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Wahlen

05.03.2001

«Jetzt bodige ich auch noch die Uno»

Blocher nach dem Sieg in der EU-Abstimmung Interview mit dem Blick vom 5. März 2001 Blocher will den aussenpolitischen Durchmarsch: Der Zürcher SVP-Chef möchte den Schwung des Europa-Neins vom Sonntag ausnützen, um auch die Uno zu bodigen. "Vorher höre ich nicht auf!", sagt Nationalrat Blocher im BLICK-Interview. Von Georges Wüthrich Herr Blocher, ist der EU-Beitritt jetzt vom Tisch? Christoph Blocher: Er ist für den Moment vom Tisch. Wie lange? Blocher: In den nächsten zehn Jahren kommt der Beitritt nicht mehr in Frage. Was muss der Bundesrat jetzt machen? Blocher: Er hätte klar sagen müssen, dass er dieses Resultat in dieser Klarheit auch nicht wollte. Er muss jetzt einsehen, dass das Schweizer Volk nicht in die EU will, auch die Westschweizer nicht. Den EU-Mitgliedstaaten muss er jetzt reinen Wein einschenken und das Beitrittsgesuch zurückziehen. Nützen Sie den Schwung gegen die Bewaffnungs-Abstimmung im Juni und gegen den Uno-Beitritt im nächsten Jahr aus? Blocher: Wir werden den Kampf nahtlos fortsetzen. Im Juni geht es um den Nato-Beitritt, und die Uno widerspricht unserer Neutralität. Dummes Zeug. Im Juni geht es nur um die Bewaffnung in Friedenseinsätzen zum Selbstschutz. Blocher: Das sagt man immer. Bei der EU hat man gesagt, es gehe nur um sofortige Beitritts-Verhandlungen, in Wirklichkeit ging es um den Beitritt. Beim Militärgesetz sagt man jetzt, es geht nur um ein wenig Bewaffnung, dabei will man den Nato-Beitritt. Ich bin gegen die Auslandeinsätze, wir haben uns nicht in fremde Händel einzulassen. Sollen Bundesrat und Parlament die Uno-Frage zurückstellen? Blocher: Ich würde mindestens raten, die Sache nochmals anzuschauen. Wie viel Geld hat die SVP gegen die EU-Initiative aufgewendent? Blocher: Es war relativ einfach, die Sache noch zu kehren, weil die riesigen Nachteile der EU immer sichtbarer werden. Ungefähr eine Million Franken. Sie könnten auf dem Höhepunkt des Triumphs jetzt zurücktreten. Blocher: Ich höre erst dann auf, wenn meine Aufgaben gemacht sind: Wenn die Uno gebodigt ist und die Steuern in unserem Land etwa halbiert sind. Macht Sie der Erdrutschsieg im Kanton Aargau rundum glücklich? Blocher: Ein solch erfreulicher Zuwachs birgt auch Gefahren. Die Aargauer müssen jetzt wahnsinnig aufpassen, dass sie nicht übermütig werden und dass sie ihre Arbeit recht machen. Ich hatte als Zürcher Präsident immer Angst vor solchen Zuwächsen.

08.12.2000

«Jeder Führungskraft liegt doch die eigene Heimat am nächsten»

