20.01.2008
Der selbst ernannte Oppositionsführer Christoph Blocher über seinen Kampf gegen den Bundesrat, die Bilateralen und die Rückkehr in die Regierung.
Interview mit dem "SonntagsBlick" vom 20. Januar 2008
von Marc Walder. Marcel Odermatt und Christof Moser
SonntagsBlick: Herr Blocher, Sie haben im Albisgüetli die Oppositionspolitik der SVP erklärt. Was soll neu sein an der künftigen Rolle Ihrer Partei?
Christoph Blocher: Die SVP muss sich nicht neu erfinden. Unser Programm stimmt. Wir kämpfen, damit die Schweiz nicht von der EU bevormundet wird. Das haben wir unseren Wählern versprochen und dieses Versprechen halten wir.
Gegen die EU kämpfen - das war immer Ihr Programm. Wie wollen Sie in der Opposition zulegen, wenn sich gar nichts ändert?
Der Unterschied ist, dass wir jetzt nicht mehr in der Regierung sind. Die anderen Parteien haben uns rausgeworfen, wir haben die Opposition nicht gesucht. Aber sie macht uns unabhängig. Wir müssen auf niemanden mehr Rücksicht nehmen. Das ist neu.
Daran ist doch nichts neu. Sie haben nie Rücksicht genommen. Auch als Bundesrat nicht.
Da täuschen Sie sich! Wäre ich noch Bundesrat, hätte ich im Albisgüetli nicht so frei reden können. Auch als wir mit Bundesrat Schmid noch nicht vollwertig in der Regierung vertreten waren, haben wir uns oft verbiegen müssen, um ihn nicht direkt anzugreifen. Das ist nicht mehr nötig.
Schmid wurde der Charakter auch schon abgesprochen, als er noch Ihr SVP-Bundesrat war. Wie wollen Sie das noch steigern?
Er war für uns immer ein halber Bundesrat. Weil er gegen den Willen der Fraktion gewählt wurde. Jetzt ist er gar kein SVP-Vertreter mehr. Als Oppositionspartei politisieren wir jetzt noch konsequenter für das Volk und gegen den Bundesrat.
Sie drohen damit, das Referendum gegen die Erweiterung der Personenfreizügigkeit zu ergreifen. Sie schaden der Wirtschaft, um Ihrer Partei zu nützen?
Wir ergreifen das Referendum, sofern die EU die Attacken auf unser Steuersystem nicht einstellt. Warum sollten wir damit der Wirtschaft schaden? Das Personenfreizügigkeitsabkommen ist im Interesse der EU, nicht der Schweiz. Gute Arbeitskräfte aus dem Ausland kann die Schweiz auch ohne erweiterte Freizügigkeit ins Land holen.
Bei der letzten Abstimmung über die Personenfreizügigkeit sagten Sie: Wir sollten es wagen!
Erstens war ich zu diesem Zeitpunkt im Bundesrat und hatte die Meinung der Regierung zu vertreten. Und zweitens ist die Situation jetzt anders: Die EU drangsaliert uns in der Steuerfrage. Deshalb sagen wir: Es gibt kein Abkommen, solange die EU die Schweizer Steuerhoheit nicht akzeptiert.
Die Steuerpolitik der Schweiz ist nicht verhandelbar. Das sagt der Bundesrat - auch ohne Blocher.
Gerade darum muss das Ganze ein für allemal vom Tisch.
Als Toni Brunner kürzlich mit dem Referendum gegen die Personenfreizügigkeit drohte, sagte Peter Spuhler: Hirn einschalten!
Es gibt Fragen, die in einer Partei umstritten sind. Andere Parteien sind sich in jeder Frage uneinig, bei uns haben wir nur wenige Streitpunkte. Das ist kein Problem.
Vor Ihrer Zeit als Bundesrat waren Sie globalisierter Manager, Sie können nicht ernsthaft gegen freien Personenverkehr sein.
Ich habe das erste Abkommen bekämpft. Bei der letzten Erweiterung mussten wir es wagen. Und für das anstehende Abkommen bin ich nur unter bestimmten Bedingung. Diese Abkommen geben den Schweizern keinen Vorrang mehr, wenn sie im eigenen Land Arbeit suchen. Die nächste Rezession wird zeigen, ob das grössere negative Folgen hat.
Ergreifen Sie auch das Referendum gegen die bestehende Personenfreizügigkeit?
Das ist noch nicht entschieden.
Sie schliessen es nicht aus?
Das ist eine offene Frage, die wir zu gegebener Zeit klären.
Ist eine Rückkehr zur Ems-Chemie für Sie ein Thema?
Nein. Der Führungswechsel ist vollzogen. Ich gebe zu, dass ich Angst hatte um die Zukunft der Firma, als ich in den Bundesrat gewählt wurde. Ich habe immer gesagt: Wären die Arbeitsplätze meiner 3000 Mitarbeiter im Gefahr geraten, wäre ich aus dem Bundesrat zurückgetreten. Aber meine Tochter und der Sohn haben ihre Arbeit gut gemacht. Die Firmen gehören ihnen.
