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28.01.2002

Die Ärmsten sind verhungert, der Diktator ist geblieben – und immer noch Uno-Mitglied…

Streitgespräch mit Bundesrat Joseph Deiss im Tages-Anzeiger vom 28. Januar 2002 Während Bundesrat Joseph Deiss vom Uno-Beitritt mehr Souveränität für die Schweiz erwartet, warnt Christoph Blocher, mit der Uno hole man sich Krieg ins Land Das Gespräch führten Bruno Vanoni und Luciano Ferrari Können Sie sich die heutige Welt ohne Uno vorstellen? Christoph Blocher: Durchaus. Es gäbe dann halt andere Gesprächsgremien für internationale Fragen: Hunger, Flüchtlinge, Menschenrechte, Klima und andere grenzüberschreitende Probleme. Bei all diesen Uno-Organisationen sind wir dabei und bezahlen 500 Millionen pro Jahr, reden und stimmen mit. Doch diese Unterorganisationen geben nur Empfehlungen ab, die die Schweiz übernehmen kann oder nicht. Aber in der politischen Uno, in der wir die Entscheide des Sicherheitsrates befolgen müssten und wo es um Krieg, um kriegerische Massnahmen gegen andere Länder geht, ist die Schweiz nicht dabei. Der Sicherheitsrat ist das einzige Gremium, das für die Schweiz verbindliche Beschlüsse fassen würde. Macht diese Unterteilung in eine unproblematische technische Uno und in eine politische denn heute noch Sinn? Joseph Deiss: Die Welt ist ohne internationale Foren undenkbar. Neben spezialisierten Organisationen braucht es aber auch übergeordnete Gremien, die koordinieren und führen. Wenn die Schweiz schon in allen Uno-Unterorganisationen mitmacht, ist es doch logisch und im Interesse des Landes, dass sie auch in den Dachgremien des Uno-Systems zum Beispiel über Budget- und Personalfragen mitentscheiden kann. Die Unterscheidung zwischen technischer und politischer Uno tönt zwar verführerisch, ist aber eine Fiktion. Auch in den Spezialorganisationen, in denen wir vertreten sind, wird Politik gemacht. Blocher: Die Begriffe "politische Uno" und "humanitäre Uno" stammen vom Bundesrat. Bis in die 80er-Jahre hat der Bundesrat erklärt, der Beitritt in die politische Uno sei mit der Neutralität unvereinbar. Dann aber begann er die Selbstbestimmung, die Weltoffenheit, ohne sich einbinden zu lassen, und die integrale Neutralität zu relativieren und preiszugeben. So wollte er 1986 plötzlich in die politische Uno und 1992 in den EWR und die EU. Heute will er "Schengen", wieder in die Uno, und er liebäugelt mit der Nato. Ist die Schweiz, die fast eine halbe Milliarde Franken an die Uno bezahlt, gegenüber dieser Uno überhaupt noch neutral? Blocher: Wir müssen nicht gegenüber der Uno neutral sein, sondern gegenüber den Uno-Staaten und Machtblöcken. Wir dürfen uns nicht einbinden in die undemokratischen Beschlüsse des Sicherheitsrates, der Kriegsmassnahmen gegen einzelne Länder von uns verlangen kann. Müsste die Schweiz bei einem Nein am 3. März nicht auch konsequenterweise aus allen Unterorganisationen austreten? Blocher: Ich wüsste nicht warum. Am 3. März geht es allein um die Frage, ob die Schweiz die Uno-Charta unterschreiben soll. Dieser Vertrag verpflichtet die Schweiz zu Kriegsmassnahmen auf Befehl des Sicherheitsrates. Und wer bestraft wird, bestimmen die Grossmächte mit ihrem Vetorecht. Ein Beispiel: Die Uno hat Israel vielfach aufgefordert, seine Siedlungspolitik aufzugeben. Doch dazu gezwungen wurde es nie, weil es unter der Protektion der USA steht. Wie nehmen wir Partei? Für den Kleinstaat Schweiz ist der Grundsatz "Neutralität und Solidarität" das Richtige. Auch wenn es für den Bundesrat, Diplomaten und Funktionäre vielleicht verlockender wäre, im Uno-Glaspalast an vorderster Front über die ganze Welt zu reden, ohne Verantwortung zu tragen. Deiss: Jetzt muss ich aber einer ganzen Serie von Behauptungen widersprechen, Herr Blocher. Sie haben weit zurückgreifen müssen, um bundesrätliche Zitate für Ihre Argumentation zu finden... Blocher: Nur bis zum Gesinnungswechsel in den 80er-Jahren. Deiss: Eines ist klar: Der Bundesrat hat die Neutralität nie aufgegeben. Aber wir können unsere Zukunft nicht mit Argumenten bewältigen, die aus der Zeit des Kalten Krieges stammen. Die Zeiten haben sich halt geändert und mit ihnen die Welt. Sie haben ja gerade selber festgestellt, dass wir gegenüber der Uno nicht neutral sein müssen... Blocher: ...gegenüber den Unterorganisationen, habe ich gesagt... Deiss: ..auch gegenüber der Uno. Damit haben Sie bestätigt, dass wir als Uno-Mitglied kein Problem mit der Neutralität haben können. Denn es geht da nicht um Konflikte zwischen zwei Staaten, in denen die neutrale Schweiz keine Partei ergreifen darf. Es geht um die Völkergemeinschaft, die Frieden, Demokratie, Völkerrecht durchsetzen will. Dabei können ihr die fünf Grossmächte allein nichts vorschreiben. Immerhin haben sie ein Vetorecht. Deiss: Für einen Beschluss des Sicherheitsrats braucht es mindestens neun Stimmen. Die fünf Grossmächte können Beschlüsse mit ihrem Veto bloss verhindern. Das ist während des Kalten Krieges