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Federal Councillorship

18.09.2007

Auf dem Gipfel statt am Berg (eine Anleitung für KMU)

Lausanne. Referat von Bundesrat Christoph Blocher am Comptoir Suisse vom 18. September 2007. 18.09.2007, Lausanne Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Sehr geehrte Damen und Herren Zunächst möchte ich mich für die Einladung bedanken und Ihnen die allerbesten Glückwünsche der Landesregierung überbringen. Das Thema der diesjährigen Ausstellung heisst passend zum Gastkanton Wallis: „Der Berg, welchen man besteigt oder betrachtet“ (La Montagne, que l’on gravit ou contemple). Wer in der Freizeit in die Berge geht, mag vor dieser Frage stehen und er wird sich je nach Gemütslage und physischer Kondition für eine Besteigung oder eben für eine bequemere Betrachtung entscheiden. Wer unternehmerisch tätig ist, dem stellt sich eine andere Frage. Um im Bild zu bleiben: Wollen Sie auf den Gipfel – oder wollen Sie am Berg stehen bleiben? Wollen Sie hinauf, zum Erfolg? Wollen Sie „top“ sein, „to the top“ – wie die Engländer sagen – auf die Spitze, auf den Gipfel gelangen? Oder bleiben Sie unten, weil Sie die Anstrengung scheuen, das Risiko und die Arbeit? Selbstverständlich möchten alle wirklichen Unternehmer auf den Gipfel gelangen. Sie müssen es. Es ist ihr Auftrag, denn es geht um den Erfolg ihrer Arbeit. Erfolg ist der Lohn dieser Anstrengung. Erfolg heisst Gewinn erzielen, heisst investieren können, Arbeitsplätze schaffen, weiter arbeiten. Höher hinauf als die Konkurrenz! Besser sein, anders sein Gewiss, manchmal würde man lieber auf einem Liegestuhl sitzen und die Berge aus Distanz betrachten. Das ist die eine Verführung. Wer mag sich schon freiwillig abquälen und sich die Gipfel hinaufschleppen? Es ist darum nur eine kleine Zahl von Unternehmern in der Bevölkerung. Sie sind sozusagen die Gipfelstürmer. Wir brauchen nicht ein Volk von Gipfelstürmern. Aber es braucht eine möglichst grosse Zahl von Gipfelstürmern, damit eine Volkswirtschaft prosperiert, damit ein Land vorankommt – und ein Unternehmer, der Erfolg haben will, muss die Mentalität eines Gipfelstürmers aufweisen. Oft wird mir gejammert, dass Ausländer schweizerische Unternehmen erwerben! Meine Antwort: Wo sind die Schweizer? Vielleicht betrachten sie lieber die Gipfel, statt diese zu besteigen. Weil es Ihnen zu mühsam ist. Ein Unternehmer kann nie ausruhen auf dem Gipfel. Kaum ist er dort und ruht aus, wird er von einem anderen Konkurrenten überholt. Und schon ist er wieder am Berg, um den Konkurrenten zu überholen! Aber welchen Gipfel? Immer einen höheren, einen anderen Gipfel als seine Konkurrenten. Wenn die Konkurrenz einen Gipfel von 800 Metern besteigt, müssen Sie halt auf 1'000 Meter hinauf. Wenn die Konkurrenz auf dreitausend Meter oben ist, müssen Sie diese dreitausend Meter übertreffen. Aber – und das ist das Tröstliche – Sie müssen nicht aufs Matterhorn eilen, wenn der Chasseral reicht. Um es kurz zu sagen: Sie müssen nur besser, anders sein als ihre Konkurrenten. Oder besser gesagt: Weniger schlecht! Ein wenig besser, ein wenig höher, das reicht. Aber wenn Sie auf dem Gipfel sind, können Sie sich schon ausruhen und den Gipfelwein geniessen und die schöne Aussicht bewundern und sich über die kleineren Gipfel rundherum erhaben fühlen. Aber nur nicht zu lange. Denn die Konkurrenz ruht nicht. Sie ruht nie. Darum: Ein Unternehmer ist nie am Ende eines Auftrages, sondern immer am Anfang! Nichts ist gefährlicher als der Erfolg. Nichts ist für ein Unternehmen bedrohlicher als gute Zeiten. Das gilt auch für die Politik. Für die Regierung und das Parlament. Auch wenn man dort mit allen Mitteln versucht, die Konkurrenz auszuschalten! Vorsicht in der Hochkonjunktur Wenn wir die heutige volkswirtschaftliche Situation betrachten, dann stellen wir eine absolute Hochkonjunktur fest. Hochkonjunktur ist Gift für die Politik. Nirgendwo wird leichtfertiger Geld ausgegeben, als dort, wo man nicht das eigene Geld ausgibt. Und das ist in der Politik systembedingt der Fall. Jetzt sprudeln die Steuern und mit ihnen wachsen die Begehrlichkeiten. Es werden Milliarden neuer Ausgaben geschaffen, die überhaupt nicht finanzierbar sind. Viele Politiker betreiben reine Wunschzettel-Politik. Das ist fatal. Wir haben Milliarden Schulden und wir haben Milliardenlöcher in den Sozialwerken. Hochkonjunktur ist allerdings auch Gift für viele Unternehmen. Ein Merkmal der Hoch-konjunktur besteht ja darin, dass praktisch jeder Erfolg hat. Auch der Unfähige. Denn die Fehler wirken sich nicht aus. Geld ist da und wird verdient. Wenn wir auf das Bild zurückkommen. In Zeiten der Hochkonjunktur kommt jeder auf einen Gipfel, nicht wenige mit der Bergbahn. Das ist verführerisch. Denn die Unfähigen glauben, der Erfolg sei ihrer Arbeit zu verdanken. Aber eigentlich müsste man sagen: Gewisse Unternehmen haben trotz ihrer Führung Erfolg – dank der guten Wirtschaftslage. Dabei ist eines sicher: Genau heute, in diesen Monaten werden jene Fehler begangen, die sich dann in der Rezession verheerend auswirken. Die Unternehmen werden übermütig. Sie weiten die Produktion aus, wo keine nachhaltige Nachfrage besteht. Sie haben zu viel Geld. Also kaufen Sie zusammen, was sie können. Sie tun das Falsche, weil sie sich die Fehler (vorläufig) leisten können. Es ist viel schwieriger, ein Unternehmen in guten Zeiten zu führen als in schlechten. Dazu wünsche ich Ihnen die nötige Kraft und Selbstkritik. Nehmen Sie den nächsten Gipfel ins Visier. Verstehen Sie jede bewältigte Aufgabe als den Beginn einer neuen Aufgabe. Dann kommt es gut.

