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01.01.2001
01.01.2001
Neujahrsansprache 2001
1. Januar 2001 Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger Das erste Jahr, das mit einer 2 beginnt, ist zu Ende. Bevor wir in das abgelaufene Jahr 2000 eingestiegen sind, glaubten die Einen, dies müsse ein besonderes schwieriger Übergang werden, die Welt würde beinahe untergehen. Die Anderen gingen dieses Jahr mit einer riesigen Euphorie an. Geschehen ist nichts Besonderes! Das heisst nichts anderes, als dass sich der Weltenlauf nicht nach unserer Gesinnung richtet. Das ist wahrscheinlich auch tröstlich. Wenn wir das vergangene Jahr betrachten, dürfen wir mit Dankbarkeit feststellen, dass es der Schweiz, gesamthaft gesehen, wirtschaftlich gut ging. Wir haben eine Vollbeschäftigung, wie wir sie in den letzten Jahren nie mehr hatten. Wirtschaftlich verbesserte sich vieles in der Schweiz. Wenn wir heute besser dastehen als die umliegenden Länder, wenn wir die niedrigste Arbeitslosigkeit aller Industrieländer haben, wenn sich der Volkswohlstand verbessert hat, so deshalb, weil sich das Rezept der Schweiz - auf eigenen Füssen zu stehen und aus dem, was wir haben, das Beste zu machen - bewährt hat. Euphorie weicht der Ernüchterung Das muss für uns heissen, auch so weiter zu gehen. Natürlich zeichnen sich wieder düstere Wolken ab - auch am wirtschaftlichen Himmel. Ich denke an die Hiobsbotschaften aus Amerika. Ich denke aber auch an jene aus der Schweiz und aus Europa. Denke an Firmen, die in den letzten Jahren fusioniert und sich mit grossen Plänen hervorgewagt haben. Jetzt zeichnet sich Ernüchterung ab: Restrukturierungen und Entlassungen sind angesagt. Wo allzu lange nichts gemacht oder auch zu früh etwas Falsches erzwungen wurde - nur um eine bestimmte Grösse zu erreichen - dort muss es schlecht heraus kommen. Das gibt Anlass zu Besorgnis. In der Schweiz zum Beispiel bei Nachrichten über Unternehmen wie Sulzer und Feldschlösschen. Das sind Firmen, die zu lange nichts unternommen haben. Das hat dann schmerzliche Korrekturen zur Folge! Es ist jedoch tröstlich, dass jene Firmen, die über Jahre hinweg eine gute und seriöse Arbeit geleistet haben, auch ein gesichertes Fortkommen aufweisen können. Auch die Grossen kochen nur mit Wasser Wenn ich das vergangene Jahr politisch betrachte, so wurde im Rahmen der amerikanischen Wahlen deutlich: Auch die ganz Grossen kochen nur mit Wasser! Bescheidenheit ist angezeigt, für die Grossen wie auch für die Kleinen! Wenn Sie die grossen, wuchtigen Konferenzen verfolgt haben - in der EU; in Nizza: Morgens sah man die verschlafenen Gesichter dieser Minister und wusste nach deren tagelangen Kämpfen schliesslich nicht: Haben Sie jetzt etwas beschlossen oder nicht? Ist es etwas Gutes oder etwas Schlechtes? Was ist eigentlich das Resultat dieser Debatten? - Es kam dabei praktisch nichts heraus. Das ist bei so grossen Strukturen häufig der Fall. Wenn Sie im vergangenen Jahr beobachtet haben, was in Österreich, dem kleinen Land in der EU, geschah. Man beobachtete, dass die grossen Staaten der Meinung waren, sie müssten diesen Staat boykottieren. - Obwohl es ja ein Freund sein sollte! Das zeigt, dass man besser wachsam und sich selber bleibt! Wichtige Entscheidungen stehen bevor Dies soll auch die Devise sein für das neue Jahr! 2001 stehen grosse politische Vorlagen an. Sie betreffen die Selbständigkeit und Unabhängigkeit unseres Landes: Es wird eine EU-Abstimmung geben. Hier ist es für uns Schweizer vorteilhaft, Nein zu stimmen. Zeigen Sie damit dem Bundesrat, dass es auch in Zukunft in der Schweiz so sein muss, dass wir unser Schicksal selber bestimmen können. In einer weiteren Abstimmung haben wir darüber zu befinden, ob die Schweizer