«Möchten Sie, dass ich zum Krieg aufrufe?»
Interview mit der Aargauer Zeitung vom 3. Februar 2010
Interview mit Gieri Cavelty
Christoph Blocher ist dezidiert gegen ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland. Schweizer Banken sind für ein kein Auslaufmodell, sie müssten aber anders organisiert werden. Die jüngsten Aussagen von UBS-Präsident Kaspar Villiger seien scheinheilig.
AZ: Vor Wochenfrist hat sich der Bundesrat zum Abkommen mit den USA in Sachen UBS geäussert. Sie haben sich seitdem noch nicht öffentlich vernehmen lassen.
Blocher: Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Vertrag für ungültig erklärt. Der Bundesrat gab bekannt, dass er mit den USA reden und neu verhandeln werde. Das ist gut so. Aber gleichzeitig schob er nach, dass dieser rechtsungültige Vertrag durch das Parlament genehmigt werden soll. Was gilt? Verhandelt er oder will er Unrecht im Parlament absegnen lassen? Mit dieser Äusserung hat der Bundesrat die Verhandlungen mit USA bereits erledigt.
Was sollte die Regierung Ihrer Meinung nach unternehmen?
Blocher: Es ist einfach: die Verwaltung hat zu den Amerikanern zu gehen und darzulegen: Das oberste Gericht hat den Vertrag für ungültig erklärt. Wir müssen anderes vereinbaren. Die USA sind für solche Argumentationen durchaus zugänglich, sie sind auch ein Rechtsstaat und erleben solche Fälle auch im eigenen Staat.
Die Signale aus den USA tönen offenbar anders.
Blocher: Ja natürlich. Das ist die erste Stellungnahme. Darum wird auch verhandelt. Aber nicht schon einknickend, bevor man begonnen hat!
Dieser Fehler lässt sich wohl kaum wieder gutmachen, die Sache wird beim Parlament landen.
Blocher: Der Wille zum Verhandeln ist in der Tat klein. Die Regierung wird aber hoffentlich wenigstens darauf hinweisen, dass dank dieses Vertragsabschlusses den amerikanischen Steuerpflichtigen einen gehörigen Schrecken eingejagt wurde und sich tausende Kunden gemeldet haben. Der Zweck ist ja für die USA schon erreicht. Nehmen sie die 285 Kundendossier, welche die Schweiz vor einem Jahr in einer Nacht- und Nebelaktion entgegen Recht und Gesetz an die USA übermittelt hat.
Was ist damit?
Blocher: Das ist skandalös. Die UBS behauptete danach, es seien Steuerbetrüger. Sie wollte die Verantwortung zur Herausgabe aber nicht tragen! Also, bat sie den Bundesrat, dies zu tun. Und dieser liess das Unrecht durch die Finanzmarktaufsicht geschehen. Wären es tatsächlich Steuerbetrüger gewesen, hätte die Bank die Daten ja problemlos selber herausrücken können. Aber das wollte sie nicht. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als nur scheinheilig, wenn UBS-Verwaltungsratspräsident Kaspar Villiger jetzt verkündet: Wir werden niemals Schweizer Recht brechen! Aber die Schweiz bitten, dies an Stelle der UBS zu tun. Nein, so nicht!
Trotzdem: Für Sie wäre es doch eine Chance, wenn das Parlament über den Vertrag befinden könnte.
Blocher: Die SVP wird nicht zustimmen können.
Warum stellen Sie nicht Bedingungen: Die SVP sagt Ja zum Abkommen – unter der Bedingung, dass die Neustrukturierung der Grossbanken an die Hand genommen wird.
Blocher: Dass das «Too big – to fail»-Problem gelöst wird, ist für unser Land überlebensnotwendig. So oder so. Tun wir es nicht, kann bei einer neuen Bankenkrise die Schweiz bankrott gehen, wie Island. Es muss beides passieren: Der rechtswidrige Vertrag darf nicht abgesegnet werden, und die Grossbanken UBS und CS brauchen eine Organisationsform, die es verunmöglicht, dass die ganze Volkswirtschaft von deren Existenz abhängig ist.
Sie selber halten nach wie vor die Überführung der Grossbanken in eine Holdingstruktur für die beste Lösung?
Blocher: Bis jetzt brachte niemand eine bessere. Amerika sucht einen anderen Weg: Obama möchte, dass das Vermögensverwaltungsgeschäft und das Investment-Banking getrennt werden. Und er will das Fremdkapital der Grossbanken besteuern. Das alles ist ernsthaft zu prüfen. Zur Holdingstruktur: Wahrscheinlich würde der Untergang einer Tochtergesellschaft – beispielsweise in den USA – auch die Holding mit in den Ruin reissen, nicht aber die unabhängige Schweizer Gesellschaft. Man könnte die gesunde Schweizer Gesellschaft, von der die Volkswirtschaft abhängig ist, notfalls auch verkaufen. Auf alle Fälle bräuchte der Staat nicht in Aktion zu treten.
Die UBS schüttet fürs letzte Jahr angeblich 4 Milliarden Bonus aus. Ihr Kommentar?
