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Independence
29.11.2002
29.11.2002
Presa di posizione e prospettive future Dieci anni dopo il NO al Trattato SEE
Comunicato stampa di 29 novembre 2002, Berna di CN Christoph Blocher, il presidente l'ASNI, Herrliberg ewr_it.pdf
29.11.2002
Zehn Jahre nach dem Nein zum EWR-Vertrag
Eine Standortbestimmung mit Ausblick Pressekonferenz vom 29. November 2002, Bundeshaus Bern von NR Christoph Blocher, Präsident der AUNS, Herrliberg 021129ewr_standortbestimmung.pdf
29.11.2002
Unsere Wirtschaft orientiert sich an Blochers Alleingang
Schweizer Unternehmer gehen trotz schleppendem Wirtschaftswachstum auf Distanz zu Europa. Damit werden wichtige Reformen versäumt: Die Schweiz gerät immer mehr ins Hintertreffen. Interview mit "Cash" vom 29. November 2002 von Annetta Bundi, Jürg Wegelin Der 6. Dezember 1992 markiert nicht nur für die Schweiz, sondern auch im Leben von Christoph Blocher einen Wendepunkt. Sein erbitterter Kampf gegen den EWR wurde vom Volk zwar knapp unterstützt, doch das gedemütigte Establishment reagierte betupft: Wenige Monate nach der denkwürdigen Abstimmung musste der Zürcher Volkstribun seinen Sessel im Verwaltungsrat der damaligen Bankgesellschaft räumen. Solche Strafaktionen sind heute nicht mehr denkbar. Denn die Wirtschaft ist inzwischen auf den Kurs von Blocher eingeschwenkt. Von einer «nationalen Katastrophe», wie sie der verstorbene Spitzendiplomat und langjährige ABB-Kopräsident David de Pury in der Schweiz nach dem EWR-Nein geortet hatte, mag niemand mehr sprechen. Im Gegenteil: Eine Verhärtung der Fronten wird achselzuckend in Kauf genommen, wie das Gerangel ums Bankgeheimnis zeigt. «Blocher hat sich auf der ganzen Linie durchgesetzt», urteilt Peter Bodenmann, der ehemalige SPPräsident und spitzzüngige Walliser Hotelier. «Politik und Wirtschaft haben sich aus der EU-Diskussion verabschiedet. » Blochers Taktik ist aufgegangen. Zehn Jahre nach der EWR-Abstimmung mag sich am Europa-Thema niemand mehr die Finger verbrennen. Sein Triumph entpuppt sich allerdings als Pyrrhussieg: Die Exportwirtschaft zum Beispiel zahlt den vom Volkstribun gerne ins Feld geführten Zinsvorteil gegenüber der EU mit einem auf hohem Niveau fluktuierenden Frankenkurs. Und tiefe Kapitalkosten nützen dem Investor wenig, wenn die Baupreise, wie fast alle anderen Preise (siehe Box), höher sind als bei der ausländischen Konkurrenz. Gravierender, als Blocher vorgibt, ist auch das Wachstumsdefizit der Schweiz: Dieses besteht zwar bereits seit Mitte der Siebzigerjahre, hat seit der Ablehnung des EWR-Vertrages 1992 aber stark zugenommen (siehe Grafik). Die Länder der EU hingegen profitieren von der Integration in den Binnenmarkt und vom Schwung der damit ausgelösten Reformen. Österreich hat die Schweiz inzwischen nicht nur im Skifahren, sondern auch beim Wirtschaftswachstum abgehängt. Die Schweiz ist aus eigener Kraft nicht zu Reformen fähig Kein Wunder, macht nun das Wort vom «verlorenen Jahrzehnt» die Runde. Avenir Suisse, der Think Thank der Wirtschaft, spricht im Unterschied zur Schönfärberei ihrer Auftraggeber in den Chefetagen gar von einer doppelt verpassten Chance: «Weder erntet man die vollen Früchte des grossen, dynamischen Binnenmarktes, noch wurde der heimische Boden mit den notwendigen Reformen für das zukünftige Wachstum bestellt.» Die Schweiz ist nicht fähig, ihre verkrusteten Strukturen aus eigener Kraft aufzubrechen. «Wenn wir dem EWR beigetreten wären, wären uns die unfruchtbaren Diskussionen über die Liberalisierung des Post- und Strommarktes erspart geblieben», ärgert sich Silvio Borner. Der Basler Ökonom sagt der Schweiz schwierige Zeiten voraus. Die EU stelle unser Land Schlag auf Schlag vor vollendete Tatsachen: «Im Anpassungsprozess werden wir der EU auch in Zukunft dauernd hinterherhinken.» Damit ist der von Blocher propagierte Alleingang schleichend Realität geworden. Denn für einen EU-Beitritt fehlen der Schweiz derzeit die Kraft und der Wille. Gleiches gilt für die neuen bilateralen Verhandlungen, die zwar als Pflichtübung weitergeführt, aber kaum je abgeschlossen werden dürften. Die EU drängt auf immer grosszügigere Zugeständnisse. So erwartet sie von der Schweiz, dass diese ihren Acquis und damit das geltende und künftige EU-Recht übernimmt. Dieses Angebot ist für die Schweiz nicht akzeptabel, und deshalb haben die Durchhalteparolen von Politik und Wirtschaft bloss noch symbolischen Charakter. «Es gibt keinen anderen Weg als den Bilateralismus», versucht Economiesuisse-Chef Ueli Forster der Wirtschaft Mut zu machen. Doch er weiss, dass deren Anliegen mit dem ersten Paket weit gehend erfüllt sind und der bilaterale Weg «mühsam und Zeit raubend» ist. Beliebte Shopping-Ausflüge ins Ausland Derweil arrangiert sich die Schweizer Bevölkerung mit ihren Nachbarländern auf eine bestechend simple Art: Tausende von Konsumenten shoppen im grenznahen Ausland oder benutzen das verlängerte Wochenende in Paris für den Einkauf von Medikamenten oder Fleisch. Damit folgen sie Borners Beispiel. Der Ökonom pfeift auf das Schweizer Buchkartell und beschafft sich seine Bücher bei Amazon im Internet. «Für meine Online-Einkäufe führe ich ein Bankkonto in Grossbritannien.» Solche Rezepte mögen dem einzelnen Bürger helfen. Doch taugt der Alleingang auch für die Schweiz als ein stark exportorientiertes Land mitten im europäischen Binnenmarkt? Blocher gibt sich selbstbewusst und beruft sich auf die Welthandelsorganisation: «Die EU muss sich an die WTO-Regeln halten.» Mit Zöllen und dergleichen könne sie die Schweiz deshalb nicht unter Druck setzen. «Als zweitwichtigster Kunde der EU könnten wir notfalls auch Retorsionsmassnahmen ergreifen.» Da könnte sich der machtbewusste Volkstribun indes gewaltig täuschen. «Die WTO setzt auf grosse Wirtschaftsräume und nicht auf Einzelkämpfertum», ist Europarechts-Experte Thomas Cottier überzeugt.
29.11.2002