Soldaten, die Schweizer Armee, in neue ausländische Kampfgebiete gehen und sich einbeziehen lassen soll in Grosskonflikte, und ob sie in der NATO mitmachen soll. Wir haben über die Frage zu befinden, ob etwas, das uns während 200 Jahren den Frieden gesichert hat - nämlich die dauernd bewaffnete Neutralität - nun preisgegeben werden soll. Es gibt auch eine Abstimmung über die politische UNO, bei der wir uns dem Willen des Sicherheitsrates unterstellen sollen. Überall ist das Schweizer Volk aufgerufen. Das Parlament und der Bundesrat haben leider falsch entschieden. Da kann nur das Volk selber das Heft in die Hand nehmen! Sozialwerke sichern Im neuen Jahr glaube ich, dass es uns in der Schweiz wirtschaftlich und mit den Arbeitsplätzen gut gehen wird. Sofern wir es richtig anpacken. Die exorbitanten Steuererhöhungen, Abgaben und Gebühren, die in den letzten 10 Jahren in Bern, aber auch in den Kantonen und in vielen Gemeinden beschlossen wurden, müssen rückgängig gemacht werden. Das gibt mehr Freiheit für die Bürger und Bürgerinnen. Viele Leute sind - zu Recht - beunruhigt über die Sicherung der Altersvorsorge, oder über die hohen Krankenkassenprämien. Zur AHV: Es ist wichtig, dass endlich das Geld richtig bewirtschaftet wird. Dann reicht es für alle. Die Goldreserve der Nationalbank muss in die AHV. Die Gelder, die für die AHV beschlossen wurden, müssen ihr auch zugeführt werden. Sie dürfen nicht in die Bundeskasse abfliessen. Wenn die AHV endlich gut bewirtschaftet wird, können wir ohne neue Abgaben und Gebühren die AHV-Rente für alle aufrechterhalten. Hier liegt das Geheimnis: In der richtigen Bewirtschaftung der Mittel! Zu den Krankenkassenprämien: Der Bundesrat und das Parlament haben versprochen, wenn wir das neue Krankenkassengesetz annehmen würden, so hätte dies eine Senkung der Prämien zur Folge. Jetzt, wo das Gesetz in Kraft ist, ist das Gegenteil der Fall: Die Prämien steigen ununterbrochen weiter. Das muss korrigiert werden! Der Leistungskatalog im Gesundheitswesen kann so nicht weitergeführt werden. Wenn dieser wieder auf das richtige Mass zurückgestutzt wird, ist eine Korrektur möglich. Dies bedeutet aber auch mehr Eigenverantwortung für den Einzelnen. Der Staat soll jene unterstützen, die wirklich Hilfe nötig haben. Dieser Weg muss endlich beschritten werden. Langsam, langsam erwacht auch der Letzte und Hinterste. Liebe Stimmbürgerinnen und Stimmbürger Sie haben nächstes Jahr wieder das Heft in der Hand, um in den Hauptfragen die Weichen richtig zu stellen. Ich glaube, wenn die Schweiz auf ihrem Weg bleibt, sich auf das Wesentliche konzentriert, und von morgens bis abends ihre Sache richtig macht, werden wir das Jahr 2001 gut überstehen. Wir müssen auf unsere Kräfte und unsere Stärken zählen. Wir Schweizer tun gut daran, wenn wir mit Selbstvertrauen in die Zukunft gehen. Damit sind wir gut gefahren. Ich wünsche Ihnen ein gutes neues Jahr - ein gutes 2001! Christoph Blocher, Nationalrat, SVP
30.12.2000
Der Geist weht, wo er will
Mein Beitrag für den Tages Anzeiger vom 30. Dezember 2000 Es ist erfreulich, dass Moritz Leuenberger als Bundespräsident des Jahres 2001 die SVP des Kantons Zürich anlässlich der 13. Albisgüetli-Tagung mit einer Ansprache beehrt. Als Freund der gepflegten Kultur wird er sich über einen hoch stehenden Anlass des offen und ehrlich ausgetragenen politischen Disputs freuen können. Angst vor Veränderungen Im Interview mit dem "Tages-Anzeiger" (27. Dezember) geht der künftige sozialdemokratische Bundespräsident der Frage nach, weshalb die Mitglieder der SVP so sehr Angst vor Veränderungen hätten. Die SVP - die Partei des Mittelstandes - vertritt selbstständig Erwerbende, Angestellte und Arbeiter, die ihr Brot im täglichen