Partnerschaftsgesetz
Medienkonferenz, 22. April 2005, Bundesrat Christoph Blocher zur Volksabstimmung vom 5. Juni 2005
22.04.2005
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrte Damen und Herren
Die Kulturgeschichte der Menschheit zeigt, dass es Menschen mit gleichgeschlechtlicher Ausrichtung immer gegeben hat. Aber in verschiedenen Kulturen sind diese Menschen verfolgt und diskriminiert worden. Das ist – zumindest in der westlichen Welt – nicht mehr so. Die sexuelle Ausrichtung und die damit verbundene Lebensform einer Person gehört zur persönlichen Freiheit, die in der Schweiz von der Verfassung geschützt wird. Die letzten Spuren einer Diskriminierung der Homosexualität sind in der Schweiz 1992 aus dem Strafrecht getilgt worden.
Das geltende Recht behandelt gleichgeschlechtliche Paare weitgehend gleich wie heterosexuelle Konkubinatspaare. Es besteht das Bedürfnis, dass solche oft langjährigen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften – ähnlich wie die Ehegemeinschaft – nach aussen als Gemeinschaft auftreten.
Das wirkt sich insbesondere im Erbrecht aus. Stirbt einer der Partner, so muss der überlebende auf dem Vermögen, das er erbt, Erbschaftssteuern zahlen, wie wenn er ein Dritter wäre. Ist eine der Partnerinnen oder einer der Partner ausländischer Nationalität, so besteht anders als bei ausländischen Ehegatten von Schweizer Bürgern kein Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung. Auch im Sozialversicherungsrecht werden gleichgeschlechtliche Paare als zwei Einzelpersonen mit allen Vor- und Nachteilen und nicht als eine Gemeinschaft behandelt.
Am 5. Juni wird es nun eine Premiere geben: Zum ersten Mal in Europa wird der Souverän eines Landes darüber entscheiden, ob er gleichgeschlechtlichen Paaren ein spezielles Rechtsinstitut in der Form der eingetragenen Partnerschaft zur Verfügung stellen will.
Die vom Parlament verabschiedete Lösung ist kein Schnellschuss:
In einer ersten Vernehmlassung wurden fünf Lösungsmodelle zur Diskussion gestellt, die von punktuellen Verbesserungen, einem privatrechtlichen Vertrag und der eingetragenen Partnerschaft mit unterschiedlicher Ausgestaltung bis zur Öffnung der Ehe durch eine Verfassungsrevision reichten.
Eine grosse Mehrheit hat sich für die Schaffung eines eigenen Rechtsinstituts ausgesprochen. Ebenso eindeutig sind die Öffnung der Ehe oder eine bloss vertragsrechtliche Lösung abgelehnt worden. Erst in einem zweiten Schritt wurde das ausformulierte Gesetz in die Vernehmlassung geschickt.
Unseres Erachtens liegt es im Interesse des Staates, dass Menschen verlässliche, das heisst rechtlich abgesicherte Beziehungen miteinander eingehen können. Es liegt auch im Interesse des Staates, dass diese Beziehungen einem einheitlichen Rahmen unterworfen sind, der klar zum Ausdruck bringt, welche Regelung sowohl im Verhältnis des Paares zueinander als auch in seiner Beziehung zur Umwelt gilt.
Ausgangspunkt für den Gesetzgeber war das Bild zweier erwachsener Personen, die miteinander einen Haushalt führen, gemeinsam ihr Leben gestalten und füreinander Verantwortung übernehmen wollen.
Gleichgeschlechtliche Paare können sich nach dem neuen Gesetz beim Zivilstandsamt eintragen lassen und verbinden sich damit zu einer Lebensgemeinschaft mit genau definierten Rechten und Pflichten.
In verschiedenen Bereichen gleichen sich die Bestimmungen für Ehepaare und eingetragene Paare. Das liegt im Umstand begründet, dass gleichgeschlechtliche Paare in manchen Situationen ähnlichen, wenn nicht sogar gleichen Problemen gegenüberstehen wie Ehegatten. Denn unabhängig von der Konstellation eines Paares wirft das Zusammenleben von zwei Menschen immer wieder ähnliche rechtliche Fragen auf. Im Bereich der Einkommens- und Vermögenssteuer wird sich die Last des Paares vergrössern, wenn beide berufstätig sind. Und in der AHV wird das Paar nicht mehr wie bisher zwei Einzelrenten sondern nur noch eine Paarrente, also 150 Prozent einer Einzelrente beanspruchen können. Geht das Paar auseinander, werden die in der beruflichen Vorsorge angesammelten Ersparnisse geteilt und die eine Partnerin kann zur Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen an die andere verpflichtet werden.