15.09.2007

Kriminalität, Sicherheit, Ausländer – eine Standortbestimmung

Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der Waldstättertagung in Sempach 15.09.2007, Sempach Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Meine Damen und Herren 1. Alles nur Hirngespinste? Sind Jugendgewalt und Ausländerkriminalität nur Hirngespinste? Sind die laufenden Debatten allein ein aufgebauschtes Produkt der Medien und Parteien? Hat die Gewalt unter Jugendlichen etwa gar nicht zugenommen, sondern bloss die „Sensibilisierung“, man sei halt heute mehr auf dieses Problem fokussiert und deshalb eher bereit, Anzeige zu erstatten? Werden die Jugendlichen, wie andere wortreich bedauern, in die kriminelle Ecke gedrückt? Dazu vorneweg ein paar Bemerkungen. Die Kriminalität von Ausländern (und ich spreche hier von schweren Vergehen, Gewalt- und Drogendelikten) ist statistisch so augenfällig, dass es selbst notorischen Verharmlosern schwer fällt, das Ausmass zu leugnen. Zur Jugendgewalt: Ist die Zunahme von Jugendgewalttaten nur gefühlt und nicht belegt? Wir müssen diese Vermutung mit einem klaren Nein beantworten. Seit Ende der 80er Jahren haben sich die Gewalttaten (je nach Bereich) verdoppelt oder verdreifacht. Als Opfer sind viel häufiger Jugendliche betroffen. (Prof. Martin Killias, Tages-Anzeiger vom 7.8.2007). Auf der Täterseite ergibt sich ein ähnliches Bild: Die Zahl jugendlicher Straftäter ist markant gestiegen – und zwar trotz rückläufiger Anzeigenrate! 2. Statistiken Wir kommen zu folgenden Ergebnissen: Die Jugendgewalt und vor allem das Ausmass der Gewalt hat in den letzten Jahren massiv zugenommen. Jugendliche Ausländer, namentlich aus dem Balkan, gehören überdurchschnittlich oft zu den Tätern. Vier Pressemitteilungen aus den vier grössten Deutschschweizer Städten verdeutlichen das Problem: Bern, 30.1.2007 Die jüngste Kriminalstatistik zeigt: Jugendliche schlagen immer häufiger zu. «Es ist zu einer beliebten Freizeitbeschäftigung geworden, dass Jugendliche aus Fun und Langeweile zuschlagen und Leute ausnehmen», so Kripo-Chef Florian Walser. «Täter sind immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene, sehr oft mit Migrationshintergrund.» Winterthur, 1.2.2007 «Die Delinquenz von jugendlichen Ausländern in Winterthur hat sich erhöht.» (Polizeisprecher Peter Gull) Basel, 8.2.2007 Der Ausländeranteil bei den erwachsenen Tätern betrug im letzten Jahr rund 55 (2005: 57) Prozent. Bei den Jungen habe man zudem «keine Ausländer-Kriminalität, sondern eine Balkan-Kriminalität». Zürich, 8.2.2007 «Sorgenkind Nummer eins ist und bleibt die Jugendkriminalität», so der Zürcher Kripo-Chef Bernhard Herren. Namentlich Jugendliche aus den Balkanländern träten überproportional in Erscheinung. Bei den Delikten gegen Leib und Leben machen sie 52,6 Prozent von allen ausländischen tatverdächtigen Jugendlichen aus. Politiker, Beamte, Experten werfen oft mit Prozentzahlen und Statistiken um sich. Aber hinter all diesen Zahlen stecken Menschen und Schicksale. Es kennt jeder in seinem persönlichen Umfeld Opfer von Gewalt und Übergriffen. Für die Opfer und ihr Umfeld sind Statistiken verbunden mit viel Leid und teilweise furchtbaren Erlebnissen, die ein ganzes Leben zerstören können. Denken wir an die Vergewaltigungsfälle der letzten Monate. 3. Schicksale In der Stadt Zürich vergewaltigt eine Bande von Jugendlichen ein dreizehnjähriges Mädchen. Alle zwölf Verdächtige haben polizeiliche Vorakten, unter anderem wegen Raubdelikten. Die Medien und Behörden versuchen die Herkunft der Täter zu vertuschen. Erst Tage später schreibt der Tages-Anzeiger: „Unter den zwölf Verhafteten sind sechs Schweizer. Es soll sich um eingebürgerte Jugendliche aus dem Balkan und der Türkei handeln; die restlichen stammen ebenfalls aus dem Balkan sowie je einer aus Italien und der Dominikanischen Republik.“ (Tages-Anzeiger, 18.11.2006) Im November 2006 wird eine Massenvergewaltigung in Steffisburg (BE) bekannt. Die Beschuldigten: Zwei albanische Brüder (15 und 16 Jahre alt), ein Pakistani (15), ein Schweizer tamilischer Herkunft (16), ein Brasilianer (18) und zwei weitere 18jährige Ausländer. (Blick, 15.11.2006) Was haben diese Meldungen gemeinsam? * Das Ausmass der Jugendgewalt und die Brutalität haben erschreckend         zugenommen. * Viele der jugendlichen Täter sind Ausländer, namentlich aus dem Balkan. * Nach wie vor versuchen gewisse Medien und politische Kreise das Thema Gewalt von jungen Ausländern zu leugnen, zu vertuschen oder zu verharmlosen. 