Article

 

05.12.2010

Die Wahlen 2011 werden jetzt noch wichtiger

Interview im «SonntagsBlick» vom 5. Dezember mit M. Odermatt und K. Wittmann<br><br> Herr Blocher, vor einer Woche brachte die SVP zum ersten Mal eine eigene ausländerpolitische Initiative ins Ziel. Worauf führen Sie diesen Sieg zurück? Christoph Blocher: Die Abstimmung ist ein Misstrauensvotum gegen die Behörden. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung in der Ausländerpolitik wird jedes Jahr deutlicher – nicht nur wegen der Zuwanderung von Kriminalität, aber das auch - und weil die Behörden nicht handeln. Die SVP hat die absolute Mehrheit der Stimmbürger auf ihrer Seite, wenn sie aufs richtige Thema setzt. Was bedeutet das für die Zukunft? Die Wahlen 2011 werden jetzt noch wichtiger. Es nützt nichts, wenn vom Volk  gute Initiativen verabschiedet, diese aber in Bern nicht vollzogen werden. Darum muss die SVP die Wahlen gewinnen, SVP-Parlamentarier müssen dafür sorgen, dass die Anliegen der Bürger durchgesetzt werden. Warum scheiterte der Gegenvorschlag trotz breiter politischer und publizistischer Unterstützung fast aller Medien? Die Gegenseite hat ihre  Argumentation viermal geändert.  Zuerst - ich war noch Bundesrat – die Initiative brauche es nicht. Dann nach der Anti-Minarett-Initiative hiess es, das Anliegen sei gerechtfertigt, aber so könne man es nicht machen. Schliesslich meinten die Gegner, unsere Initiative sei zu unmenschlich. Zum Schluss behaupteten sie, der Gegenvorschlag sei noch härter als die Initiative. Das ist unglaubwürdig. Ihre Gegner behaupten, Sie hätten das Volk mit einer 10 Millionen Franken teuren Kampagne gekauft. Das ist auch gar viel!  Wir haben noch nicht alle Abrechungen auf dem Tisch, ich rechne aber damit, dass wir am Ende rund vier Millionen ausgegeben haben werden. Unser Vorgehen zur Finanzierung ist immer das Gleiche. Und zwar? Wir gehen mit unserer geplanten Kampagne zu Leuten und fragen, ob sie uns dabei unterstützen wollen: Dann bezahlen sie konkret. Auch ich bezahle persönlich. Mir ist die Schweiz etwas wert. Nicht wie den feinen Damen und Herren, die sich wegen Geldmangel beklagen, aber nichts bezahlen – weil ihnen die Schweiz eben nichts wert ist. Die SP hat viele Millionäre in ihrer Fraktion. Auch ich würde gerne den Textteil für uns haben und auf die bezahlten Inserate verzichten. Können wir einmal tauschen? Tauschen? Was denn? Ich würde gern mal auszählen, wie viele Artikel gegen die Ausschaffungsinitiative und für den Gegenvorschlag veröffentlicht wurden. Und dann berechnen, wie viel es gekostet hätte, wenn unsere Gegner das hätten kaufen müssen – als Inserate. Warum legt die SVP nicht einfach die Karten auf den Tisch und legt offen, wer in diesem Abstimmungskampf wie viel bezahlt hat? Weil jeder geächtet wird, der uns unterstützt. Wenn wir die Namen bekannt geben, bekämen wir von diesen Leuten kein Geld mehr. Simonetta Sommaruga will eine Arbeitsgruppe zur Umsetzung der Initiative ins Leben rufen. Das müsste doch ganz in Ihrem Sinne sein... Ich hatte Freude, als ich sie am Sonntag hörte. Sie sagte «Das Volk hat entschieden, das wird umgesetzt und sie bilde eine Arbeitsgruppe mit den Initianten." Aber bis heute hat sie vieles verspielt. Wie meinen Sie das? Sie will die SVP "einbinden", damit wir nachgeben. Das hat sie unterdessen erklärt. Wenn sie aber verlangt, dass wir mithelfen, die Initiative zu verwässern, bin ich dagegen, in dieser Gruppe mitzumachen. Wir fordern, dass das Begehren umgesetzt wird. Ohne Wenn und Aber. Dafür ist Frau Sommaruga gewählt. Dann würden Sie auch selbst in die Arbeitsgruppe gehen? Wir haben gute Leute, die wir schicken können. Als ehemaliger Justizminister wären Sie doch prädestiniert! Wenn wir jemanden finden, der es besser macht als ich und sich durchsetzen kann, dann soll er oder sie es machen. Im Übrigen liegt uns noch keine Einladung vor. Glauben Sie nach dem Triumph vom Sonntag an einen Sieg bei den Nationalratswahlen 2011? Ich bin nicht intelligenter als andere Leute und auch kein Prophet. Aber wir werden wahrscheinlich die Wahlgewinner sein – es sei denn, wir würden noch alle kriminell (lacht). Wenn keine