Trotz einer gewissen Nähe zum Eherecht unterscheidet sich die eingetragene Partnerschaft aber klar von der Ehe. Das zeigt sich schon allein darin, dass ein eigenständiges Gesetz geschaffen und die Bestimmungen nicht ins Familienrecht des Zivilgesetzbuches integriert worden sind. Damit wird unterstrichen, dass die gleichgeschlechtliche Partnerschaft nach dem Willen des Gesetzgebers anders als die Ehe nicht die Grundlage für eine Familiengründung ist.
Zwei gleichgeschlechtliche Personen können naturgemäss miteinander keine Kinder haben. Sie werden von dem neuen Gesetz auch nicht zur Adoption oder zu fortpflanzungsmedizinischen Verfahren zugelassen. Selbst die Stiefkindadoption ist untersagt.
Dass Kinder in Haushalten mit gleichgeschlechtlich orientierten Personen aufwachsen, ist auch in der Schweiz eine Tatsache. Ob nun dem neuen Institut zugestimmt wird oder nicht, ändert an dieser Tatsache nichts. Die Frage, bei wem ein Kind aufwächst, ist jedoch von der Frage zu trennen, wer rechtlich seine Eltern sind.
Sowohl der Bundesrat wie das Parlament lehnen es mit Entschiedenheit ab, einem Kind durch Adoption rechtlich zwei Mütter oder zwei Väter als Eltern zuzuordnen. Damit würden die Grundprinzipien des schweizerischen Kindesrechts durchbrochen. Nicht einzusehen wäre zudem, warum die Adoptionsmöglichkeit auf gleichgeschlechtliche Paare beschränkt bliebe, und warum nicht auch zwei Schwestern oder zwei andere Personen, die in einem gemeinsamen Haushalt leben, zur Adoption eines Kindes zugelassen würden.
Wird die Ehe durch das Partnerschaftsgesetz gefährdet? Das deutsche Verfassungsgericht, das ebenfalls mit dieser Frage konfrontiert wurde, hat die zutreffende Antwort gegeben. Die eingetragene Partnerschaft kann die Ehe schon deswegen nicht konkurrenzieren, weil sie sich an einen völlig anderen Adressatenkreis richtet. Die eingetragene Partnerschaft ist wegen dieses Unterschieds auch keine Ehe mit falschem Etikett, sondern etwas anderes als die Ehe. Sie ist ein Institut, das sich nur an Personen richtet, die definitionsgemäss keine Ehe eingehen können. Gefährdet würde die Ehe, wenn heterosexuelle Paare zwischen der Ehe und einem weiteren Institut, zum Beispiel der eingetragenen Partnerschaft, wählen könnten. Das ist aber nicht der Fall.
Besteht bei der Annahme des Partnerschaftsgesetzes die Gefahr der Salamitaktik, wie die Gegner behaupten? Ist das neue Gesetz ein Wegbereiter für die Öffnung der Ehe, für den Zugang zur Fortpflanzungsmedizin und für Adoptionen?
Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass die Öffnung der Ehe für Gleichgeschlechtliche die hohe Hürde einer Verfassungsänderung nehmen müsste. Volk und Stände müssten also zwingend zustimmen. Das gleiche gilt für die Zulassung von Gleichgeschlechtlichen zu fortpflanzungsmedizinischen Verfahren. Auch hier wäre eine Verfassungsrevision unabdingbar.
Meine Damen und Herren, das Partnerschaftsgesetz ist ein Zeichen der gewandelten Verhältnisse. Menschen, die wegen ihrer Veranlagung anders leben als die grosse Mehrheit in unserer Bevölkerung, wollen eine solche Institution. Es reiht sich ein in eine Entwicklung, die nicht nur die Schweiz, sondern viele Staaten in Europa ergriffen hat.
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