Article

Personal

19.04.1999

Anker drückt eine tiefe Liebe zu den Menschen aus

Nationalrat Christoph Blocher zeigt zum ersten Mal seine Anker-Sammlung Interview mit der Schweizer Illustrierten vom 19. April 1999 Dass er Kunst sammelt, wussten bisher nur ein paar Eingeweihte. Jetzt tritt Christoph Blocher erstmals mit einem Teil seiner riesigen Kunstsammlung an die Öffentlichkeit. In Biel zeigt er 97 Bilder des beliebten Schweizer Malers Albert Anker (1831 bis 1910). Interview: Peter Rothenbühler Warum sind Sie plötzlich bereit, Ihre Anker-Sammlung der Öffentlichkeit zu präsentieren Christoph Blocher: Mehr der Not gehorchend als dem eigenen Triebe. Herr Gerhard Saner hat mich überzeugt, es zu tun. Aber eigentlich ist diese Sammlung noch gar nicht so weit, dass man sie als Gesamtheit zeigen könnte. Sie haben immerhin 130 Werke von Albert Anker und sind damit der grösste Anker-Sammler überhaupt. Blocher: Die Zahl allein ist nicht massgebend. Ein Sammler ist nie zufrieden. Was hatten Sie denn sonst vor mit der Sammlung? Blocher: Ich habe die Bilder alle bei mir aufgehängt, und ich freue mich jeden Tag daran. Ich habe ja auch die nötigen Wände dazu, zum Beispiel in unserem Schloss im Kanton Graubünden. Ich leihe einzelne Bilder auch für Ausstellungen aus Haben Sie Ihr neues Haus in Herrliberg auch um die Bilder herum gebaut? Blocher: Ja. Ich habe vor allem darauf geachtet, dass es viele Wände hat. Ein gutes Bild wird bei längerer Betrachtung immer schöner. Ich sitze gerne am Esszimmertisch und schaue das Bild an, das mir gegenüber hängt, den "Schulspaziergang". Ich entdecke noch jeden Tag Neues auf dem Bild. Wieviel Geld haben Sie schon in den Ankauf von Anker-Bildern gesteckt? Das müssen ja zig Millionen sein. Blocher: Ich weiss es nicht und will es auch nicht wissen. Wenn ich ein Bild habe, dann denke ich nicht mehr an den Preis. Aber solche Kunst ist auch eine gute Geldanlage. Blocher: Ich sammle nur aus Freude an der Kunst, aber als Unternehmer kann ich nur das Beste kaufen, denn eines Tages, wenn es schlecht gehen sollte und ich plötzlich das Geld im Unternehmen brauche, muss ich die Sammlung auch gut verkaufen können. Es ist doch sicher gut für Ihr Image, sich dem Volk als Kunstliebhaber darzustellen, der etwas Urschweizerisches wie Anker sammelt. Blocher: Hat jemand ein Ansehen, weil er Kunst sammelt? Ich bin bis jetzt immer wegen meiner Politik gewählt worden. Sicher wird auch darüber gelästert. Ich kann machen, was ich will, es wird mir immer eine böse Absicht unterschoben. Denken Sie daran, in dreissig Jahren mal ein Blocher-Museum zu machen? Blocher: Nein, nein, im Moment denke ich überhaupt nicht daran, was mit dieser Sammlung mal passieren wird. Das wäre doch ein schönes Denkmal für Sie? Blocher: Ich brauche kein Denkmal. Ich werde auch mal verlocht wie die anderen Leute. Ich wüsste nicht, wofür ich ein Denkmal bekommen sollte. Sie werden in die Schweizer Geschichte eingehen als der, der zu wichtigen Dingen nein sagte, die dann trotzdem gekommen sind. Das reicht nicht für ein Denkmal. Aber Ihre Kunstsammlung, die wird Bestand haben. Blocher: Mit dem Nein sagte ich gleichzeitig ja zu wichtigen Dingen. Und die werden erhalten bleiben. Ob es für mich mal ein Denkmal geben wird, kann man erst zweihundert Jahre nach meinem Tod entscheiden. Rennen Sie als Sammler eigentlich jedem Anker nach, der irgendwie in den Verkauf kommt? Blocher: Nein. Ich bin wählerisch. Es gibt hingegen Bilder, die ich jahrelang suche. Wenn ich ein solches finde, dann fiebere ich schon. Haben Sie auch schon ein Bild etwas teurer bezahlt, damit es nicht ins Ausland geht? Blocher: Nur einmal, weil ich wusste, dass es ein Japaner kaufen wollte. Ich habe gesagt, wir lassen dieses Bild doch nicht nach Japan gehen, was soll das dort? Aber eigentlich finde ich es nicht schlimm, dass die Kunst auf der ganzen Welt verstreut ist. Ich finde es nur schade, wenn sie in einem Safe verschwindet. Die Bilder von Anker haben viel mit dem zu tun, was Sie als Politiker vertreten: zurück