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23.08.1998

Die vierte Erpressung wird folgen

Christoph Blocher über Globallösung und Diktaturen Interview mit der SonntagsZeitung vom 23. August 1998 Christoph Blocher bleibt hart: An der Globallösung, so der SVP- Politiker, sollten sich keine "seriösen" Firmen beteiligen. Interview: Niklaus Ramseyer Herr Blocher, die Nationalbank leistet keinen Beitrag an die Globallösung, welche die Schweizer Grossbanken mit Sammelklägern aus den USA ausgehandelt haben. Was sagen Sie dazu? Christoph Blocher: Das war der einzig mögliche und richtige Entscheid. Es war schon ein Fehler, dass die Nationalbank 100 Millionen in den Holocaust-Fonds einzahlte. Die Nationalbank hat mit dem Washingtoner Abkommen von 1946 alle ihre Fehler und Unsorgfältigkeiten während des Zweiten Weltkriegs abgegolten. Firmen wie Novartis hingegen wollen sich an der Globallösung beteiligen. Blocher: Auch das finde ich falsch. An diesem Deal sollte sich keine seriöse Firma beteiligen. Und wenn eine Firma von der Notlage der Juden in Hitler-Deutschland profitiert oder Zwangsarbeiter ausgebeutet hatte? Blocher: Auch dann kann eine Firma sich nicht einfach mit einem Beitrag an die Globallösung freikaufen. In einem Rechtsstaat muss festgestellt werden, wem ein solches Unternehmen Unrecht getan hat und dann müssen diese Opfer entschädigt werden - im Rahmen des Rechts. Ihr Konzern macht in den USA rund 150 Millionen Jahresumsatz. Hätten Sie im Boykottfall darauf verzichten können? Blocher: Natürlich wäre dies auch für uns sehr schmerzhaft. Aber wenn es gegen meine Firma erpresserische Sammelklagen gäbe, würde ich mir einen Rückzug aus dem Produktionsstandort USA überlegen - ich bin darauf vorbereitet. Machen Sie denn bei juristischen Streitigkeiten nie eine Kosten-Nutz-Rechnung und sind zu einem Vergleich bereit? Blocher: Einen Vergleich zu machen ist nichts Ehrenrühriges. Auf erpresserische Forderungen eingehen darf man hingegen nie. In jedem Land der Welt - ausser in den USA - würde die Art und Weise, wie dieser Deal von den amerikanischen Kreisen erzwungen wurde, als Erpressung bezeichnet. Die Schweizer Grossbanken haben Fehler gemacht und müssen darum jetzt bezahlen. Blocher: Ich bin auch der Meinung, dass vollumfänglich wieder gutmachen muss, wer Unrecht begangen hat. Genau darum geht es doch bei der Globallösung, die den Sammelklägern zugute kommt. Blocher: Eben nicht. Ich habe nämlich die unterschiedlichsten Begründungen gehört für diese Milliardenzahlung. Herr Gut von der CS-Bank sagte etwa, es sei ein Geschenk. Firmen haben jedoch keine Geschenke zu verteilen, das ist in dieser Grössenordnung auch gar nicht erlaubt. Dann habe ich gehört, das sei eben der Preis, um sich den Zugang zum US-Markt zu sichern. Dass unter zivilisierten Ländern gegenseitig ein Zutrittspreis zum Markt entrichtet werden müsste, wäre mir allerdings sehr neu. Also überhaupt kein Grund für diese Globallösung? Blocher: Moment. Eine dritte Begründung hat mir halbwegs eingeleuchtet. Sie heisst: Die Banken haben Unrecht getan jetzt müssen sie Genugtuung leisten. Genugtuung leistet man in einem Rechtsstaat nur jenen, denen Unrecht geschehen ist und nicht einem zufälligen Erpresser, der herausgefunden hat, dass man Fehler gemacht hat und mit Boykotten droht. Ihre Kritik an den Banken erstaunt immer wieder. Könnte es sein, dass Sie einfach immer noch verärgert sind wegen Ihres Streites mit der damaligen SBG, die Sie aus dem Verwaltungsrat geworfen hat? Blocher: (lacht) Wo denken Sie denn hin. Ich bin nicht gegen Banken, aber gegen Erpressungen. Seit Herbst 1996 weise ich auf die Gefahren der Erpressung hin. Vor dem nächsten Holocaust-Fonds warnte ich, weil ich sah, die nächste Erpressung wird folgen. Es war die Solidaritätsstiftung. Da verliess ich den Nationalratssaal und sagte, der Bundesrat habe den Kopf verloren. Und jetzt ist dieser Deal von New York die dritte Erpressung. Die vierte wird folgen. Soll die Bergier-Kommission weiterarbeiten? Blocher: Ja. Aber sie soll sich auf das Problem der nachrichtenlosen Vermögen beschränken. Diese Kommission ist jedoch problematisch, weil nur diktatorische Staaten ihre Geschichte von Staates wegen aufarbeiten lassen. In freiheitlichen Staaten sollte das dem freien Schaffen der Historiker überlassen bleiben. Auch wenn diese Historiker die Archive Ihrer EMS-CHEMIE durchforschen möchten? Blocher: (lacht) Sie sind in unseren Archiven ja schon lange drin. Unsere Firma wurde 1939 gegründet und hatte damals noch eine staatliche Beteiligung. Solche historische Forschung ist interessant und wichtig. Wie beurteilen Sie das Verhalten des Bundesrates in Zusammenhang mit der Globallösung? Blocher: Er hat sich im letzten Jahr sehr standhaft verhalten. Da muss ich ihn rühmen.

