der neue Präsident Sergio Marchionne blockt ab. Sollte der Versuch nach verstärkter Einflussnahme scheitern, erwägt Blocher einen Verkauf seiner Lonza-Beteiligung. "Es herrscht Krieg", beschreibt ein Mitkämpfer den Grabenkampf, der sich derzeit hinter den Kulissen um die künftigen Kommando- und Besitzverhältnisse der Spezialchemiefirma Lonza abspielt. Auslöser ist der abrupte Machtzerfall des Hauptaktionärs Martin Ebner, der sein 30-Prozent-Paket Knall auf Fall abstossen muss: Durch die Übernahme von Ebners "Visionen" ist die Zürcher Kantonalbank (ZKB), repräsentiert durch die Stillhalter Vision, bereits im Besitz von 10 Prozent der Lonza-Aktien. Weitere 20 Prozent - das Paket der BZ-Gruppe - kommen unter den Hammer. Roadshows vor allem in den USA, aber auch in der Schweiz hatten vergangene Woche das Ziel, Lonza als lohnendes Investment schmackhaft zu machen. Lonza spricht von "grossem Interesse" der Anleger Wie erfolgreich das von Merrill Lynch und der Deutschen Bank inszenierte Promotionsvorhaben war, wird sich kommende Woche zeigen, wenn das Paket dem oder den Meistbietenden verkauft wird. Dem Vernehmen nach erwartet Ebner einen Preis zwischen 90 und 100 Franken pro Aktie. Der aktuelle Kurs liegt bei 87 Franken. "Die Roadshow hatte aussergewöhnlichen Erfolg, das Interesse bei Anlegern ist sehr gross", erklärte Lonza-Sprecher Michel Gerber gegenüber OnlineReports. Am Freitag ging das Gerücht um, der deutsche Bankier und frühere Alusuisse-Lonza-Grossaktionär August von Finck, einer der grössten privaten Investoren der Schweiz ("Mövenpick", "Von Roll", "SGS Société Générale de Surveillance"), zeige lebhaftes Interesse. Ob sich tatsächlich scharenweise Interessenten auf die Schweizer Industrie-Perle stürzen, ist indes fraglich. Denn die Tour in die Finanzwelt war nötig geworden, nachdem Chemie- und Pharmaunternehmen einen Kauf zum vorgegebenen Preis reihenweise ausgeschlagen hatten. An einer Veranstaltung vor Finanzleuten in Zürich erklärte der frühere CEO und neue Lonza-Präsident Sergio Marchionne am Freitag, er wünsche sich die Aufteilung des Pakets auf mehrere institutionelle Anleger. Dies sei - so Lonza-Sprecher Gerber - "unter anderem auch eine sehr gute Strategie, um am ehesten sicher zu stellen, dass die Unabhängigkeit von Lonza gewahrt bleibt". Marchionne gegen Blocher-Comeback Aussenstehende sehen hinter Marchionnes Vorliebe für Institutionelle jedoch eine ganz andere Absicht: Seine möglichst optimale Machterhaltung und eine Strategie, um Grossaktionär Blocher die Rückkehr an die Schalthebel der Lonza-Macht zu verwehren. Diese Ambition hat Christoph Blocher Anfang Oktober klar geäussert: Die Ems-Chemie habe ihre Lonza-Beteiligung in Form von Aktien (12 Prozent) und Put-Optionen (9 Prozent, fällig bei einem Kurs zwischen 70 und 75 Franken) auf 21 Prozent Stimmrechtsanteil erhöht. Zudem werde er, so Blocher, bei "industriell vertretbaren Preisen" eine Aufstockung bis 33 Prozent ins Auge fassen und dafür weitere 700 Millionen Franken investieren. Im Gegenzug aber wolle er "Führungsverantwortung" übernehmen. Diese Botschaft ist der Anfang eines neuen Machtkampfes. "Nach dem Verkauf des Ebner-Pakets an viele Investoren wird Ems zum grössten Aktionär. Dann müssten wir wieder im Verwaltungsrat vertreten sein, sonst müssten wir unsere Beteiligung abbauen", sagte Blocher zur OnlineReports. Er wolle den 6'300 Mitarbeitende zählenden Konzern "schweizerisch" erhalten. Denn die Gefahr sei gross, dass das Unternehmen bei einer Übernahme beispielsweise durch amerikanische Finanzgruppen "als Ganzes nicht mehr Bestand hat". Fusions-Absicht Lonza-Ems dementiert Auf der Hand liegt auch die Annahme, dass Blocher seine Nachfolgeregelung mit einem grossen Streich einleiten will und möglicherweise gar auf das Lonza-Präsidium spekuliert und die Leitung der Ems-Gruppe an seine Tochter Magdalena abgibt. Auch eine spätere Fusion von Ems und Lonza, bei der die