Konkurrenzkampf auf dem freien Markt verdienen. Sie haben Veränderungen bis jetzt gemeistert und werden es auch in Zukunft tun. Aber sie lehnen sinnlose Veränderungen - durch die Politiker aufgezwungen - ab. Viele dieser Regulierungen bedrohen ihre Lebensexistenz und komplizieren ihr Leben. Gerade die starken Veränderungen der Welt fordern, dass die Politiker endlich aufhören, altbekannte Verhaltensmuster weiterzuverfolgen. Deshalb lehnt die SVP die zunehmenden Regulierungen, höhere Steuern, Abgaben und Gebühren entschieden ab. Abwanderung von Wählern Der Verbund SP/FDP/CVP - die selbst ernannte so genannte "Koalition der Vernunft" - hat die Staatsquote in den letzten Jahren ausserordentlich in die Höhe getrieben und stets neue Belastungen für die Bürger durchgesetzt. Das zeugt davon, dass die alltäglichen Sorgen jenes Bevölkerungsteils, der nach wie vor für die Wertschöpfung im Staate sorgt und dadurch die Finanzierung des Sozialstaates ermöglicht, nicht ernst genommen werden. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass viele Bürgerinnen und Bürger den anderen Regierungsparteien untreu geworden sind und an der Urne die SVP wählen. Abwanderung von Wählern Leuenberger fragt sich, warum so viele ehemalige SP-Wähler darunter sind. Die Antwort ist relativ einfach: Die Arbeiter und Angestellten in der freien Wirtschaft sehen und spüren, wie es um Arbeitsplätze und Einkommen steht, wenn sich die SP fast nur noch um höhere Staatsangestellte, um die Staatswirtschaft (genannt Service public) sowie um eine möglichst hohe Staats- und Steuerquote kümmert. Stimme eines ehemaligen SP-Wählers So teilte mir kürzlich einer dieser früheren SP-Wähler brieflich mit, die SP sei "immer mehr zu einem Tummelplatz akademischer Salonsozialisten, arrivierter 68er und links-grüner Frauenrechtlerinnen verkommen. Statt sich um die vielfältigen Sorgen und Nöte ihrer schmal gewordenen Basis zu kümmern, macht sich die Parteiführung für EU-Mitgliedschaft, Uno-Beitritt, Ausländerstimmrecht und Mutterschaftsversicherung stark - alles Dinge, die den Arbeitnehmer heute nur am Rande interessieren. Das Schweizer Volk darf verlangen, dass seine Anliegen den Politikern in Bern wichtiger sind als das Lob ausländischer Staatschefs." Das politische Programm und die politischen Aktionen der SP mit utopischen Gesetzes-, Verbots- und Steuerforderungen, geprägt von Benzinpreiserhöhungen, Energieverteuerungen, höheren Lohnabzügen, Mehrwertsteuersteigerungen, mehr Staat und weniger Freiheit, vermögen auch die ehemaligen Anhänger nicht mehr hinter sich zu scharen. Wo steht der Geist? Trotzdem findet Bundespräsident Leuenberger, dass "der Geist immer noch links" stehe. Unter uns Pfarrerssöhnen dürfen wir uns wohl an die biblische Weisheit erinnern, wonach der Geist weht, wo er will. Kein Bundespräsident - nicht einmal ein sozialdemokratischer - kann letztlich darüber urteilen, bei wem der Geist ist und bei wem er fehlt. Im Vergleich zur SP steht die SVP rechts, d.h., sie tritt für mehr Freiheit des Bürgers ein und betont die Eigenverantwortung, belässt ihm aber auch Selbstbestimmung und nimmt ihm nicht den wesentlichen Teil seines Einkommens wieder weg, um es umzuverteilen. Wo steht der Geist? "Linke" Politik - die Betonung des Kollektivs, die staatliche Planung der wirtschaftlichen und persönlichen Lebensumstände, die starke Regelungskompetenz des Staates - lehnt die SVP hingegen als lebensfremd und erfolglos ab. Was soll nach all den Erfahrungen mit dem Sozialismus denn bei den Linken so geistvoll sein? Dort, wo in der Vergangenheit die angeblich so "geistvollen" linken Rezepte in Politik und Wirtschaft in die Realität umgesetzt wurden, waren die Resultate für die betroffenen Menschen jedenfalls weder geistnoch