Ihre Mitarbeiter wären Ihnen wichtiger gewesen als das Land?
Wir hätten eher einen guten SVP-Vertreter für den Bundesrat gefunden als einen, der die Firma hätte retten können. Zuerst muss man im eigenen Bereich Ordnung haben.
Wären Sie auch aus dem Bundesrat zurückgetreten, wenn die SVP die Wahlen verloren hätte?
Mir wäre nichts anderes übrig geblieben. Die Partei sagte: Blocher stärken, SVP wählen. Hätten wir verloren, hätte ich nicht im Bundesrat bleiben können. Ich sagte aber schon damals: Auch wenn wir gewinnen, ist mein Sitz gefährdet, weil die Gegner die SVP dafür strafen werden. Und so war es ja auch. Ich bin abgewählt.
Ihre Gegner hofften, dass Sie nach der Abwahl in den Hintergrund treten. Wie sehen Sie Ihre Rolle in der Opposition?
Das Parlament hat mich aus dem Amt geworfen, nicht aus der Politik. Ich werde an vorderster Front für die Anliegen der SVP kämpfen.
Planen Sie auch Auftritte in kantonalen SVP-Wahlkämpfen?
Ich habe Termine, ja. Zum Beispiel in St.Gallen und Schwyz.
Und wenn die SVP nicht zulegt? Ist es dann vorbei mit Blocher?
Für den Erfolg in kantonalen Wahlen bin ich nicht verantwortlich.
Glauben Sie, dass die SVP in den Wahlen 2011 weiter zulegt?
Das weiss ich nicht. Jetzt würden wir zulegen. Was in vier Jahren sein wird, weiss niemand.
Planen Sie die Rückkehr in den Bundesrat?
Wenn die SVP zum Schluss kommt, dass ich wieder in den Bundesrat muss, werde ich mir das wieder überlegen.
Warum - weil nur Blocher ein guter SVP-Bundesrat sein kann?
Nein. Es gibt einige Leute in der Partei, die unsere Partei im Bundesrat gut vertreten könnten.
Gehört auch Toni Brunner dazu?
Wieso nicht? Sein Hauptnachteil ist, dass er nicht ehrgeizig ist.
Bis wann soll die SVP wieder Bundesratspartei sein?
Die SVP bleibt Oppositionspartei bis das Parlament einen Bundesrat wählt, der uns genehm ist. Das haben wir klar gesagt, und so wird es auch sein.
Tritt die SVP bei jeder Vakanz in Regierung an? Oder erst, wenn Bundesrat Schmid geht?
Warum sollten wir nicht gegen die SP antreten? Warum sollten wir und nicht die SP in der Opposition sein? Wenn es nach mir geht, werden wir bei jeder Vakanz antreten. Die SVP muss bestrebt sein, der Regierung anzugehören.
Was müssten die SVP-Bundesräte Schmid und Widmer-Schlumpf tun, um von Ihnen wieder unterstützt zu werden?
Sie können ihr politisches Wesen nicht ändern. Die Tür ist zu, und zwar ganz.
Wissen Sie bereits, wie viel Geld Sie in die Kampagnen Ihrer Partei stecken werden?
Das weiss ich nicht. Aber ich bin froh, wieder Geld für das Wohl des Landes einsetzten zu dürfen. Für die Kampagne gegen den EWR habe ich mehrere Millionen eingesetzt.
Wird es jetzt wieder so viel sein?
Wenn nötig, ja. Mir ist das Wohl der Schweiz etwas wert!
Werden Sie auch den Abstimmungskampf gegen die Personenfreizügigkeit finanzieren?
Sicher nicht allein. Aber mithelfen werde ich.
18.01.2008
Discours de l'Albisgüetli, 18 janvier 2008
18.01.2008
Discorso del Albisgüetli del 18 gennaio 2008
06.01.2008
6. Januar 2009
Der Bundesrat hat folgerichtig dem Parlament betr. Personenfreizügigkeit zwei getrennte Vorlagen vorgelegt:
1. einen Bundesbeschluss betr. Die Weiterführung der Personenfreizügigkeit mit den bisherigen EU Staaten und
2. einen Bundesbeschluss betr. Die Ausdehnung auf Rumänien und Bulgarien.
Das sind zwei Fragen. Sie rufen nach zwei Antworten.
Mogel-Päckli:
Die Parlamentarier in Bern wussten, wie gefährlich die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien für die Schweiz ist. Darum lies man sich einen hinterhältigen und undemokratischen Trick einfallen. Man band die beiden Fragen so zu einem "Päckli" zusammen, so dass eine unverfälschte Antwort nicht mehr möglich ist.