Christoph Blocher über den Axantis-Deal, seine Nachfolge und die von ihm befürchtete Rezession. Interview mit CASH vom 8. Dezember 2000 Chefstratege Christoph Blocher schwimmt wieder obenauf - als Unternehmer, nicht aber als Politiker. Relaxed geht er auf den Axantis-Deal ein und schildert, wie seine Nachfolge geregelt werden könnte. Er befürchtet, dass eine Rezession vor der Tür steht. Vom neuen SVP-Bundesrat Samuel Schmid distanziert er sich. Autor: Victor Weber, Marcel Odermatt Ist das nun ein verspätetes Geschenk zu Ihrem Geburtstag oder ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk, das Sie sich da gemacht haben? Christoph Blocher: Nun, wenn Sie damit die Chance meinen, Axantis zu übernehmen, so wäre dies ein teures Geschenk. Zum 60. Geburtstag darfs ja wohl ein grosszügiges Geschenk sein. Blocher: Sagen wir es so: Gelingt der Plan, die ehemalige Attisholz zu übernehmen, geht ein alter Wunsch in Erfüllung. Schon zu Beginn der Neunzigerjahre versuchten wir, der damaligen Führung eine neue Strategie schmackhaft zu machen. Vergebens. Erst Jahre später ist eine neue Strategie verwirklicht worden. Jetzt könnten wir mit unserem Knowhow und mit unseren Managementkapazitäten helfen, den eingeleiteten Wandel zu vollenden, nämlich vom traditionellen Hersteller von Zellulose für die Papierindustrie hin zum spezialisierten Produzenten polymerer Werkstoffe auf der Basis von Zellulose. Wie kommen Sie darauf, von einem teuren Geschenk zu reden? Bei Ihrer Offerte gehen Sie von einem Firmenwert von 570 Millionen Franken aus. Da Axantis 400 Millionen an liquiden Mitteln besitzt, kommen Sie zum Schnäppchenpreis von netto 170 Millionen zu den modernsten Anlagen dieser Art in der Schweiz. Blocher: 170 Millionen Franken sind viel. Man muss bedenken, dass Axantis eben erst mit der Herstellung der neuen Produkte angefangen hat und dass in den nächsten drei Jahren noch Investitionen von insgesamt 50 Millionen nötig sind, um die Umstellungen auf Zellulosespezialitäten abzuschliessen. Zudem ist das Risiko des Scheiterns gross. So gross kann das Risiko nicht sein, sonst würden Sie als gewiefter Unternehmer keine Offerte unterbreiten. Blocher: Wenn es um neue Produkte geht, stehen die Chancen immer 50 zu 50. Kommt hinzu, dass es in der Regel doch immer länger geht und teurer wird, als ursprünglich angenommen. Der Substanzwert wird gross sein. Blocher: Was heisst da Substanzwert? Da sind die alten Anlagen ... ... und daneben die nagelneuen ... Blocher: Die sind aber erst angefahren worden und nur um die 100 Millionen Franken wert - vorausgesetzt, sie bringen das, was man von ihnen erwartet. Ein hoher Preis, ein hohes Risiko - warum sind Sie denn heute Morgen so gut gelaunt? Blocher: Wir Industrielle sind uns das Risiko gewohnt. Ohne Risiko keine Chance. Ich freue mich auf die schwierige Aufgabe. Sie müssten Daniel Model eigentlich dankbar sein. Erst sein feindlicher Versuch, Axantis einzusacken, hat für Sie eine günstige Konstellation geschaffen. Blocher: Vielleicht. Ich bin aber gezwungen, sein Angebot von 310 Franken pro Aktie auf 330 zu erhöhen. Ich bin ihm aber darob nicht bös. Das Gespräch zwischen uns verlief denn auch ruhig. War das ein abgekartetes Spiel zwischen Ihnen und Daniel Model, wie manche argwöhnen? Blocher: Nein. Ich habe ihn zu seiner Überraschung angerufen und unsere Strategie dargelegt. Wir sind dann schnell einig geworden. Ende September verpassten Sie der Ems-Gruppe eine neue Führungsstruktur und gliederten den Bereich Ems-Chemie in verschiedene Profitcenters auf. Das liess sich als Indiz für eine bevorstehende Weichenstellung deuten. Blocher: Damals war Attisholz noch kein Thema. Heute ist aber klar, dass alles etwas einfacher ist: Axantis kommt als zusätzlicher selbständiger Unternehmensbereich zur Ems-Gruppe