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14.12.2003
14.12.2003
Die Vereidigung
Artikel in der "Sonntagszeitung" vom 14. Dezember 2003 Christoph Mörgeli über einen emporgestreckten Arm, der ein Gefühl der Erschütterung auslöste Das vergangene Jahrhundert hat die alten Rituale mit Gründlichkeit aus dem öffentlichen Leben verbannt. Das ist nicht weiter bedauernswert. Umso mehr erscheint die Vereidigung der Bundesräte wie ein Relikt, das bei den allgemeinen Aufräumarbeiten vergessen ging. Als er dann so dastand, mit dem emporgereckten Arm, die Finger zum Schwur geformt, überkam mich trotzdem ein Gefühl der Erschütterung. Gewiss, eine Restgenugtuung wegen der geglückten Wahl wird überdauern, aber wirklich in der Tiefe meiner Seele traf mich der Moment der Vereidigung. Christoph Blocher ist angekommen. Damit ist nicht gemeint, dass ihn das nackte, hohle Amt des Bundesrats allein je gereizt hätte. Doch die Wahl ist verbunden mit der neuen Möglichkeit, jene Qualitäten nun für das Land einzubringen, die ihn schon lange auszeichnen. Das Gesicht dominiert ein Ausdruck der Besorgtheit Christoph Blocher ist ein Verantwortungsethiker. Einer, der für die (voraussehbaren) Folgen seines Handelns aufzukommen bereit ist. Wer in aller Ruhe das Bild der Vereidigung betrachtet, sieht die Willensstärke des Mannes. Und doch dominiert das Gesicht ein Ausdruck der Besorgtheit. Es war schon immer die Mischung aus Leidenschaft und Verantwortung, die Christoph Blocher angetrieben hat. Deshalb ist für ihn die Wahl zum Bundesrat auch nicht das ersehnte Ziel, wo man glücklich, aber ebenso erschöpft zur Ruhe kommt. Vielmehr eröffnet sich ihm ein weites Feld von Aufgaben, und es ist ihm gegeben, Aufgaben zu erkennen. Das ist schon viel. Ihn nun in die Rolle eines Heilsbringers drängen zu wollen, wäre völlig falsch und entspräche auch nicht seinem eigenen Menschenbild. Ein solcher Satz mag auf den ersten Blick erschrecken "Ich habe den Menschen gern, in seinen Stärken und Schwächen", sagte Blocher unmittelbar nach den Parlamentswahlen vom 19. Oktober gegenüber der "Weltwoche". "Deshalb misstraue ich allen, auch mir selber." Ein solcher Satz mag auf den ersten Blick erschrecken. Aber letztlich entlastet er uns alle, auch ihn selber. Wer sich in Frage stellt, wird nicht Opfer einer blinden Selbstüberschätzung. Wer den Menschen trotz seiner Defekte mag, überfordert ihn nicht. Was darf man dafür von Blochers Gegnern erwarten? Wenigstens die Bereitschaft, ihm eine Chance zuzugestehen. Wie es ihn in die Politik verschlagen habe und was ihm Erfolge bedeuten, beschrieb Christoph Blocher so: "Es begann bei mir mit den Sachfragen. Daraus ergab sich alles andere pragmatisch. Ich sehe den Erfolg gar nicht. Ich sehe nur, was man mit dieser Partei noch alles machen, was man mit meiner Firma noch alles unternehmen muss. Ich sehe Chancen, Möglichkeiten, Gefahren." Nun tut er das auch im Bundesrat. Ich freue mich darüber.