sehr oft passiert, hatte aber wenigstens den Vorteil, dass die Grossmächte in die Uno eingebunden waren und keinen Krieg gegeneinander begannen. Es liegt auch im Interesse der kleineren Staaten, die nur auf das Recht zählen können, dass auch die Grossmächte aufs Völkerrecht verpflichtet sind. Und neues Völkerrecht kann nur von der einstimmigen Generalversammlung geschaffen werden.... Blocher: ...das Problem ist nicht die Generalversammlung, sondern das mächtigste Organ, der Sicherheitsrat. Deiss: Der Sicherheitsrat ist von der Generalversammlung beauftragt, die sicherheitspolitischen Fragen zu behandeln. Er hat immerhin viele Konflikte eindämmen können. Nehmen Sie nur die aktuellsten Beispiele: Osttimor oder Kosovo. Wir konnten 50'000 Asylbewerber zurückführen, weil die Uno dort Sicherheit geschaffen hat... Blocher: Wir stimmen aber am 3. März nicht darüber ab, ob in diesem oder jenem Land etwas schief gelaufen ist. Wir stimmen darüber ab, ob die Schweiz einen Vertrag unterschreiben soll, mit dem sie sich den Verpflichtungen des Sicherheitsrats und damit der Interessenpolitik der Grossmächte unterordnet. Bei der politischen Uno geht es um Konflikte, Krieg, Terror. Die Teilnahme der Schweiz in diesen Konflikten verstösst gegen die schweizerische Neutralität. Denn Neutralität heisst: Wir nehmen nicht teil an internationalen Konflikten. Wenn der Bundesrat schon in die Uno will, hätte er den Vorbehalt anbringen und von der Uno bestätigen lassen müssen, dass die Schweiz die Massnahmen des Sicherheitsrates nur so weit erfüllt, als sie mit der dauernd bewaffneten, frei gewählten, bündnisfreien und umfassenden Neutralität nicht im Widerspruch stehen. Dies lehnte der Bundesrat ab, weil er auch Neutralitätswidriges erfüllen will. Ist diese Bedingung nicht ohnehin erfüllt, nachdem die Uno den Wert der Neutralität ausdrücklich anerkannt hat und die Charta nicht zur Beteiligung an militärischen Zwangsmassnahmen verpflichtet? Deiss: Ich kann nur wiederholen: Der Bundesrat bleibt der Neutralität treu und diesem Verfassungsgrundsatz verpflichtet. Wir können der Uno beitreten, ohne die Neutralität zu gefährden. Wenn wir uns als Mitglied den Sanktionen des Sicherheitsrates anschliessen müssen, so ist dies kein Neutralitätsfall. Warum denn nicht? Deiss: Es geht dabei ja nicht darum, Partei für einen Staat gegen einen andern Staat zu ergreifen. Es geht darum, gemeinsam mit der Völkergemeinschaft, Rechtsbrecher in die Schranken zu weisen. Wir werden als Uno-Mitglied nicht zur Entsendung von Truppen verpflichtet. Von einem Neutralitätsvorbehalt hat auch das Parlament nichts wissen wollen, weil wir unsere Neutralität selber bestimmen und nicht von der Uno definieren lassen wollen. Der Bundesrat wird aber im Beitrittsgesuch nochmals klar machen, dass die Schweiz als Uno-Mitglied neutral bleiben wird. Das dies möglich ist, zeigt das einhellige Urteil der Experten und auch die Praxis: Alle andern neutralen Staaten sind problemlos in der Uno, bis in ihre höchsten Gremien. Blocher: Wer die Uno-Charta unterschreibt und sich dann den Massnahmen des Sicherheitsrates gegen ein Land anschliessen muss, wird Partei, kann nicht mehr neutral sein und helfen. Insbesondere die Artikel 41 bis 43 sind neutralitätswidrig. Artikel 43 verpflichtet alle Mitglieder im Grundsatz, dem Sicherheitsrat nach Massgabe von Sonderabkommen Streitkräfte zur Verfügung zu stellen. Deiss: Wissen Sie, wie viele Länder schon solche Sonderabkommen abgeschlossen haben? Blocher: Ich weiss nur, dass 130 Staaten bereits einmal Truppen zur Verfügung gestellt haben - ob mit oder ohne Abkommen. Was nützt es, wenn der Bundesrat verspricht, er werde nie ein Sonderabkommen abschliessen: Wenn wir in der Uno sind, wird er sich wie in letzter Zeit fast immer dem politisch-moralischen Druck beugen. Ein Neutralitätsvorbehalt hätte das Volk vor einem willfährigen Bundesrat beschützt, der die Neutralität innerlich aufgegeben hat. Deiss: Herr Blocher, kein einziges Land hat bisher ein solches Sonderabkommen abgeschlossen! Blocher: Dann stellen also die 130 Staaten ihre Truppen ohne Sonderabkommen zur Verfügung. Das müsste uns doch zu denken geben! Für die Sache hat dies aber nichts zu bedeuten. Deiss: Doch. Es bestätigt, dass jeder Staat von Fall zu Fall entscheiden kann, ob er Truppen stellen will. Das geht auch aus dem dritten Absatz von Artikel 43 der Uno-Charta hervor, von dem Sie in ihren Nein-Inseraten nur immer den ersten Satz zitieren. Auch nach einem Uno-Beitritt wird das Militärgesetz massgebend bleiben, das vom Volk am 10. Juni angenommen worden ist und das bewaffneten Auslandeinsätzen enge Grenzen setzt. Sie dürfen den Leuten nicht immer Angst machen, indem Sie die Lektüre der Uno-Charta überstrapazieren. Sie finden darin nirgends eine Bestimmung, mit der die Schweiz zu Truppeneinsätzen gezwungen werden kann. Blocher: Nach Artikel 43 sind die Uno-Mitglieder "verpflichtet", Truppen zur Verfügung zu stellen nach Massgabe von Sonderabkommen, die