Kontrolle in der Familie Blocher bliebe, gehört in dieses Szenario. Blocher winkt ab: "Dies wurde früher bereits geprüft und abgelehnt. Eine Fusion ist nicht unsere Absicht." Blocher verliess Lonza-Verwaltungsrat nicht freiwillig Den Plan eines Blocher-Comebacks muss der neue Lonza-Präsident Marchionne aus mehreren Gründen fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Im Zentrum steht der mögliche Macht-Zerfall des gross verdienenden Italo-Kanadiers. Denn ganz anders, als der Schein nach aussen trug, ist die damalige Alusuisse-Troika Blocher, Ebner und Marchionne längst am auseinander brechen. Zum Freundschafts-Dämpfer kam es spätestens im Frühjahr 2001, als Ebner und Marchionne dem SVP-Industriellen die Demission als Lonza-Verwaltungsrat nahe legten. Obschon Ebners Ehefrau die Patin von Blochers Sohn Markus ist, hat sich das Verhältnis zwischen dem Financier ohne Geld aus Freienbach und dem Ems-Chemie-Besitzer merklich abgekühlt. Ein Insider: "Ebner war Finanicer und Befürworter sogenannter wertsteigernder Massnahmen, aber kein Industrieller." Marchionne könnte Gemünd "am Händchen führen" Marchionne anderseits, der Lonza diesen Frühling als äusserst erfolgreicher Turnaround-Manager verliess, sei "ein guter Mann für Sanierungen" und "grosse strategische Schachzüge", aber "kein Mann der Knochenarbeit", wie sie Blocher für nötig hält. Selbst Lonza-Quellen sprechen von der Gefahr, dass Marchionne seinen neuen CEO Markus Gemünd "immer am Händchen führt" und das Management nicht an Selbstständigkeit gewöhne. Während Ebner und Marchionne nach Differenzen wieder zusammen spannten, blieben Blocher und Marchionne laute einem Szenenkenner inkompatibel: "Hier stiessen zwei Alphatiere aufeinander, die Chemie stimmte nicht mehr." Zürcher Kantonalbank will Lonza-Beteiligung abbauen Einfach wird Blochers Weg an die Lonza-Spitze nicht sein. So will die Zürcher Kantonalbank zwar ihre Lonza-Beteiligung als Klumpenrisiko stark abbauen, doch haben laut der Wirtschaftszeitung "Cash" Verhandlungen über den Kauf der Stillhalter Vision zwischen dem Ems-Chef und ZKB-Chef Hans Vögeli "nichts gefruchtet". Absprachen mit Blochers Gegenpart verneint Kantonalbank-Sprecher Urs Ackermann: "Ein Päckli mit Marchionne gibt es nicht."

27.10.2002

Machtkampf bei Lonza

Bericht der NZZ am Sonntag, Ressort Wirtschaft, 27. Oktober 2002 Christoph Blocher und VR-Präsident Sergio Marchionne verfolgen unterschiedliche Ziele. Das Aktienpaket von Martin Ebner sucht noch immer einen Käufer. Nach der Ablösung von Martin Ebner durch Sergio Marchionne als Verwaltungsratspräsident der Lonza fühlt Christoph Blocher seine Interessen nicht mehr vertreten. Er fordert nun einen Verwaltungsratssitz. von Katharina Fehr Das hat sich Martin Ebner wohl anders vorgestellt. Am 5. Oktober gab er seinen Rücktritt als Verwaltungsratspräsident von Lonza bekannt. Gleichzeitig bot seine BZ-Gruppe ihre Aktienpakete von Lonza zum Kauf an. Die Einsetzung von Sergio Marchionne, dem einstigen Lonza-Chef und heutigen Chef von SGS, als neuer VR-Präsident wurde mit Kursavancen quittiert. Mit dem Verkauf von Ebners Aktienpaket von 19,8% an Lonza harzt es aber. Das Interesse scheint nicht sehr gross zu sein. Die mit der Placierung beauftragten Banken seien Chemiefirmen und andere grosse Gesellschaften angegangen, ist zu vernehmen. Diese hätten allerdings dankend abgelehnt. Das Paket war ihnen wohl zu teuer. Auch Christoph Blocher, Chef und Hauptaktionär von Ems-Chemie, gab in einer ersten Stellungnahme Anfang Oktober zu Protokoll, er sei an dem Gesamtpaket für die Ems-Chemie nicht interessiert, da er nicht die gleichen Interessen verfolge wie Ebner. Ebner muss zu einem möglichst hohen Preis verkaufen, um das Überleben seiner BZ-Gruppe zu sichern, Blocher will hingegen zu einem möglichst tiefen Preis kaufen. Das zeigt auch die Tatsache, dass die Ems-Chemie Put-Optionen (Kaufverpflichtungen) für 9% an Lonza verkauft