14.12.2003
Demonstranten sind auf die Strasse gegangen, nicht das Volk
Bundesrat Christoph Blocher über Frauen, ideale Mitarbeiter und seine Idee, Steuerabkommen auch für Schweizer zuzulassen. Interview mit der "NZZ am Sonntag" vom 14. Dezember 2003 Von Luzi Bernet und Pascal Hollenstein NZZ am Sonntag: Heute Sonntag berät der Bundesrat über die Verteilung der Departemente. Haben Sie sich mit Samuel Schmid schon abgesprochen? Christoph Blocher: Worüber ich mit wem vor dieser Sitzung gesprochen habe oder noch sprechen werde, kann ich Ihnen nicht sagen. Man muss gewisse Dinge auch diskutieren können, ohne dass es am nächsten Tag gleich in der Zeitung steht. Immerhin haben Sie via Medien bereits Präferenzen angemeldet. Sie wollen ins Finanzdepartement. Blocher: Von meiner beruflichen Tätigkeit her läge mir das natürlich nahe,ja.Ich könnte mir aber aber auch das Departement von Herrn Couchepin vorstellen.Bei den Sozialversicherungen gilt es Zukunftsprobleme zu lösen. Auch im Justizdepartement oder im Departement von Herrn Leuenberger ist viel anzupacken. Wenn es sein muss,nehme ich aber auch das VBS -auch wenn das vielleicht etwas schwierig würde:Ich habe Mühe mit der Ausrichtung der Armee, die wir jetzt haben. Im Prinzip werden die Departemente nach dem Amtsalter der Bundesräte verteilt. Gilt das auch für Bundesrat Blocher? Blocher: Ich werde an der Sitzung erfahren, wie dies geht. Wenn es so bleibt, akzeptiere ich es. Es war schon immer eine Maxime von mir, zuerst einmal alles so weiterzumachen, wie man es bisher gemacht hat. Das habe ich überall, wo ich neu dazugekommen bin, so gehalten. Man kann nicht schon an der ersten Sitzung alles umkrempeln wollen. Erst später sieht man dann, ob etwas verändert werden muss. Zunächst aber sollte man sich die Zeit nehmen, die Dinge genau zu analysieren. Mit den guten alten Gebräuchen haben Sie bereits gebrochen, als sie das Zür- cher Wahlfest absagen liessen. Blocher: Man kann doch nicht 1000 hoch bezahlte Spitzenleute aus Wirtschaft, Politik, Armee und Verwaltung auf Staatskosten feiern lassen, wenn es um die Staatsfinanzen derart schlecht steht - nur, weil einer Bundesrat geworden ist! Da wollte ich ein Zeichen setzen. Feiern kann man dann ja bei meinem Rücktritt, falls ich etwas geleistet habe.Sonst soll man auch das bleiben lassen. Das ist doch eine blosse Symbolhandlung. Was kommt als Nächstes: Verzichten Sie auf Ihr Gehalt? Sparen Sie beim Büromobiliar? Blocher: Wenn mir etwas in den Sinn kommt, dann mache ich das. Führen heisst eben auch Vorbild sein. Zu den Büromöbeln: Ich werde mit dem anfangen, was ich im Raum vorfinde. Falls es einmal ein anderes Bild an der Wand sein soll,kann ich ja einen Anker von zu Hause mitbringen. Auf mein Salär zu verzichten wäre hochnäsig und eine Beleidigung für die anderen Bundesräte, die nicht so vermögend sind wie ich. Um ihr Gehalt müssen dafür viele Beamte zittern. In der "Weltwoche " haben Sie gesagt, man könne in drei Jahren jeden zehnten Beamten einsparen. Müssen die Mitarbeiter in Ihrem Departement um ihren Job zittern? Blocher: Ich werde sicher nicht am 1.Januar anfangen, Personal abzubauen. Aber ich werde mich dafür einsetzen, dass der Bund die Kosten senkt, auch in der Verwaltung. Man muss den Speck wegschneiden, den Leerlauf. Schauen, was man unbedingt braucht und worauf man verzichten