gemäss innerstaatlichem Recht erlassen werden. Der Druck auf ein solches Abkommen - das rein technisch ist - wird gewaltig sein. Sie haben Kosovo als positives Beispiel genannt. Der Kosovo-Krieg hatte kein Uno-Mandat, sondern war eine illegale Aktion der Nato, die von den USA dominiert wird. Was wollen Sie damit sagen? Blocher: Die Grossmächte führen Krieg, wie es ihnen passt: wenns geht mit der Uno - und sonst halt ohne. In Afghanistan haben die Amerikaner den Krieg allein geführt, ohne Mandat des Sicherheitsrats. Die Russen und Chinesen haben es geduldet. Man soll nicht so tun, als gehe es um eine friedliche übergeordnete Gemeinschaft - auch die Grossmächte vertreten immer handfeste Interessen. Da dürfen wir uns nicht hineinziehen lassen, sonst wird die Neutralität unglaubwürdig, und Krieg und Terrorismus werden ins Land geholt. Kann man sagen, dass sich die Uno seit dem Ende des Kalten Krieges immer mehr in staatliche Konflikte eingemischt und sich dabei auch militarisiert hat? Ist das wirklich nicht problematisch für die Neutralität? Deiss: Nein. Es geht nicht um eine Militarisierung. Was sich verändert hat, ist die Natur der Konflikte. Es gibt heute fast keine Kriege mehr zwischen Staaten. Dafür gibt es häufiger innerstaatliche Konflikte mit teilweise unkontrollierten Kräften - von Unabhängigkeitskämpfern bis zu Kriminellen, die aus puren materiellen Gründen ganze Länder unsicher machen. Doch diese internen Konflikte haben auch für uns Konsequenzen: Wenn in Kosovo Krieg herrscht, strömen Flüchtlinge in die Schweiz. Ein einzelner Staat kann diese Konflikte nicht lösen. Es ist deshalb nötig und legitim, dass die Uno eingreift. Und wenn die Uno in Jugoslawien interveniert, weil Milosevic die Menschenrechte missachtet, ist das eben kein Neutralitätsfall. Wenn die Uno gegen Saddam Hussein vorgeht... Blocher: ...gegen den Irak, das ist ein Unterschied... Deiss:...dann sind wir hoffentlich Partei: Denn es geht darum, ein Regime zu bekämpfen, das biologische und chemische Waffen entwickelt und einsetzt. Über die Qualität der Irak-Sanktionen kann man diskutieren, aber das Wort "Hungersperre" braucht nur noch Saddam Hussein. So simpel ist die Sache aber nicht. Blocher: Die Ärmsten sind verhungert - man spricht von 500'000 -, der Diktator ist geblieben und immer noch Uno-Mitglied. Daraufhin hat die Uno den Boykott gelockert. Deiss: Die Irak-Sanktionen wollen das Regime treffen, nicht das Volk. Damit es mit Nahrungsmitteln, Medikamenten und andern humanitären Gütern versorgt werden kann, gibt es das Programm "Oil for food". Und das funktioniert. Die Schweiz hat sich auch als Nichtmitglied der Uno auf die Seite des Rechts stellen und die Sanktionen übernehmen müssen. Die Neutralität wurde damit nicht verletzt. Im Übrigen stelle ich fest, dass Sie lauter Behauptungen aufstellen, aber keinerlei Beweise erbringen. Sie versuchen den Eindruck zu erwecken, der Bundesrat wolle die Neutralität nicht mehr aufrecht erhalten oder betrachte sie als etwas Unangenehmes. Das stimmt nicht. Geben Sie mir ein Beispiel, wo der Bundesrat von der Neutralitätspolitik abgewichen ist. Blocher: Ich gebe Ihnen zwei: Er will den neutralitätswidrigen Uno-Vertrag und in die EU... Deiss: ...Es gibt kein einziges Beispiel. Das wird auch so sein, wenn wir in der Uno sind. Sie können die Charta hin und her interpretieren und, wenn Sie mit der einfachen Lektüre nicht durchkommen, sich auf irgendeinen Grundsatz berufen. Fest steht: Es gibt in dieser Charta kein Element, das unsere Neutralität in Frage stellt. Am Ende weichen Sie dann jeweils noch auf die Diplomaten aus, die Sie in ein schiefes Licht stellen. Blocher: Die einfache Lektüre der Artikel 41 bis 43 genügt. Im Übrigen rücke ich niemanden in ein schiefes Licht, wenn ich sage, dass es leichter ist, im Glaspalast und an grossen Konferenzen über die ganze Welt zu reden, als mühsam für die Interessen des Kleinstaates zu kämpfen. Deiss: Sie versuchen, die Diplomaten lächerlich zu machen. Gerade unsere Mitarbeiter in New York aber hatten in den letzten Herbstwochen eine schwierige Situation zu bewältigen und haben dies mit sehr viel Courage und Kompetenz gemacht. Unsere Diplomaten engagieren sich, um unser Land im Ausland zu vertreten, und sie werden ganz strengen Bedingungen unterstellt. Zu sagen, unsere Diplomaten seien legere Typen, die gerne ein bisschen diskutieren, ist zu einfach. Blocher: Ich habe nichts gegen jene Diplomaten, die unsere Interessen gegenüber anderen Ländern vertreten. Aber in der politischen Uno Reden halten zu wollen... Deiss: ...Man muss die Interessen dort vertreten, wo sie auf dem Spiel stehen, und heute ist es so, dass die Aussenpolitik zunehmend auf der multilateralen Ebene stattfindet, und es ist sträflich, wenn wir dort nicht dabei sind. Sie interpretieren auch die Situationen immer so, wie es Ihnen passt. In Kosovo ist doch nur dank den Uno-mandatierten Truppen eine gewisse Ruhe eingekehrt. Das hat erlaubt, Flüchtlinge