Katastrophe geschieht, dann sollten wir im nächsten Oktober gut abschliessen. Können Sie das etwas genauer beziffern? Unser Ziel ist 30 Prozent. Wir wissen aber, dass das schwierig sein wird. Es wäre  schon eine riesige Leistung, die hohen 28,9 Prozent vom letzten Mal zu halten. Was uns sehr zuversichtlich stimmt, ist die Tatsache, dass wir bei den kantonalen Wahlen in den vergangenen drei Jahren von allen Regierungsparteien am besten abgeschnitten haben. Was würde das bedeuten – die SVP als 30-Prozent-Partei? Ich bin überzeugt, dass das in Bern vieles auslösen würde. Die Mitteparteien werden endlich näher an uns heranrücken müssen, um nicht unterzugehen. Wieso? Weil sie sich dann fragen müssten, ob die faktische Mitte-Links-Koalition gegen die SVP, die heute ja in den wesentlichen Fragen des Landes gilt, aufgekündigt werden soll. Das müssen Sie uns erklären. Die Mitte muss sich fragen, ob sie weiterhin in Fragen wie z.B. EU, Migration, Schule, Landesverteidigung mit der SP gegen die SVP regieren wollen. Dazu kommt: Die SP ist für die Abschaffung der Armee. Und sie will den Kapitalismus überwinden. (Keine europäische Sozialdemokratische Partei möchte das noch). Und faselt wieder vom demokratischen Sozialismus! Strebt die SVP nach den Wahlen eine Mitte-Rechts-Regierung an? Die SVP ist für die echte Konkordanz. Aber ich weiss nicht, wie man mit der SP nach diesen Parteibeschlüssen in einer Regierung noch  einen Kompromiss nach links zustande bringen kann. Erreicht die SVP 30 Prozent. Fordert Sie dann einen vierten Bundesrat? (lacht) Wir sind schon mit zwei zufrieden. Mehr fordern wir erst mit 40 Prozent. Mit welchen Themen geht die SVP in den Wahlkampf? Die Themen – kein EU-Beitritt, Ausländerpolitik in Ordnung bringen, keine neuen Steuern – sind immer noch so aktuell wie im Wahlkampf 2007. Dann nehmen wir das Problem der schlechten Schulen auf. Ein EU-Beitritt steht doch schon lang nicht mehr zur Debatte! Die meisten Politiker in Bern haben die Absicht, der EU beizutreten. Auch wenn sie nicht wagen, dies öffentlich zuzugeben, denn 70 Prozent der Bevölkerung sind gegen einen Beitritt. Ich sehe hier grosse Auseinandersetzungen auf uns zu kommen. Welche? Ende Jahr kommt der Bericht der Expertenkommission. Wenn es nach dem Willen der Europäischen Union geht, soll die Schweiz künftig automatisch EU-Recht übernehmen. Wir würden zum Satelliten der Europäischen Union. Das werden wir nicht zulassen. Wie wollen Sie vorgehen? Es ist noch nicht klar, wie ein entsprechendes Abkommen zwischen der Schweiz und der EU umgesetzt werden soll. Aber wenn die Schweiz einen solchen Vertrag abschliesst, muss er dem Parlament vorgelegt werden. Er wird eine Referendumsklausel haben – und dieses Referendum würden wir ergreifen. Sie bezweifeln also, dass die Schweiz in den nächsten Jahrzehnten der EU beitreten wird? Ich bin überzeugt, dass wir es leichter haben als in den letzten zwei Jahrzehnten, einen Beitritt zu verhindern. Vor zwanzig Jahren, als wir über den EWR abstimmten, war die EU noch eine lockere Wirtschaftsgemeinschaft. Heute ist sie ein staatenähnliches Gebilde mit einer Währungsunion, die nicht funktioniert und mit Staaten, die faktisch bankrott sind. Warum sollte die Schweiz einer solchen Organisation beitreten? Diese Tage diskutiert Ihre Partei, mit welchem konkreten Projekt sie in die Wahlen 2011 ziehen soll. Was empfiehlt der Strategiechef? Im Moment haben wir einen Basar von Ideen. Den wollen wir auch. Aber über Strategien spricht man nicht - man hat sie. Soll die SVP die Kündigung der Personenfreizügigkeit anpeilen? Ich bin der Meinung, die Verträge mit der EU sollten angepasst werden. Dazu müssen sie vielleicht zuerst gekündigt werden. Vieles ist  nicht in Ordnung, z.B. dass ein EU-Zuwanderer ab dem ersten Tag Arbeitslosenentschädigung beziehen kann, die überfüllten Hochschulen und die Grenzgängerregelung. Was halten Sie von der Idee, das Strafrecht mittels Volksinitiative zu verschärfen? Derzeit kämpft die SVP im Parlament.  Wenn die SVP die Wahlen 2011 gewinnt, finden wir wahrscheinlich Unterstützung bei den anderen Parteien. Dann dürfte sich eine eigene Initiative erübrigen.