kann. Das bedeutet Personalabbau. Vielleicht auch. Vielleicht nur Stellenabbau. Aber auch weitere Kostensenkungen: Ich habe festgestellt, dass der Bund enorm viele Aufträge an Dritte vergibt, an irgendwelche Kommunikationsagenturen, die gleich reihenweise mit der Gestaltung von Hochglanzbroschüren beschäftigt werden. Das geht billiger. Der Geschäftsbericht der Ems -und das ist immerhin ein Weltunternehmen - wird in der Firma auf einem Computer geschrieben. Dann geht er in die Druckerei, die Bilder werden integriert und fertig. Ohne Agentur. Das ist nur ein Beispiel, doch das Ziel muss heissen: Mit weniger Geld eine hohe Leistung erzielen. Freilich werden wir auch das nicht subito erreichen -weil ich ja am ersten Tag immer alles so mache, wie es immer schon war. Dennoch werden Sie um Personalentscheide nicht herumkommen. Wen bringen Sie nach Bern,welche Positionen werden Sie neu besetzen? Blocher: Niemanden und keine. Ich übernehme zunächst alle Mitarbeiter, die im entsprechenden Departement arbeiten. Sie nehmen keinen einzigen persönlichen Mitarbeiter mit ins Bundeshaus? Keinen Kommunikationschef? Am 1. Januar auf jeden Fall nicht. Sehen Sie: Es gab auch im Militär immer Kommandanten, die als Erstes den Stab anders zusammengesetzt haben. Das habe ich nie getan. Ich will es zunächst mit den Mitarbeitern versuchen, die schon da sind. Da kann man mit der richtigen Führung vieles erreichen. Wenn man dann sieht, dass es partout nicht geht, dann muss man den Mitarbeiter austauschen. Einige werden wahrscheinlich freiwillig gehen. Blocher: Das ist möglich.Dann muss man diese vielleicht ersetzen. Damit sich die Verbleibenden auf das Kommende einstellen können: Was ist in Ihren Augen ein guter Mitarbeiter? Einer, der immer Ihrer Meinung ist? Blocher: Ein guter Mitarbeiter ist einer, der seinen Auftrag immer und vollständig erfüllt. Da gibt es keine Ausreden. Ich bin in dieser Hinsicht streng. Und zweitens ist ein guter Mitarbeiter einer, der gute Anträge stellt ,der seinem Chef klar sagt, was er zu entscheiden hat. Die Kunst der Führung ist es, aus jedem Mitarbeiter das Maximum herauszuholen. Das kann nur bei Personen funktionieren, die eine eigene Meinung haben, die nicht die des Chefs sein muss. Vorläufig ist Ihr Chef, das Volk, anderer Meinung als Sie: Auf den Schweizer Strassen wird demonstriert. Sie gelten als Ladykiller, weil Sie Metzler aus dem Bundesrat gedrängt haben. Blocher: Auf den Strassen gibt es Demonstranten. Das ist nicht das Volk. Die SVP hat Frau Metzler nicht aus dem Amt gedrängt. Im Gegenteil: Die SVP hat, nachdem ich gewählt war, Frau Metzler in der Ausmarchung gegen Herrn Deiss vorgeschlagen und die Stimmen gegeben. Aber die CVP hat sich für Herrn Deiss entschieden - und die Linken sind der CVP gefolgt, sonst wäre heute Frau Metzler Bundesrätin. Das Parlament hatte es im letzten Wahlgang in der Hand, eine Frau zu wählen. Stattdessen hat es sich für Hans-Rudolf Merz entschieden. Wie stehen Sie zu Merz? Blocher: Herr Merz hatte schon bei seiner ersten Wahl in den Ständerat die Unterstützung der SVP. Ich glaube, dass man mit ihm zusammen etwas erreichen kann. Also haben Sie Merz gewählt. Blocher: Wen ich persönlich gewählt habe, steht hier nicht zur Debatte. Aber es war allen klar, dass im Bundesrat die Regionen vertreten sein sollten. Nach der Abwahl von