20.08.1998

Es ist grundfalsch, Solidarität erzwingen zu wollen

Vortrag und Diskussion zum Thema: "Die Schweiz im 21. Jahrhundert" Interview mit den "Uster Nachrichten" vom 20. August 1998 "Die Schweiz im 21. Jahrhundert" heisst der Titel des Referates, das Nationalrat Christoph Blocher am 25. August in Greifensee halten wird. Der prominente Zürcher SVP-Politiker spricht im Rahmen einer von der evangelischen Kirchgemeinde Greifensee organisierten Vortragsreihe zum Thema "Jahrtausendwende". Im Hinblick auf diesen Anlass baten wir Christoph Blocher zum Interview. Interview: A. Streiff Herr Blocher, Sie wurden eingeladen, in diesem Rahmen über den "Weg der Schweiz" zu sprechen… Was sind Ihre Prognosen für unser Land nach der Jahrtausendwende? Christoph Blocher: Ich bin nicht der Meinung, dass die Schweiz jetzt für das ganze kommende Jahrhundert ihre Funktion und ihren Weg festlegen müsse. Man stelle sich das einmal vor: Wenn einer im Jahr 1898 eine Rede über das 20. Jahrhundert gehalten hätte - seine Vorhersagen zur technischen und gesellschaftlichen Entwicklung wären wohl ziemlich verkehrt herausgekommen! Was er aber mit Sicherheit hätte sagen können, ist das, worüber ich auch sprechen werde: über die starken tragenden Säulen unseres Landes, über das, was längerfristig gleich bleibt. Was wäre das? Blocher: Es ist unsere freiheitliche Rechts- und Wirtschaftsordnung. Unsere weltoffene Haltung: Eine Freundschaft mit allen Ländern; eine Partnerschaft, ohne uns in Bündnisse einzubinden; ohne unsere Entscheidungsfreiheit aus der Hand zu geben! Ein wichtiger Pfeiler ist also die Wahrung unserer Selbständigkeit und Unabhängigkeit; und damit die dauernde bewaffnete Neutralität, die immerhin bewirkt hat, dass die Schweiz seit 200 Jahren im eigenen Land, keinen Krieg mehr gehabt hat! Man kann fürs kommende Jahrhundert voraussagen, dass es der Schweiz am besten geht, wenn sie auf ihren starken traditionellen Staatssäulen aufbaut. In früheren Interviews haben Sie von den guten Beziehungen zu den USA gesprochen, als Hinweis darauf, es gebe ausser der EU noch andere Partner… Heute sind die "traditionell guten Beziehungen" zu den USA auf einem Tiefpunkt angelangt… Blocher: …man darf die jetzige Situation nicht überbewerten. Diese Spannungen sind eine kurzfristige Sache, die das nächste Jahrhundert nicht berühren. Von einer generellen Änderung in der Beziehung zwischen uns und der USA kann jedenfalls keine Rede sein. Im Moment macht es aber den Eindruck, als ob da doch etwas kaputt gegangen wäre in der Beziehung USA-CH! Blocher: Wir pflegen seit dem Bestehen der USA ein freundschaftliches Verhältnis zu unserer "Schwesterrepublik". Und die Vereinigten Staaten sind nach wie vor ein westliches, freiheitliches Land, das uns in der Denkweise relativ nahe steht; obwohl heute der Rechtsstaat in den USA in vielen Sachen in Frage gestellt ist; und obwohl die jetzige Regierung und einzelne Teilstaaten stark unter dem Einfluss jener Kreise stehen, die uns mit Geldforderungen erpressen… Diese "Kreise" haben soeben 1,25 Mia $ bekommen… Ist das nun das Ende des üblen Holocaust-Streites? Blocher: Ich fürchte Nein! Eher ist es der Anfang weiterer Forderungen. Die Welt sieht jetzt, dass wir erpressbar sind, also werden bald Andere kommen und es auch versuchen. Lesen Sie doch die ausländischen Kommentare, dort ist die Rede von "einer ersten Teilzahlung": Die grosse Rechnung werde die Schweiz erst noch präsentiert bekommen… und die Zahlung von 1,8 Mia Franken interpretiert man gerne als "Schuldeingeständnis". Aber das hätte es ja gerade nicht sein sollen! Blocher: Man muss sich einmal vor Augen halten, wie der Milliarden-Deal zwischen den Grossbanken und den Anwälten der Sammelkläger auf die Öffentlichkeit wirkt: Wenn jemand ohne faires Gerichtsverfahren, vor Abschluss der Untersuchungen bereit ist, ein so hohes "Bussgeld" zu zahlen, dann heisst es doch sofort: "Der muss wohl Dreck am Stecken haben, sonst würde er nicht freiwillig soviel herausrücken…" Und niemand kann uns davor schützen, dass später wieder welche kommen und sagen, die Summe von 1,8 Mia $ sei willkürlich festgesetzt gewesen, in Wirklichkeit sei die Schuld viel grösser… Mit dem Nachgeben hat man das falsche Signal gesetzt und keinen einzigen Freund kaufen können! Im Gegenteil: Damit ist ein Präzedenzfall geschaffen worden und all jene, die als nächste mit Sammelklagen bedroht werden, dürften kaum dankbar dafür sein, dass sich unsere Grossbanken auf diesen "Ablasshandel" eingelassen haben. Blocher: Die Banken standen unter starkem Druck! Wer in den USA Business machen will, ist eben erpressbar… Ob schuldig oder nicht, der angedrohte Prozess und die Folgen des Boykotts kommen ihn teurer zu stehen als eine Lösegeldzahlung. Welche andere Wahl hätten denn die Banken, als nachzugeben? Im Umgang mit Erpressern gibt es einen eisernen Grundsatz: Man muss konsequent "NEIN" sagen. Nur so kann man sich vor weiteren Forderungen schützen. Wenn man diesen Kampf durchstehen will, muss die Wirtschaft bereit sein, auch die Nachteile auf sich zu nehmen, die eine aufrechte Haltung mit sich bringt. Doch diese Haltung zahlt sich mittelfristig aus: man darf die ganze Rechnung nicht nur kurzfristig ansehen. Einfach nichts zahlen und hoffen, die Sache erledige sich von selbst… ist das nicht ein zu einfaches Rezept? Blocher: Das gilt nur im Umgang mit Erpressern. Aber dort wo es berechtigte Forderungen gibt, muss für die Betroffen eine gerechte Lösung gefunden werden… und für diese Arbeit ist es wirklich höchste Zeit! Hatten Sie damit gerechnet, dass unsere Grossbanken umkippen? Blocher: Eine Überraschung war es nicht. Schon bei den Zahlungen an den Holocaust-Spezialfonds haben die Banken gezeigt, wie erpressbar sie sind. Sie haben als Unternehmer schon damals sofort erklärt, dass Sie nichts bezahlen werden… Blocher: …nicht an den Holocaust-Fonds, denn das ist ein erpresster Fonds und wenn man bei der Erpressung einmal "Ja" sagt, dann wird es nie aufhören. Und was ist mit der Solidaritätsstiftung? Blocher: Die ist "gestorben". Bundesrat und Parlament wissen das. Die Stiftung hätten sie ja noch dieses Jahr schaffen müssen - sie wurde zum 150-Jahr-Jubiläum angekündigt. Dieses Projekt würde nie durch die Volksabstimmung kommen! Warum nicht? Blocher: Erstens ist es grundfalsch, Solidarität erzwingen zu wollen. Es ist nicht Sache der Regierung, die Bürger dazu zu verpflichten, ein Teil des Volksvermögens in eine Solidaritätsstiftung einzuzahlen. Das ist diese moderne Art von Solidarität unter den Politikern: "solidarisch sein - indem man Geld das andern gehört - verschenken tut…" Und zweitens würden wir bei Bestehen dieser Stiftung jedes Jahr um 300 Mio. Franken erpresst - jedes Jahr! Aber das Ausland erwartet von uns, dass wir diese Stiftung machen… Wie stünden wir da, wenn dieses Werk nicht zustande kommt! Blocher: Es war - gelinde gesagt - ziemlich