zurückzuführen, Wahlen abzuhalten. Es behauptet niemand, dass alle Probleme gelöst sind... Blocher: ...die Kosovo-Intervention war ein Krieg der Nato. Es gab kein Uno-Mandat dafür. Deiss: Ja, und die Schweiz hat sich auch herausgehalten. Wir sind während des Konflikts neutral geblieben und haben der Nato keine Überflüge bewilligt. Erst als ein Uno-Mandat da war, konnten wir uns an der internationalen Friedenstruppe beteiligen. Sie haben Afghanistan als Beispiel gebracht und gesagt, da habe nicht die Uno, sondern Amerika eingegriffen. Blocher: Die Amerikaner haben den Krieg allein geführt. Das war nicht die Uno. Deiss: Das stimmt nicht. Die Uno hat schon 1999 und 2001 gegen die Taliban Sanktionen verhängt, und wir Schweizer haben sie übernommen - ohne jegliche Probleme mit der Neutralität. Am 12. September, einen Tag nach dem Terroranschlag, hat der Uno-Sicherheitsrat eine Resolution gegen den Terrorismus verabschiedet. Der Uno ist es gelungen, in Afghanistan relativ rasch eine Übergangsregierung einzusetzen und die Lage zu beruhigen. Sie sagen, die Amerikaner hätten das allein gemacht. Das stimmt nicht. Die Uno hat das Mandat für die Friedenstruppen verabschiedet, die jetzt dort im Einsatz sind, und die Uno ist im humanitären Bereich und im Wiederaufbau aktiv. Blocher: Die jetzigen so genannten Friedenstruppen haben nichts mit der amerikanischen Interventionsarmee zu tun, die allein Afghanistan besiegte... Deiss: Die USA hatten immer die volle Abdeckung durch die Uno. Blocher: ...Sie haben mich unterbrochen bei den Beispielen, die zeigen, dass der Bundesrat die Neutralität nicht ernst nimmt. Die Unterschrift unter den Uno-Vertrag ist ein solches Beispiel. Zweitens will er in die Europäische Union, und dort hat die Neutralität keinen Platz mehr. Das kann ja eine Position sein: Die Schweiz ohne integrale Neutralität. Aber zu sagen, wir bleiben natürlich neutral, auch wenn wir diesen Organisationen beitreten, da kommen Sie in ganz schwere Konflikte. Geben Sie doch zu, dass Sie die Neutralität lieber aufgeben würden. Deiss: Das sind doch keine Beispiele. Blocher: Uno-Vollmitgliedschaft und EU-Mitgliedschaft sind schlagende Beispiele. Die Neutralität schützt das Volk vor leichtfertigen Abenteuern der Regierung in internationalen Konflikten, und schützt damit vor Krieg und Terrorismus. Es ist doch seltsam, dass alle angeblich friedliebenden 189 Uno-Staaten sich gegen den Terrorismus ausgesprochen haben. Es kostet eben nichts, gegen den Terrorismus zu sein. Auch alle Terroristenstaaten haben die Hand in die Höhe gestreckt und gesagt, wir sind gegen den Terrorismus... Deiss: Welche Terroristenstaaten? Blocher: Sicher Afghanistan, Libyen. Heute wird auch Saudiarabien als Unterstützer Bin Ladens genannt... Deiss: Sie müssen aufpassen, wenn Sie Länder als Terroristenstaaten bezeichnen. Blocher: Der Terrorismus kommt ja von irgendwo her. Deiss: Wenn Sie Länder als Terroristenstaaten bezeichnen, kommen Sie mit der Neutralität in Konflikt. Blocher: Ich muss ja nicht neutral sein. Nicht der Bürger, sondern der Staat ist neutral. Ich bin nicht der Staat, wir haben ja keine Gesinnungsneutralität. Die USA erklären, zwei Drittel der Uno-Mitglieder seien Schurkenstaaten. Der Bundesrat sagt jetzt, gegenüber dem Terrorismus können wir nicht neutral sein. Kunststück: Der Terrorismus ist kein Staat, sondern eine Kampfform. Es ist, wie wenn wir sagen würden, wir können gegenüber dem Nahkampf nicht neutral sein. Das ist Unsinn. Wir müssen den Terrorismus vor allem im eigenen Land bekämpfen. Die UCK hat in diesem Land sehr lange ihre Unwesen treiben können. Hier müssen wir ansetzen. Zweitens bin ich nicht bereit, alles als Terrorismus zu bezeichnen, was die Grossstaaten als solches erklären; und ich bin auch nicht bereit, alles blindlings zu übernehmen. Deiss: Es gibt zwölf Uno-Konventionen gegen den Terrorismus. Die Schweiz hat zehn davon übernommen - Sie als Mitglied des Parlaments wahrscheinlich auch -, und der Bundesrat hat erklärt, dass er die letzten zwei noch in diesem Jahr ratifizieren will. Die kommen dann vors Parlament, und Sie können dazu Stellung beziehen. Die Schweiz kann frei entscheiden. Da ist kein Zwang und nichts. Blocher: Ich rede nicht von Konventionen, sondern von Kriegsmassnahmen des Sicherheitsrates. Herr Blocher, Sie kritisieren den Sicherheitsrat und das Veto der Grossmächte. Sie sagen, dass das Veto der USA eine Lösung des Palästinakonflikts verhindert, das Veto Russlands und Chinas die Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien und in Tibet deckt. Sollte die Uno denn in diesen Regionen eingreifen, um dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen? Blocher: Bei den Beschlüssen des Uno-Sicherheitsrats geht es nie ums Recht, da zählt nur die Macht. Es gibt auch keine Rechtsmittel in der Uno, um etwa all die Resolutionen durchzusetzen, die von den eigenen Mitgliedern verletzt werden. Deiss: Ah, jetzt kommen Sie in Schwierigkeiten: Zuerst