hinzu - sofern wir die Mehrheit bekommen. Der Deal muss demnach sehr schnell abgewickelt worden sein. Blocher: Am Mittwoch vorletzter Woche trat Axantis-Präsident Guido Patroncini an mich heran und sagte, dass ein 10-Prozent-Paket zu haben sei. Wer wollte verkaufen? Blocher: Das weiss ich nicht. Auf jeden Fall bin ich so auf die Gelegenheit erst richtig aufmerksam geworden. Ich sagte ihm, dass ich nicht ein Paket, sondern die Mehrheit des Unternehmens übernehmen möchte. Ich würde aber erst handeln, wenn die Aussicht bestünde, eine Zweidrittelmehrheit zu erwerben - zumal ich überzeugt bin, dass wir für Axantis das bessere Konzept haben als Daniel Model, der zur ehemaligen Zwei-Pfeiler-Strategie zurückkehren wollte, also zu etwas, das Attisholz mit dem Verkauf des Hygienepapiergeschäftes - Hakle und Tela - abgestreift hatte. Am Freitag letzter Woche konnte ich dann von der Bank Julius Bär ein 10-Prozent-Paket kaufen. Könnte es sich dabei um das gleiche Paket gehandelt haben, das Sie zuerst ausgeschlagen haben? Blocher: Das kann ich nicht ausschliessen. Ihre Übernahmeofferte ist in den Medien sehr gut aufgenommen worden. Jetzt sind Sie geadelt worden, indem die Kommentatoren Sie zum weissen Ritter geschlagen haben, welcher der bedrängten Axantis zur Hilfe eilt. Blocher: Mal ist man weisser Ritter, dann plötzlich wieder schwarzer Ritter. Ich kann darum solche Etiketten nicht ernst nehmen. Anderseits macht die breite Zustimmung die Sache einfacher. Lonza hat in aller Stille eine ähnliche Reorganisation durchgeführt wie Ems. Sie sagen zwar, dass ein Zusammengehen von Lonza und Ems keinen Sinn ergeben würde. Doch sind Sie allenfalls an einzelnen Sparten von Lonza interessiert, etwa an den polymeren Zwischenprodukten und Additiven? Blocher: Nein, die kommen für uns nicht in Frage, da wir uns mit unseren polymeren Stoffen auf einer höheren Spezialisierungsstufe bewegen. Und die biochemischen Wirkstoffe? Blocher: Auch nicht. Axantis ist für uns auch darum interessant, weil sie in den Bereich der biochemischen Werkstoffe vordringen will, doch das ist etwas ganz anderes als biochemische Wirkstoffe für die Pharma. Haben Sie Ihre Nachfolge geregelt? Blocher: Meine älteste Tochter, Ökonomin und bei Rivella zur Marktingexpertin gereift, nimmt im Januar ihre Arbeit in der Ems-Gruppe auf. Mein Sohn hat Chemie studiert und sammelt nun nach seinem Doktorat bei McKinsey Erfahrungen. Eine Tochter ist als Lebensmittelingenieurin bereits in der Industrie tätig. Und die Jüngste studiert Ökonomie in St. Gallen. Doch Privilegien gibt es auch für meine älteste Tochter nicht. Sie wird sich wie alle anderen Mitarbeiter bewähren müssen. Bereits im letzten Sommer kündigten Sie an, dass Sie die Ems-Gruppe mit einem Kostentrimmprogramm und einem antizyklischen Investitionsverhalten auf die nächste Rezession vorbereiten wollen. Wie beurteilen Sie die Konjunkturlage heute? Blocher: Die Situation sieht nun noch schlechter aus, als ich sie damals einschätzte. Damals sagte ich, die nächste Krise komme nicht vor 2002/2003. Jetzt beurteile ich dies pessimistischer. Warum? Blocher: Die unerwartet hohen Ölpreise wirken sich negativ aus. Da sind Konjunktur-Frühwarnindikatoren wie die rückläufigen Autoverkäufe in den USA und das lahmende Textilgeschäft, die auf eine baldige Rezession hinweisen. Ihr Unternehmen ist also bereits für den kommenden Wirtschaftsrückgang vorbereitet? Blocher: Wir haben den Personalausbau weniger stark forciert, als nötig gewesen wäre. Ausserdem lancierten wir ein Kostensenkungsprogramm. Sehen Sie: Rechnen wir bei einer schweren Rezession mit einem Umsatzrückgang von 20 Prozent, müssen wir die Kosten ebenfalls um 15 bis 20 Prozent runterfahren können. Und Kostensenkungsprogramme müssen sinnvollerweise noch in der Hochkonjunktur-Phasen