zur heilen Welt. Dr Ätti sitzt auf dem Ofenbänkli, und ds Vreneli strickt fleissig einen Spenzer. Blocher: Wer das sagt, kennt Anker nicht. Anker ist kein Bluemete-Trögli-Maler. Nur Banausen denken so. Dass Anker heute allein aus künstlerischen Gründen weltweit hoch anerkannt ist, daran gibt es nichts mehr zu rütteln. Was die Sujets anbelangt, reiht sich Anker in eine Tradition von grossen Schweizer Künstlern am Ende des letzten Jahrhunderts ein, die alle ähnlich eingestellt waren. Denken Sie an Ferdinand Hodler, der mit Besessenheit unberührte Landschaften gemalt hat, ohne Fabriken, ohne Bauten, ohne Anzeichen der aufkommenden Industrialisierung. Auch ohne Eisenbahnen? Blocher: Ja, ohne Züge. Von Anker gibt es immerhin ein Bild von einem Geometer, der das Land für den Eisenbahnbau vermisst. Oder denken Sie neben Anker und Hodler an Segantini, der als Landschaften ebenfalls die unberührte Bergwelt gemalt hat. Diese Künstler waren alle so etwas wie Kulturkritiker: Sie haben bewusst im Zeitalter der Industrialisierung das Gegebene, das Gewachsene gemalt, das, was ohne Konstruktionen entstanden ist. Die Menschen, die Anker malte, waren doch recht arm. Wer Armut schön darstellt, kann damit auch andeuten, dass er an der Verbesserung der Zustände nicht interessiert ist. Und damit wären wir wieder bei Ihrer Politik. Blocher: Lassen wir diese Unterstellung. Auch dies könnten Sie bei Hodler und Segantini sagen. Anker kam aus einem gut-bürgerlichen Hause, der Vater war Kantonstierarzt in Neuenburg. Segantini und Hodler hatten eine ganz schlimme Jugend in grosser Armut. Segantini hat als Maler in seinen Landschaften auch die Armut dargestellt. Ich glaube nicht, dass er damit die Armut akzeptiert hat. Auch "Der Zinstag" von Anker ist doch eine traurige Szene, die die Abhängigkeit der armen Bauern darstellt. Aber selbst darin hat er das Schöne gesehen. "Die Kinderkrippe" ist ein erschütterndes Bild, aber Anker hat jeden kleinen Kerl mit viel Liebe schön gemalt, denn selbst in dieser Situation ist für jedes Kind Gnade gegeben. Er schreibt in einem seiner Briefe, er wolle bei jedem Menschen das Schöne darstellen. Er wollte das Schöne sehen, und er liebte den Spruch aus dem Buch Hiob: "Siehe, die Welt ist nicht verdammt!" In welchem Alter haben Sie gemerkt, dass Kunst Sie interessiert? Blocher: Das habe ich nie überlegt. Ich hatte schon als Kind immer Freude an Bildern. Noch heute, wo immer ich hinkomme, schaue ich zuerst die Bilder an. Das ist einfach so. Zu Hause hatten wir unter anderen Hodler, Anker und Segantini an der Wand. Natürlich nicht Originale, sondern Drucke. Die Zeitschrift "Beobachter" hat ja jahrelang Schweizer Kunst auf den Titelbildern reproduziert. Die hat mein Vater eingerahmt. Sobald ich etwas Geld hatte, fing ich an, Zeichnungen zu kaufen. Von wem? Blocher: Früher habe ich vor allem Holzschnitte gesammelt, die waren ja auch noch zahlbar. Dann kam ich auf Anker-Zeichnungen, Skizzen. Sehr früh hat mich dann vor allem das Porträt interessiert. Warum? Blocher: Weil in der Einzelfigur die Botschaft von Anker, dass im einzelnen die ganze Welt, der ganze Kosmos gezeigt werden kann, noch besser zum Ausdruck kommt. Die Porträtierung des einzelnen drückt auch die tiefe Liebe zum Menschen aus. Anker hat vor allem ganz junge und ganz alte Leute gemalt. Ich habe Bilder von Greisen, die kurz vor dem Tod stehen, die immer schön sind. Er hat auch Menschen auf dem Totenbett gemalt. Und keine im besten Mannes- oder Frauenalter. Blocher: Wenig. Das hat damit zu tun, dass ihn das werdende Leben und das vergehende Leben am meisten interessiert haben. Mit welcher Figur, die Anker gemalt hat, würden Sie sich persönlich am meisten identifizieren? Blocher: Mit dem Buben, der auf das Plakat kommt. Er hat ja ein Buch in der Hand, hat also alles, worauf man heute soviel Wert legt, Bildung und Studium und so. Aber er schaut misstrauisch über das Buch hinweg in die Welt hinaus. Ich war immer skeptisch gegen alles Dogmatische. Sie sind aber nicht gegen das Bücherlesen? Blocher: Nein, ich lese wahnsinnig viele Bücher, immerzu, vor allem nachts, wenn ich nicht schlafen kann, am liebsten Biographien. Ich lese gerade die Lebensgeschichten von Segantini und Hodler. Ich will herausfinden, in welcher Relation die Lebensgeschichte zum Werk der Künstler steht. Wie würden Sie in einem Kurzporträt die Persönlichkeit Albert Anker umschreiben? Blocher: Er stammte aus bürgerlichem Haus, war gebildet, war ein sehr ernster Mann, hatte einen Bart, stechende Augen, war ein guter Beobachter, er lebte im Sommer in Ins, im Winter in Paris. Er war sicher ein sehr rechtschaffener Mann, hat sich um seine Familie gekümmert und nie über die Schnur gehauen. Er sprach meistens französisch, weil er in Neuenburg aufgewachsen ist. Er hat in Deutschland studiert, war in Italien. Was gibt Ihnen die Kunst von Anker ganz persönlich? Blocher: Sehr viel Kraft. Sie gibt das Wissen, dass man in dieser Welt bestehen kann, die Gewissheit, dass man nicht untergeht, auch wenn es noch so schwierig wird. Das ist besonders heute wichtig, wo so viele behaupten, die Welt werde untergehen, wenn man nicht dieses oder jenes täte. Diesem Grössenwahn stellt Anker das "Siehe, die Welt ist nicht verdammt" gegenüber. Was empfehlen Sie den Besuchern der Anker-Ausstellung? Wie sollen sie die Bilder betrachten? Blocher: Es sollte jeder möglichst unvoreingenommen an die Bilder herangehen. Er soll sich keine Mühe geben, die Bilder schön zu finden. Wenn jemand ein Bild schön findet, umso besser. Ich will überhaupt nicht erzieherisch wirken. Kunst ist kein Buch, das man auswendig lernen muss. Mir gefallen auch die Titel von Anker, er will gar nichts Besonderes erzählen, er nennt sein Bild "Strickendes Mädchen" oder "Kaffee und Kartoffeln". Punkt. Entweder sieht jemand die Schönheit der Kaffeekanne und der Kartoffeln, oder er sieht sie eben nicht und sagt, wegen einer solchen blöden Kaffeekanne bin ich bis nach Studen gefahren. Warum haben die meisten Menschen auf Ankers Bildern eher traurige Augen? Blocher: Es gibt nur ganz wenige Bilder, auf denen Menschen lachen. Meistens sind es Kinder, wenn sie ein Bäbi oder eine Katze bei sich haben oder Schabernack treiben. Aber Leute, die allein sind und etwas tun, lachen nicht. Das entspricht auch der Wirklichkeit. Wir müssen immer "grinsen", vor allem für Fotos, aber eigentlich lachen wir doch nicht vom Morgen bis zum Abend, vor allem nicht, wenn wir allein sind. Kinder, die etwas tun, sind ganz konzentriert bei der Sache, machen ein ernstes Gesicht, wenn sie lismen, malen oder Aufgaben machen. Das ist ein wichtiges Thema bei Anker: Seine Leute sind bei der Sache. Im Gegensatz zu vielen "namhaften" Leuten. Die Manager rennen über Nacht aus der Bude raus, wenn es ihnen nicht mehr passt. In der Politik macht auch jeder etwas Neues: Ich habe ja in Bern gar keine Gegner mehr. Alle sind verreist. Der eine geht in den Walliser Staatsrat, dort ist er auch schon wieder draussen, der Ledergerber verschlauft sich im Zürcher Stadtrat, Jaeger, mit dem ich oft die Klinge gekreuzt habe, geht zurück an die Universität und verkündet dort plötzlich, was er früher bekämpfte. Haben Sie kein Interesse an moderner Kunst? Blocher: Ich will es so sagen: Ich habe es schwer mit nichtgegenständlicher Kunst. Ich schaue auch ein Bild von Max Bill sofort an, es gefällt mir auch in den Farben und Formen, aber ich könnte es nicht zu Hause aufhängen und dauernd anschauen. Wenn ich auf Geschäftsreisen in die Kunsthäuser gehe, interessiert mich alles, aber als Sammler habe ich mich auf die Schweiz des neunzehnten Jahrhunderts konzentriert, mit Anker als Schwergewicht * * * Die Fondation Saner befindet sich in Studen bei Biel, an der Autobahn Bern-Biel, Ausfahrt Studen. Die Ausstellung "Albert Anker - Sammlung Christoph Blocher" ist vom 25. April bis am 29. August 1999 zu folgenden Zeiten geöffnet: Freitag, 17.00 bis 20.00 Uhr, Samstag und Sonntag, 10.00 bis 17.00 Uhr. Gruppen nach Vereinbarung. Parkplätze sind vorhanden. Telefon 032 - 373 13 17, Fax 032 - 373 40 09.