4. Verbrechen und Strafe Ich halte das Verleugnen der Ausländerkriminalität für eine gefährlich-feige Haltung. Wer ein Problem lösen will, muss das Problem beim Namen nennen können. Als zuständiger Justizminister halte ich es für wichtiger, die Bürger vor Kriminellen zu schützen – als Kriminelle mit allen möglichen und unmöglichen Therapieformen zu beglücken. Als zuständiger Justizminister, der auch für die Migration (Zuwanderung) verantwortlich ist, bin ich der Meinung, dass eine Ausschaffung von kriminellen Ausländern nicht nur möglich sein muss, sondern auch verpflichtend sein sollte. Wer Straftaten begeht, muss die Konsequenzen spüren. Und zwar unmittelbar auf die Tat. Wenn Monate oder sogar Jahre vergehen, bis jemand für seine Straftaten büssen muss, verfehlt die Strafe ihre beabsichtigte Wirkung. Wir haben festgestellt, dass sich viele jugendliche Opfer von Gewalt, Bedrohung und Nötigung aus Angst nicht melden. Sie getrauen sich weder mit den Eltern, der Schule noch mit der Polizei zu sprechen. Das ist eine verheerende Entwicklung. Wenn wir solche Entwicklungen zulassen, dann ernten wir die Saat. Es braucht eine verbesserte Zusammenarbeit der Jugendämter, der Einbürgerungsbehörden, der Polizei, des Strafvollzugs, der Schule, der Fürsorge. Es kann nicht sein, dass die eine Stelle ein Einbürgerungsverfahren behandelt und eine andere Stelle die gleiche Person wegen einer Gesetzesübertretung vorlädt – aber beide Stellen wissen nichts voneinander. Eine gegenseitige Information und ein Austausch von Daten ist unerlässlich! 5. Was ist zu tun? Wo haben wir also anzusetzen? Ein Missstand ist, dass die Strafverfolgung nicht immer effizient funktioniert. Es scheint nicht in erster Linie ein Problem der Gesetze zu sein, sondern des Vollzugs. Die Verfahren dauern zu lange, die angeordneten Sanktionen greifen oft zu kurz und verfehlen deshalb ihre Wirkung, die Koordination staatlicher Tätigkeiten ist mangelhaft. Die Folgen sind gravierend: Polizisten und andere Vollzugsleute sind frustriert, weil sie sehen, dass nichts passiert. Das lähmt die Arbeit. Resignation ist weit verbreitet. Auch bei Lehrern. Die ersten Ergebnisse bringen uns zu folgenden Schlüssen: 1. Die Eltern sind durch geeignete Massnahmen zu unterstützen und in die Verantwortung zu nehmen. Zu prüfen ist aber auch eine verstärkte Verpflichtung der Eltern zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung in der Erziehung. Denkbar wäre z.B. eine Verschärfung der zivilrechtlichen Haftung der Eltern bei Vernachlässigung elementarer Erziehungspflichten. 2. Die Zusammenarbeit zwischen den Behörden muss verbessert werden: Das gilt zunächst einmal für Migrations-, Einbürgerungs- und Polizeibehörden. Es darf nicht sein, dass diese Amtsstellen unabhängig voneinander vorgehen und die eine Behörde nicht weiss, was die andere tut. Hier ist vermehrte Koordination unabdingbar. Zentral erscheint aber die Zusammenarbeit zwischen den Schulen und der Polizei: Hier ist zu prüfen, ob für die Lehrkräfte bei Delikten einer bestimmten Schwere eine Anzeigepflicht geschaffen werden soll. Wenn auf Pausenplätzen gravierende Straftaten begangen werden, muss die Polizei darüber informiert werden. Diese Massnahmen haben aber nur dann Erfolg, wenn die Lehrerinnen und Lehrer in ihrer pädagogischen und erzieherischen Funktion gezielt geschult und unterstützt werden sowie im Zusammenspiel mit präventiven und intervenierenden und repressiven Massnahmen im Rahmen der Schulsozialarbeit umgesetzt werden. 3. Die Präventionsarbeit muss intensiviert werden, vorab an der Schule. Gewalt ist nicht nur als Thema in den Unterricht einzubauen, denkbar scheint insbesondere auch der Beizug erfahrener Polizeibeamter nach dem Vorbild des sog. Verkehrsunterrichts. Viele Präventionsmassnahmen erfordern ferner die aktive Beteiligung der Familien. Aus diesem Grund müssen Bemühungen vermehrt darauf ausgerichtet werden, auch fremdsprachige und wenig gebildete Familien ausländischer Herkunft für Präventionsmassnahmen zu erreichen. 4. Die Integration ausländischer Jugendlicher muss stärker forciert werden. Namentlich Sprachkenntnisse müssen so früh als möglich vermittelt werden. Wo die Integration aber konsequent verweigert wird, müssen effiziente ausländerrechtliche Massnahmen zur Verfügung stehen. Das muss bis zur Ausweisung führen können. 5. Die Strafverfahren sollen nach Möglichkeit verkürzt werden: Jugendliche müssen für begangenes Unrecht so rasch als möglich sanktioniert werden. Erfahrungen in der Jugendarbeit belegen, dass grosse zeitliche Distanzen zwischen Straftat und Sanktionsmassnahmen zusätzlich zu problematischem Verhalten führen. Dabei geht es nicht darum, um jeden Preis eine hohe Strafe zu fordern. Es müssen "massgeschneiderte", dem Täter angepasste Sanktionen verhängt werden. 6. Das neue Jugendstrafgesetz ist jetzt seit dem 1.1.2007 in Kraft. Es sieht eine breite Palette von Sanktionsmöglichkeiten vor, es können nun auch härtere Strafen verhängt werden (Freiheitsentzug bis zu vier Jahren: Art. 25 JStG; statt wie bisher Einschliessung bis zu einem Jahr: Art. 95 StGB alte Fassung). Die weiteren Entwicklungen in diesem Bereich sind genau zu beobachten. Sollte sich das neue Gesetz als unzureichend erweisen, sind möglichst rasch entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Wir wollen, dass Kriminelle und Integrationsverweigerer die Konsequenzen ihres Handelns spüren. Wir wollen, dass auch jugendliche Problemausländer hart angefasst werden, zum Schutz all jener Immigranten in unserem Land, die sich bemühen, die arbeiten, die die Leistung erbringen, sich an die Gesetze halten und sich mit der Schweiz identifizieren. Wir wollen, dass die Jugendkriminalität als gesellschaftliche Fehlentwicklung angegangen wird. Da sind wir alle gefordert: Schweizer und Ausländer. Eltern und Schulen. Behörden und Private.

14.09.2007

Was hat Jugendgewalt und Jugendarbeitslosigkeit mit Erziehung zu tun?