eingeleitet werden. Die können nicht auf einen Schlag realisiert werden. Wir befinden uns erst seit vier Jahren in einer Aufschwungphase. Und jetzt droht bereits wieder eine Rezession. Die USA dagegen erleben das zwölfte Jahr einer Hochkonjunktur. Was machen die Schweizer falsch? Blocher: Wir haben in den letzten Jahren die Staatsquote wie kein anderes Land erhöht. Und der Grossteil der neuen Steuern wie der CO2-Abgabe oder der LSVA kommen erst noch auf uns zu. Das lähmt unsere Wirtschaft. Und wie sieht das blochersche Wirtschaftsprogramm aus, um uns die nächste Rezession zu ersparen? Blocher: Die Staatsquote und die Steuern müssen gesenkt werden. Zudem sollten wir den ganzen Staatsinterventionismus minimieren. Und der Bund sollte alle seine Beteiligungen, wie die an der der Swisscom, sofort verkaufen. Was hat die Mehrheitsbeteiligung des Bundes mit einer sich anbahnenden Rezession zu tun? Blocher: In allen liberalisierten Märkten muss der Staat seine Betriebe in die Freiheit entlassen. Der Bund schränkt die unternehmerische Freiheit der Swisscom ein. Ausserdem wissen die Manager, dass bei einem Versagen ihrerseits der Bund helfen würde. Sie predigen wirtschaftlichen Liberalismus. Ihnen wäre es wohl auch egal, wenn die Swissair von einer ausländischen Gesellschaft übernommen würde. Blocher: Was die Schweiz braucht, sind gute Verkehrsverbindungen und gute Gesellschaften, die die Schweiz anfliegen. Ob das mit oder ohne Swissair passiert, ist eigentlich egal. Der Flughafen Zürich ist auch für ausländische Fluggesellschaften eine attraktive Destination. Doch gerade die Swissair wird als nationales Symbol empfunden. Kommt da der bekennende Patriot Blocher nicht in den Clinch mit seinen Wählern? Blocher: Seit zwanzig Jahren heisst es immer wieder, ich hätte Probleme mit meinen Wählern. Trotzdem erzielte ich im letzten Jahr das beste Resulat aller Nationalräte. Trotzdem: Unternehmen wie die SBB, die Swissair und die Post wirken auch identitätsstiftend. Blocher: Das stimmt. Obwohl die Swissair nicht mehr in Staatsbesitz ist, haben immer noch viele Schweizer das Gefühl, das sei "ihre" Fluggesellschaft. Eine privatisierte Post würde kaum Briefe in die entlegenen Regionen des Landes senden, oder doch nur zu massiv höheren Preisen. Blocher: Diesen Service public können wir uns leisten. Das ist kein Problem. Da sehe ich keinen Widerspruch zu meiner Haltung. Viele Schweizer Traditionsunternehmen wurden in den letzten Jahren ins Ausland verkauft, wie kürzlich Feldschlösschen an den dänischen Bierbrauer Carlsberg. Was machen Schweizer Manager falsch? Blocher: Feldschlösschen wurde ein Opfer des Bierkartells. Diese Firma war es sich nicht gewohnt, sich in einem hart umkämpften Markt durchzusetzen. Fliegt ein Kartell auf, kommt es zu Zusammenbrüchen. Das erlebten wir früher in der Uhrenindustrie und heute in der Strombranche. Ganz klar, dass aus kartellisierten Bereichen keine starken Managerpersönlichkeiten kommen können. Ich glaube aber nicht, dass Schweizer Manager schlechter sind als andere. Die Schweiz ist hoch industrialisiert, hat viele potente Firmen und braucht entsprechend viele Führungskräfte. Erleben wir im Moment in wirtschaftlicher Hinsicht den Ausverkauf der Heimat? Blocher: Nein. Alle ins Ausland verkauften Firmen haben weiterhin die Schweiz als Basis. Kein Manager gibt es zwar zu, aber jeder Führungskraft liegt doch die eigene Heimat am nächsten. Als Unternehmer argumentieren Sie in neoliberaler Art rein rational und gefühlskalt, als Politiker appellieren Sie ans Heimatgefühl und damit an die Solidarität. Zwei Seelen wohnen in Ihrer Brust. Blocher: Ich bin liberal. Im Beruf, der Wirtschaft und der Politik haben Gefühl und Emotionen viel Platz. Auch Nationalgefühl hat bei einer weltweit tätigen Firma Platz