ungeschickt, dass diese Stiftungsidee vom Bundespräsidenten als Höhepunkt seiner Rede "zur Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg" der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Damit hat er im Ausland entsprechende Erwartungen geweckt. Das Resultat ist, dass man die vom Bundesrat angekündigte Stiftung als "Sühneleistung" für angeblich begangene Schandtaten interpretiert, und dass man im Ausland kaum weiss, dass bei uns weder Bundesrat noch das Parlament sondern das Stimmvolk über eine solche Stiftung zu entscheiden hat. Aber ein "NEIN" des Stimmvolkes hätte eine grosse positive Wirkung für die ganze Welt! In der ganzen Holocaust-Auseinandersetzung hat der Bundesrat ziemlich kläglich versagt. Sie fordern die Volkswahl des Bundesrates - was soll damit besser werden? Blocher: Bundesrat u n d Parlament haben die Nerven verloren. Das Versagen der Regierung wird von ausländischen Beobachtern entsprechend interpretiert: Man nimmt an, dass die Schweizer Regierung Dreck am Stecken habe. Beim Bundespräsidenten, der zuständig wäre, unseren Standpunkt gegenüber der Welt zu vertreten, weiss man, dass er die Geschichte nicht gekannt hat. Das geht an die Adresse von Bundesrat Cotti... Blocher:…auch an andere Politiker! Man hat reagiert, als wenn etwas Neues aufgedeckt worden wäre und sich noch entschuldigt… Ich bin ja kein Historiker - kenne aber die Geschichte des zweiten Weltkrieges relativ gut, weil sie mich schon immer interessiert hat - und ich habe in all den sogenannten "Enthüllungen", bis jetzt noch nichts gelesen, was noch nicht bekannt gewesen wäre. Es gibt Details, die nun hervorgehoben werden, aber etwas von Belang ist nicht zum Vorschein gekommen. Neu ist eigentlich nur, dass man jetzt die Dinge die damals geschahen, aus der heutigen Sicht - aus dem gemütlichen Lehnstuhl heraus - beurteilt. Man kann das tun, um sich Gedanken darüber zu machen, wie man selber in einer solch kritischen Situation handeln würde, aber man kann aus dieser Art von "Geschichtsbetrachtung" ganz sicher keine Vorwürfe und Forderungen an die damals aktive Generation ableiten! Nochmals die Frage: Was soll ändern, wenn der Bundesrat nicht mehr vom Parlament sondern vom Volk gewählt wird? Blocher: Die Bundesratswahlen sind degeneriert. Das ganze Verfahren ist heute ein abgekartetes Spiel zwischen den Bundesräten, den Spitzen der Bundesratsparteien, den verschiedenen Lobbys im Parlament, den Chefbeamten und gewissen starken Personen aus der Medienlandschaft, die auch noch mitmischeln. Das zwingt die Bundesräte, sich in einer gewissen Klasse zu bewähren - ob sie sich auch in der anderen Klasse bewähren, ist ohne Konsequenzen. Auf die Bevölkerung brauchen sie keine Rücksicht zu nehmen… Und das würde mit einer Volkswahl geändert: Dann sind die Bundesräte daran interessiert, so zu regieren, dass sie das Volk nicht vor den Kopf stossen. A propos vor den Kopf stossen: Ist der EU-Beitritt respektive der EWR-Plus ein Thema für den nächsten Wahlkampf? Blocher: Da werden die meisten Politiker sich hüten, vor den Wahlen klar Stellung zu nehmen. Das war schon das letze Mal so: Vor den Wahlen sagt jeder, das sei in der nächsten Legislaturperiode kein Thema - so auch die CVP - aber wenn die Wahlen überstanden sind, dann kann man leicht eine Kursänderung um 180° vornehmen. Der SVP wird nachgesagt, sie sei eine NEIN-Sager-Partei. Gibt es irgendwo irgendetwas, wozu sie "JA" sagt? Blocher: Nein-Sagen ist nicht negativ: Wenn Sie eine Fehlentwicklung verhindern, öffnen sie den Weg zum Fortschritt. Das "NEIN" zur EU ist nichts anderes als das "JA" zur Selbständigkeit und zu einer prosperierenden Schweiz. Es ist ja immer eine relative Frage, ob die Antwort "JA" oder "NEIN" sein soll: Man könnte die Frage anders formulieren und dann sieht man, zu was unsere Partei "JA" sagt. Ich möchte ein Beispiel, wo ein konstruktiver Beitrag geleistet wird... Blocher: Nehmen Sie unsere Finanzpolitik. Man kann es negativ formulieren: Die SVP sagt "NEIN" zu mehr Steuern - oder positiv: Wir sind "FÜR" ein Land mit weniger Steuern, Abgaben und Gebühren, damit dem einzelnen mehr verbleibt! Das ist ausserordentlich positiv und konstruktiv und nicht rückwärtsgewandt - aber eben, im entscheidenden Moment müssen Sie "NEIN" sagen zur Steuererhöhung. Oder nehmen Sie die Asylinitiative: Da haben wir ein ganz klares Programm vorgeschlagen - da haben die anderen Parteien "NEIN" gesagt… Weil diese damals den beschwichtigenden Worten von Bundesrat Koller geglaubt hatten! Heute weiss man es besser. Dennoch: die SVP politisiert rechts aussen. Besteht nicht Gefahr, dass damit rechtsextreme Tendenzen gefördert werden? Blocher: Den Vorwurf kann man uns nicht machen. Schauen Sie das Asylproblem an: Die Taktik die Bern anwendet ist gefährlich: Wenn man dort meint, es sei besser, dem Volk nicht offen zu sagen, wieviele Asylsuchende hereinkommen, wieviele untergetaucht sind, wieviele das Asylrecht missbrauchen, weil auf diese Weise die Entstehung von Fremdenhass verhindert wird, dann ist das ein Irrtum. Man kann das Aufkommen extremer Tendenzen nicht verhindern, indem man immer wieder beruhigt und sagt, man habe das Problem im Griff. Die Leute sehen doch was läuft, man kann sie nicht mit dem Zurückhalten von Informationen täuschen. Und wenn die Bevölkerung merkt, dass sie von oben nicht die Wahrheit bekommt und wenn die Leute dazu noch das Gefühl haben, sie kämen dauernd zu kurz, weil die Behörden die anderen vehätscheln, und wir mit Steuergeldern diese Verhätschelung noch bezahlen, dann beginnen die Leute sich ein Ventil zu suchen. Das wird dann extremistisch. Das ist die Theorie - aber in der Praxis sind wir noch nicht soweit! Blocher: Nehmen Sie zum Beispiel die Polizeiberichterstattung: Wenn in Zürich ein Drogenhändler aus Albanien verhaftet wurde, und die Zeitungen schreiben, "ein Mann" sei verhaftet worden - vielleicht steht noch sein Alter, aber die Herkunft wird verschwiegen, weil man auf diese Weise Rassismus vermeiden möchte… das führt doch nur dazu, dass sich jeder seine eigenen Gedanken macht: Bei jeder Polizeimeldung, in der nicht ausdrücklich steht, der Täter sei "ein Schweizer", muss man dann ja annehmen, es handle sich um einen Ausländer - vermutlich einen aus Ex-Jugoslawien und womöglich gar einer, der unser Asyl missbraucht… Was wäre denn zu tun? Blocher: Dem Rassismus - eigentlich jedem Extremismus - kann man nur mit offener Information entgegenwirken. Man muss die Probleme beim Namen nennen. Ich bin der Meinung, nur Transparenz verhindert diese gefährlichen Entwicklungen. Aber die Transparenz muss dann auch dazu führen, dass etwas getan wird, um das Problem zu lösen. Den Kopf in den Sand stecken, das Problem herunterspielen und denjenigen der wagt, davon zu sprechen, als "Extremisten" abstempeln… das war bisher die Methode, mit der die linken Parteien in der Asylfrage Politik machten. Ich hoffe, das ändere jetzt!