sagen Sie, man würde in der Uno zu etwas gezwungen, und dann heisst es plötzlich, es gebe keine Mittel, um die Resolutionen durchzusetzen... Blocher: Keine Rechts-Mittel! Es gibt nur Macht-Mittel. Diese richten sich nur gegen den Kleinen. Nie gegen die Weltmächte. Deiss: Der Grosse hat die Macht, ob er nun in der Uno ist oder nicht. Nun frage ich Sie aber: Wer gibt dem kleinen Staat Recht, wenn die Uno nicht da ist? An wen wenden wir uns, wenn wir einer terroristischen Attacke ausgesetzt sind? Blocher: Die bewaffnete Neutralität und ein glaubwürdiger Rechtsstaat sind Schutz gegen Terroristen. Zusätzlich haben Polizei und Armee präventiv den Kampf im eigenen Land zu führen. Deiss: Das können wir doch nicht allein bewerkstelligen. Aber wer gibt dem kleinen Staat Recht, wenn er angegriffen wird? Blocher: Der Kleinstaat muss in erster Linie dafür sorgen, dass er sich nicht ins Unrecht setzt. Zum Beispiel, indem er Verträge unterschreibt, dann aber nicht einhält. Das kann sich der Grossstaat leisten, etwa die USA, wenn sie das Kyoto-Protokoll nicht einhalten, obwohl sie es unterschrieben haben. Würde die Schweiz das tun, müssten wir mit Sanktionen und Retorsionen rechnen. Der Kleinstaat schützt sich, indem er sich nicht ins Unrecht setzt. Herr Blocher, Ihre Haltung wirkt zwiespältig, Sie kritisieren die Grossmachtpolitik der USA und die Vetopolitik Chinas, die verhindert, dass in Tibet die Menschenrechte durchgesetzt werden. Gleichzeitig machen Sie mit diesen beiden Nationen gute Geschäfte. Blocher: Ich habe keine Probleme damit. Ich bewundere in China den wirtschaftlichen Aufbruch, würde aber die sozialistische Politik nie übernehmen wollen. Ich liebe Amerika als Staat der Freiheit, aber ich möchte mich den USA nicht unterwerfen. Darum geht es: um die Schweiz, ihre Freiheit. Herr Deiss argumentiert rein juristisch - er ist ja auch Jurist... Deiss:...Ich bin kein Jurist, ich bin Ökonom. Blocher: Gut, aber Sie argumentieren spitzfindig juristisch. Die Ökonomen haben in ihrer Ausbildung ja auch sehr viel Jurisprudenz (lacht). Deiss: Wollen Sie jetzt bestimmen, ob ich Jurist oder Ökonom bin? Blocher: Nein, es ist auch gleichgültig. Aber gegenüber einem Machtsystem wie der Uno kann man nicht nur formaljuristisch argumentieren - auch wenn Sie also nicht Jurist sind. Deiss: Das beweist doch, dass Sie immer alles durcheinander bringen. Blocher: Gut, Herr Deiss ist Systematiker und Blocher selbstverständlich ein Chaot (lacht). Der tatsächliche Druck auf unsere Freiheit wird zunehmen, wenn wir auch noch in der politischen Uno sind. Das Volk bezahlt und verliert an Freiheit und Sicherheit. Deiss: Das Gegenteil ist der Fall. Die Schweiz würde gerade als Vollmitglied der Uno ihre Eigenarten, den Mehrwert, den sie in die internationale Politik einbringen kann, besser zum Tragen bringen. Wir werden als Uno-Mitglied an Souveränität gewinnen und nicht verlieren. Blocher: Wer wir? Deiss: Die Schweiz. Blocher: Das Volk? Deiss: Die Schweiz als Volk. Blocher: Der Souverän? Unser Volk? Wer glaubt das? Deiss: Ja, unsere Souveränität, unser Volk werden an Bedeutung gewinnen. Wir werden nicht nur unsere Neutralität nicht verlieren, sondern sie viel besser ins Spiel bringen können. Indem wir wieder vermehrt in friedensvermittelnde Kooperationen eingesetzt werden. Herr Blocher, würden Sie bei einem Ja am 3. März akzeptieren, dass das Schweizervolk einen anderen Neutralitätsbegriff hat als Sie? Blocher: Bei einem Ja müsste ich akzeptieren, dass man die Neutralität nicht mehr ernst nimmt. Bei einem Ja wird der Bundesrat direkt zur zweiten Etappe in seiner Salamitaktik übergehen, nämlich zum EU-Beitritt. In der EU aber wird der Verlust für die Schweiz noch grösser. Das alles gilt es am 3. März zu verhindern. Deiss: Ich will hier keine EU-Diskussion führen. Blocher: Dieser Zusammenhang ist offensichtlich... Deiss: Den machen Sie, und wenn die Leute das am Ende glauben, ist es wegen Ihnen und nicht wegen mir. Es wäre schade, wenn die Schweizer über einen Uno-Beitritt abstimmen und dabei die EU im Kopf hätten. Dies wäre keine gute Grundlage, um einen richtigen Entscheid zu fällen. Welche Auswirkungen hätte ein Nein auf Ihre Aussenpolitik? Deiss: Dann sind wir genauso gute Demokraten wie Nationalrat Blocher und akzeptieren diesen Entscheid... Blocher: Sicher? Das wäre neu. Deiss: Sie zweifeln daran? Blocher: Ja klar. Nach dem EWR-Nein wurde der EU-Beitritt zum "strategischen Ziel" erklärt und nach dem Nein zur EU-Initiative das EU-Beitrittsziel bekräftigt. Deiss: Das Beitrittsgesuch war schon vor dem EWR-Nein in Brüssel eingereicht worden. Ein Nein zur Uno wäre sicher schwierig nach aussen zu erklären. Wir müssten grosse Anstrengungen unternehmen, um den Imageschaden abzufedern. Ein Nein würde als Absage an die Gemeinschaft der Völker verstanden, die sich in der Uno versammelt haben. Aber wir dramatisieren nicht: Die Schweiz würde auch diese Situation meistern, allerdings mit einem massiven Imageschaden.