08.12.2000

Christoph Blocher über die Bundesratswahl

Interview mit CASH vom 8. Dezember 2000 Mit Samuel Schmid ist bei den Bundesratswahlen kein offizieller SVP-Kandidat gewählt worden. Was bedeutet das für die Konkordanz? Christoph Blocher: Wenn ein Kandidat oder eine Kandidatin gewählt wird, der oder die von der Partei vorgeschlagen ist, so sind die Loyalität und die Kompromissbereitschaft natürlich wesentlich grösser. Das liegt in der Natur der Sache. Haben Sie als Taktiker in Wahrheit nicht sogar darauf gesetzt, dass Samuel Schmid gewählt wird, weil Sie damit Ihre erfolgreiche Politik zwischen Regieren und Opponieren auch in Zukunft besser rechtfertigen können? Blocher: Das ist gesucht. Nein, das haben wir nicht getan, aber wir haben erwartet, dass Schmid gewählt würde. Die Positionen, welche Herr Schmid vertritt, stimmen mit meinen nicht überein, deshalb habe ich mich nicht für ihn eingesetzt. Der gemässigte Berner Flügel ist gestärkt worden durch die Wahl von Samuel Schmid. Erwarten Sie jetzt innerhalb ihrer Partei die Forderung nach einem Kurswechsel der Gesamtpartei? Blocher: Bis jetzt ist diese Forderung nicht gekommen. Eine Minderheit soll ihre Minderheitsposition vertreten, und wenn sie zur Mehrheit wird, wird sie zur Mehrheit. Ich habe diesbezüglich keine Bedenken. Ich merke in der Fraktion nicht, dass hier eine solche Bewegung stattfindet. Die Sitzungen in unserer Fraktion finden eigentlich in recht harmonischem Klima statt. War die Wahl von Samuel Schmid ein Schuss vor den Bug der SVP? Blocher: Ich weiss es nicht, ich habe es jedenfalls nicht so empfunden. Und Schüsse vor den Bug, von denen man nichts merkt, nützen wenig. Aber es ist klar: Die SVP ist in den Wahlen derart erfolgreich, das man uns mit allen Mitteln stoppen will. Ob es die richtigen Mittel sind, weiss ich nicht. Wenn ich auf der Gegenseite wäre, würde ich etwas anderes tun. Die SP hat die SVP in diesen Bundesratswahlen angegriffen. Werden Sie ihrerseits bei den nächsten Wahlen um einen frei werdenden SP-Sitz wieder einen eigenen Kandidaten vorschlagen? Blocher: Wir sind der Meinung, dass es nicht einzusehen ist, weshalb die SP zwei und die SVP nur einen Sitz haben soll. Seit die CVP mehr Sitze hat, als ihr gemäss Wähleranteil zustehen, wird die Konkordanz nicht mehr eingehalten. Ich gehe deshalb davon aus, dass wir bei einem Rücktritt von Bundesrätin Dreifuss einen eigenen Kandiaten aufstellen werden.

30.11.2000

«Wir könnten frei drauflosfahren»