St. Gallen. Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der SVP-Informationsveranstaltung vom 14. September 2007 14.09.2007, St. Gallen Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Meine Damen und Herren Sie haben Ihrer Veranstaltung eine Frage vorangestellt: „Was haben Jugendgewalt und Jugendarbeitslosigkeit mit Erziehung zu tun?“ Sie wären wohl kaum auf dieses Thema gekommen, wenn Sie nicht einen Zusammenhang zwischen falsch gelaufener Erziehung und den genannten Problemen vermuteten. 1. Hirngespinste Ist die Jugendgewalt und Jugendkriminalität nur Hirngespinste? Sind die laufenden Debatten allein ein aufgebauschtes Produkt der Medien und Parteien? Wird gar, wie Experten aus dem Umfeld der Jugendarbeit behaupten, mit falschen Zahlen operiert? Hat die Gewalt unter Jugendlichen etwa gar nicht zugenommen, sondern bloss die „Sensibilisierung“, man sei halt heute mehr auf dieses Problem fokussiert und deshalb eher bereit, Anzeige zu erstatten? Werden die Jugendlichen, wie andere wortreich bedauern, in die kriminelle Ecke gedrückt? Ist die Zunahme von Jugendgewalttaten nur gefühlt und nicht belegt? Wir müssen diese Vermutung mit einem klaren Nein beantworten. Seit Ende der 80er Jahre haben sich die Gewalttaten (je nach Bereich) verdoppelt oder verdreifacht. Als Opfer sind viel häufiger Jugendliche betroffen. (Prof. Martin Killias, Tages-Anzeiger vom 7.8.2007). Auf der Täterseite ergibt sich ein ähnliches Bild: Die Zahl jugendlicher Straftäter ist markant gestiegen – und zwar trotz rückläufiger Anzeigenrate! 2. Statistiken Wir kommen zu folgenden Ergebnissen: Die Jugendgewalt und vor allem das Ausmass der Gewalt hat in den letzten Jahren massiv zugenommen. Jugendliche Ausländer, namentlich aus dem Balkan, gehören überdurchschnittlich oft zu den Tätern. «Sorgenkind Nummer eins ist und bleibt die Jugendkriminalität», so der Zürcher Kripo-Chef Bernhard Herren. Namentlich Jugendliche aus den Balkanländern träten über-proportional in Erscheinung. Bei den Delikten gegen Leib und Leben machen sie 52,6 Prozent von allen ausländischen tatverdächtigen Jugendlichen aus. Aber hinter all diesen Zahlen stecken Menschen und Schicksale. Für die Opfer und ihr Umfeld heisst dies viel Leid und unter Umständen furchtbare Erlebnisse, die ein ganzes Leben zerstören können. 3. Und die Erziehung? Gerade bei der sich ausbreitenden Jugendgewalt gibt es eine auffallend häufige Gemeinsamkeit: Die mangelnde elterliche Erziehung. Eine Mehrheit der Ursachen für Jugendgewalt ist in diesem Bereich zu finden: * Misshandlung und Vernachlässigung in der Erziehung * Mangelnde elterliche Aufsicht * Massive Streitigkeiten zwischen den Eltern * Inkonsequenter Erziehungsstil Dazu kommen schulische Probleme, die besonders bei Fremdsprachigen auftauchen. Nicht zu unterschätzen ist auch die Zugehörigkeit zu einer Gewalt befürwortenden bzw. ausübenden Clique. Die Eltern können sich also nicht aus der Verantwortung stehlen. Und auch wenn jetzt häufig von staatlicher Betreuung, Ganztagesschulen, familienexterner Erziehung die Rede ist: Die Erziehung ist und bleibt Sache der Eltern: Selbst bei maximalem Betreuungsangebot durch den Staat, sind die Kinder den grössten Teil Ihrer Zeit nicht in der Schule und nicht unter Aufsicht von Kinderkrippen und Kinderhorten. Der grösste Teil des 24-Stunden-Tages, Samstag, Sonntag, in den Ferien sind sie in der Obhut der Eltern. Darum verbleibt die Verantwortung bei den Eltern! 4. Schule ohne Disziplin? * Ich höre viele Klagen von Lehrpersonen über die Schwierigkeiten, im      Unterricht bestehen zu können. * Lehrmeister kritisieren, dass es Schulabgängern an minimalen Kenntnissen    und Fähigkeiten mangelt. * Grössere Firmen machen eigene Aufnahmetests, weil sie den Zeugnissen    nicht mehr trauen. * Eltern sind besorgt, weil ihren Kindern wegen der schlechten Schulausbildung die beruflichen Möglichkeiten fehlen. Diese Verhältnisse sind Früchte einer verfehlten Schul- und Erziehungspolitik. Vor allem in den 70er Jahren setzten sich die Linken zunehmend mit ihren antiautoritären Rezepten durch. Die Lehrkörper liessen sich von solchen Versprechungen verleiten und bis heute prägt diese Reformpädagogik die Schulen und die Elternhäuser: Ein paar Stichworte dieser gescheiterten Reformpädagogik: * Abschaffung der Noten * Leistungsfeindlichkeit * Antiautoritäre Erziehung * Disziplinlosigkeit * Schule nach dem Lustprinzip * Züchtung und Gewährung einer Anspruchsmentalität * Jedes Fehlverhalten wird mit psychologischen Erklärungen entschuldigt. * Wenn ein Kind nicht stillsitzen und sich konzentrieren kann – wird es zum hochbegabten Sprössling erklärt, das sich angeblich so furchtbar langweilt in der Schule und gar nicht anders kann als stören. Wir müssen uns von dieser gescheiterten Pädagogik radikal lösen. Die linke Pädagogik hat versagt. Wir sind aufgefordert, die Trümmer nun zu beseitigen. 5. Die 68er-Pädagogik entsorgen Die antiautoritäre Erziehung glaubte, den Kindern jede Schwierigkeit aus dem Weg räumen zu müssen. Erziehung heisst aber, die Kinder auf das Erwachsenenleben vorzubereiten. Alles andere ist zum Nachteil des Kindes. Im Erwachsenenalter werden die Kinder auf Schwierigkeiten stossen, die sie überwinden müssen. Wer dies bestreitet, betrügt die Kinder. Aufgabe der Eltern ist es deshalb, das Kind zu lehren, Schwierigkeiten zu überwinden, ohne dass es daran verzweifelt. Die Kinder sollen ihrem Alter und ihren Fähigkeiten gemäss lernen, die Probleme selbständig zu lösen, ohne über- oder unterfordert zu werden. Dazu benötigen die Kinder klare Werte. Die Eltern haben ihnen diese Werte mitzugeben. Dazu benötigen Kinder Führung. Diese Führung leisten Eltern durch ihr Vorbild. Wenn man Kindern klare Regeln setzt, akzeptieren sie auch die Sanktionen, wenn sie diese Regeln verletzen. Es braucht eine Hinwendung zum Bewährten: * Erziehung geht nicht ohne Konsequenz. * Es gibt kein Vorwärtskommen ohne Anstrengung. * Eine Schule, die nicht auf Leistung und Disziplin setzt, versagt in ihrem elementaren Auftrag. Erziehung heisst: Vorbild - Konsequenz - Zuneigung. Diese drei Säulen bilden das Fundament einer Erziehung, die ein Kind liebevoll, aber mit der nötigen Strenge anleitet. 6. Verbrechen und Strafe Der Staat hat nun allerdings mit Folgen einer falschen Erziehungspolitik zu tun, die er auch strafrechtlich lösen muss. Die Strafe ist auch Teil der Erziehung. Oft wird beschönigend festgestellt, dass ja nur eine relativ kleine Anzahl Jugendlicher für viele Delikte verantwortlich ist. Das stimmt zwar. Aber in der Kriminalität ist die Prozentrechnung ein untaugliches Mittel. Wenn in Zürich an der Streetparade 4 Messerstecher auf Passanten losgehen, sind das zwar wenig % der Besucher, aber der Zustand ist besorgnisserregend. Diese Intensivtäter müssen besonders beobachtet und mit geeigneten Massnahmen aus dem Verkehr gezogen werden. Als zuständiger Justizminister halte ich es für wichtiger, die Bürger vor Kriminellen zu schützen – als Kriminelle mit allen möglichen und unmöglichen Therapieformen zu beglücken. Als zuständiger Justizminister, der auch für die Migration (Zuwanderung) verantwortlich ist, bin ich der Meinung, dass eine Ausschaffung von kriminellen Ausländern nicht nur möglich sein muss, sondern auch verpflichtend sein sollte. Wer Straftaten begeht, muss die Konsequenzen spüren. Und zwar unmittelbar auf die Tat. Wenn Monate oder sogar Jahre vergehen, bis jemand für seine Straftaten büssen muss, verfehlt die Strafe ihre beabsichtigte Wirkung. Wir haben festgestellt, dass sich viele jugendliche Opfer von Gewalt, Bedrohung und Nötigung aus Angst nicht melden. Sie getrauen sich weder mit den Eltern, der Schule noch mit der Polizei zu sprechen. Das ist eine verheerende Entwicklung. Wir wollen, dass Kriminelle und Integrationsverweigerer die Konsequenzen ihres Handelns spüren. Wir wollen, dass auch jugendliche Problemausländer hart angefasst werden, zum Schutz all jener Immigranten, die sich bemühen in unserem Land, die arbeiten, Leistung erbringen, sich an die Gesetze halten und sich mit der Schweiz identifizieren. Wir wollen, dass die Jugendkriminalität als gesellschaftliche Fehlentwicklung angegangen wird. Wir wollen gemeinsam an der konservativen Wende arbeiten: Wir setzen auf Disziplin, Leistungsbereitschaft, Konsequenz, Fleiss, Hartnäckigkeit.