wohlstandsfördernd. Demokratie und Freiheit Vielleicht stehen wir uns aber näher, wenn Leuenberger Demokratie, Menschenrechte, Solidarität und Freiheit beschwört. Eigenartigerweise bezeichnet er diese Güter kurzerhand als "linke Grundsätze". So beschwört die Linke einerseits die Demokratie, fordert aber gleichzeitig den EU-Beitritt, der nicht nur die Wohlfahrt, sondern gerade auch die Demokratie für die Bürgerinnen und Bürger massiv einschränken würde. Menschenrechte ohne Privateigentum und weitestgehenden Schutz vor der staatlichen Allmacht sind undenkbar. Echte Solidarität besteht für die SVP darin, mit eigenen Mitteln freiwillig für Not Leidende hinzustehen. Die SP versteht darunter staatlichen Zwang zur Umverteilung. Wer Solidarität mit dem Geld anderer Leute betreibt, hat kein Recht, sich zu rühmen. Zur Freiheit: Die Linke hat den Massen eine Freiheit von Not versprochen, indem sie die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Menschen beseitigen wollte. Das führt zur zentral gelenkten Einkommensverteilung, ja die gesamte Wirtschaftstätigkeit funktioniert nur, wenn der Staat sämtliche Bedürfnisse der Menschen bewertet, lenkt und befriedigt - dies ist der sicherste Weg zur Vernichtung der Freiheit! Wundert es da jemanden, dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger genug davon haben?
09.12.2000
«Eigentlich habe ich genug von Politik»
Interview mit der Neuen Luzerner Zeitung vom 9. Dezember 2000 Einsam habe er sich gefühlt in den letzten Tagen. Trotz Politiküberdrüssigkeit will Blocher seinen Gegnern die Freude jedoch nicht machen, den Bettel hinzuwerfen. von Eva Novak und Gregor Polletti Haben Sie in den letzten Tagen gut geschlafen? Christoph Blocher: Sehr gut, denn ich war müde. Müde nach der verlorenen Wahlschlacht? Blocher: Nein, nicht deshalb. Aber ich hatte in den letzten zehn Tagen einige Turbulenzen und Geschäfte zu bewältigen, wie die Vorbereitung der Bundesratswahl und die Übernahme einer Firma. Das sind viele Entscheidungen und auch viel Einsamkeit. Ihre Gegner freuen sich bereits, Ihren Untergang eingeläutet zu haben. Blocher: Einmal mehr, aber ich gönne meinen Gegnern die Freude. Auch wenn sie sich mit Schadenfreude begnügen müssen. Es gibt wohl nicht viele Politiker, deren Untergang so oft vorausgesagt wurde wie meiner. Sie sind seit über zwanzig Jahren im Nationalrat und mussten jüngst einige Niederlagen einstecken. Kommt nicht auch für Sie der Moment, wo sie sagen, jetzt reichts? Blocher: Genug habe ich schon lange. Aber zurücktreten? Diese Freude mache ich meinen Gegnern nicht. Es gäbe einen Grund, mich schnell zurückzuziehen, nämlich dann, wenn unser politisches Programm auch von den anderen erfüllt würde. Dann wäre ich überflüssig, und das wäre das Schönste. Aber schmerzt Sie die jüngste Niederlage, die Nichtwahl von Rita Fuhrer, nicht? Blocher: Doch, doch. Niemand hat Freude an einer Niederlage, das wäre ja seltsam. Aber ganz offensichtlich wollte man der SVP keine so populäre Bundesrätin gönnen, wie dies Rita Fuhrer mit Bestimmtheit geworden wäre... ...war sie nicht eher ein Damenopfer für die Lancierung der Volkswahl des Bundesrates? Blocher: Ach wissen Sie, Ihre Frage beruht auf Denkkategorien von Karrierepolitikern. Deren Anliegen ist einzig, Niederlagen zu vermeiden. Die SVP hat ein politisches Programm. Wir haben der Wählerschaft versprochen, uns für die Verwirklichung einzusetzen. Und da haben Politiker eben auch Unannehmlichkeiten auf sich zu nehmen; dabei gilt es im Interesse der Sache, auch Niederlagen in Kauf zu nehmen. Frau Rita Fuhrer wurde nicht auf die Piste geschickt. Die Möglichkeit einer Niederlage hat auch sie einkalkuliert und sie hat sich ihre Kandidatur wohl überlegt. Haben Sie demnach als