03.12.2010

Il n’est pas vague!

Interview avec 24 Heures et la Tribune de Genève, 03.12.10 Après la victoire de dimanche, vous êtes euphorique. Non. Le Conseil fédéral, son administration et le parlement ont reçu une mission claire: mettre en œuvre l’initiative. Or, j’entends les perdants nous expliquer que ce sera difficile et que les initiants devraient expliquer comment. N’est-ce pas normal avec un texte d’initiative aussi vague… Il n’est pas vague ! L’UDC ne participera donc pas au groupe de travail que la ministre de la justice Simonetta Sommaruga mettra sur pied avant Noël ? C’est moi qui ai introduit la pratique du groupe de travail après le vote sur  l’internement à vie des criminels dangereux. Mais mon but était de permettre aux partisans du texte de contrôler sa mise en œuvre. La motivation de Madame Sommaruga est autre. Opposée à notre solution, elle attend des compromis. Nous serons là pour contrôler que la loi d’application corresponde aux attentes de la population. ************************************** Bel échec à Bâle : votre tentative de prendre le contrôle de la Basler Zeitung (BAZ) a bien mal fini. La solution trouvée aujourd’hui, avec l’entrepreneur Moritz Suter, me convient. Pour le reste je n’ai été engagé que pour l’assainissement du groupe Basler Zeitung Medien. Christoph Blocher en simple consultant, c’est difficile à croire. Pourtant c’est la vérité. Je n’ai pas investi un seul franc dans la BaZ. Mais de nombreux proches étaient impliqués: Tito Tettamanti comme investisseur, Markus Somm, votre biographe, comme rédacteur en chef. Ca ressemble plutôt à une stratégie pour s’emparer du quotidien. Je suis vraiment un homme tout puissant (rire). La situation à Bâle est claire. Le journal local est menacé. Je sais que le groupe de la Neue Zürcher Zeitung (NZZ), et peut-être même Tamedia étaient intéressés. C’est alors que Tito Tettamanti est entré en jeu pour empêcher le rachat de ce quotidien par un groupe de presse. Tout comme il avait déjà fait pour Jean Frey (ndlr : à l’époque éditeur de la Weltwoche) au début des années 2000. Son but est de favoriser la diversité de la presse et d’empêcher le monopole des grands groupes. Une bonne chose pour la démocratie. Vous voulez combattre les grands groupes. Pourtant, il semble qu’ils sont les seuls à pouvoir maintenir des titres régionaux. La Weltwoche démontre qu’un titre peut s’en sortir et rester indépendant. L’intégrer dans un grand groupe lui permettrait d’avoir de meilleurs résultats financiers. Mais sa qualité, son indépendance en pâtiraient. Vous avez un hebdomadaire (la Weltwoche), une télévision sur internet. Vous vous intéressez maintenant à la presse quotidienne. Et il faudrait croire que vous n’avez pas de plans pour vous emparer de certains médias? Première précision : je n’ai aucune participation dans la Weltwoche. L’UDC avait certes envisagé de créer un quotidien à l’époque. Mais nous avons dû abandonner: partir de zéro était financièrement trop difficile. Allez-vous alors vous attaquer à la télévision, comme Silvio Berlusconi ? Je le répète. Cela ne m’intéresse pas d’avoir mon propre journal ou ma propre télévision. Je ne nourris pas les mêmes rêves que les dictateurs d’Allemagne de l’Est. Ce qui me dérange, c’est le monopole des grands groupes de presse ou du service public. La télé publique est avantagée. Le Berlusconi suisse, c’était Moritz Leuenberger. En tant que ministre, il gérait également des nominations et attribuait les concessions pour les radios et télévisions privées. Vous imaginez l’influence! Mais lui n’a pas lancé de TeleMoritz, alors que vous, vous avez TeleBlocher. C’est une petite émission de 20 minutes sur Internet qui ne coûte rien. On est bien loin de l’influence des journalistes dans les grands groupes de presse et le service public dont le courant dominant est de centre gauche. Même si ce n’est pas décrété par la direction, les journalistes sont tentés par l’autocensure. S’il ne reste plus qu’un employeur, mieux vaut ne pas le fâcher…Cette monoculture n’est pas bonne pour le débat d’idées et la démocratie directe. La presse a-t-elle encore du pouvoir, forge-t-elle vraiment les opinions ? L’influence existe. Nous devons dépenser beaucoup d’argent en annonce pour faire passer notre message. Les autres peuvent compter sur les journalistes. Vous jouez un peu les « Calimero »…Vos thèmes favoris sont traités dans les journaux. Je ne me plains pas. Mais lors de la récente campagne concernant l’initiative sur le renvoi des étrangers criminels la grande majorité des articles et des prises se position nous étaient défavorables. Ce qui me chagrine, c’est de publier des annonces dans des journaux qui écrivent contre nous. Mais comme c’est le prix à payer pour être entendu, je l’accepte. En fin de compte, c’est ca que vous voulez. Payer moins cher pour vos publicités en instaurant une presse pro-UDC. Non. Ce qui m’importe, c’est la diversité et l’indépendance des médias. Plus que la question gauche-droite, c’est la question de la diversité qui est centrale.