13.09.2007

Führen durch Vorbild – in Wirtschaft, Politik, Armee und Erziehung

Referat von Bundesrat Christoph Blocher bei der Staatsbürgerlichen Gesellschaft Bern und Umgebung, 13. September 2007, Ittigen BE 13.09.2007, Ittigen Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Meine Damen und Herren 1. Karriere Die Karriere war für mich nie massgebend in meinen Entscheidungen. Aber umso mehr das Motiv, einen messbaren Erfolg zu erzielen: Ein Unternehmen retten, Gewinn zu erwirtschaften, neue Produkte zu entwickeln, etc. Den Vorsatz, sich politisch zu engagieren, um ein bestimmtes Amt zu erlangen, also Karriere zu machen, halte ich für falsch. Den Vorsatz, im Militär eine Offizierslaufbahn einzuschlagen, um sich vielleicht berufliche Vorteile zu verschaffen, halte ich ebenso für falsch. Auch der Vorsatz, Unternehmer zu werden, um reich zu sein, ist verfehlt. Viele Unternehmer werden und sind nicht reich. Der Unternehmer ist einer, der etwas Bestimmtes unternimmt. Wenn er es gut macht, wird er in der Wirtschaft meistens reich. Ich hatte trotz aller Mühsal immer Freude daran, ein Unternehmen erfolgreich zu führen. Mein Ziel war jedoch nicht, reich zu werden. Aber in der Folge wurde ich reich. Deshalb halte ich auch von diesen einfältigen Karriereplanungs-Seminaren nichts. Wer mit dem Vorsatz antritt Karriere zu machen um reich und angesehen zu werden, der wird in der Aufgabe selbst meist scheitern. 2. Erfolg Erfolg stellt sich dann ein, wenn man eine Sache richtig macht. Wie man eine Sache richtig macht, ist eine Frage der richtigen Führung. Gute Führung ist in erster Linie eine Folge der richtigen Lebenseinstellung! Ich spreche hier nur über meine Erfahrungen: Ich dachte in meinem Leben nie daran, Unternehmer und schon gar nicht Bundesrat zu werden. Aber ich habe Zeit meines Lebens immer an meinen Grundsätzen festgehalten und angepackt, was mir im Augenblick nötig schien. Ich wurde auf exotischem Weg Unternehmer, obwohl ich diesen Weg nie geplant habe. In wirtschaftlich sehr schlechte Zeiten, Textil- und Erdölkrise, wollte EMS praktisch niemand mehr besitzen. EMS stand wirtschaftlich vor dem Abgrund. Niemand hatte die Firma kaufen wollen, weil niemand mehr an einen Erfolg glaubte. Nur deshalb und mit hohen persönlichen Schulden konnte – oder vielmehr musste ich sie übernehmen. Aber ich glaubte an die Firma und war überzeugt, dass bei guter Führung ein Erfolg möglich sei! Die Übernahme gab mir die Führungskraft, denn ich war zum Erfolg verdammt! Der Auftrag war gewaltig. 3. Auftrag Ich lernte die Bedeutung des Auftrages kennen: Nach dem Auftrag in einer ganz bestimmten Sache an einem ganz bestimmten Ort zu einer ganz bestimmten Zeit etwas ganz Bestimmtes zu tun, um etwas ganz Bestimmtes zu erreichen. Zweck der Führung ist, den Auftrag zu erfüllen. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist die innere Grundhaltung, welche anerkennt, dass ein Vorgesetzter immer auch Untergebener ist. Denn jeder Vorgesetzte hat sowohl einen Auftrag zu erfüllen als auch Aufträge zu erteilen. Ein Auftraggeber ist also stets auch Auftragsempfänger und damit Untergebener. Unter diesen Voraussetzungen wird man fähig, ein Problem zu erkennen und zu analysieren. Man gewinnt die Kraft zu entscheiden und den Mut, seine Untergebenen auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören und mit diesen das Ziel zu erreichen. Darauf basieren die Führungsgrundsätze, und darin gründet schliesslich eine wirkungsvolle Führungstechnik. Je mehr Führungserfahrung ich habe, desto bedeutsamer scheint mir die Orientierung am eigenen Auftrag! 4. Vorbild Am einfachsten führt man durch das Vorbild. In der Erziehung sind es die Kinder, im Betrieb die Untergebenen, im Leben die Freunde und im Staat viele Beobachter, die erkennen, ob man selber macht, was man verkündet – und das wirkt ansteckend. Führen durch Vorbild heisst nicht, dass einen jemand äusserlich nachahmt. Führen durch Vorbild bedeutet viel mehr: Es umfasst zunächst viel Kleines, Alltägliches, Praktisches. Aber es zeigt sich auch in der Einstellung, der inneren Haltung, der Ernsthaftigkeit, z. B. eben der Treue zur Sache. Führen durch Vorbild geschieht meist unbewusst. Darum braucht man für diese Führungsmethode keine Zeit. Ich habe unsere Kinder oftmals auf Geschäftsreisen – bis nach China – und in unsere Fabriken mitgenommen. Ich tat es, weil ich in den Anfangsjahren keine Zeit für Ferien hatte. Erst heute, nachdem die Kinder selbstständige Unternehmer sind, merke ich, wie viel sie dadurch gelernt haben. Das betrifft nicht nur konkrete Vorgehensweisen, sondern auch die Einstellung, z. B. gegenüber der Arbeit, gegenüber den Arbeitern, gegenüber dem Unternehmertum und vieles mehr. Beigebracht habe ich es den Kindern nicht. Aber sie haben es mitbekommen. Ein kleines Beispiel aus der Politik. Es gab Zeiten, da wurden die Bundesfeiern abgewertet. Anfangs der neunziger Jahre, als einmal kein einziger Bundesrat an einer 1. August-Feier sprach, fand ich dies nicht in Ordnung. So stellte ich mich demonstrativ für 1. August-Feiern zur Verfügung. Ich erinnere mich, dass ich anlässlich des Nationalfeiertags einer der Wenigen war, der im Land herumreiste und auftrat. Heute reissen sich sozialdemokratische Politiker darum, auf dem Rütli am Nationalfeiertag eine Rede zu halten. (Es ist allerdings interessant zu sehen, dass sich die gleichen Politiker nicht darum reissen, am 1. Mai, am Tag der Arbeit, aufzutreten.) Fernsehen, Radio und Medien stellten dies fest und fragten: Überlässt der Bundesrat den Nationalfeiertag eigentlich dem Blocher? Seither treten die Bundesräte wieder auf an den 1. August-Feiern, und sogar sozialdemokratische. Hier hatte ich eine Vorbildfunktion. Natürlich werden die Bundesräte dies bestreiten. Es ist auch belanglos. Hauptsache ist, dass es geschieht. Viele handeln eben unbewusst nach einem Vorbild. Wenn man so sehr im öffentlichen Interesse steht, ist das auch eine Verantwortung, die man zu tragen hat. 5. Ein vorbildlicher Bundesrat? Die meisten Führungsleute geben nicht gerne zu, dass ihnen irgendjemand oder irgendetwas Vorbild gewesen sei. Aber natürlich spielt in jeder Führungsposition die Vorbildsfunktion eine Rolle. Somit auch im Bundesrat. Ich habe ja über mehr als zwei Jahrzehnte den Bundesrat als Parlamentarier, als Nationalrat begleitet, gelobt und kritisiert. Dabei habe ich von Anfang an die Macht der Verwaltung kritisiert und auch stets die Ausgaben der öffentlichen Hand für zu hoch empfunden. Nun hat mich der politische Weg in den Bundesrat geführt. Es wäre doch eigenartig, würde ich mit dem Eintritt in die Regierung plötzlich alles anders sehen. Was für einen Unternehmer einem Kulturschock gleichkam, war das schlecht entwickelte Kostendenken in der Bundesverwaltung. Aber statt dauernd eine Änderung zu predigen, musste ich im eigenen Bereich vorangehen. Also ordnete ich in meinem eigenen Bereich Kostensenkungsmassnahmen an und zog diese durch. Wie weit es Vorbildfunktion hatte, ist hier nicht zu fragen. Ich wandte dies aber auch im eigenen Unternehmen an. Als kleines Beispiel: Ich hatte als oberster Chef immer ein relativ kleines Büro. Dies aber nicht aus Selbstkasteiung, sondern um zu zeigen, dass es auch bescheiden geht. Das hatte zur Folge, dass sich kein Direktor innerhalb des Betriebes getraute, sich ein grösseres Büro einzurichten. Bei der Planung von Büroräumen wussten die Architekten – ohne, dass man etwas anordnete – bei EMS gibt es keinen Luxus. 6. Verantwortung wahrnehmen Letztlich geht es in jedem der genannten Bereiche, ob Politik, Wirtschaft, Armee oder Familie, darum, Verantwortung zu übernehmen. Jeder sollte seinen klar umrissenen Verantwortungsbereich kennen. Wo die Verantwortung verwischt wird – und gerade im Staat ist das häufig der Fall – stellt sich kein Erfolg ein, drohen Schlendrian und Verschleuderung. Ein schlecht geführtes Unternehmen geht zugrunde. Beim Staat werden Fehler viel zu lange mit Steuergeldern zugedeckt, weil keiner wirklich gerade stehen muss. Führung übernehmen, Verantwortung wahrnehmen ist kein bequemes Unterfangen. Doch wer weiss, worum es geht und was er erreichen will, nimmt diese Mühen auf sich. Denn er stellt die Sache ins Zentrum und nicht sich selber und seine Befindlichkeit. Der Lohn ist die Befriedigung darüber, dass ein Auftrag erfüllt werden kann, dass sich Erfolg einstellt. Nur: Der Abschluss einer Aufgabe ist immer auch der Beginn einer neuen. Das Leben, die Wirklichkeit trägt uns immer wieder neue Aufgaben zu. Ich wünsche Ihnen den Mut, die Aufgaben anzugehen, die Ihnen das Leben bereithält.