Frau Metzler wäre die gesamte Ostschweiz ausgeschlossen gewesen. Mit Frau Beerli dafür das Berner und Freiburger Land über vertreten. Dies hat wohl - vor allem bei den Ständevertretern - den Ausschlag gegeben. Im Ergebnis ändert das nichts daran, dass jetzt nur noch eine Frau im Bundesrat sitzt. Blocher: In dieser Bundesratswahl ging es eben nicht in erster Linie um das Geschlecht, sondern um politische Fragen. Die Linken und Grünen haben den Mann Deiss und nicht die Frau Metzler gewählt, weil sie glauben, der Mann sei mehr links als die Frau. Wenn in der letzten Wahl die Frau rechts vom Mann gestanden hätte, hätten sie auch dann den Mann und nicht die Frau gewählt. Auch ihnen ging es um die Politik und nicht um das Geschlecht. Die Entrüstung der Linken und die Demonstrationen sind also scheinheilig? Blocher: Ich mache niemandem einen Vorwurf. Dass es Demonstrationen gibt, ist immerhin ein Zeichen, dass eine politische Auseinandersetzung stattfindet. Das ist ja nicht nur schlecht. Ihre Frau und Ihre Töchter sehen das auch so? Blocher: Wissen Sie, meine Frau und meine Töchter sind modern aufgewachsen. Ob Frau oder Mann, das ist für sie in solchen Fragen nicht entscheidend. Ihre Tochter Magdalena führt die Ems-Chemie weiter. Wird weiterhin Geld aus der Blocher-Familie in die Politik fliessen? Blocher: Ich habe weder die SVP noch die Auns finanziell unterstützt. Gespendet habe ich immer nur für politische Kampagnen, zum Beispiel für den Kampf gegen den EWR. Da habe ich rund 1,5 Millionen Franken ausgegeben. So viel ist mir die Schweiz wert. Ob das auch meine Kinder später einmal tun werden, weiss ich nicht, das ist ihre Entscheidung. Aber ich zweifle daran, dass sie es tun werden. Sie interessieren sich zwar für Politik, aber aktiv werden sie wohl kaum am Geschehen teilnehmen wollen. Da sind sie anders als ihr Vater. Auch Bundesrat Blocher wird zunächst Eigentümer der Ems bleiben. Damit brechen Sie ein Versprechen, das Sie öffentlich abgegeben haben. Blocher: Nein. Ich werde die Beteiligung abgeben, sobald alle Detailfragen geklärt sind. Das aber werde ich bis zum 31.Dezember nicht schaffen. Wo liegt das Problem? Blocher: Die Vermögenssteuern, die meine Kinder bezahlen müssten, sind ohne Aushöhlung der Firma nicht möglich. Wie werden Sie das Problem lösen? Blocher: Das weiss ich noch nicht. Ich werde eine Lösung finden. Aber die Sache gibt mir schwer zu denken, auch politisch. Sehen Sie: Wegen der Steuergesetzgebung in diesem Bereich verlassen reihenweise Schweizer unser Land und retten ihr Vermögen ins Ausland. Umgekehrt kommen die reichen Ausländer in die Schweiz, weil sie hier Steuerabkommen schliessen können - ein Privileg, das die Schweizer im eigenen Land nicht haben: Vermögende Schweizer ziehen ins Ausland,wo sie Steuerabkommen abschliessen können, und vermögende Ausländer ziehen in die Schweiz, um hier Steuerabkommen abzuschliessen. Das ist doch absurd. Sie wollen also, dass auch Schweizer in Zukunft die Möglichkeit haben sollen, Steuerabkommen zu schliessen? Blocher: Man sollte das den Kantonen innerhalb eines gewissen gesetzlichen Rahmens - nicht willkürlich - erlauben, ja. Das wäre auf jeden Fall besser,als die Reichen ganz aus der Schweiz zu vertreiben. Die Schweiz hätte mehr gute Steuerzahler und mehr Investitionen, also auch Arbeitsplätze. Apropos Beteiligungen