25.11.2010

«Ich renoviere seit 30 Jahren»

Christoph Blocher im Schloss Rhäzüns Beitrag im «Haus Club Magazin» vom 25. November 2010 mit Filippo Leutenegger Der Alt-Bundesrat öffnet exklusiv für Haus Club Magazin-Leser die Tore zur mittelalterlichen Burg in Rhätien. Es sei ein Bild des Jammers gewesen, meint Christoph Blocher: «Als die Ems-Chemie  das Schloss übernahm, war alles in einem ziemlich schlechten Zustand». Diverse Umnutzungen waren schuld: Vor dem 2. Weltkrieg wurde das Schloss, damals in Privatbesitz, jungen Auslandschweizern als Ferienlager zur Verfügung gestellt – und die respräsentativen Räume im Laufe der Geschichte ohne Rücksicht auf antike Kassettendecken und Wandmalereien unterteilt und zerstückelt. «Vor der Kosmetik waren aber zunächst handfestere Arbeiten nötig. Das Dach musste als Erstes gemacht werden.» Jetzt sind neu ungefähr hundertjährige Ziegel drauf, «weil das Schloss ja nicht geschleckt wirken darf. Wenn das so neu renoviert aussieht, gefällts mir nicht.» Christoph Blocher weiss genau, was er will und was es am Schloss Rhäzüns zu bewahren gilt. Das Fassadenfresko «Die Bärenhatz» aus dem 14. Jahrhundert an der Wehrturmaussenwand beispielsweise: «mühsam und risikoreich war das!» Erst musste natürlich ein Gerüst her – keine einfache Sache an solch einem stotzigen Hügel. Aufgrund eines alten Drucks war die Originalmalerei der «Bärenhatz» bekannt. «Drei bis vier Restauratoren sassen dann monatelang bei Wind und Wetter auf dem Gerüst und applizierten mit Tupfpinseln das neue Fresko.» Christoph Blocher lässt gleich noch eine Anekdote folgen: «Die Farbe hatten sie in winzigen Kaffeerahmbehälterli, stellen Sie sich das einmal vor! Um die Farbe möglichst originalgetreu aufzutragen!» Ob das nicht ein Vermögen gekostet habe? «Ach wissen Sie, die Einzelheiten darf man bei einem solchen Gebäude nicht zählen.» Trotzdem lässt sich Christoph Blocher dazu bewegen, eine ungefähre Zahl zu den bisherigen Investitionen zu nennen: «Wenn man alles zusammenrechnet, komme ich Handgelenk mal Pi auf ungefähr eine halbe Million im Jahr für Renovationen und Unterhalt.» Es sei ein Fass ohne Boden, man müsse Kompromisse machen: «Sehen Sie, das Bärenhatz-Fresko, das haben wir vor dreissig Jahren machen lassen. Jetzt ist es schon wieder verblasst, eigentlich steht jetzt schon die Restauration von der Restauration an – eine endlose Geschichte.» Die Christoph Blocher aber nach wie vor Freude macht. «Wissen Sie, die Aufgabe, wenn man die Mittel hat, ist es doch, solche Räumlichkeiten für die Nachwelt zu bewahren.» Weshalb das Schloss dann nicht öffentlich zugänglich sei? Der Alt-Bundesrat reagiert