12.09.2007

Sind die Schweizer KMU spitze?

Referat von Bundesrat Christoph Blocher beim Kantonalen Gewerbeverband Solothurn, 12. September 2007, in Dornach 12.09.2007, Dornach Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Meine Damen und Herren Bevor wir uns der Hauptfrage zuwenden, wollen wir uns erst einmal klar darüber werden, wie wichtig die KMU für die Schweizer Volkswirtschaft insgesamt sind. 1. Bedeutung der KMU 99,7 Prozent aller Betriebe in der Schweiz sind kleine und mittlere Unternehmen. Rund zwei Drittel aller Beschäftigten arbeiten gesamtschweizerisch in KMU-Betrieben. In den ländlicheren Regionen werden es noch wesentlich mehr sein. Die KMU sind der wichtigste Berufsausbildner für junge Menschen. Die KMU bilden den heimischen Mittelstand und sind also auch jene Gruppe, die das Steuersubstrat wesentlich erbringen. Oder anders gesagt: Es sind gerade die Leistungsträger aus dem Mittelstand, die vom Staat besonders mit Steuern und Abgaben belastet werden. 2. Wie wird man erfolgreich? Ob ein Unternehmen Erfolg hat, liegt natürlich im Wesentlichen am Unternehmen. Sie kennen meinen Leitsatz: Es gibt keine schlechten Untergebenen, es gibt nur schlechte Chefs! Aber die Frage ist: * Gibt es Methoden, die zum Erfolg führen? * Was kann ich als Unternehmer tun, um an der Spitze zu sein? * Was kann die Politik dazu beitragen, dass sich die Wirtschaft, das Gewerbe, die Unternehmen, die KMU erfolgreich entwickeln können? Als ehemaliger Unternehmer kann ich nur meine Erfahrungen, die zum Erfolg führen können, vermitteln. Nachdem aber der Schriftsteller, Matthias Ackeret, ein Führungsbuch unter dem Titel: „Das Blocher-Prinzip“ veröffentlicht hat, kann ich auf dieses Buch verweisen (Sie können es getrost kaufen, ich verdiene nichts daran!) 3. Und die Politik? Nochmals! Die Politik ist nicht verantwortlich für den Erfolg privater Unternehmen. Den Erfolg müssen die Unternehmen schon selbst bringen. Aber die Politik kann verantwortlich sein für deren Misserfolg: * Weil die Politik den Erfolg verunmöglichten kann, z. Bsp. durch Bürokratie und unzählige Gesetze und Vorschriften. * Weil die Politik den Erfolg bestrafen lassen: Z. Bsp. durch übermässige Steuern und Abgaben. Jeder Politiker unterschreibt Ihnen folgende Sätze: * KMU sind das Rückgrad unserer Volkswirtschaft * Die KMU müssen gefördert werden. Auch fordern alle Politiker im Grundsatz weniger Bürokratie. Und trotzdem nimmt diese zu. Also forsten die gleichen Politiker, die den Papierkram sonst wortreich beklagen, den Bürokratiedschungel ungerührt auf. Mit entsprechenden Folgen: Jedes der über 300'000 Schweizer KMU ist heute durchschnittlich während 650 Stunden pro Jahr (1986: noch 370 Stunden) einzig und allein mit der Erledigung des staatlich verordneten Papierkriegs beschäftigt. Der staatlich bedingte Administrativaufwand (Umweltschutz, Statistiken, Sozialversicherungen, Lehrlinge, Militär, ausländische Arbeitskräfte, betriebsbezogene Auflagen, handelsrechtliche Auflagen, direkte Steuern, MWSt-Abrechnung usf.) verursacht Kosten in der Höhe von 7 Milliarden Franken jährlich. Auf einen KMU-Betrieb heruntergerechnet sind das gut 20'000 Franken im Jahr. Eine Abnahme dieses Aufwandes ist nicht abzusehen – im Gegenteil. Es besteht ein eklatanter Widerspruch zwischen den Absichten und den Ergebnissen in der Politik. 4. Gute Lösungen sind einfache Lösungen Ein ähnliches Bild zeigt sich auch, wenn es um die Forderung nach mehr Wirtschaftswachstum geht. Wachstum heisst mehr Wohlstand, heisst gesicherte Sozialwerke, heisst weniger Arbeitslosigkeit, heisst neue Ausbildungsplätze für junge Menschen. Auch in dieser Frage hören sie von Politikern aller Parteien nur Zustimmung. Aber wie sorgen wir für mehr Wachstum? Durch eine geschickte Steuerpolitik. Während die Linke auf staatliche Wirtschaftsprogramme setzt (dass mit diesem Prinzip der ganze Osten Europas bankrott ging, interessiert offenbar keinen mehr), setzen viele Bürgerliche auf die „Förderung“ und „Wirtschaftshilfen“, indem sie Geld verteilen an die Wirtschaft.. Damit schwächen sie die guten Unternehmen, indem die schlechten Geld bekommen. Müssen aber wiederum Geld beim Mittelstand – das heisst bei den guten Unternehmen – holen. Womit diese ein zweites Mal geschwächt werden. Es wäre so einfach: je weniger die KMU mit Steuern und anderen Auflagen behindert werden, desto mehr Mittel haben sie zur Verfügung, um zu investieren, um zu forschen, um zu entwickeln, was schliesslich zu mehr Arbeitsplätzen und Wohlstand führt. Das klingt alles so furchtbar einfach, finden Sie? Meine jahrzehntelange Arbeit in der Politik und der Wirtschaft haben mich eines gelehrt: Gute Lösungen sind immer einfache Lösungen. Sie wollen Beweise? Nehmen wir als Beispiel den Kanton Obwalden. Obwalden