an Unternehmen: Wie ist Ihr Verhältnis zur "Weltwoche "? Blocher: Ich freue mich,dass es in unserem Land weitere Zeitungen mit einem eigenständigen Kurs gibt. Haben Sie Geld in der Zeitung? Blocher: Ich wiederhole es gerne noch einmal: Ich bin weder direkt noch indirekt an der Jean Frey AG beteiligt. Treten Sie als Präsident der Zürcher SVP zurück? Blocher: Ja, obwohl ich dies rechtlich nicht müsste. Und ich werde natürlich auch weiterhin Mitglied der Zürcher SVP bleiben. Es wäre auch nicht verboten,als Bundesrat weiterhin Mitglied der Auns zu sein. Treten Sie dennoch aus? Blocher: Verboten ist die Mitgliedschaft tatsächlich nicht. Die Auns ist eine Lobbyorganisation für die Unabhängigkeit und Neutralität unseres Landes. Zu diesem Zweck habe ich sie zusammen mit Otto Fischer gegründet. Eigentlich sind das Ziele, die auch ein Bundesrat unterstützen dürfen sollte. Allerdings schaut man bei mir offenbar etwas genauer hin als bei anderen, wo derartige Mitgliedschaften kein Problem sind. Sicher ist jedenfalls, dass ich als Präsident der Auns zurücktrete. Brauchen Sie die Auns denn überhaupt noch - jetzt, wo Sie Bundesrat sind? Blocher: Nicht ich - aber die Schweiz. Neutralität und Unabhängigkeit der Schweiz sind nach wie vor gefährdet. Es ist zwar etwas besser: Man fängt an zu verstehen, wie gefährlich es ist, wenn unser Land nicht mehr neutral ist.Zudem hat der Grossteil der Politiker allmählich begriffen, dass das Volk die Neutralität will. Zumindest sagt man das nach aussen. Ich habe aber in vielen Gremien erlebt, wie unter Ausschluss der Öffentlichkeit gesagt wird, die Neutralität sei eigentlich ein Anachronismus. Solange es diese Stimmen gibt, braucht es die Auns. Vielleicht wollen Sie die Auns ja auch als Vehikel benutzen, um weiter lautstark Opposition zu machen, während sich die SVP etwas mässigt. Die Auns kämpft jetzt schon gegen die Mutterschaftsversicherung. Blocher: Woher diese Erfindung? Die Auns wird sich in dieser Frage nie engagieren. Das ist nicht ihre Aufgabe, weil dies nicht eine Frage der Unabhängigkeit undeutralität ist. Sie haben dafür plädiert, die SVP müsse enger mit den Bundesräten zusammenarbeiten. Das bedeutet doch, dass Sie weiterhin auf die Partei Einfluss nehmen wollen. Blocher: Ein Bundesrat sollte anstehende Probleme mit der Partei diskutieren. Manchmal wird man sich finden, manchmal aber auch nicht. Wenn jetzt der Bundesrat beschliessen würde, der EU beizutreten, dann würde ich doch nie von der Partei verlangen können, jetzt auch für einen EU-Beitritt zu sein. Das Beispiel scheint doch etwas sehr praxisfremd. Warum? Blocher: Dies gibt es bei allen Parteien. Sind wir doch ehrlich: Es ist doch nichts Neues, dass man weiss, welcher Bundesrat für oder gegen eine Vorlage war. Ich jedenfalls kann das klar erkennen -schon an der Art und Weise, wie er den Entscheid des Gesamtbundesrates vertritt. Nicht alle sind so begabt im Gesichterlesen. Im Kanton Zürich haben Sie vorgeschlagen, die Stimmenverhältnisse im Regierungsrat zu veröffentlichen. Blocher: Ja, das war eine Idee von mir, natürlich nicht bei personellen oder sonst vertraulichen Fragen. Aber im Grundsatz halte ich viel vom System, wie es der Kanton Solothurn kennt, dass Regierungssitzungen nämlich öffentlich sind. Allerdings bin ich mit meinem Vorschlag im Kanton Zürich nicht