14.08.1998

Es wird bestimmt neue Forderungen geben

Interview mit der Berner Zeitung vom 14. August 1998 Für Christoph Blocher ist klar: die Milliardenzahlung der Banken ist für ihn ein Zeichen der Schwäche. Das jetzige Nachgeben wecke nur neue finanzielle Gelüste der jüdischen Organisationen. Interview: Jürg Abbühl Herr Blocher... Christoph Blocher: …Was die Banken gemacht haben, ist schlecht: Schon beim Holocaust-Fond haben sie sich erpressen lassen. Und wer einer Erpressung nachgibt, muss mit weiteren Erpressungen rechnen. Das ist jetzt die zweite. Sie sind recht erzürnt, dass Sie uns nicht einmal die Frage stellen lassen. Blocher: Ist doch wahr. Das ist die Ausgangslage! Obwohl Sie direkt aus den Ferien zurückkommen, sind Sie nicht entspannt. Blocher: Ich habe mit meinem Sohn und zwei Bergführern den Mönch und die Jungfrau bestiegen. Das war wunderschön. Die Nachricht von den Banken leider weniger. Es wird bestimmt neue Forderungen geben. Ich warne die Nationalbank und die Eidgenossenschaft, auch nur einen Finger breit nachzugeben. Eigentlich sollten sie zufrieden sein. Sie gehen als Sieger hervor. Blocher: Ich verstehe Sie nicht, warum? Die Milliardenzahlung der Banken dürfte die Unterstützung für die Solidaritätsstiftung bröckeln lassen. Blocher: Die ist sowieso erledigt. Mir haben jetzt zahlreiche Leute angerufen und gratuliert, dass meine Voraussage vom März 1997, dass es nur ums Geld geht, treffend war. Es wäre mir lieber, ich hätte nicht Recht bekommen. Warum? Blocher: Lieber eine politische Niederlage als erpresst zu werden. Haben sich die Bankers erpressen lassen? Blocher: Es kann sein, dass in diesen Banken tatsächlich soviel Unrecht geschehen ist, dass sie nun so viel bezahlen müssen. Das weiss ich nicht. Wenn es aber nicht der Fall ist und die Banken nur nachgegegben haben, um allfällige Nachteile abzuwenden, ist das eine äusserst kurzsichtige Sache. Sind die Herren Cabiallavetta, Ospel, Gut und Mühlemann schlechte Manager? Blocher: Sie haben in dieser Sache gewiss nicht geschickt gehandelt. Zuerst verschliefen sie das Thema, dann krochen sie zu Kreuze, zahlten in den Fonds und jetzt wieder. Sie werden es nun auf dem amerikanischen Markt leichter haben. Die Banken stellen Nationalbank und Wirtschaft unter Zugzwang. Blocher: Weder Wirtschaft noch Nationalbank sind verpflichtet, auch nur einen Franken zu zahlen. Ich für mein Unternehmen kann sagen, dass wir wie damals beim Fonds auch diesmal selbstverständlich nichts zahlen. Ich hoffe, die andern Unternehmer handeln gleich. Haben Sie Konten bei der CS und der UBS? Blocher: Ja, die Ems Chemie arbeitet mit allen Banken zusammen. Ziehen Sie Ihr Geld zurück? Blocher: Nein, das nicht. Wenn wir immer die Zusammenarbeit von Banken und Firmen auflösen würden, die einen Fehler machen, würde das ins Uferlose führen. Die Banken haben sich nun von ihrer Vergangenheit losgekauft. Für den Bund kommt mit dem Flüchtlingsbericht der Bergier-Kommission die nächste Belastung. Blocher: Warum auch? Im Flüchtlingsbericht wird nichts zum Vorschein kommen, was wir nicht schon längst wissen. Alles, was bis jetzt veröffentlicht wurde, ist grundsätzlich nicht neu. Es kann ja gar nicht möglich sein, dass in den letzten 50 Jahren die Historiker nur Unsinn geschrieben haben. Aber es stimmt. Neue Geld-Forderungen werden bestimmt gestellt werden, sowohl im In- und Ausland. Ich hoffe aber sehr, dass nicht noch ein drittes Mal nachgegeben wird. Was soll der Bundesrat machen? Blocher: Er muss jegliche Forderungen im Keim ersticken und schon vorgängig zurückweisen - egal wie der Flüchtlingsbericht herauskommt. Immerhin: der Bundesrat hat im letzten halben Jahr konsequent alle Forderungen zurückgewiesen. Blocher: Ja, das stimmt. Er ist standhaft geblieben. Er hat dem Druck der Wirtschaft widerstanden. Die Landesregierung hat aber nur so gehandelt, weil sie das Volk fürchtet. Hätten wir die direkte Demokratie nicht, wäre der Bundesrat mit Bestimmtheit weich geworden. Die Banken zahlen. Ist ihre Schuld nun beglichen? Blocher: Es geht schon lange nicht mehr um die historische Wahrheit. Es geht allein noch ums Geld. Die drüben sind geldhungrig und geldgierig. Wen meinen Sie? Blocher: Den Jüdischen Weltkongress, nicht die Juden. Wenn die Herren Bronfman und Singer merken, dass es irgendwo neue Möglichkeiten gibt, Geld zu scheffeln, werden sie unser Land erneut attackieren, hemmungslos. Denen geht es nur ums Geld, das ist eindeutig. Und hier kann die Antwort nur heissen: Nein.