gehörte jahrelang zu jenen Kantonen mit extrem hohen Steuersätzen. Trotzdem reichte das Geld hinten und vorne nicht aus, worauf der Steuersatz jeweils stets von neuem wieder erhöht wurde. Mit dem gleichen Ergebnis und ohne Erfolg auf Besserung. Nun hat Obwalden vor zwei Jahren einen radikal anderen Weg begangen und die Steuern massiv gesenkt. Heute gehört der Kanton zu den Top-Fünf-Adressen in ganz Europa, was die Unternehmenssteuern betrifft! Zuerst hat der Kanton aber gespart: Obwalden hat die Regierung verkleinert, die Ämter reduziert, die Ausgaben eingefroren, die Schulden abgebaut. Einfach so? Aus Plausch? Aus Neugier? Nein. Weil es der richtige Weg ist, den schon andere Kantone beschritten haben (etwa Zug, Nidwalden, Appenzell). Vielleicht auch, weil ihnen eine Partei im Nacken sass, die diesen Richtungswechsel konsequent einforderte. Eine Partei, die mit Erfolg eine Verkleinerung der Regierung per Volksinitiative durchsetzte. (Meine Bescheidenheit und mein Amt als Bundesrat verbieten mir jetzt, den Namen dieser Partei zu nennen, sonst würde man mir Wahlkampf vorwerfen.) 5. Entlastung, Entlastung, Entlastung Wer also Wirtschaftswachstum will, muss die Unternehmen entlasten. Und zwar radikal. Wer Wirtschaftswachstum will, darf Arbeit nicht mit Sondersteuern belegen. D.h. beispielsweise keine IV-Sanierung mit Lohnprozenten. Die Arbeit verteuern, heisst aber nur, dass die Unternehmer gezwungen werden, irgendwo wieder Kosten zu senken, was leider oft auch durch Entlassungen geschieht. Wer also glaubt, die Invaliden-versicherung sanieren zu können, indem er die Arbeit verteuert, verstärkt nur das Problem. In diesem Frühjahr hat das Parlament einer Unternehmenssteuerreform zugestimmt. Sie hat zum Ziel, die wirtschaftliche Doppelbelastung von Unternehmergewinnen zu beseitigen. Endlich wird eingesehen, dass ein Unternehmen den ausgeschütteten Gewinn nicht zweimal versteuern muss. Diese Doppelbesteuerung trifft vor allem die vielen kleineren Firmen, wo Unternehmer und Besitzer in einer Person agieren. Es darf doch nicht sein, dass jeder Erfolg doppelt besteuert, also doppelt bestraft wird. Dass nun ausgerechnet jene, die sich sonst gerne als Anwälte der „Steuergerechtigkeit“ ausgeben, dieses offensichtlich ungerechte Konstrukt beibehalten wollen, spricht Bände. (Dieses Mal gebietet mir nicht nur mein Bundesratsmandat, sondern auch die Höflichkeit, den Namen der verantwortlichen Partei zu verschweigen.) Sicher: Besser wäre es gewesen, alle Aktionäre, nicht nur die grossen, zu entlasten – wie dies der Bundesrat vorgeschlagen hatte. 6. Die beste Förderung ist die Nicht-Behinderung Was hat die Politik zu tun? Die beste Förderung der Wirtschaft besteht immer noch darin, sie nicht unnötig zu behindern in Form von Vorschriften, Regulierungen, Eingriffen, Steuern und Abgaben. Die beste Wirtschaftsordnung ist eine Freiheitliche! Die freie Marktwirtschaft erscheint nur dem denkfaulen Beobachter brutal. Denn die Geschichte beweist das Gegenteil: Es ist einzig die Marktwirtschaft, die so viel Wohlstand unter so viel Menschen gebracht hat, und es ist einzig die Marktwirtschaft, in der sich der Tüchtige dank seiner Tüchtigkeit durchsetzen kann – ungeachtet seiner Hautfarbe, Religion oder Herkunft. Die Neigung der Politik, und namentlich der Politiker, in die Marktwirtschaft einzugreifen, war und ist gross. Immer wieder und überall versucht man diesen Markt zu „gestalten“, zu „formen“, zu „bemuttern“. Diese Eingriffe werden meistens für besonders „sozial“ oder „gerecht“ erklärt – aber wir haben es in Wahrheit nur mit besonders sozialem Geschwätz zu tun. Darum lautet die letzte und wichtigste Schlussfolgerung: Die beste Förderung der Wirtschaft ist ihre Nichtbehinderung durch den Staat. 7. Voraussetzung für den Erfolg: Handlungsfreiheit Was können wir zum Schluss festhalten? Die Schweizer Wirtschaft ist erfolgreich, so lange die Politik ihr diesen Erfolg ermöglicht. Optimale Rahmenbedingungen für einen Kleinstaat wie die Schweiz können wir aber nur als selbstständiger Staat schaffen. Ich sage Ihnen mit Überzeugung: Ja, die Schweiz hat Zukunft. Ja, die Schweiz wird ihren Weg finden. Unter einer Voraussetzung: Wenn ein Land seine Geschicke bestimmen will, muss es frei handeln können. Die Handlungsfreiheit, die Selbstbestimmung, die Unabhängigkeit ist das höchste Gebot! Genau darum haben auch die KMU eine Zukunft. Die internationalen Grossgebilde wie die EU mit ihren Nivellierungen sind KMU – feindlich! Wenn wir nicht selber bestimmen können, sondern fremd bestimmt werden, müssen wir uns gar nicht den Kopf zerbrechen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Denn andere werden diesen Weg bestimmen – doch die haben verständlicherweise andere Ziele, als die schweizerischen KMU zu erhalten!!