starker Mann in der SVP das Ausscheiden von Fuhrer mitzuverantworten? Blocher: Auch wenn es nicht stimmt, nehme ich diese Verantwortung gerne wahr. Die Sehnsucht, mich zu stoppen, ist so gross, dass aus jeder Konstellation etwas konstruiert wird, um mich zu diskreditieren. Das bedeutet? Blocher: Wir wissen natürlich auch, dass man durch die Nichtwahl der offiziellen Kandidaten die erfolgreiche Tätigkeit der SVP stoppen will. Deshalb lautete die Parole, jemanden zu wählen, der möglichst nicht die Meinung der SVP vertritt. Damit wollten die anderen Parteien allfälligen Karrierepolitikern weismachen, dass wer vom Parlament ein Ämtchen will, nicht die erfolgreiche, bürgernahe Politik der SVP vertreten darf. Also haben Sie die Märtyrerrolle ganz bewusst in Kauf genommen? Blocher: Das ist eine Sache der Aufrichtigkeit. Wir haben uns in der Fraktion entschieden, Kandidaten aufzustellen, die unser Gedankengut möglichst stark in den Bundesrat einbringen können. Selbst auf die Gefahr hin, dass ein Wilder gewählt wird. Aber dieser Devise sind längst nicht alle in Ihrer Partei gefolgt. Weder Rita Fuhrer noch Roland Eberle wurden konsequent unterstützt. Blocher: Die Mehrheit der Fraktion hat bis am Schluss Rita Fuhrer auf den Stimmzettel geschrieben. Es ist richtig, dass sich dann einige im letzten Wahlgang wohl gesagt haben, jetzt müssen wir das kleinere Übel wählen, und zu Schmid hielten, um Ulrich Siegrist zu verhindern. Und damit gönnten Sie den Sozialdemokraten doch noch einen kleinen Triumph. Blocher: Gönnen Sie doch der armen SP einen kleinen Triumph! Mitleid ist hier angebracht. Die SP hat seit Wochen verkündet, sie werde niemals einen SVP-Kandidaten unterstützen. Ein Sprengkandidat einer anderen Partei müsse es sein. Und wen hat sie gefunden? Einen aus der SVP und erst noch den Präsidenten der Schweizerischen Offiziersgesellschaft! Und dieser bietet erst noch Hand, um als Vertreter von Armeeabschaffern und -halbierern in die Regierung gewählt zu werden. Das ist doch bezeichnend. Für was? Blocher: Für die Orientierungslosigkeit, die in Bern herrscht. Verlierer dieser Bundesratswahl ist das Parlament. Die letzten Wahlen zeigen erneut: Die Volkswahl wäre besser und seriöser. Das haben übrigens auch die vielen Reaktionen gezeigt, die bei mir eingegangen sind. Also versuchen Sie jetzt die Niederlage in einen Sieg umzumünzen? Blocher: Wenn sie konsequent politisieren, ohne immer danach zu schielen, ob man im Moment gerade Erfolg hat oder nicht, dann ist jede Niederlage immer auch ein Sieg, weil sie die Folge guter Arbeit ist. Zudem haben wir die Forderung nach Wahl durch das Volk aus grundsätzlichen Überlegungen aufgestellt. Dann müsste sich die Landesregierung vermehrt auf das Volk stützen und nicht auf die Parlamentarier und den Politknäuel in Bern. Kommen wir zum gewählten Samuel Schmid. Ist das jetzt Ihr Bundesrat oder nicht? Blocher: Nein. Er ist nicht derjenige, den wir von der SVP-Fraktion vorgeschlagen haben. Die anderen Parteien haben ein Mitglied der SVP gewählt. Er ist ein SVP-Bundesrat, gewählt von den anderen. Allerdings ist dies nicht von entscheidender Bedeutung. Wie bitte? Blocher: Wir treten bei einer Vorlage ja nicht gegen die Landesregierung an, weil wir gegen einen der sieben Bundesräte sind. Wenn der Bundesrat beispielsweise sagt, er will endlich die Besteuerung der Familie und der Eigenmietwerte senken, und dann wie letzte Woche dieses Projekt plötzlich wieder sistiert, dann kritisieren wir das; ob der Finanzminister Villiger, Ogi oder eben Schmid heisst. Aber Bundesräte können sich ja auch entwickeln. Mit Adolf Ogi haben wir erst nach etwa fünf Jahren Differenzen bekommen, weil er damals die Schweiz in die EU führen wollte. Also war Ogi in den letzten