14.08.1998

Bedauerlich…

Interview mit dem Blick vom 14. August 1998 Für den Zürcher SVP-Nationalrat Christoph Blocher gibt es keinen einzigen Grund für das Angebot unserer Grossbanken: "Sie haben wahrscheinlich Dreck am Stecken..." Interview: Georges Wüthrich Herr Blocher, was sagen Sie zu den 1,8 Milliarden? Christoph Blocher: Bedauerlicherweise war diese Kapitulation zu erwarten. Bereits beim Holocaust-Spezialfonds haben die Banken einer Erpressung nachgegeben und jetzt das zweite mal bei den Sammelklagen. Was hätten Sie anders gemacht? Blocher: Durchhalten. Bei Erpressungen muss man durchhalten, sonst hört die Gegenpartei nie auf. Ich befürchte, das war der zweite Streich, und der dritte folgt sogleich. Was könnte der dritte Streich sein? Blocher: Dass aus einem anderen Grund wieder Attacken gegen die Schweiz geritten werden. Ich denke da an den nächsten Bergier-Zwischenbericht über die Flüchtlings-Politik, obwohl auch der nichts bringen wird, was nicht längst schon bekannt war. Die Banken wollen etwas von der Wirtschaft zurück. Zahlt Ihre Ems-Chemie einen Betrag? Blocher: Auf keinen Fall. Ich wüsste nicht warum. Wir haben schon nichts in den Holocaust-Fonds einbezahlt. Wir lassen uns nicht erpressen. Wenn man Unrecht begangen hat, muss man dieses Unrecht abgelten. Wir sind uns aber keiner Schuld bewusst. Dass die Banken so viel bezahlen, ist wahrscheinlich ein Zeichen dafür, dass sie Dreck am Stecken haben. Soll unsere Nationalbank etwas beisteuern? Blocher: Die Nationalbank darf nur bezahlen, wenn sie einen Schaden abgelten muss, den sie verursacht hat. Mit dem Washingtoner Abkommen ist das alles aber längst erledigt. Die Nationalbank hat bedauerlicherweise schon 100 Mio. in den Holocaust-Fonds bezahlt. Sie darf jetzt auf keinen Fall weitere Gelder einschiessen. Nichts ist bis heute zum Vorschein gekommen, das neue Zahlungen rechtfertigen würde. Soll die Solidaritätsstiftung beerdigt werden? Blocher: Das ist schon beerdigt. Das würde gerade noch fehlen, nochmals 7 Milliarden hinzublättern.

01.08.1998

1.-August-Rede 1998 in Richterswil

Niederschrift der Ausführungen einer Festteilnehmerin, 1. August 1998 von Nationalrat Dr. Christoph Blocher Liebe Richterswilerinnen und Richterswiler, Herr Gemeindepräsident, liebe Frauen und Männer. Meine Damen und Herren, Sie sind heute Abend hierher gekommen zum Feiern des 707. Geburtstages unseres Landes. Was ist ein Geburtstag? Es ist ein Fest der Besinnung, der Dankbarkeit und der Freude. Wir feiern etwas, wofür wir eigentlich gar nichts können, nämlich die Geburtsstunde. Das ist ja schliesslich auch beim Menschen so. Wir können ja nichts dafür, dass wir geboren sind. Und trotzdem feiern wir immer wieder den Geburtstag. So ist es auch mit unserem Land. Wir können nichts dafür, dass es eine Geburtsstunde von diesem Land gibt und trotzdem dürfen wir diese feiern. Man muss ja nicht jene Sachen feiern, für die man etwas kann, sondern vor allem jene, für die man nichts kann. Diese können wir dankbar entgegen nehmen. Den 707. Geburtstag können auf dieser Welt nicht viele Länder feiern. Die Erfahrung zeigt, dass Länder, die lange bestehen, auch weniger schnell auseinander brechen und besser Schwierigkeiten lösen können. Deshalb können wir dankbar sein, dass wir bereits einen so hohen Geburtstag feiern dürfen. Länder entstehen nicht in einer Sekunde, bei Ländern kann man nicht sagen, da fängt es an, sondern ein Land durchläuft eine grosse geschichtliche Entwicklung. Zur Geburtsstunde hat unser Land den Zeitpunkt gewählt, als ein paar Männer in den ersten Augusttagen - so heisst es nach der Geschichtsforschung - zusammengekommen waren und ein Schwur, ein Gelöbnis, abgelegt hatten. Im Jahre 1291 hatten sie auf einen Brief geschworen - auf den Bundesbrief. Der Bundesbrief Man weiss, das war nicht der erste, es gibt noch ältere, aber dieser ist gut erhalten und der 1. August 1291 wurde zur Geburtsstunde erklärt. Tatsächlich wurden damals Werte festgelegt, meine Damen und Herren, welche sich durch die ganze Schweizer Geschichte hindurchziehen. Jene Männer konnten nicht lesen und schreiben. Das machten andere, möglicherweise die Klöster, in den Klöstern, da waren Priester oder Mönche, welche nicht anderes taten. Es war eine sinnvolle Aufgabenverteilung. Der erste Satz im Dokument: "Im Namen Gottes des Allmächtigen", steht nicht weil die Mönche es wahrscheinlich geschrieben haben, sondern darum, weil das ein so wichtiges Dokument war und man überzeugt war, dass das nicht allein verwirklicht werden konnte. Dieser Satz steht auch heute noch in der Bundesverfassung, und ich hoffe auch, dass er bleibt. Keine fremde Herrschaft Im Bundesbrief sind drei Säulen festgelegt, nämlich erstens: Sie sagten, in unserem Land - dannzumal noch wesentlich kleiner - dulden wir keine fremde Herrschaft. Ruhe und Ordnung Zweitens: Niemand in diesem Land soll straflos gegen Ruhe und Ordnung verstossen, weil man natürlich wusste, wer zusammenleben will, muss dafür sorgen, dass die Leute sich nicht gegenseitig totschlagen, dass die Leute einander nicht "plagen", dass die Leute einander nicht berauben, also niemand soll das dürfen. Keine fremden Richter Drittens: Nur eigene Richter soll dieses Land haben und man war sich bewusst, dass dies schnell gesagt ist. An Richter sind sehr hohe Anforderungen zu stellen, hatten sie geschrieben. Sie wussten, auch Richter sind nicht gefeit vor Parteilichkeit, vor Korruptionen, etc. Sie wussten, wenn man das alles machen will, muss man mit aller Kraft dafür einstehen - sie schrieben dies auch gleich auf. Das könne notfalls auch den Tod bringen - für diejenigen, die dafür einstehen. Sie merken, weshalb sie am Anfang den Satz geschrieben hatten: " Im Namen Gottes des Allmächtigen". Das ist die Gründungsurkunde unseres Landes! Bundesbrief ist aktuell Sie werden sagen, 707 Jahre, das sei ja lange her. Jawohl es ist lange her, aber der Bundesbrief ist höchstaktuell. Der ist nämlich immer aktuell, wenn man die ganze Schweizer Geschichte durchgeht. Wir leben jetzt in einem Jahr, in welchem wir Jubiläen feiern und dabei dürfen wir auch zurückblicken auf unsere Geschichte. Wenn Sie diese Geschichte betrachten, dann merken Sie, immer dann, wenn in unserem Land gegen den Bundesbrief verstossen wurde - in unserem Land waren alles andere als Tugendhelden - ging es den Schweizern schlecht. Sie hatten immer wieder gemeint, es könne auch anders gehen. Vor allem die führende Schicht hatte gemeint, wir könnten es auch anders machen. Es kam immer schlecht heraus. 