26.01.2002

«Ich bin doch kein Isolationist»

Schon wieder muss Christoph Blocher für die Heimat und Freiheit kämpfen Interview mit der Neuen Luzerner Zeitung (NLZ) vom 26. Januar 2002 Interview: Jürg auf der Maur und Andrea Willimann Für Sie ist heimatmüde, wer für einen UNO-Beitritt ist. Trifft das auch auf Ihre Parteikollegen in Bern oder Graubünden zu, die für ein Ja sind? Christoph Blocher: Jene, die sagen, wir sollen in die EU, in die UNO, in die Nato, nach Schengen, die vernachlässigen die Grundsäulen, die unser Land stark machten. Die sind der Heimat, der Schweiz, etwas müde geworden. Die Werte Volksrechte, Freiheit, Wohlfahrt, um die uns das Ausland beneidet, sind zu selbstverständlich geworden und sollen aufgegeben werden. Mit solchen Äusserungen beleidigen Sie viele Leute in diesem Land, die sich sehr wohl mit bestem Gewissen für die Schweiz einsetzen, beispielsweise Bundespräsident Kaspar Villiger. Er gilt als Patriot, als Retter der Swissair. Blocher: In die Swissair haben die Steuerzahler 2 Milliarden Franken gesteckt. Deren Manager litten am Gleichen wie viele Politiker: Ein solides Konzept wurde aufgegeben, weil man nach Grösserem strebte. Statt klein und fein galt gross und teuer. Dasselbe in der Politik: Man will in die EU, UNO, Schengen? Bewährte Freiheit und Selbstbestimmung wird preisgegeben. Nochmals, solche Äusserungen sind doch beleidigend. Blocher: Dass der Bundesrat solche Sachen nicht gerne hört, ist mir schon klar. Die Regierung sagt aber auch Dinge, die die Bürger nicht gerne hören. Droht der Begriff "Heimat" nicht missbraucht zu werden? Blocher: Ich weiss nicht, ob jemand den Begriff missbraucht. Die Heimat ist das, wozu die Schweizerinnen und Schweizer stehen. Wenn man diese Eigenheiten nicht mehr schätzt, wenn man all das, was die Schweiz stark gemacht hat, preisgeben will, dann vernachlässigt man die Heimat. An der Albisgüetli-Tagung warfen Sie der "Elite" den Fehdehandschuh zu. "Elite" ist für Sie die Steigerung der Classe politique? Blocher: Ich habe den Fehdehandschuh nur der falschen Elite zugeworfen. Und wer ist das? Blocher: Die wahre Elite braucht es. Es braucht "Obere". Diese müssen aber ihre Fähigkeiten richtig einsetzen. Wir haben viel zu viele Unternehmen, die durch falsche Eliten an den Rand des Abgrunds geführt wurden. Das gilt auch für die Politik, nicht nur für die Wirtschaft. Ich erinnere ans KVG, wo man dem Volk tiefere Prämien versprach, und nun bezahlt man jedes Jahr mehr. Was passierte bei der Abstimmung? Was denn? Blocher: Das Gleiche wie jetzt bei der UNO-Abstimmung. Man disqualifiziert die Gegner. Um dem entgegenzuwirken, machen Sie nun rund fünfzig Auftritte oder geben grössere Interviews. Macht Ihnen das überhaupt noch Spass? Fünfzigmal gebetsmühlenartig das Gleiche zu sagen? Blocher: Ich bleibe bei meiner Sache, wechsle die Meinung nicht dauernd. Spass macht mir das nicht. Und trotzdem machen Sie es? Blocher: Es geht im Leben nicht nur darum, Spass zu haben. Sie spüren eine Berufung? Blocher: Ich habe das Gefühl, dass ich es machen muss. Ob es eine Berufung ist? Das weiss ich nicht. Im Leben weiss man nicht immer, warum man etwas macht. Ich habe die Schweiz gerne, deshalb finde ich es schade, dass wir in die UNO gedrängt werden sollen. Beim EWR- oder EU-Beitritt musste ich das auch schon machen. Auch damals war ich mehr oder weniger allein. Heute danken mir die Banken, dass ich sie vor diesem Schlamassel bewahrt habe. Ein wichtiger Punkt im Abstimmungskampf ist die Neutralitätsfrage. Der Bundesrat sagt, die Neutralität der Schweiz werde durch den Beitritt nicht tangiert, Sie behaupten das Gegenteil. Was macht Sie so sicher? Blocher: Das kann eigentlich jeder in der UNO-Charta nachlesen. Deshalb hat der Bundesrat auch bis in die Achtzigerjahre gesagt, die Schweiz könne der politischen UNO aus Neutralitätsgründen nicht beitreten. Wir müssten heute den genau gleichen Vertrag unterschreiben. Da steht erstens, dass wir die Anordnungen des Sicherheitsrates zu befolgen hätten, zum Beispiel Boykotte gegen andere Länder, dass sogar diplomatische Beziehungen abgebrochen werden müssten. Das sind Kriegsmittel. Die Charta verlangt in einem Artikel sogar, dass die Mitglieder Truppen zur Verfügung stellen. Wer das macht, ist doch nicht mehr neutral. Um Truppen stellen zu müssen, bräuchte es Sonderabkommen. Blocher: Ja, schon. Aber was heisst das? Das ist doch das Gleiche, wie wenn wir beide heute einen Autokauf abmachen, gleichzeitig aber vereinbaren, über die Farbe und den Preis uns später zu einigen. Der Druck, tatsächlich Truppen zu stellen, wird kommen. Sind wir einmal in der UNO, wird es heissen: "Wir können nicht eine gute Armee haben, dabei sein und nicht mitmachen." Juristisch kann die UNO keinen Druck aufsetzen. Blocher: Rein juristisch könnte die Schweiz vielleicht sogar noch klemmen. Aber politisch ? moralisch? Diesem Druck wird man schnell nachgeben. Die heutige Regierung ist nicht bekannt dafür, dass sie ausländischem Druck standhält. So bei den Holocaust-Entschädigungen. Auch beim Schwerverkehr oder beim Luftverkehr hat die Schweiz sehr schnell nachgegeben. Wenn unser Gesuch angenommen wird, akzeptiert die UNO, dass wir neutral sind. Blocher: Nein, gerade nicht, weil sie auf einen Neutralitätsvorbehalt verzichtet hat. Das Parlament lehnte diesen ausdrücklich ab, auf Antrag des Bundesrates. Wir wollten einen Vorbehalt für unsere freigewählte, bewaffnete, dauernde bündnisfreie und integrale Neutralität. Jetzt schreibt der Bundesrat im Beitrittsgesuch lediglich, die Schweiz trete der UNO als neutrales Land bei. Eben! Blocher: Das stimmt schon. Zum Zeitpunkt des Beitritts sind wir neutral, nachher unterzeichnen wir das Gegenteil. Immerhin: 60 der 189 Staaten mussten noch nie Truppen