durchgekommen. Auch nicht bei den eigenen Leuten übrigens. Da gibt es allerlei Bedenken. Wie immer, wenn es um mehr Transparenz geht. Werden Sie jetzt einen neuen Anlauf auf eidgenössischer Ebene nehmen? Blocher: Nein, denn ich weiss noch nicht, wie dieser Bundesrat intern funktioniert. Bei der Zürcher Regierung wusste ich das besser. Sie sind mit dem Anspruch angetreten, die Schweiz aus der Krise zu führen. Blocher: Das Wort Krise habe ich nicht gebraucht. Aber es steht um die Schweiz schlechter, als man allgemein annimmt. Unser Land ist wie ein Unternehmen, das jahrelang gut gelaufen ist: Die Angestellten bekommen immer noch ihren Lohn, die Rechnungen werden bezahlt, nach aussen hin sieht alles gut aus. Aber der Schein trügt, denn das Unternehmen sitzt mittlerweile auf einem riesigen Schuldenberg, der ständig wächst. Woran Sie nicht unschuldig sind.Die Schulden steigen, weil die Wirtschaft nicht wächst.Und das wiederum hat mit dem Nein zum EWR zu tun. In Österreich zum Beispiel sieht es deutlich besser aus. Blocher: Das fehlende Wachstum ist nicht auf das Nein zum EWR zurückzuführen. Das Problem ist die steigende Fiskalquote. Der Staat nimmt den Bürgern immer mehr Geld weg. Klar ist Österreich schneller gewachsen als die Schweiz, aber doch auf viel niedrigerem Niveau. Zudem war die Ausgangslage eine ganz andere: Österreich musste in die EU, um Freihandel mit der EU zu bekommen. Wir hatten den schon lange vorher. Zentral für die Schweiz bleibt: Die Staats-und Fiskalquote muss sinken. Daran werde ich im Bundesrat arbeiten. Ich hoffe, dort auf Verständnis zu stossen. Eigentlich haben Sie ein Riesenglück: Die Konjunktur zieht sowieso an, Sie brauchen also nur im Büro zu bleiben und nichts zu tun. Und in ein, zwei Jahren können Sie verkünden: Seht ihr, alles ist besser. Blocher: Auf eine derart perfide Überlegung, wie Sie sie jetzt anstellen, wäre ich noch gar nie gekommen. Das wäre ja super: "Ich bin gewählt, und alles wird gut!" Nur glaube ich nicht, dass Politiker etwas für die Konjunktur können. Ob die im nächsten Jahr jetzt schlecht oder gut ist, liegt nicht in der Hand des Bundesrates. Verantwortung trägt die Politik hingegen für die anhaltende Wachstumsschwäche unseres Landes. Auch bei der illegalen Einwanderung, einem anderen Ihrer Lieblingsthemen, zeichnet sich Entlastung ab. Die Flüchtlingszahlen sinken gemäss den Statistiken des Bundesamts für Flüchtlinge - auch ohne Christoph Blocher. Blocher: Die Flüchtlinge sind nicht das Problem, sonder die illegale Einwanderung. Und die nimmt zu. Ich schaue eben die Wirklichkeit an und nicht die Statistiken.Die Zahl der illegal Eingewanderten und deren Folge, die Kriminalität, haben zugenommen. Die Erwartungen gewisser Wirtschaftsführer in Sie sind enorm, fast schon naiv. Manche scheinen zu glauben, Sie könnten auf einen Knopf drücken und dann springe die Wirtschaft an. Blocher: Ich spüre natürlich diese Erwartungshaltung, nicht nur von den Wirtschaftsführern. In der NZZ vom Freitag stand, der Kurs der Swiss-Aktie sei gefallen, weil neue Finanzspritzen unwahrscheinlich seien, denn die neuen Bundesräte Merz und Blocher seien ja keine Etatisten. Der Kurs der Swisscom-Aktie sei gestiegen, weil der Markt offenbar darauf hofft, dass der neue Bundesrat bereit sein könnte, die staatliche Mehrheit am Unternehmen dereinst abzugeben. Ich habe