hat. Sie muss die Aktien nur kaufen, wenn der Kurs unter eine bestimmte Marke sinkt. So kann die Ems die Titel günstig erwerben. Ist der Preis hoch, lässt sie es bleiben. Mit dem Verkauf des Paketes harzt es auch, weil einige der angefragten Firmen grundsätzlich nicht an einem so grossen Engagement an Lonza interessiert sind. Oder weil Ebner vielleicht von seinem Vetorecht Gebrauch gemacht hat, um unliebsame Interessenten abzuwenden. Seltsame Zufälle Da Ebner aber gezwungen ist, das Paket zu verkaufen, führen Merrill Lynch und die Deutsche Bank voraussichtlich nächste Woche ein Auktionsverfahren (Bookbuilding) durch. Rund um die Auktion gibt es allerdings einige seltsame Zufälle. So hat ausgerechnet die Deutsche Bank am 16. Oktober eine umfangreiche Studie zu Lonza veröffentlicht. Die Studie, die Lonza-Aktien mit einem «Hold»-Rating versieht, war nun «zufälligerweise» Anlass für das Management von Lonza, eine Roadshow bei institutionellen Kunden zu veranstalten. Lonza bestätigte die Teilnahme von VR-Präsident Sergio Marchionne und Lonza-Chef Markus Gemünd an der Tour, die nach Boston, New York, London und am Freitag nach Zürich führte. Lonza sei aber nicht direkt in den Verkauf des Ebner-Paketes involviert, wurde betont. Auch die Deutsche Bank wollte nicht bestätigen, dass sie den Auftrag zum Versteigern der Titel erhalten hat. Der Schluss liegt aber nahe, dass Marchionne die Roadshow nutzte, um gleich persönlichen Kontakt mit potenziellen Käufern von Anteilen des Ebner-Paketes zu suchen, die ihm genehm sind. Marchionne hätte am liebsten mehrere institutionelle Investoren im Aktionariat, wie er an dieser Stelle Anfang Oktober erklärt hatte. Ein möglicher Investor könnte aber Christoph Blocher sein. Es ist bekannt, dass er bereit ist, für die Ems-Chemie einen Anteil von bis zu 33% an Lonza zu erwerben. Eine vollständige Übernahme schliesst er aus. «Das ist ein zu grosser Brocken», erklärt er. Die Ems-Chemie besitzt knapp 12% an Lonza. Werden die knapp 9% in Put-Optionen nicht gezählt, weil sie der Ems nur je nach Kurs angedient werden, kann Blocher zusätzlich bis zu 20% an Aktien erwerben. Beispielsweise in dem für nächste Woche erwarteten Auktionsverfahren. Die andere Möglichkeit, seinen Anteil aufzustocken, wäre der Erwerb des 10%-Paketes, das die Zürcher Kantonalbank durch die Übernahme der BK Visionen erworben hat. Die ZKB hat zwar erklärt, sie wolle keine industrielle Verantwortung wahrnehmen und ihre Anteile reduzieren. Doch gemäss Pressesprecher Urs Ackermann sieht sie keine Eile, dies zu tun. Offenes Geheimnis Nach Ebners Rücktritt, der Zurückhaltung der ZKB, sich in operative Fragen einzumischen, und der Rückkehr von Marchionne als starkem Mann sagt Blocher: «Nach dem Verkauf des Paketes der BZ-Gruppe sieht Ems als grösster Aktionär seine Interessen nicht mehr gewahrt und müsste wieder im Verwaltungsrat vertreten sein.» Erst schien es zwar, Marchionne werde die Position als VR-Präsident nur vorübergehend innehaben. Nun hat der Italo-Kanadier in einem Interview in «Stocks» erklärt, er sei nicht nur für zwei bis drei Monate Chairman. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Blocher und Marchionne unterschiedliche Ansichten über die Zukunft der Lonza haben. Während Marchionne eher der Finanzarchitekt ist und in der Vergangenheit für Lonza gerne auf Einkaufstour gegangen wäre, in seinen Plänen aber unter anderem durch Blocher eingeschränkt wurde, möchte dieser sich vor allem auf das operative Geschäft konzentrieren und Lonza von innen heraus wachsen lassen. Der Ausbau der Beteiligung durch die Ems würde Blocher mehr Gewicht geben, seinen Anspruch auf einen Verwaltungsratssitz durchzubringen. Ende März 2001 war Blocher aus dem Verwaltungsrat von Lonza ausgeschieden, weil «die Trennung von Aluminium und Chemie vollzogen war». Ein VR-Sitz ist für Christoph Blocher wohl die Bedingung, dass er an seinem Aktienpaket überhaupt festhält.