stellen. Ein Sonderabkommen wurde noch nie gemacht. Blocher: Mit anderen Worten: 129 Staaten stellten schon Truppen. Das wusste ich gar nicht. Das ist ja unfassbar. Da muss man dann noch schauen, was das für 60 Staaten sind. Ein Grossteil dieser 60 Staaten hat gar keine genügend ausgebildete oder gar keine Armee. Die könnten gar keine Truppen stellen. Nochmals: Juristisch könnte die Schweiz vielleicht schlüpfen. Aber politisch-moralisch wäre das nicht möglich. Die Moralfrage stellt sich aber auch, wenn die Schweiz nicht beitritt. Die Schweiz kann doch nicht immer abseits stehen, beispielsweise beim Kampf gegen den Terrorismus? Blocher: Ja, und dagegen habe ich auch nichts. Wir sind ja Mitglied und Partner der UNO. Wir sind überall dabei ausser bei der politischen UNO. Wir haben den Terrorismus zu bekämpfen, vor allem zuerst im eigenen Land, aber wir wollen selbst denken und entscheiden können, wer für uns Terroristen sind und wie wir vorgehen. Das läuft doch letztlich einfach auf einen autonomen Nachvollzug hinaus. Blocher: Wenn der Bundesrat nachvollzieht schon. Aber das muss er nicht. Wir sind stolz auf die Freiheit und wollen uns nicht unterjochen lassen, und stolz auf unsere Neutralität, die man für die Weltgemeinschaft nutzen kann. Nämlich dort, wo die UNO- Staaten nicht helfen können, weil sie Partei sind. Ich bin sehr besorgt über die Weltlage. Erstens gibt es heute rund vierzig Kriege, zweitens stelle ich fest, dass die Grossmächte heute diktieren, wo es langgehen soll. In den USA, einem so freiheitlichen Land, darf jetzt kaum jemand zum Afghanistankrieg Fragen stellen. Bei den vierzig Kriegen handelt es sich um innerstaatliche Konflikte, die Neutralitätsfrage stellt sich gar nicht. Blocher: Nein. Nein. Ist Palästina-Israel ein innerstaatlicher Konflikt? Seit Jahren spricht sich die UNO gegen die Siedlungspolitik Israels aus, passieren tut nichts. Nur weil eine Schutzmacht mit Vetorecht im Sicherheitsrat vorhanden ist. Sind wir auch in der politischen UNO, unterwerfen wir uns dem Sicherheitsrat und werden Partei. Sind wir unpolitisch, können wir helfen, wo Neutralität gefragt ist. Sie sprechen die "Guten Dienste" an, die gemäss Bundesrat aber praktisch nur noch innerhalb der UNO spielen. Blocher: Ich sage nicht, dass es die Schweiz in allen Fällen braucht. Aber ich sage, dass dort, wo die UNO nichts unternehmen kann, sich eine Chance für die Schweiz bietet. Beispielsweise im Serbenkonflikt. Der Bundesrat wurde von den USA angefragt, ob er ihre Interessen gegenüber den Serben vertreten würde. Er lehnte ab, weil er im Hinblick auf die UNO-Abstimmung das auch gar nicht mehr wollte. Aber ist Ihre auf Isolationismus ausgelegte Politik langfristig im Sinne der Schweiz? Hat die Schweiz noch Freunde? Blocher: Ich bin doch kein Isolationist. Ich bin ein international tätiger Unternehmer. Olympische Spiele werden nicht in die Schweiz vergeben, die Afghanistankonferenz fand trotz Schweizer Bemühungen in Deutschland statt. Bei globalen Fragen lässt sich die Schweiz draussen? Blocher: Die Schweiz ist geachtet. Auch als Mitglied der politischen UNO würde uns die Olympiade nicht einfach zufallen. Weshalb fand die Afghanistankonferenz in Deutschland statt? Weil die Schweiz sie nicht bekam. Blocher: Nein, weil es die Schweiz gar nicht brauchte. Den Neutralen braucht es nur, wenn Sieger und Verlierer dabei sind. In Deutschland waren die Sieger unter sich. Da braucht es keine Neutralität. Moment: Die Taliban waren eingeladen, kamen aber nicht. Blocher: Ja, weil sie wussten, dass nicht Neutrale einluden. Deshalb sind die Taliban nicht gekommen. Ein anderes Argument sind die Kosten. Die Schweiz müsste 70 Millionen Franken mehr bezahlen. Seit 1980 stieg der Beitrag, und das, ohne Mitglied zu sein... Blocher: Wir können schon heute überall mitreden, wo wir bezahlen. Da haben wir auch ein Stimmrecht. Wir zahlen schon heute 500 Millionen Franken. Dagegen habe ich eigentlich nichts. Doch beim Vollbeitritt gingen wir einen entscheidenden Schritt weiter. Sie haben keine Angst vor einem Imageschaden für die Schweiz bei einem Nichtbeitritt? Blocher: Ich habe auf der ganzen Welt noch nie jemanden kennen gelernt, der wusste, dass wir nicht Vollmitglied sind. Wenn wir jetzt Nein sagen ... ... wissen es alle. Blocher: Das war schon 1986 so und war drei Tage später vergessen.

21.01.2002

Geschwätz über den service public

Mein Beitrag in der Berner Zeitung vom 21. Januar 2002 Nur die private Marktwirtschaft könne die Bedürfnisse der Menschen befriedigen, sagt SVP-Nationalrat Christoph Blocher. Die Staatswirtschaft sei dazu nicht in der Lage. Leider gelte vielerorts das Gegenteil. Christoph Blocher Eine funktionierende Brotversorgung gehört zu den wichtigsten Diensten an der Öffentlichkeit. Sie ist daher ein Service public. Doch sagen sollte man dies nicht zu laut, sonst finden sich schnell linke und nette Politiker, die die Brotversorgung verstaatlichen möchten, vor allem, wenn eine bedeutende Bäckerei in den Konkurs geraten sollte. Denn für Linke ist Service public nur durch Staatsbetriebe zu gewährleisten. Was wäre die Folge einer solchen Verstaatlichung? Täglicher Brotmangel oder Brotüberschuss, wahrscheinlich beides gleichzeitig, Preisanstieg und armseliges Brotsortiment, unzufriedene Kunden und Konsumenten, alles mangels Konkurrenz. Dazu kommen Subventionen, die Bäckereien über Wasser halten. Im Interesse der Menschen Wo der freie Markt, wo Konkurrenz und Wettbewerb möglich sind, kann nur die private Marktwirtschaft die Bedürfnisse der Menschen befriedigen. Die Staatswirtschaft ist untauglich. Obwohl dies längst erwiesen ist, gilt vielerorts das Gegenteil. So hält sich der Staat ein eigenes Fernsehen und behindert dadurch die Meinungsvielfalt. Ausgerechnet im Land der