zu meiner Frau gesagt: Das ist das erste Mal, dass die Börse in der Schweiz auf eine Bundesratswahl reagiert. Es gibt einen neuen Geist, Aufbruchstimmung. Man spürt, das Land beginnt wieder zu atmen. Am Tag,als Sie gewählt wurden, ist die Schweizer Börse insgesamt aber getaucht. Blocher: Am nächsten Tag stieg sie dafür. Ich will das nicht überbewerten und da gibt es natürlich noch viele andere Faktoren, die eine Rolle spielen. Aber ich spüre die Aufbruchstimmung. Bis das auch in den Redaktionsstuben ankommt, dauert es natürlich eine Weile. Eine Botschaft aber wurde sicherlich verstanden: Mit dem neuen Bundesrat wird die Regulierung sicherlich nicht im gleichen Tempo vorangetrieben, wie wir das bis jetzt erlebt haben. Sie sind jetzt 63 Jahre alt. Haben Sie sich schon Gedanken über Ihren Rücktritt gemacht? Blocher: Ich bin es nicht gewohnt, vor Amtsantritten schon von Rücktritt zu sprechen. Aber es ist auch bei Managern Mode geworden, schon vor Amtsantritt den Austritt bereits anzukündigen. Ich habe jetzt ein Amt und eine Aufgabe. Wir können dann in 20 Jahren über den Rücktritt sprechen.
11.12.2003
Christoph Blocher: «J’ai l’habitude du compromis
Le nouveau conseiller fédéral UDC assure pouvoir collaborer avec ses pairs. Interview dans "24 heures" du 11 décembre 2003 Propos recueillis par Marc Bretton et Claude Ansermoz 24 heures: Quelle est la première chose que vous allez faire en arrivant dans votre département? Accrocher un tableau de Anker au mur, faire un audit ou licencier de hauts fonctionnaires? Christoph Blocher: Rien de tout cela. J'ai pour habitude de travailler avec les gens et les meubles qui sont en place. Au début en tout cas. Quant au Anker, j'en amènerai peut-être un depuis ma maison si je trouve que les tableaux de mon futur bureau ne sont pas à mon goût. Vous dites être converti à la concordance. Sera-t-elle possible quand on sait que les programmes de l'UDC et du PS s'opposent frontalement? Blocher: La définition de la concordance, pour moi, c'est justement la possibilité pour quatre partis aux idées divergentes de travailler ensemble. L'UDC a prouvé son attachement à cette concordance en participant à la réélection brillante de Moritz Leuenberger et de Micheline Calmy-Rey. C'est le droit des socialistes de disposer de deux sièges au Conseil fédéral, nous avons d'ailleurs voté pour eux. Il est plus facile de faire des compromis avec des gens qui ont une position forte qu'avec des gens qui n'ont pas d'opinion. Dans mon entreprise, je négocie avec des syndicats qui ne partagent pas ma vision des choses. Et puis, je suis marié. J'ai donc l'habitude du compromis. Si vous êtes élu au Département de justice et police, réaliserez-vous votre idée de créer des camps pour les requérants déboutés? Blocher: Naturellement. Dans l'asile, il y a des abus qui sont à l'origine de grands problèmes d'insécurité. C'est une réalité qu'il faut changer. Je suis élu au Conseil fédéral pour y apporter mes idées et mes solutions. C'est une des raisons de mon élection. Le Conseil fédéral prône la libre circulation avec les pays de l'Est. Allez-vous tenter de vous y opposer? Blocher: Je constate surtout que le Conseil fédéral a mis de l'eau dans son vin en introduisant des paliers et des délais à cette libre circulation. Nos positions ne sont donc plus si éloignées.
11.12.2003