24.10.2002

Es besteht ein Risiko

Für Christoph Blocher ist klar: Es braucht drei SVP-Regierungsratskandidaten. Interview mit dem Tages Anzeiger vom 24. Oktober 2002 Mit Christoph Blocher sprach Kuno Gurtner Sie wollten ein bürgerliches Fünferticket, die Delegierten beschlossen den Alleingang der SVP für die Regierungsratswahlen. Sind Sie schon so weit weg von Ihrer Basis? Christoph Blocher: Ich wusste, dass das ein knapper Entscheid würde. Bereits vor vier Jahren verlangte ein Drittel der Delegierten den Alleingang. Jetzt ist die Mehrheit auf die andere Seite gekippt. ... Sie haben früher gesagt: Wenn die SVP den Alleingang beschliesst, muss sie drei Kandidaten aufstellen. Bleiben Sie dabei? Blocher: Ja. Wenn man so stark ist wie wir, muss man den Anspruch auf mehr Sitze in der Regierung auch verfechten. Aber es besteht natürlich ein Risiko: Unser dritter Kandidat könnte auf der Strecke bleiben, aber auch der Kandidat einer Partei, die uns näher steht als die SP. Trotzdem neige ich zur Dreierkandidatur. Und welcher SVP-Politiker soll sich verheizen lassen? Blocher: Ein Kandidat, der dieses Risiko nicht auf sich nimmt, ist kein guter Kandidat. Das ist ja auch bei den Bundesratswahlen so. Ich war ein aussichtsloser Kandidat, aber ich habe an Vertrauen gewonnen. Nochmals: Wer soll denn kandidieren? Blocher: Ich will nicht vorgreifen. Aber Kantonsrat Peter Good hat an der Dele-giertenversammlung ein brillantes Votum gehalten - die Delegierten hätten ihn gleich zum Kandidaten gemacht. Auch Fraktionspräsident Hans Rutschmann oder einer unserer Nationalräte kommen in Frage. Falls ein Komitee aus Wirtschaftskreisen ein Fünferticket organisieren würde - dürften Ihre Regierungsräte mitmachen? Blocher: Ja natürlich. Unser Entscheid heisst ja nur, dass die SVP FDP- und CVP-Kandidaten nicht mehr unterstützt, weil diese Parteien nach den Wahlen von 1999 gleich begonnen haben, mit der SP zu taktieren. Wie wirkt sich denn der Entscheid für den Alleingang auf die Kantonsratswahlen aus? 1999 gingen Sie in 10 Wahlkreisen Listenverbindungen mit der FDP ein. Ist das jetzt auch vorbei? Blocher: Nein. Das ist weniger heikel als das Fünferticket. Unser Entscheid richtet sich ja nicht gegen die Freisinnigen, sondern gegen die Führung der Freisinnigen. Mit einer Listenverbindung verhindern wir nur, dass Reststimmen an die SP fallen. Und was ist mit der ungeteilten bürgerlichen Standesstimme bei den Ständeratswahlen in einem Jahr? Blocher: Diese Frage stellt sich natürlich. Die CVP zum Beispiel hat letztes Mal unseren Kandidaten Hans Hofmann nicht unterstützt, obwohl wir ihr vorher zur Wiederwahl von Ernst Buschor verholfen haben. Mit FDP-Ständerätin Vreni Spoerry dagegen haben wir keine schlechten Erfahrungen gemacht. Aber auch bei den Ständeratswahlen wird in unserer Partei sicher wieder umstritten sein, ob wir mit der FDP zusammengehen sollen. Ich werde einen gemeinsamen Auftritt unterstützen.