direkten Demokratie! Tele 24 und TV3 sind gestorben, weil der Staat keinen echten Wettbewerb zulässt. Hier ist dringend Liberalisierung geboten. Die Swisscom bezeichnet man zwar als privatisiert. Doch der Staat hält weit über 50 Prozent ihrer Aktien. So behindert ein privilegierter Staatsbetrieb die private Konkurrenz, indem er zum Beispiel das Monopol über die letzte Meile hält. Die Gefahr ist gross, dass sich auch hier die privaten Konkurrenten zurückziehen müssen. Damit wird Telefonieren teurer. Der Swisscom-Bundesanteil ist deshalb rasch zu veräussern. Allen Anbietern sind die Infrastrukturen zu gleichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Ebenso ist die Export-Risiko-garantie (ERG) auf private Basis zu stellen, und die staatliche, halbstaatliche und kartellisierte Stromwirtschaft ist aufzubrechen. Diese hat der Schweiz, dem Wasserschloss Europas, die höchsten Energiepreise Europas beschert! Das revidierte Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) liberalisiert nur mangelhaft. Verheerend ist die neue Staatsbeteiligung - und damit die Ausserkraftsetzung der Marktwirtschaft - in der Flugfahrt. Die Flugkonsumenten und Steuerzahler haben das Nachsehen. Die neue Crossair ist ein Rückfall in eine Staatswirtschaft mit all ihren negativen Folgen. Die neue Lösung freut nur Politiker und private Investoren, die Angst vor dem freien Markt haben, weil sie dort weitgehend versagt haben. Auch sind die Preise vieler Produkte, die durchaus in der freien Marktwirtschaft bestimmt werden könnten, staatlich festgelegt oder reguliert. Die Missstände sind hier offensichtlich. Es ist kein Zufall, dass im Jahr 2002 vor allem diejenigen Preise erneut und dauernd steigen, die entweder staatlich festgelegt oder staatlich reguliert sind. So beim Bier (durch die Erhöhung der Biersteuer), bei den Mieten, im öffentlichen Verkehr, im ganzen Gesundheitswesen, bei den Krankenkassen usw. Würde man die Preisfestsetzung dem Wettbewerb aussetzen, wäre das Preisniveau überall tiefer. Monopolbetriebe Aus natürlichen oder wirtschaftlichen Gründen können bei grossen Infrastrukturen, wie beispielsweise bei Strassen, Schienen, Pipelines, Stromleitungen und Wasser-Versorgungen, die Bedürfnisse nur durch einen Monopolbetrieb befriedigt werden. Wo ein solches Monopol unumgänglich ist - aber nur dort -, ist ein staatliches Monopol mit demokratischer Kontrolle besser als ein privates Monopol. Dies gilt aber ausdrücklich nicht für zum Beispiel die ganze Abfallwirtschaft, die Telekommunikation, das Fernsehen, die Gütertransporte auf Schiene und Strassen, die öffentlichen Bauten, die Crossair oder das gesamte Gesundheitswesen. Nein zur Mischwirtschaft Neuerdings werden so genannte Service-public-Unternehmen halbprivatisiert. Das heisst, die Privatwirtschaft und die Politik betreiben die Betriebe gemeinsam. Was gibt es Schöneres als "Wir sitzen so traulich beisammen und haben einander so lieb". Überwacher und zu Überwachende sitzen am gleichen Tisch und sind oft gar die gleiche Person. Zu leiden haben wieder die Benutzer. So war es bei der alten Swissair, und so wird es noch verstärkt bei der Crossair sein. So ist es bei den "privatisierten" Rüstungsbetrieben, bei der SRG, bei der Expo, um nur einige Bespiele zu nennen. Mit diesen gemischtwirtschaftlichen Formen ist aufzuräumen. Sie führen zur Vettern-Wirtschaft, zu "Sauhäfeli - Saudeckeli" und zur Korruption. Sie dienen einzig Politikern und Funktionären sowie einigen Privaten, die das Licht der Marktwirtschaft scheuen. Landwirtschaft Die Landwirtschaft hat gemäss Verfassung und Gesetz der Nahrungsmittelversorgung, dem Schutz des Landes vor Vergandung und der dezentralen Besiedelung des Landes zu dienen. Die beiden letzten Staatszwecke lassen sich mit der freien Marktwirtschaft nicht erreichen, weil es nichts zu verkaufen gibt. Dazu braucht es aber nicht die heutige unheilvolle Agrarbürokratie, nicht diesen zerstörerischen Interventionismus, der die Landwirtschaft unheimlich verteuert und dem Bauern jede unternehmerische Freiheit nimmt. Vielmehr ist - abgestuft nach Nutzungszonen - den Bauern ein Flächenbeitrag zur Bewirtschaftung des Landes zuzuweisen, mit der Verpflichtung, das Land minimal zu bewirtschaften. Das sind keine Sozialbeiträge, und sie haben mit der Einkommenshöhe nichts zu tun. Für den Rest kann die Agrarbürokratie abgeschafft und dem Bauern und den Produkten die Freiheit des Marktes gegeben werden. Die Post ist gefordert Die Umwälzungen sind wohl am stärksten bei der Post. Durch die starke Verschiebung vom Briefverkehr auf die elektronische Kommunikation (z. B. E-Mail, SMS, Telefax, Internet, starke Verbesserung der Telefonverbindungen) und die zunehmenden, qualitativ einwandfreien, privaten Kurierdienste und Verteilorganisationen kommt die Post nicht darum herum, die Kosten zu senken, um konkurrenzfähig zu sein. Damit die Posttaxen nicht ins Unbezahlbare steigen und der Druck von dritter Seite nicht noch mehr erhöht wird, sind vermehrt auch von der Post unkonventionelle Lösungen zu verwirklichen. Sie kann nur bestehen, wenn sie konkurrenzfähig ist. Um namentlich auch abgelegene Orte bedienen zu können, sind dort vermehrt auch Gemeinschafts-Lösungen zu treffen. Warum nicht die Post mit den Gemeindekanzleien, dem Dorfladen oder gar dem Pfarrer zusammenlegen? Eine Postbank - nach den Kantonalbanken -, das heisst eine eidgenössische Bank, die den Wettbewerb verzerrt, nein danke. Auch das wäre kein Dienst am Kunden, kein Service public, sondern wieder eine Staatsbank zur Freude von Politikern und Funktionären.

18.01.2002

Viens gamin, et regarde ton p’tit pays!

Discours de l'Albisgüetli, 18 janvier 2002

18.01.2002

Vieni ragazzo e guarda il tuo Paese!

Discorso dell'Albisgüetli del 18 gennaio 2002