Vogts Auslegung widerspricht der Initiative
Interview von Fiona Endres zur Durchsetzungsinitiative der SVP erschienen im Tages Anzeiger Online am 04.01.2016
Ungewohnt leise Töne von SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt. Doch Christoph Blocher hält nichts von einer Aufweichung der Durchsetzungsinitiative für Secondos.
Hans-Ueli Vogt will die Durchsetzungsinitiative so umsetzen, dass in der Schweiz geborene Ausländer generell nicht ausgeschafft werden. Was halten Sie davon?
Hans-Ueli Vogt vertritt hier seine persönliche Meinung. Diese widerspricht aber sowohl der Durchsetzungsinitiative als auch dem geltenden Recht. Bereits heute kann Secondos die Niederlassungsbewilligung entzogen werden. Die Durchsetzungsinitiative ist klar: Ausländer, die wegen klar definierter schwerer Verbrechen verurteilt werden, sind ohne Wenn und Aber auszuweisen. Eine Ausschaffung ist zudem vorgesehen bei Wiederholungstätern als Folge von Straftaten, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit in besonderem Masse beeinträchtigen.
Vogt sagt, für ihn gehörten Secondos zur «Schweizer Rechts- und Sozialgemeinschaft». Daraus könne und solle man keine Menschen ausschliessen.
Zu unserer Rechts- und Sozialgemeinschaft gehört es auf jeden Fall nicht, Verbrechen zu begehen. Ich kann mit dieser Einordnung nichts anfangen, zumal jeder Secondo, der sich korrekt verhält, nicht ausgewiesen wird und sich problemlos einbürgern lassen kann.
Könnten Sie trotzdem damit leben, wenn die Initiative nach der Annahme so ausgelegt würde, wie Vogt es skizzierte?
Auf gar keinen Fall. Eine solche Auslegung würde der Initiative klar widersprechen und gar hinter die bisherige Praxis zurückfallen.
Die Durchsetzungsinitiative verliert an Glaubwürdigkeit, wenn ein Rechtsprofessor aus der SVP – also der Partei, die die Initiative lanciert hat – nicht mehr ganz dahintersteht.
Ganz und gar nicht. Wir hatten bei jeder Volksinitiative, die wir lanciert haben, auch Kritiker aus den eigenen Reihen. Im Gegensatz zur FDP, die den Gewerbeverbandsdirektor und Nationalrat Hans-Ulrich Bigler gezwungen hat, von seiner Unterstützung der Durchsetzungsinitiative abzuschwören, lassen wir unseren Leuten ihre eigene Meinung.
SVP-Regierungsräte wie Christoph Neuhaus und Ernst Landolt haben sich gegen die Initiative gestellt. Sie kritisieren, eine Annahme der Initiative wäre für die Kantone teuer wegen der zu erwartenden Rechtsverfahren.
Eine Annahme der Initiative hätte allein durch ihre abschreckende Wirkung massiv tiefere Kosten zur Folge. Einerseits kommt es nach der Ausschaffung zu keinen Wiederholungstaten mehr in der Schweiz. Zudem: Die ausländischen Kriminellen lassen sich von Gefängnisaufenthalten nicht abschrecken, sondern allein dadurch, dass die Folge von Delikten die Ausschaffung ist. Damit werden auch die Haftanstalten entlastet, in denen heute 73 Prozent der Insassen Ausländer sind.
Die Rede ist zudem von volkswirtschaftlichen Problemen, weil Ausländer nach einer Annahme der Initiative die Schweiz meiden würden.
Für die Wirtschaft bringt die Initiative Vorteile, da sie zu mehr Sicherheit für die Unternehmen, die Mitarbeiter und ihre Familien führt. Vier kantonale Sicherheitsdirektoren der SVP unterstützen im Übrigen die Initiative. Sie sind für die Medien aber offenbar nicht interessant. (Tagesanzeiger.ch/Newsnet)