Sagen nämlich die Stimmbürger JA bei der Abstimmung, weiss man nicht was die Stimmbürger wollten:
1. War es ein JA zur Weiterführung der Personenfreizügigkeit?
2. War es ein JA zur Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien?
3. Oder war es ein JA zu beidem?
Natürlich werden nach der Abstimmung Regierung und Verwaltung dieses Abstimmungsergebnis so interpretieren wie es ihnen passt.
Sagen die Stimmbürger NEIN, weiss man auch nicht was die Stimmbürger wollten:
1. War es ein NEIN zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit?
2. War es ein NEIN zur Erweiterung auf Rumänien und Bulgarien?
3. Oder war es ein NEIN zu beidem?
Ein NEIN kann alles klären
Mit einem NEIN kann man ohne negative Folgen das ganze zufriedenstellend lösen. Das Parlament wird dann nämlich schon aus Eigennutz die beiden Vorlagen entknüpfen. Die Verlängerung des Personenfreizügigkeitsvertrages mit der EU kann bei einem Nein unverzüglich beschlossen werden. Es dürfte nicht einmal dagegen ein Referendum geben.
Ausweitung auf Rumänien und Bulgarien unannehmbar
Die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien ist ein Quantensprung. In Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung, die Korruption, die Kriminalität und in Bezug auf die hohe Arbeitslosigkeit in diesen Ländern ist der Vertrag abzulehnen.
Die Schweiz wird im kommenden Jahr in eine tiefe Rezession geraten. Die Rezession wird Ausmasse annehmen, wie sie unser Land seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr erlebt hat. Die Folge davon werden Kurzarbeit und Entlassungen sowie eine massiv steigende Arbeitslosigkeit sein. Dies nicht zuletzt in Folge der Personenfreizügigkeit. Die Ausdehnung auf Rumänien und Bulgarien wird dieses Problem noch verstärken. Die Folge davon ist die Plünderung der Arbeitslosenkasse, der Mutterschaftsversicherung, der IV und der Fürsorgeeinrichtungen. Höhere Lohnabzüge, höhere Mehrwertsteuer, Arbeitsplatzverlust und die Zunahme der Ausländerkriminalität werden die Folge sein.
Das Ammenmärchen von der Guillotine-Klausel
Die Befürworter der Ausdehnung der Personenfreizügigkeit behaupten bei einem NEIN zur Personenfreizügigkeit würden alle bilateralen Verträge ausser Kraft treten. Es gäbe eine Guillotine-Klausel. Das ist ein Ammenmärchen - eine bewusste Irreführung.
Dies würde nur dann passieren, wenn der Bundesrat gegenüber der EU notifizieren würde, dass die Weiterführung der Verträge der Personenfreizügigkeit von der Schweiz preisgegeben werde. Eine solche Notifikation wird der Bundesrat nicht vornehmen, denn so dumm kann ja auch der Bundesrat nicht sein!
Dazu kommt, dass die EU-Staaten selbst keinerlei Interesse haben, diese Verträge fallen zu lassen. Sie sind in erster Linie zugunsten der EU und nicht zugunsten der Schweiz abgeschlossen worden.
NEIN im Interesse der schweizer Wirtschaft
Natürlich wissen wir, dass die Unternehmen Arbeitskräfte brauchen. Wenn wir im eigenen Lande zu wenig haben, ist es sinnvoll, dass man auch ausländische Arbeitskräfte einstellt.
Solche Arbeitskräfte erhält die Schweiz so viel sie will. Die Schweiz ist eben ein sehr attraktiver Arbeitsplatz auch für ausländische Angestellte. Auch für Hochqualifizierte. Das wissen wir. Die Schweiz würde diese Arbeitskräfte aber auch ohne die Personenfreizügigkeit erhalten. Aber auch nach einem NEIN zum "Päckli" ist die heutige Personenfreizügigkeit aufrecht zu halten, die Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien ist zu unterbinden. Man bedenke aber: Es ist eine Tatsache, dass diese Arbeitskräfte, wenn sie ein Jahr in der Schweiz waren, den schweizerischen Arbeitskräften auch im ganzen sozialen Bereich gleichgestellt sind.
Und das wird uns im nächsten Jahr bereits sehr zu schaffen machen. Vielleicht werden aber nicht nur diese Arbeitskräfte aus den andern Staaten arbeitslos, sondern statt ihnen viele Schweizer. Denn es wird dann nicht mehr unterschieden. Bezahlen müssen alles die Schweizer. Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Steuerzahler und Lohnempfänger!
Die SVP hatte stets auch die Kraft, sich nicht von wirtschaftspolitischen Drohungen, wie sie jetzt wieder zu hören sind, beeinflussen zu lassen.
Zu diesem Päckli wie es uns vorgelegt wird, muss NEIN gesagt werden, im Interesse der schweizer Wirtschaft, der Arbeitsplätze und im Interesse des Landes Schweiz.