Die SVP kann sich zurücklehnen
Nach der Asyldebatte äussert sich ein zufriedener Christoph Blocher über den Stand in der Schweizer Politik. Mit ihm als zweitem SVP-Bundesrat, der die Arbeit an der Front mache, könne sich die Partei jetzt etwas zurücklehnen.
19.03.2005, NZZ am Sonntag (Luzi Bernet)
Sie haben diese Woche den Satz gesagt, die Schweizer Ausländerpolitik habe sich bewährt.
Damit meinte ich nur das Ausländergesetz. Der Beleg ist, dass wir die höchste Ausländer- und gleichzeitig eine der tiefsten Arbeitslosenquoten haben. Grosse Probleme haben wir mit der illegalen Einwanderung und im Asylbereich.
Wie viele Ausländer sind illegal in der Schweiz anwesend?
Gemäss neusten Studien müssen wir von etwa 100 000 ausgehen. Ein Teil davon wanderte über den Asylbereich ein. Mit diesem Problem werden wir schwer fertig.
Ein Grund dafür ist, dass Arbeitseinwanderung von ausserhalb Europas legal fast nicht mehr möglich ist. Indem die Schweiz das Gesetz verschärft, vergrössert sie den Graben zwischen reichen und armen Ländern weiter.
Da haben Sie Recht. Das ist die Folge des 3-Kreise-Modells.
Warum baut die Schweiz an der Festung Europa mit und führt nicht eine eigenständige Politik?
Das hätten wir tun können. Die Schweiz hat aber die Personenfreizügigkeit mit den 15 alten EU-Staaten beschlossen, und will es auch mit den Neuen: die Leute aus diesen Ländern müssen wir in Zukunft aufnehmen. Die Alternative wäre tatsächlich die Freizügigkeit mit allen Ländern der Welt. Am liberalsten wäre, wenn jeder hier arbeiten könnte, der eine Stelle findet. Bis zur Schwarzenbach-Initiative galt dieses System, und es wäre auch heute in meinem Sinne, aber nur dann, wenn man diesen Einwanderern das Sozialsystem nicht öffnet. Und das tun wir nicht.
Das erweiterte EU-Personenfreizügigkeitsabkommen unterstützen Sie aber.
Ich glaube, man muss es wagen. Die Personenfreizügigkeit ist ein liberales Anliegen, aber man muss ihre Folgen tragen können.
In der Ständeratsdebatte zum Asyl- und Ausländergesetz fiel auf, wie passiv die SVP war. Die wichtigen Impulse kamen von FDP und CVP.
Darüber freue ich mich sehr.
Sie freuen sich?
Das Gesetz liegt jetzt auf der Linie der SVP, also muss sie nur noch den Bundesrat unterstützen. Schliesslich hat die SVP jetzt einen zweiten Bundesrat, der die Arbeit an der Front macht. Wenn die Partei zufrieden ist mit dessen Arbeit, kann sie sich zurück lehnen. Das ist das Vorrecht einer vollen Regierungspartei.
Die politische Grosswetterlage ändert sich also.
Die politische Landschaft wurde aufgebrochen, wie am Donnerstag im Parlament gut sichtbar wurde. Der Ständerat hat die Asylgesetzrevision sehr transparent beraten, im Nationalrat wurde das Rüstungsprogramm erstmals abgelehnt. Das ist neu: während Jahren mussten die Parteien Rüstungsprogramme schlucken mit Teilen, die sie eigentlich nicht wollten – weil man nicht den Eindruck erwecken wollte, gegen die Armee zu sein. Jetzt läuft das völlig unverkrampft. Das sind Zeichen einer offenen, transparenten Politik. Es ist der Anfang einer Besserung.
Eine Besserung, die mit Bundesrat Schmid ausgerechnet einen Parteikollegen trifft.
Für Samuel Schmid ist das unangenehm, ja. Er tut mir leid. Aber ich bleibe dabei. Es ist positiv, dass solche Fragen weniger verkrampft diskutiert werden können. Ich stelle fest, dass jene Parteien, die bei den letzten Wahlen verloren haben, gemerkt haben, dass sie sich bewegen müssen.
Das mag im Rüstungs- und Asylbereich zutreffen. In der Finanzpolitik sind SVP, FDP und CVP aber alles andere als konsequent.
Da haben Sie Recht. Die SVP ist wohl am konsequentesten. Aber, in der Finanzpolitik kommen wir nicht vom Fleck. Das gilt für Bundesrat und Parlament gleichermassen. Deshalb bleibt auch das Wirtschaftswachstum schwach. Es ist leider so, dass wir tief fallen müssen, um das zu realisieren. Auch in England musste das Bruttosozialprodukt auf DDR-Niveau fallen, ehe man das Steuer herumgerissen hat. Das ist tragisch.
Am nächsten Dienstag müssen Sie entscheiden, ob Sie die Swiss nach Deutschland verkaufen.
Zum Stand der Verhandlungen um die Swiss will ich nichts sagen. Aber sie wissen ja, dass ich von Anfang an einer der erbittertsten Gegner des Swiss-Projektes war. Sie können ein ökonomisches Projekt nicht patriotisch begründen. Ich war zwar nie ein Airline-Experte, aber ich verstehe etwas von industrieller Logik. Wenn Private ein Unternehmen nicht in die Hand nehmen wollen, dann kann es der Staat auch nicht. Kein Privater hat mitgemacht, weil er geglaubt hat, die Swiss werde ein florierendes Projekt.
Dann stimmen Sie dem Verkauf also zu?
Wie gesagt: No comment!
Darf der Bundesrat seine Anteile an der Swiss in Eigenregie verkaufen?
Sowohl das Finanzdepartement als auch das Bundesamt für Justiz kommen in Gutachten zum Schluss, dass der Verkauf in die Zuständigkeit des Bundesrates fällt. Ob der Bundesrat diese Ansicht letztlich teilt, kann ich noch nicht sagen.
Der Swiss-Handel ist ja nicht nur ein Geschäft zwischen zwei Fluggesellschaften. Kommt es jetzt zu einer politischen Lösung der offenen Streitpunkte im Bereich Luftverkehr?
Das wird man sicher mit einbeziehen. Die übernahme einer Luftfahrtgesellschaft und das Anflugregime haben viel miteinander zu tun.
Stimmt es, dass am Dienstag auch der Auftakt zu neuen Verhandlungen über einen Staatsvertrag mit bereits definierten Eckwerten stattfindet?
Dazu möchte ich mich nicht äussern.
In Süddeutschland ist deswegen schon einige Aufregung entstanden.
Dass die Süddeutschen lieber keine Anflüge über ihrem Gebiet hätten, ist verständlich. Aber der Zürcher Flughafen ist nun einmal nach Norden ausgerichtet, und es macht keinen Sinn, über die grösste Agglomeration anzufliegen. Die süddeutschen Dörfer werden in einer Höhe von 900 Metern überflogen, in der Stadt Zürich sind es etwa 200 Meter. Das ist unverständlich-
Der «Blick» fährt eine patriotische Kampagne zugunsten der Swiss.
Das ist nichts Neues. Das Haus Ringier war bezüglich der Swissair und Swiss schon immer in einer patriotischen Aufwallung.