«Verwahrung: «Nicht von Rachegefühlen leiten lassen»»
Extrem gefährliche, nicht therapierbare Schwerverbrecher sollen lebenslang verwahrt werden: Dies verlangt eine Initiative, über die am 8. Februar abgestimmt wird. Heinrich Koller, Direktor des Bundesamtes für Justiz, nimmt Stellung.
19.01.2004, 20 Minuten (Cornelia Stauffer)
Die Initiative will die Gesellschaft vor solchen Schwerverbrechern schützen. Weshalb soll man dieses Anliegen nicht unterstützen?
Heinrich Koller: Die Initiative verspricht mehr als sie halten kann. Sie löst das Problem nicht, da sie nur extrem gefährliche und nicht therapierbare Täter in die Verwahrung nimmt. Man kann aber auch gefährlich sein, ohne krank zu sein.
Weshalb sollen Entlassungen geprüft werden, wenn die Straftäter doch nicht therapierbar sind?
Koller: Der Mensch kann sich im Verlaufe der Zeit verändern. Es wäre unsinnig und gegen jede Menschenwürde, eine Entlassung nicht wiederholt zu prüfen.
Bei einem Rückfall des Täters soll die zuständige Behörde haften. Spornt dies nicht zu genaueren überprüfungen an?
Koller: Seit diesen grausamen Fällen – wie etwa dem von Kindermörder Werner Ferrari – haben die Kantone ihre Entlassungspraxis überprüft und verschärft. Wohl brauchte es einen so entsetzlichen Fall, damit wieder mit viel mehr Sorgfalt gearbeitet wird. Die Behörden haben offenkundig die Lehren daraus gezogen. Das zeigt sich auch darin, dass seit 10 Jahren praktisch niemand mehr aus der Verwahrung entlassen wurde.
Weshalb soll die Revision des Strafgesetzbuches einen besseren Schutz bieten?
Koller: Es erfasst nicht nur die psychisch kranken, sondern auch die gesunden gefährlichen Täter sowie jene, die später gefährlich werden. Es erlaubt auch, später die Aufhebung einer Verwahrung zu prüfen. Zudem wird ein Täter nie ohne Probezeit und Bewährungshilfe aus der Verwahrung entlassen. Das neue Strafgesetzbuch ist differenzierter, vollständiger und menschenwürdiger.
Welche Auswirkungen hat die Initiative bei einer Annahme?
Koller: Wir müssten für die zurzeit rund 30 extrem gefährlichen Sexual- und Gewalttäter eine zusätzliche Form der Verwahrung ins Strafgesetzbuch aufnehmen. Es dürfte allerdings schwierig sein, sie so auszugestalten, dass sie mit den Menschenrechten vereinbar ist.
Welche Chance geben Sie der Initiative? Sie wurde ja von Betroffenen lanciert, was Sympathien bringt.
Koller: Ich vertraue darauf, dass sich der Bürger nicht nur von Rachegefühlen und Emotionen leiten lässt. Wir haben Verständnis für die Anliegen der Initiantinnen, hoffen aber, dass der Bürger erkennt, dass das neue Strafgesetzbuch die bessere Lösung ist. Deshalb rechne ich damit, dass die Initiative abgelehnt wird – obwohl das Volk die Betroffenheit der Initiantinnen teilt.