Interview mit dem Tages-Anzeiger vom 30. November 2000 Christoph Blocher droht mit stärkerer Opposition, falls das Parlament Samuel Schmid in den Bundesrat wählen sollte Mit Christoph Blocher sprachen Markus Somm und Iwan Städler Herr Blocher, die SVP hat für die Nachfolge von Adolf Ogi zwei Kandidaten nominiert, die nicht im Parlament sitzen. Fehlt es an guten Leuten in der Fraktion? Christoph Blocher: Nein. Ich finde es ohnehin nicht gut, wenn die Bundesräte einzig aus dem Parlament rekrutiert werden. Dieses klüngelhafte Denken stört mich. Jeder hat den Marschallstab im Tornister. Sowohl Bundesrat Brugger als auch Frau Metzler waren wie Rita Fuhrer und Roland Eberle Regierungsräte, als sie gewählt wurden. Auch Bundesrat Schaffner war kein Parlamentarier, hat sich aber bestens bewährt. Ruth Dreifuss ist ebenfalls Quereinsteigerin. Bewährt Sie sich auch? Blocher: Sie macht ihre Arbeit sicher sehr gut - aus Sicht der SP. Die Freisinnigen halten die Nomination von zwei Quereinsteigern für ein "Armutszeugnis". Blocher: Die müssen ja etwas sagen - nachdem sie zuvor erklärt haben, bei allen vier handle es sich um hervorragende Kandidaten. Behandelt man so zwei tüchtige Regierungsräte? Haben Sie denn selbst in Ihrer grossen Zürcher Parlaments-Deputation keine geeigneten Kandidaten? Blocher: Selbstverständlich haben wir das. Die haben aber nicht seit Jahren nur das Ziel einer Wahl in den Bundesrat vor Augen, wie das bei Samuel Schmid der Fall ist. Zudem haben wir uns schon lange auf Rita Fuhrer festgelegt. Was spricht gegen Samuel Schmid und Christoffel Brändli? Blocher: Was Leistungsausweis, Vertrauen in der Bevölkerung und Regierungs-Erfahrung anbelangt, sind Frau Fuhrer und Herr Eberle überlegen. Schmid war immerhin Fraktionschef. Blocher: Ich will das Amt des Fraktionspräsidenten nicht abwerten. Doch es ist etwas anderes, als Regierungsrätin in einem grossen Kanton Verantwortung zu tragen. Fraktionschef allein genügt nicht. Dennoch hat die Nomination der SVP die übrigen Parteien kaum beeindruckt. Man fühle sich nicht gebunden, heisst es. Stört Sie das? Blocher: Ich habe nichts anderes erwartet. Die wären nur zufrieden gewesen, wenn wir keinen uns genehmen Bundesratskandidaten nominiert hätten. Befürchten Sie, dass die SVP aus dem Bundesrat hinausgeworfen wird, wie die SP das plant? Blocher: Nein. Aber es ist eine Möglichkeit - jedoch nicht sehr wahrscheinlich. Die bürgerlichen Parteien wissen nur zu gut, dass die Oppositionsrolle die SVP stärkt. Die würden in den Wahlen 2003 ihr blaues Wunder erleben. Am allerschönsten wäre es, wenn die SP die Grüne Cécile Bühlmann unterstützte und diese auch gewählt würde. Dann hätten die Sozialdemokraten nach der nächsten Vakanz für alle Zeiten nur noch einen Regierungsvertreter - so wie jetzt im Kanton Zürich. Haben Sie sich in der Vergangenheit stets an die Vorschläge der Parteien gehalten? Blocher: Nein. Letztes Mal habe ich zum Beispiel Peter Hess gewählt. Ich mache ja auch niemandem einen Vorwurf, wenn er die von uns nominierten Kandidaten nicht wählt. Jedermann ist frei. Ich bin auch dagegen, dass wir uns so verhalten wie die Sozialdemokraten bei der Wahl von Francis Matthey. Ich werde mich gegen einen Sitzungsunterbruch aussprechen, falls unsere Kandidaten durchfallen. Empfänden Sie es nicht als Affront, wenn Samuel Schmid gewählt würde? Blocher: Es wäre eine Niederlage für die Partei. Ich würde deswegen aber sicher nicht mit der schwarzen Krawatte herumlaufen. Sondern? Blocher: Wir würden vermehrt Opposition betreiben müssen. Können Sie denn noch oppositioneller werden? Blocher: Aber sicher. Wir sind ja zurzeit ausserordentlich zaghaft. In welchen Fragen würden Sie vermehrt gegen die Regierung antreten? Blocher: Zum Beispiel beim Elektrizitätsmarktgesetz. Als Opposition würden wir uns nicht auf einen Kompromiss einlassen, sondern bis zuletzt für eine vollständige Liberalisierung für alle Konsumenten kämpfen. Auch die Steuersenkungen würden wir notfalls mit einer Volksinitiative erzwingen, wenn Villiger noch lange zuwartet. Freuen Sie sich darauf? Blocher: Freiwillig gehen wir nicht in die Opposition. Sie hat aber ihren Reiz. Als Oppositionspartei müssten wir nicht mehr mit angezogener Handbremse fahren, sondern könnten frei drauflosfahren. Jetzt bremsen Sie noch? Blocher: Ja. Als Regierungspartei müssen wir Rücksicht nehmen. Wenn wir zwei Vertreter im Bundesrat hätten, gäbe es kaum einen Grund mehr, Opposition zu betreiben. Haben wir einen Bundesrat, sind wir zu 50 Prozent zu Opposition