30.03.1999

Wir konnten dies nicht akzeptieren

Algroup-Aktionär Christoph Blocher: "Sergio Marchionne wird jetzt neue Möglichkeiten zur Stärkung der Firma ergreifen." Interview mit der "Berner Zeitung" vom 30. März 1999 Nicht zuletzt an der harten Haltung von Alusuisse-Aktionär Christoph Blocher ist die Fusion mit Viag gescheitert. Im BZ-Interview erklärt der Chef der Ems-Chemie, weshalb er nicht nachgeben wollte. Interview: Andy Bantel Herr Blocher, der Aufsichtsrat der Viag hat gestern die Zustimmung zur Fusion verweigert. Überrascht? Christoph Blocher: Nein. Wir wussten, dass die andere Seite über ein Gutachten verfügen soll, welches besagt, das Verhältnis müsste bei 67,5 respektive 32,5 Prozent liegen. Wir konnten dies jedoch nicht akzeptieren, denn damit wäre das Potential der Alusuisse zu wenig berücksichtigt worden. Für Sie gab es keinen Zweifel an der Richtigkeit des 65-zu-35-Prozent-Verhältnisses? Blocher: Für uns war stets klar: Wenn die deutsche Seite sagt, sie wolle ein anderes Verhältnis, werden wir nicht nachgeben können. Ich möchte aber festhalten, dass wir lediglich an unseren vereinbarten Bedingungen festgehalten haben. Trotzdem: Im Grunde ist es doch normal, dass sich bei der genauen Überprüfung beider Gesellschaften Veränderungen ergeben können. Blocher: Es gibt keine neuen Erkenntnisse, die ein anderes Umtauschverhältnis rechtfertigen würden. Im Gegenteil: Unsere Beurteilung zeigte, dass die Risiken in Deutschland eher grösser sind, als man allgemein annimmt. Ich denke etwa an die Kernengerie-Diskussion. In diesem Geschäft ist die Viag stark engagiert. Ich denke auch an die politische Situation in Deutschland, die relativ unsicher ist. Dennoch haben wir das Verhältnis nie in Frage gestellt. Die Unruhe mitsamt dem Hosenlupf von Herrn Tschopp dürfte dem Deal nicht gerade förderlich gewesen sein. Blocher: Das war kein Hosenlupf: Herr Tschopp ist von sich aus zurückgetreten. Das ist sein Entscheid. Ganz so harmonisch dürfte es nicht gegangen sein: Im Alusuisse- Verwaltungsrat war es offensichtlich zu grossen Meinungsverschiedenheiten gekommen. Blocher: Das ist nicht auszuschliessen. Ich denke auch, Herr Tschopp hat eingesehen, dass er es schwer haben wird, die Angelegenheit in seinem Sinn zu einer Lösung zu bringen. Es ist deshalb verständlich, wenn er sagte: Ich mache es lieber nicht. Herr Tschopp war offensichtlich gegen die Fusion. Blocher: Er war derjenige, der die Fusion ursprünglich beantragt hatte. Aber Herr Tschopp hatte auch schwere Bedenken, denn schliesslich ist ein solcher Zusammenschluss alles andere als ein einfaches Vorhaben. Deshalb kam er dann zum Schluss, er könne das nicht weiter mittragen. Sie haben nie einen Hehl aus Ihrer Unterstützung für Herrn Marchionne gemacht, weil er für Sie der beste Garant für die von Ihnen geforderte aggressive Strategie ist. Blocher: Es ist richtig, dass ich Herrn Marchionne für einen guten Manager halte. Er redet nicht bloss, er macht auch, was er sagt. Er geht konzeptionell absolut richtig an die Sache heran. Daher ist es klar, dass er für uns im neuen Vorstand eine wichtige Person gewesen wäre. Jetzt wird er sich mit seinen Fähigkeiten wieder ganz auf die heutige Alusuisse konzentrieren können und auch neue Möglichkeiten zur Stärkung der Firma ergreifen.