Jahren nicht mehr Ihr Bundesrat? Blocher: Doch, doch. Da verkennen Sie die Situation. Ogi habe ich immer gewählt, Ogi war immer unser Bundesrat. Was muss denn Schmid machen, damit auch er Ihr Bundesrat wird? Blocher: Wenn er unsere Position gut in den Bundesrat einbringt, wird es auch weniger Opposition geben, das ist klar. Aber die ersten Konflikte zeichnen sich doch bereits ab, wenn Schmid die Revision des Militärgesetzes gegen Ihre Partei vertreten muss. Wir sind dagegen, dass man unsere Armee auf die Nato ausrichtet, wie dies mit der Revision des Militärgesetzes beabsichtigt wird. Wir werden das mit allen Mitteln bekämpfen. Schweizer Soldaten gehören nicht ins Ausland und ausländische Soldaten nicht in die Schweiz. Denn das würde die Sicherheit des Landes beeinträchtigen, und die Neutralität geht vor die Hunde. Niemand in der Schweiz strebt doch ernsthaft einen Nato-Beitritt an. Blocher: So lautet die offizielle Doktrin. Das beste Indiz dafür, dass der Nato-Beitritt angestrebt werden soll, ist doch, dass Ogi erklärt hat, wenn diese Vorlage bachab gehe, dann müsse die ganze Armeereform neu gestartet werden. Das heisst doch nichts anderes, als dass die Armee um die Auslandeinsätze angeordnet wird. Die SVP geht gespalten aus den Bundesratswahlen hervor, wie wollen Sie die internen Zwistigkeiten wieder glätten, oder kommt es gar zum Bruch? Blocher: Das wird hochgespielt. Es ist doch verständlich, dass sich die Berner dafür eingesetzt haben, dass einer der ihren in den Bundesrat kommt. Die Thurgauer haben sich dafür eingesetzt, dass ihr Kandidat auf den Schild gehoben wird. Aber es ist sicher richtig, dass die Berner Vertreter, weil sie mit Ogi und jetzt mit Schmid einen Bundesrat haben, die Regierung eher unterstützen. Da haben wir einfach ein anderes Regierungsverständnis. Mir scheint, die Französische Revolution sei an Bern vorbeigegangen. Der Magistrat hat in Bern immer noch ein ungeheures Gewicht. Das zeigt sich auch darin, dass die Wirtschaft im Kanton Bern ganz stark mit der Politik verbandelt ist. Darum hat der Kanton Bern eine weniger florierende Wirtschaft. Aber die regierungstreuen Kräfte in der SVP erhalten doch mit der Wahl Schmids Aufschwung? Blocher: Das ist das Wunschdenken unserer Gegner. Ich habe nichts dagegen, wenn sich andere Leute in unserer Partei durchsetzen. Aber bisher habe ich nicht viel davon gemerkt. Der Widerstand wird vor allem laut, wenn die Presse dabei ist. Ich kann nicht verstehen, dass unsere parteiinternen Differenzen, die es in jeder Partei gibt, immer derart an die grosse Glocke gehängt werden. Den massiven Widerstand der Romandie gegen Sie können Sie allerdings nicht leugnen. Blocher: Das ist so, weil die SVP Anfang der Neunzigerjahre als einzige Regierungspartei gegen den EWR Stellung bezogen hat. Und da bin ich selbst meiner eigenen Partei vorausgegangen. Seitdem ist natürlich der Blocher für die Welschen der "diable de la suisse". Darauf hat sich die welsche Presse eingeschossen. Das bedaure ich, weil die Romandie ein guter Boden wäre für die SVP: Denn die welschen Medien verschweigen die grossen Nachteile eines EU-Beitritts. Wann kommt jetzt Ihr nächster Angriff auf einen Bundesratssitz? Blocher: Möglichst bei der nächsten Vakanz. Wenn die Sozialdemokraten sagen, die SVP gehöre nicht in den Bundesrat, dann müssen sie in Kauf nehmen, dass wir gegen sie antreten werden, wenn einer ihrer Bundesräte zurücktritt. Und wenn wir bei den kommenden Wahlen im Jahr 2003 wieder zu den Gewinnern zählen und die CVP gleich schwach bleibt, dann muss die CVP einen Bundesratssitz abgeben. Das hat selbst CVP- Ständerat Carlo Schmid öffentlich gesagt. Aber ich weiss auch, was diese Versprechen in der Politik für einen Wert haben.
09.12.2000