verpflichtet. Erhalten wir einen, den wir nicht wollen, dann sind es vielleicht drei Viertel. Hätten Sie mit Samuel Schmid mehr Grund zur Opposition als mit Adolf Ogi? Blocher: Bei Herrn Ogi lief es tragisch: Wir Zürcher kämpften 1987 dafür, dass er Bundesrat wird. Wir verstanden uns menschlich gut und hatten politisch keine grossen Differenzen. Bis 1991 ist das auch so geblieben. Doch dann verfolgte er eine völlig andere Europapolitik als wir. Hätte Ogi die Mehrheitsmeinung des Bundesrats bloss loyal vertreten, wäre es ja noch gegangen. Aber nein: Ogi stellte sich mit wehenden Fahnen an die Spitze der EU-Befürworter. Die Tatsache, dass wir ihn vorgeschlagen haben, verlangte aber ein gewisses Mass an Loyalität ihm gegenüber. Das wäre bei Samuel Schmid nicht mehr der Fall? Blocher: Nein. Ihn schlägt die SVP nicht vor. Insofern könnten wir bei einer Wahl von Schmid leichter Opposition betreiben. Das Parlament kann ja nicht besondere Loyalität gegenüber einem Bundesrat erwarten, den die Mehrheit der Partei nicht will. Sie haben bereits verlauten lassen, Schmid wäre "einfach nicht unser Bundesrat". Blocher: Jawohl. Das ist meine Meinung. Aber Schmid ist Mitglied der SVP. Blocher: Es kann doch nicht Sinn der Konkordanz sein, einfach jemanden zu wählen, hinter dessen Name noch SVP steht. Die SP hätte ja auch keine Freude, wenn wir Ursula Koch in den Bundesrat wählen würden, nur weil sie Mitglied der SP ist. Erhält die Idee der Volkswahl Auftrieb, wenn Rita Fuhrer nicht gewählt wird? Blocher: Zweifellos. Auch wenn Roland Eberle gewählt wird? Blocher: Ja. Es geht hier um eine grundsätzliche Frage. Regierung und Parlament müssen auf die gleiche Ebene gestellt werden. Es zeigt sich doch, dass die Regierungsräte in den Kantonen viel seriöser ausgewählt werden als die Bundesräte. Offenbar haben Sie das Projekt einer solchen Initiative aber sistiert? Blocher: Wir können nicht alles auf einmal machen. Wir haben bereits die Gold- und die Asylinitiative durchgezogen und das Referendum gegen bewaffnete Truppen im Ausland ergriffen. Das ist eine enorme Leistung für eine Partei ohne Verbände. Die Volkswahl des Bundesrats muss deshalb etwas hinten anstehen. Wie lange noch? Blocher: Ich glaube nicht, dass wir die Initiative innerhalb der nächsten zwölf Monate starten können. Auch nicht wenn Rita Fuhrer und Roland Eberle übergangen werden? Blocher: Auch dann nicht. Wir dürfen nicht im Affekt handeln. Die Volkswahl muss eine grundsätzliche Sache bleiben. Rita Fuhrer will sich nicht dafür engagieren. Blocher: Das ist doch klar. Alle Regierungsräte sind gegen die Volkswahl. Enttäuscht Sie das? Blocher: Nein, nein. Mir war zum Voraus bewusst, dass Frau Fuhrer nicht für die Volkswahl reden wird. Sie wird sie aber nicht bekämpfen. Das kann ich versichern. Ist es nicht etwas eigenartig, dass Rita Fuhrer Streitgespräche mit Samuel Schmid verweigert? Blocher: Das muss ich ihr überlassen. Ich würde mich wohl auch nicht auf solche Gäggeli-Diskussionen über Berner Flügel und Zürcher Flügel einlassen. Vielleicht hat Rita Fuhrer auch Angst, sie würde in einem solchen Streitgespräch alt aussehen. Blocher: Wenn ich Rita Fuhrers Gesicht anschaue, sieht sie auf jeden Fall jünger aus als Samuel Schmid. Würde sich die SVP mit Fuhrer oder Eberle im Bundesrat stärker eingebunden fühlen? Blocher: Eindeutig. Inwiefern würden Sie moderater politisieren? Blocher: Wir würden vor allem bei nicht zentralen Dingen eher Kompromisse schliessen müssen. Können Sie denn aus Ihrer oppositionellen Haut heraus? Blocher: Da muss ich gar nicht raus. Wenn ich eine andere Umwelt habe, ist auch die Haut anders. Sie würden also nicht mehr von einer "classe politique" sprechen? Blocher: Ich spreche solange von der "classe politique", wie sie eine ist. Glauben Sie denn, dass der Bundesrat mit Rita Fuhrer oder Roland Eberle weiter rechts politisieren würde? Blocher: Vielleicht ein bisschen. Immer vorausgesetzt, dass sich die Gewählten so verhalten, wie wir es erwarten. Oft verändert sich das Verhalten mit der Wahl in die Regierung. Sie kennen ja den Volksspruch: Sobald das Füdli auf einem anderen Stuhl hockt, denkt der Grind anders. Sie selbst wollen nicht mehr Bundesrat werden? Blocher: Ich wollte es noch nie werden. Immerhin haben Sie dafür kandidiert... Blocher: ...nur weil in jener aussichtslosen Ausgangslage niemand anders antreten wollte. Jetzt hat sich das geändert. Wenn das Parlament einmal jemanden abgelehnt hat, sollte man ihn nicht nochmals aufstellen. Wenn das Parlament nicht will, hat es eben gehabt.