30.03.1999

Wir halten an unseren Bedingungen fest

Interview mit der "Tages Anzeiger" vom 30. März 1999 Algroup-Grossaktionär Christoph Blocher über die Gründe, warum die Fusion mit der deutschen Viag gescheitert ist. Mit Christoph Blocher sprach Martin Spieler Herr Blocher, warum haben Sie und Martin Ebner die Algroup/Viag-Fusion platzen lassen? Blocher: Wir haben diese Fusion nicht platzen lassen. Wir waren davon überzeugt, dass der Zusammenschluss Sinn macht, und es gibt keinen Grund, unsere Abmachungen zu ändern. Anders tönt es in München: Die Viag schiebt die Verantwortung für das Scheitern Ihnen und Herrn Ebner zu. Blocher: Wir halten an den im November zwischen der Viag und der Algroup vereinbarten Bedingungen fest. Viag glaubt, diese unter Berufung auf ein Gutachten ändern zu müssen. Doch dafür gibt es keinen Grund. Das von Ihnen erwähnte Gutachten kommt zum Schluss, dass die Viag mehr Wert hat. Dennoch waren Sie nicht bereit, mehr zu zahlen. Haben Sie zu hoch gepokert? Blocher: Nein. Im Laufe unserer Analyse sind wir sogar zum Schluss gekommen, dass wir das Austauschverhältnis zu unseren Gunsten ändern müssten. Das haben wir aber nicht getan. Wir haben Wort gehalten. Warum sind Sie nicht mehr zu weiteren Verhandlungen mit der Viag bereit? Blocher: Wir sind durchaus zu weiteren Gesprächen bereit. Das haben wir der Viag bereits am Sonntag übermittelt. Doch gibt es keinen Grund, vom Austauschverhältnis abzuweichen. Wenn da keine Einigung möglich ist, muss man eine Absage in Kauf nehmen. Gibt es eine Rückkehr an den Verhandlungstisch? Blocher: Wir sind bereit, nochmals über alles zu sprechen. Aber wir halten an unseren Bedingungen fest. Aus Sicht der Deutschen ist die Fusion geplatzt. Sind Sie überrascht, dass der Zusammenschluss nicht zu Stande kommt? Blocher: Damit musste man immer rechnen. Bei Fusionen und schwierigen Verhandlungen gehört dies dazu. Ging es Ihnen nicht allein ums Geld? Blocher: Es ging darum, eine Strategie für eine effiziente, ertragsreiche Firma zu entwickeln. Natürlich muss auch der Wert stimmen. Seit dem letzten Herbst haben Martin Ebner und Sie unzählige Male betont, warum die Fusion für die Algroup das Beste ist. Jetzt sagen Sie das Gegenteil. Sie verlieren das Gesicht. Blocher: Wenn die Deutschen jetzt plötzlich mehr Geld wollen, sehe ich keinen Grund, warum wir darauf eingehen sollten, zumal zwei unabhängige Gutachten unser Austauschverhältnis als fair bezeichneten. Ich bedaure, dass die Fusion gescheitert ist. Man hätte etwas Gutes daraus machen können. Wie geht es jetzt mit der Algroup weiter? Blocher: Da werden wir eine andere Lösung finden, um die Firma zu stärken. Das Unternehmen ist jetzt wieder frei und handlungsfähig. Werden Sie mit einem anderen Partner über einen Zusammenschluss sprechen? Blocher: Das ist eine Möglichkeit - aber nur eine von mehreren. Jetzt ist alles wieder offen. Die Fusion ist gescheitert: Sprang Algroup-Präsident Theodor Tschopp umsonst über die Klinge? Blocher: Er konnte sich mit unserem Vorhaben nicht mehr identifizieren. Er ist freiwillig ausgeschieden. Aber Sie haben Druck auf ihn ausgeübt. Blocher: Nein, weder ich noch Martin Ebner haben auf Theodor Tschopp Druck ausgeübt. Sein sofortiger Rücktritt war allein seine Entscheidung.