1848 Wir feiern jetzt 350 Jahre Westfälischer Frieden, "1648". 30 Jahre Krieg gab es damals in Europa. Ein fürchterlicher Krieg. Der 30 - jährige Krieg. Die Schweiz konnte sich da raushalten, weil sie streng neutral war. Nachher haben sie festgestellt, wir müssten auch für uns einen rechten Friedensvertrag haben. Der Basler Bürgermeister Wettstein hatte dies fertig gebracht. Er hatte für unser Land in Münster und Osnabrück ein Dokument ausgehandelt. Was im Bundesbrief 350 Jahre vorher festgelegt wurde, fand hier seinen neuen Grundsatz und zwar noch viel stärker, als zuvor. In diesem Friedensvertrag steht nämlich: "Es ist reichs- und weltkundig", - das ganze Reich soll es wissen, die ganze Welt soll es wissen - "dass die Eidgenossenschaft ein freier Staat ist, und neben Gott einzig von sich selbst abhängt". Mit diesem Vertrag kam er nach Hause. Seither hatte die Schweiz keinen Kaiser mehr über sich und ist reichsfrei. Das sind 350 Jahre Souveränität, Unabhängigkeit und Neutralität. Es tut mir leid, dass die offizielle Schweiz, der Bundesrat und das Parlament, nicht etwa diesen Geburtstag vergessen, sondern bewusst übergangen haben. Weshalb? Schämt man sich, dass wir einmal unabhängig geworden sind? Nur diktatorische Staaten pflegen die einzelnen Jubiläen so herauspflücken, wie es ihnen passt. Demokratische Staaten feiern eigentlich alle Jubiläen. 1798 Das Jahr 1798 wird gefeiert - 200 Jahr Helvetik. Sie können auch sagen, es sei 200 Jahre her, seit dem Untergang der alten Eidgenossenschaft oder 200 Jahre seit dem Einmarsch der Franzosen, aber gleichzeitig haben wir auch seit 200 Jahren keine fremde Truppen mehr in unserem Land. Betrachten wir dies wieder im Hinblick auf den Bundesbrief, liebe Frauen und Männer. Wie war es damals? Einzelne Kantone feiern dieses Jubiläum nicht. Sie haben keinen Grund, sie hatten Franzosen auf ihrem Gebiet und hatten Menschen verloren. Andere Kantone feiern es besonders stark, weil es für diese eine Befreiung war, Gleichheit des Bürgers. Soweit ist es gekommen, weil ein hochnäsiges, verkommenes Regime, ohne auf das Bedürfnis des Volkes zu achten, eigenmächtig und in dekadenter Art und Weise regiert hatte. So kam es, dass führende Familien sagten, wir bauen auf Frankreich; gewisse Kantone sagten, wir bauen auf Frankreich; viele Leute aus der Bevölkerung hatten den französischen Truppen zugejubelt. Diese schufen einen Staat - Helvetik - nach eigenem Gusto. Es dauerte aber nicht lange, da zogen die Franzosen wieder ab. Nach 5 Jahren sagten sie, mit diesen störrischen Schweizern könne man nichts machen, nicht einmal einen richtigen Staat schaffen. Die Helvetik ist zusammengebrochen und die Franzosen haben sich zurückgezogen, sie hatten eigentlich auch das Wichtigste gehabt, was sie wollten. Sie kamen nämlich nicht nur wegen der Gleichheit und wegen der Gerechtigkeit in die Schweiz. Schon damals hatte man ein schönes Deckmäntelchen gefunden! Sie sind vor allem dann gegangen, als sie den bernischen Goldschatz eingepackt und über die Grenze geführt hatten. Sie sehen, auch damals ging es schon ums Gold - das gäbe doch auch noch eine gute Sammelklage - nicht wahr. Bald wurde nicht mehr dieser französischen Truppe oder dem französischen Staat nachgejubelt. Die Schweiz hat vieles selbst probiert und hat schliesslich 50 Jahre später, nämlich 1848, den Mut aufgebracht, ohne sich von aussen beeinflussen zu lassen, aus eigener Kraft eine eigene Verfassung zu schaffen. Seither besteht der Schweizer Bundesstaat mit einer eigenen Verfassung. 1848 Meine Damen und Herren, die gesamte damalige europäische Grossmacht-Gesellschaft - Österreich-Ungarn, Frankreich etc. - alle spotteten über das Land, welches eine solche Verfassung erstellte. Einen Sonderfall haben die Schweizer, diese Spinner, gemacht, hier, in der Schweiz, einen Sonderfall! Es dauerte weit über 50 Jahre, bis alle anderen europäischen Mächte, erst in diesem Jahrhundert, auch zu einer liberalen, demokratischen Verfassung übergegangen sind. Leider war sind dort oft Krieg und Niederlagen vorausgegangen. Es kam gut heraus mit dieser Verfassung. Die Schweiz, damals arm, wurde zu einem der reichsten Ländern, obwohl sie schlechte Voraussetzungen hatte für die Wirtschaft. Der politisch neutrale, freiheitliche und demokratische Staat hatte Erfolg auszuweisen. Vor allem aber wurde er verschont von grossen Kriegen, weil er sich auf seine Staatssäulen und den Bundesbrief besonnen hatte. Wir dulden keine fremden Herrscher und wir müssen unsere Probleme allein lösen. Sie sehen, es geht wie ein roter Faden durch unsere Geschichte. Ausserhalb von diesen Jubiläen wäre in dieser Beziehung noch viel zu sagen. Wieviele Male haben führende Kreise in unserem Land, einmal zu Habsburg, einmal zu Frankreich, einmal zu Spanien gehalten. Jedesmal kam es falsch heraus. Das sollte uns eine Lehre sein. Es ist pubertär zu meinen, solche Staatssäulen, denen wir so viel zu verdanken haben, seien leichtsinnig abzustreifen. Fremde Richter heute Wie ist es dann aktuell? Wissen Sie, fremde Herrscher können nicht nur mit Armeen kommen! Fremde Richter können nicht nur im Landesinnern eingesetzt werden, sondern sie können das Land auch von aussen richten. Sie können auch in Amerika sein. Man kann auch ein Land unterjochen und eine fremde Herrschaft erhalten, indem man ein Land zu erpressen beginnt. Letztes Jahr an der Geburtstagsfeier unseres Landes sagte mir jemand, ich sollte dieses