22.08.2000

Nicht das Gescheiteste

Christoph Blocher bedauert das Ja der SVP zur 18-Prozent-Initiative. Er selbst wird Nein stimmen. Interview mit dem Tages-Anzeiger vom 22. August 2000 Autor: Mit Christoph Blocher sprach Iwan Städler Herr Blocher, haben Sie mit dem Ja der SVP-Delegierten zur 18-Prozent-Initiative gerechnet? Blocher: Ich musste damit rechnen, erwartete aber eine Nein-Parole. Die Vorlage war ja bereits in der Bundeshausfraktion umstritten. Wir verlangten damals einen Gegenvorschlag, der im Parlament abgeschmettert wurde. Der Entscheid der Delegierten ist ein Aufbegehren gegen die verfehlte Ausländerpolitik des Parlaments und des Bundesrats. Wie erklären Sie sich, dass Ihre Zürcher SVP mit der Nein-Parole für einmal regierungsfreundlicher ist als die Schweizer SVP mit der Ja-Parole? Blocher: In Zürich sind wir programmatisch weiter. Wir haben die Frage einer Ausländerquote schon vor Jahren ausgiebig diskutiert und sie in unserem Kantonalprogramm verworfen. In Genf sprachen aber Ulrich Schlüer und Hans Fehr für eine solche Quote. Sie, Herr Blocher, fehlten in Genf. Warum? Blocher: Ich war an der Generalversammlung unserer börsenkotierten Firma. Dieser Termin muss schon ein Jahr im Voraus festgelegt werden. Ich bedaure diese Terminkollision. Die Parteileitung hat ihre Basis offensichtlich nicht mehr im Griff. Blocher: Nur Diktatoren haben "die Basis im Griff". Wenn die Delegiertenversammlung immer der Parteispitze folgen würde, müsste man die Versammlung gar nicht mehr durchführen. Bei der SVP bestimmt aber die Basis. Da werden die Parolen nicht von oben her konstruiert wie bei den anderen Parteien. Nun hat die Basis etwas beschlossen, das meines Erachtens nicht das Gescheiteste ist. Werden Sie die Geister nicht mehr los, die Sie gerufen haben? Blocher: Wie kommen Sie denn darauf? Das Messerstecher-Inserat, das Plakat mit dem Ausländer, der eine Schweizer Fahne zerreisst… Blocher: Ich habe diesen saudummen Kommentar im "Tages-Anzeiger" gelesen. Das Messerstecher-Inserat hatte nichts mit Ausländern zu tun, sondern mit Kriminellen schlechthin. Auch das Plakat gegen Asylmissbrauch zeigt einen Verbrecher - das sieht jeder. Wollen Sie bestreiten, dass Ihre Politik bei der Basis eine Ausländerfeindlichkeit geschürt hat, die nun bei Fragen wie der 18-Prozent-Initiative unangenehm wird? Blocher: Nicht jeder, der für diese Initiative stimmt, ist ein Ausländerfeind. Sonst wäre auch der Bundesrat und das Parlament ausländerfeindlich, wenn sie die Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten begrenzen. Ich kenne kein Land, das die Einwanderung nicht begrenzt. Warum sind Sie gegen die 18-Prozent-Initiative? Blocher: Die Hauptprobleme sind die illegale Einwanderung und der Asylrechtsmissbrauch. Beides wird durch eine Quote nicht gelöst. Mit dieser Initiative würden ja die illegal Eingewanderten bleiben, neue legal Einreisende dürften aber nicht kommen. Das scheint mir eine komische Ausländerpolitik zu sein. Würde die Annahme der Initiative der Schweiz schaden? Blocher: Das kommt auf die Umsetzung an. Für die Wirtschaft wäre sie wohl nicht eben förderlich. Glauben Sie, dass die SVP mit ihrer Ja-Parole bei der Wirtschaft an Rückhalt verlieren wird? Blocher: Dieser Entscheid hat ihn sicher nicht gefestigt. Dennoch ist die SVP klar die wirtschaftsfreundlichste Partei. Sie hat sich stets gegen neue Steuern gewehrt. Befürchten Sie, dass die Wirtschaft der SVP jetzt weniger Spendengelder zukommen lässt? Blocher: Wenn dies der Fall wäre, würden die übrigen Parteien schon lange nichts mehr erhalten. Werden Sie selbst die 18-Prozent-Initiative ablehnen? Blocher: Selbstverständlich werde ich Nein stimmen. Werden Sie auch für ein Nein kämpfen? Blocher: Nicht an vorderster Front. Ich muss mich auf jene Vorlagen konzentrieren, wo ich alleine kämpfe. Bei der 18-Prozent-Initiative gibt es genügend andere Parlamentarier, die dagegen sind. Ich werde die Energieabgaben bekämpfen. Die sind für die Wirtschaft weit schädlicher.