09.12.1998

Mein Beitrag für die HandelsZeitung vom 9. Dezember 1998

Mein Beitrag für die HandelsZeitung vom 9. Dezember 1998 Volkswahl des Bundesrates - ein Gebot der Zeit In unserem Land hängt alle öffentliche Gewalt von der Volkssouveränität ab; diese verlangt in ihrer konsequenten Ausgestaltung die Wahl der Regierung durch die Regierten. Es entspräche dem Gebot einer sauberen Gewaltentrennung, wenn sich das Parlament auf seine ureigenste Aufgabe - die Gesetzgebung - beschränken würde. Auch ist heute das seit 1848 gültige Gleichgewicht zwischen Volksvertretung (Nationalrat) und Kantonsvertretung (Ständerat) nicht gegeben: der Nationalrat wirft bei der Bundesratswahl 200 Stimmen in die Waagschale, der Ständerat nur 46. Die Volkswahl des Bundesrates stand schon 1848 bei der Schaffung des Bundesstaates zur Diskussion, wurde aber mit einer hauchdünnen Mehrheit von 10 zu 9 Stimmen abgelehnt. Wäre damals die Volkswahl des Bundesrates beschlossen worden, könnten wir uns heute wohl schwerlich eine Alternative vorstellen. In allen Kantonen hat sich die Volkswahl der Kantonsregierungen durchgesetzt. Keinem einzigen Kanton gereichte dies zum Nachteil, nirgendwo vernehmen wir Klagen, es würden nur noch mediengewandte Blender, geschliffene Rhetoriker oder Millionäre in den Regierungen sitzen. Weshalb sollte bei der Bundesregierung nicht funktionieren, was bei den Kantonen zur allgemeinen Zufriedenheit längst funktioniert? Die Vorteile der Volkswahl sind offenkundig Bundesräte könnten den Volkswillen nicht mehr missachten und sich nicht mehr im Ausland für Volksentscheide entschuldigen - denn das Volk wäre ihr Wahlgremium. Verkommene, skandalöse Ränkespiele um die Bundesratswahlen wären nicht mehr denkbar. Der Bundesrat hätte ein Mandat des Volkes und wüsste eine Volksmehrheit hinter sich. Dem Bundesrat würde bewusst, wem er in all seinem Handeln verantwortlich ist: allein dem Schweizervolk. Die Wahl des Bundesrates durch das Volk wäre eine echte Regierungsreform, wirksamer als ein Präsidialsystem, wirksamer als ein paar Staatssekretäre und wirksamer als eine schön tönende neue Bundesverfassung.