Wort nicht verwenden. Bundesrat Delamuraz hatte anfangs letzten Jahres noch sagen müssen, das Wort "Erpressung" sei ein Missverständnis gewesen. Dabei war es ja wahr, ein wahres Missverständnis. Wir müssen dieser Sache in die Augen blicken. Heute schreiben es sogar die Journalisten in den Zeitungen und man kann es ungestraft gebrauchen, weil es so ist. Nur ist es spät, man hätte es schon zu Anfang erkennen müssen. Was macht man bei Erpressungen? Ich bin internationaler Unternehmer. Glauben Sie nicht, dies seien die einzigen Erpressungen, welche die Unternehmer hätten. Das gehört ja heute zur Alltagsordnung: "Wenn du das nicht machst, wenn du da nichts zahlst, dann hast du den oder jenen Nachteil!" Für Erpressungen gibt es nur eine Antwort. Immer! Eine kurze. Es genügt schon, wenn man die erste Klasse besucht hat, um da reagieren zu können. Das Wort heisst: "Nein"!! Wer sich einmal erpressen lässt, wird wieder erpresst. Der Erpresser hört dann auf, wenn man bereit ist, den Nachteil, welchen er einem androht, zu ertragen. Es ist einfach, aber wir müssen danach handeln. Das hängt auch mit dem Bundesbrief zusammen. Ich hoffe, dass unsere Regierung die Kraft hat, diesem zu widerstehen. Wer Unrecht getan hat, soll dieses im Rahmen des Rechtes abgelten. Aber wir unterziehen uns nicht irgendwelchen moralischen Ansprüche, welche irgendwelche Kreise stellen. Dort geht es nämlich nicht etwa darum, der Moral gerecht zu werden, sondern es geht nur um etwas. Es ist auch ein kurzes Wort. Es genügt auch die erste Klasse. Es geht um nichts anderes, als um Geld. Um Geld geht es! Recht vor Moral Ich habe heute schon die dritte Augustrede. Heute morgen zum Beispiel in Egerkingen, sah ich beim Eingang - es hatte auch viele Leute - einen Priester in seiner Soutane stehen. Obwohl es ein grosses Zelt war, sah ich, dass er Freude hatte an meiner Rede. Anschliessend kam er zu mir nach vorne, worauf ich ihm sagte, dass es mich freue, dass die hohe Geistlichkeit auch hier sei. Darauf sagte er mir, er sei nicht die hohe, sondern die niedrige. Ich sagte ihm, für mich sei jede Geistlichkeit hoch. Ich bin Protestant, da gibt es keine Hierarchien. Er sagte, er habe an meiner Rede Freude gehabt, aber das mit der Moral hätte ich nicht sagen sollen. Ich sagte, das hätte ich gedacht, als ich ihn sah, darum hätte ich es dann auch gesagt. Ich habe ihm gesagt, Politiker müssen sich aufs Recht stützen und auf nichts anderes, denn wenn jeder sagen würde, vom Recht her ist es in der Ordnung, aber von der Moral nicht, dann wird es uferlos, denn jeder hat seine eigene Moral. Herr Bronfmann hat auch eine Moral, trotzdem darf er uns nicht erpressen, denn das Recht verbietet das. Der Dieb hat auch eine Moral, weil er gewisse Dinge will, aber er darf trotzdem nicht stehlen. Die Regierungsleute haben dem Recht zu folgen. Der Pfarrer hat darauf erwidert, es gibt eine göttliche Moral und das Recht hat sich dieser zu unterstellen. Ich habe ihm Recht gegeben und ihm gesagt, dass ich damit mit ihm einig sei, er dürfe und müsse dies auch sagen. Wenn aber der Politiker beginnt die göttliche Moral zu verkünden, dann hat jeder jeden Tag eine andere göttliche Moral. So viele Moralen kann Gott gar nicht haben! Rechtsstaat Dazu haben wir den Rechtsstaat, meine Damen und Herren. Speziell für einen Kleinstaat ist der Rechtsstaat besonders wichtig. Wir haben nichts anderes, worauf wir bauen können, als auf unser Recht. Wir dürfen und müssen uns darauf verlassen. Das gilt auch für die Politiker - in allen Bereichen. Es ist ganz wichtig, dass wir wieder erkennen, dass wir uns auf unser Recht abstützen müssen. Sie sehen, auch hier ist der Bundesbrief aktuell. Wir brauchen die von aussen zwangsweise aufgesetzten Richter nicht. Denen müssen wir widerstehen. Es ist Aufgabe der Regierungen, der Parlamente und der Parteien, für das Land, für das sie tätig sind, Partei zu ergreifen. Eine Regierung hat für ihr Land Partei zu nehmen, so wie eine Mutter Partei nimmt für ihre Kinder. Das wird im Ausland auch erwartet. Es versteht niemand, wenn eine Regierung im Ausland über angebliche Fehler vor 50 Jahren lamentiert. Das interessiert nicht, sie fragen sich im Gegenteil, wenn diese Regierung ihr eigenes Land nicht ernst nimmt, dann fehlt es entweder an der Regierung oder am Land. Pluspunkte können sie damit hingegen nicht holen. Das ist auch richtig so. Dafür braucht es Kraft. Heuchelei Wissen Sie, wenn gesagt wird, dieses Land habe vor 50 Jahren Fehler gemacht, so ist es selbstverständlich, dass wir Fehler gemacht haben. Auch wenn ich nicht einmal wüsste, welche Fehler gemacht wurden, wäre es für mich klar, dass Fehler gemacht wurden. Es sind zwar keine neuen Fehler aufgetaucht, welche ich nicht bereits wusste. Wie kann ein Land in einer solchen Verantwortung stehen und diese Verantwortung tragen, ohne Fehler zu machen? Das können nur Leute kritisieren, die noch nie Verantwortung zu tragen hatten und noch nie etwas machen mussten. Wenn ich mein eigenes Unternehmen ansehe, in welchem ich Verantwortung trage, und ich zurückschaue, so habe ich sehr viele Fehler gemacht. Die meisten davon haben die Wirtschaftsjournalisten gar nicht festgestellt. Aber wenn jemand käme und der Meinung wäre, ich müsste dafür etwas zahlen, weil ich Fehler gemacht hatte, würde ich ihn zum Teufel schicken. Das geht ihn nichts an! Die Verantwortung dafür habe ich selber getragen und das Resultat stimmt. So war es auch während dem 2. Weltkrieg. Das Land hatte eine Verantwortung und diese Generation eine wichtige Aufgabe, nämlich dafür zu sorgen, dass das Land nicht in den Krieg verwickelt wird und überleben kann. Dieser Auftrag wurde erfüllt und das ist die Hauptsache. Für all diese Moralisten ist es das Schönste im Leben, sich für etwas zu entschuldigen, welches von Anderen verursacht wurde. Da kann man sagen, selber ist man ein sehr guter Mensch und man entschuldigt sich - aber für die Fehler Anderer. Nein - Menschen die Verantwortung tragen, tun so etwas