Blocher: Wir reden keiner Firma bei Löhnen und Boni drein. Doch UBS und CS verfügen ja faktisch über eine Staatsgarantie. Darum muss der Staat leider mitreden. Solange das «Too big -to fail» nicht gelöst ist, sollte der Staat – als Garant im konkreten Fall – verlangen, dass die gewinnabhängigen Boni auf ein Sperrkonto überwiesen und erst nach ein paar Jahren ausbezahlt werden, sofern kein Defizit vorliegt.
Die Bonifrage fällt mit der Diskussion über die Abzocker-Initiative zusammen. Die SVP-Nationalräte in der Rechtskommission haben letzte Woche einen ziemlichen Schlenker gemacht. Ist die Partei nun für die Initiative oder für einen Gegenvorschlag?
Blocher: Die SVP war und ist für einen indirekten Gegenvorschlag, darum soll das Aktienrecht entsprechend revidiert werden. Es geht insbesondere um Fragen der Aufsicht über den Verwaltungsrat und über die Geschäftsleitung.
Zur Debatte steht im Augenblick allerdings ein direkter Gegenvorschlag, nicht ein indirekter.
Blocher: Ein direkter Gegenvorschlag ist ein fauler Trick. Mit einem griffigen indirekten Gegenvorschlag auf Gesetzesbasis – und man ist mit der Beratung schon im Zweitrat – wird die Problematik unmittelbar angegangen. Gibt es keinen brauchbaren Gegenvorschlag, ist die Abzocker-Initiative zu unterstützen.
Themawechsel: Deutschland kauft die geklauten Bankdaten. Was ist zu tun?
Blocher: Ich bin erstaunt und enttäuscht. Ich kenne Wolfgang Schäuble. Das entspricht nicht seinem Charakter! Da werden Staaten über Nacht zu Kriminellen. Jetzt beginnt man Diebstahl zu fördern. Man betreibt Hehlerei. Staaten mit leeren Kassen werden gefährlich. Das beweist die Geschichte!
Was aber ist zu tun?
Blocher: Der Bundesrat muss dies energisch zurückweisen. Die laufenden Verhandlungen über ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland sind zu sistieren. Mit einem Land, das Diebstahl begünstigt und Hehlerei betreibt, können wir keine solchen Abkommen abschliessen.
Und weiter?
Blocher: Der Bundesrat hat auch andere Verhandlungen zu sistieren oder abzubrechen. Was das im Detail alles ist, weiss der Bundesrat. Wir sind doch zwei zivilisierten Staaten mit engen Beziehungen.
Tönt das alles in allem nicht eher ratlos?
Blocher: Möchten Sie, dass ich zum Krieg aufrufe?
Dem Finanzplatz Tessin steht das Wasser bis zum Hals, Frankreich und Deutschland machen Ärger. Ist nicht die gesamte bisherige Praxis der Schweizer Banken ein Auslaufmodell?
Blocher: Keineswegs. Natürlich müssen die Banken alles tun, damit sie keine Steuerbetrugsgelder annehmen, aber das ist doch selbstverständlich. Wer kriminelle Gelder anlegen will, geht heute sicher nicht in die Schweiz.
Aber um Steuerhinterziehung brauchen sich die Schweizer Banken nicht zu kümmern?
Blocher: Steuerhinterziehung ist in der Schweiz ein Vergehen. Es ist aber in erster Linie Sache der betroffenen Kunden und ihrer Heimatländer, das zu unterlassen!
Hand aufs Herz: Wenn Deutsche Kunden bei Schweizer Banken anlegen, passiert dies doch nicht selten mit der Absicht, Steuern zu hinterziehen.
Blocher: Das glaube ich nicht. Es gibt doch viele Gründe, dies bei einer seriösen Schweizer Bank zu tun. Das zeigt sich etwa darin, wie wenig Geld jeweils bei Steueramnestien und Offenlegungsprogrammen im Ausland zum Vorschein kommt.
Immerhin gegen 10 000 amerikanische UBS-Kunden haben sich beim US-Fiskus selber angezeigt.
Blocher: Wie viel Steuerbetrüger darunter sind, weiss ich nicht.
Wie auch immer: In den neuen Doppelbesteuerungsabkommen wird die Unterscheidung zwischen Betrug und Hinterziehung nicht mehr gemacht.
Blocher: Für die Ausländer nicht mehr. Das ist bedauernswert. Die SVP wird diese Abkommen nicht genehmigen.
Ergreift die Partei dagegen auch das Referendum?
Blocher: Das ist noch nicht entschieden. Wir können ja nicht 12 Referenden machen. Vielleicht picken wir ein Abkommen heraus.
Was ist eigentlich aus der Idee geworden, das Bankgeheimnis in der Verfassung festzuschreiben?
Blocher: Die SVP hat im Parlament einen entsprechenden Vorstoss eingereicht und für den Fall des Scheiterns eine Volksinitiative angekündigt. Nun ist aber die Lega vorgeprescht und hat eine Initiative lanciert, und die Junge SVP ist auf den Zug aufgesprungen. Wenn man schon eine Initiative lanciert, müsste diese breiter angelegt sein. Es sollte dabei um den Schutz der Privatsphäre gehen. Dabei ist das Bankkundengeheimnis nur ein Gebiet.
Auf alle Fälle kann die Lega bei der Unterschriftensammlung nicht auf die SVP zählen.
Blocher: Wir bekämpfen sie nicht. Aber es ist jetzt eine Initiative der Lega.
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