01.12.1998

«Ich habe etwas Gutes getan»

Interview mit dem "Tages-Anzeiger" vom 1. Dezember 1998 Christoph Blocher sieht nicht ein, was an der Fusion von Algroup und Viag schlecht sein soll. Die Kritiker seien bloss Neider. Interview: Iwan Städler Herr Blocher, Sie wurden am Wochenende wegen der Fusion der Algroup und der Viag stark kritisiert. Was überwiegt nun: die Freude am finanziellen Gewinn oder der politische Ärger? Blocher: Ich habe weder Sonntagszeitungen gelesen noch Radio oder Fernsehen konsumiert. Folglich habe ich nichts gemerkt von diesem "Mais". Nachträglich hörte ich, dass viele Politiker an mir die Schuhe abgeputzt haben. Das ist aber nichts Neues. Ich kenne das nun seit 20 Jahren. Und ich weiss doch, was hier dahinter steht. Was denn? Blocher: Wer Neider hat, hat Brot; wer keine hat, hat Not. Bin ich denn dermassen stark, dass mich alle erledigen wollen? Ihr Parteikollege Ulrich Zimmerli spricht von einem Ausverkauf der Heimat. Blocher: Ich bin erstaunt, dass er das gesagt haben soll. Ein Professor sollte sich erst etwas in die Sache vertiefen, bevor er zu schwatzen beginnt. Zur Sache: Ist es ein Ausverkauf? Blocher: Nein. Es wurde kein Unternehmen verkauft. Die Alusuisse hat in ihrer heutigen Grösse keine Chance. Sie kann nur Firmen kaufen oder mit welchen kooperieren. Schon heute sind ja 80 Prozent der Arbeitskräfte im Ausland tätig. Aber das Unternehmen wurde bisher mehrheitlich von Schweizern geführt. Blocher: Ja. Geschäftsentscheide werden jedoch nicht nach nationalen Gesichtspunkten getroffen. Glauben Sie, dass bei internationalen Unternehmen einer in der Schweiz investiert, nur weil er Schweizer ist? Im Übrigen ist der Chef von Alusuisse ein Italokanadier. Hat der Unternehmer Blocher keine nationalen Gefühle? Blocher: Mir liegt die schweizerische Mentalität am nächsten. Ich hätte Angst, wenn eine amerikanische Firma gekommen wäre. Denn die Amerikaner denken ganz anders. Aber die Bayern kenne ich gut. Mit ihnen arbeite ich gerne zusammen. Im Übrigen bin ich ja erstaunt über die kritisierenden Chauvinisten, die jetzt plötzlich aus dem Busch kommen. Viele Kritiker sehen eine Diskrepanz zwischen Ihrem wirtschaftlichen und Ihrem politischen Engagement. Blocher: Die Alusuisse wird durch diese Fusion gestärkt; die Schweiz hingegen würde bei einem EU-Beitritt geschwächt. Das ist der Unterschied. Eine Woche vor Bekanntgabe der Fusion haben Sie in der "Tagesschau" des Schweizer Fernsehens den Unwissenden gespielt. Nun wirft Ihnen CVP-Präsident Adalbert Durrer vor, Sie hätten das Volk an der Nase herumgeführt. Blocher: Auch ein Politiker wie Herr Durrer sollte sich die Sache genau anschauen. Die "Tagesschau" fragte mich nach einer Übernahme der Alusuisse durch die Viag. Davon habe ich wirklich nichts gewusst. Es war ja auch nie eine solche geplant. Wäre ich nach einer Fusion gefragt worden, hätte ich keinen Kommentar abgegeben. Trifft Sie die Kritik? Blocher: Das sind doch Peanuts. Ich weiss, was ich getan habe. Nämlich etwas Gutes. Und ich werde mich dafür einsetzen, dass die Alusuisse gestärkt wird. Garantieren kann ich nichts. Aber bis jetzt sind mir die risikoreichen Sachen stets gelungen. Gerüchteweise hört man, es sei Ihnen gesundheitlich schon besser gegangen. Blocher: Jetzt kommen Sie auch noch mit dem. Ich soll ja offenbar Leberkrebs haben. Diese Freude kann ich meinen Gegnern aber nicht machen. Gerne verkünde ich hiermit: Ich bin sehr gut "zwäg".