nicht. Das hat nichts mit Hochnäsigkeit zu tun, sondern im Gegenteil mit Bescheidenheit und dem Wissen, wer Verantwortung trägt für ein Land, ein Unternehmen, eine Familie, eine Gemeinschaft, der macht Fehler. Wesentlich ist letztendlich, ob das Möglichste getan wurde. Wir müssen uns von diesem Heuchlerischen - dieser hat etwas falsch gemacht, jener hätte es so machen können, etc. - lösen. Das Heft selbst in die Hand nehmen Meine Damen und Herren, die Schweiz hat in diesen 700 Jahren manchmal versagt. Das Schöne ist, dass sich die Schweiz immer wieder auffangen konnte. Wie oft haben die Regierungen versagt, die führenden Leute. Wie oft haben andere das Heft in die Hände genommen, als die Regierungen versagt haben. Wenn wir über Geschichte sprechen - und das ist dank diesen amerikanischen Kreisen wieder Mode geworden - sollten Sie dieses neu veröffentlichte Buch von Gautschi über General Guisan lesen. Lesen Sie den Abschnitt, als die Schweiz umschlossen war, der Bundesrat nicht mehr weiter wusste und zum Volk sprach. Als man nicht wusste, ob die Regierung sich anpassen wollte oder nicht, ob sie noch zusammenhalten oder nicht. Der General konnte eine ganze Nacht nicht schlafen und irrte im Wald umher und am Morgen, als er zurückkam, sagte er zum Stab: "die Regierung hat uns verlassen, ich kann die Rede nicht anders deuten". Da sagten seine Offiziere: "jetzt bauen wir direkt auf das Volk". Das hatte der General dann mit grossem Erfolg auch ausgeführt. Das ist typisch, irgendjemand nimmt die Sache in die Hand, hier war es der General, anderswo ein Anderer, dies steht schon im alten Dienstreglement. Wenn der Führer ausfällt und nicht mehr weiter weiss, macht sich derjenige zum Führer, der noch weiss, wo es durchgeht. Das ist eine demokratische Auffassung und darum freut es mich, dass heute so viele Leute erschienen sind, um den heutigen Geburtstag zu feiern. Man weiss ja nie, wann die Regierung einen Fehler macht, dann müssen wir hinstehen, so wie es der General machte. Dann kommt es gut heraus. Arglist der Zeit Meine Damen und Herren, im Bundesbrief steht, in "der Arglist der Zeit" sei er beschlossen worden. "Arglist der Zeit" haben wir immer wieder. Wie oft krachte die Eidgenossenschaft beinahe auseinander, denken Sie an das Stanser Verkommnis, als die Eidgenossen nicht mehr weiter wussten. Da hatte auch ein anderer die Zügel ergriffen, damals war es ein Einsiedler: Niklaus von der Flüe. Er sagte: "Machet den Zun nit zu wyt!" Gehen wir zurück zur Stelle, wo geschrieben steht: "Macht das, was ihr könnt und macht das recht!" Zur Zeit von Napoleon fiel die Schweiz beinahe auseinander. Sie konnte sich wieder auffangen - mit der Bundesverfassung. Im 1. Weltkrieg wollten gewisse Kreise auf diese Seite, die anderen auf die andere Seite. Die Schweiz brach beinahe auseinander. Auch da stand einer auf: Carl Spitteler, ein Dichter und Nobelpreisträger und sagte: "seid und bleibt neutral!" Er konnte damit das Land zusammengehalten. Während dem 2. Weltkrieg gab es Kreise, welche die Neutralität abschaffen wollten. Das neue Europa gehöre einer neuen Zukunft, sagten sie; Industrielle glaubten, wer da nicht mitmache, habe die Zeit vergessen. Man hat sich dann aber auf das im Jahre 1291 Festgelegte zurückbesonnen. Das war grossartig. Darum dürfen wir dankbar Geburtstag feiern. "...und die fromme Seele ahnt...." Meine Damen und Herren, "Im Namen Gottes des Allmächtigen" steht im Bundesbrief. Sie werden anschliessend die Nationalhymne singen. In dieser Vaterlandshymne werden Sie singen: ".. und die fromme Seele ahnt, Gott im hehren Vaterland.." Auch das heisst, wir können viel tun, aber nicht alles selber. Vieles ist uns geschenkt und gegeben, darum können wir das auch feiern. "Hilf Dir selbst, so hilft Dir Gott!" - heisst eine alte Volksweisheit und das gilt auch für ein Land. Ich bin zuversichtlich für das Land, wenn wir uns auf die Säulen abstützen, auf denen wir in der Vergangenheit bestehen konnten. Das heisst nicht, dass wir uns nicht den neuen Zeiten anpassen sollen, selbstverständlich, das Land wird sich immer anpassen. Aber die Grundsäulen dürfen wir nicht aufgeben, dann geht es unserem Land und unserer Bevölkerung gut. Glauben Sie nicht, wir müssten unbedingt in diese riesigen Staatengemeinschaften, Grösse sei gefragt. Das hält nicht! Grenzenlose Gebilde halten nicht, warum? Weil in diesen Gebilden alle verantwortlich sind, alle für alles und niemand für etwas, das kann nicht gut gehen. Nur was überblickbar ist und wo die politischen Verantwortungs-Bereiche zugeordnet werden, wo klar ist, wer für was zuständig ist, nur das hat Zukunft. Das gilt auch für die Unternehmen. Die Unternehmen, welche eine Grösse und Diversifizierung erhalten haben, die nicht mehr überblickbar ist, werden so nicht überleben können. Ein Teil der Restrukturierungen, die zur Zeit getätigt werden, sind darauf zurückzuführen. Darum sollten wir keine Dummheiten machen. Zuversicht für die Zukunft Meine Damen und Herren, ich bin zuversichtlich, auch wirtschaftlich. In einem Land, das sich auf die Säulen einer liberalen Verfassung stützt, das uns die Möglichkeit gibt, das Brot zu verdienen und uns nicht dauernd behindert, da haben wir Arbeit, da können wir leben, da können wir verdienen, da ist auch für das Alter gesorgt. Ein Land, welches nicht dauernd Experimenten nachläuft und meint, es müsse sich aufführen wie eine Grossmacht, das hat Zeit und Kraft, bei aller Weltoffenheit, welche die Schweiz immer hatte, die Eigenbestimmung der Zukunft nicht aus den Händen zu geben. Darum, meine Damen und Herren, wenn Sie diesen Weg beschreiten, auch wenn immer wieder viele an diesem Weg zweifeln, dann können wir das neue Lebensjahr gut antreten und nächstes Jahr den 708. Geburtstag feiern, in Freiheit, in gutem Wohlbefinden, ohne fremde Richter und ohne eine fremde Macht im eigenen Land zu dulden. Das ist der Sinn der Geburtstagsfeier. Ich wünsche dem Land und Ihnen ein gutes 708. Lebensjahr. Ich danke Ihnen.