zum einzigen Mal an diesem Nachmittag ungehalten: «Sie würden auch nicht Krethi und Plethi durch Ihre Stube trampen lassen! Ausserdem wäre dann die Exklusivität des "Emser Gästehauses" weg, so bleibt das Schloss geheimnisvoll und speziell.» Ganz verschliesst Christoph Blocher die Räumlichkeiten aber nicht. Jedes Jahr dürfen die Rhäzünser Viertklässler einmal durch die Repräsentationsräume trapsen. Anstrengende Denkmalpflege Für die jährliche halbe Million für Renovationen und Unterhalt werden keine Subventionen bezogen. Auf Beiträge von der Denkmalpflege oder vom Kanton verzichten er und die Ems-Chemie lieber – und findet markige Worte: «Die reden sonst nur drein!» Am schlimmsten sei das im Raum mit dem Tristan-und-Isolde-Fresko gewesen: «Da meinten sie doch tatsächlich, die Mitte des Freskos sei weiss zu lassen!» Grund für das Loch im Fresko wäre gewesen, dass einst ein Durchgang durch die Wand gebrochen worden war und die Malerei deshalb nicht mehr originalgetreu restauriert werden könne. «Dabei hatten wir Referenzmaterial! Und auch sonst hätten sie mir diesen schönen Raum zerstört!» Ein Stützbalken an der Decke sei nämlich morsch gewesen und habe ersetzt werden müssen. «Jetzt stellen Sie sich vor: Da meinten die doch wirklich, statt einen neuen, ähnlichen Holzbalken einzusetzen, müsse man zeigen, dass das nicht mehr der Originalzustand sei – und stattdessen einen rot gestrichenen Metallträger einbauen! Da sträuben sich einem doch alle Haare!» Christoph Blocher hat noch weitere Ankedoten zum kantonalen Amtsstellen parat – und zeigt dabei auch gleich Selbstironie: Das Eingangsfresko über dem Tor zeigt sämtliche Wappen der vergangenen Schlossherren. Mitten drin ist der Habsburger-Adler abgebildet – «die waren ja auch am längsten Schlossbesitzer. Als es um die Restauration ging, meinte eine Amtsstelle doch tatsächlich, da dürfe der Habsburger-Adler nicht mehr drauf! Da müsse stattdessen der Bündner Steinbock hin! Aber solche Geschichtsklitterung, da weigere ich mich! Da mache ich nicht mit! Am Schluss hat das Amt – nach Ordner füllender Korrespondez – gemeint: ‹Herr Blocher, machen Sie was Sie wollen, wenn Sie nur das Blocher-Wappen nicht draufmalen!› Jetzt ist der Adler wieder drauf!» In den Sessel im grossen Napoleon-Zimmer setzt er sich aber doch gern – auch wenn es historisch nicht erwiesen ist, ob der französische Kaiser jemals hier war. «Aber für die chinesischen Kunden der Ems, für die ist das Napoleon-Zimmer das Grösste, auch wegen der Aussicht, sehen Sie: Da fliesst der Rhein direkt auf uns zu!» Und da in der chinesischen Tradition die Häuser als die glücklichsten gälten, auf welche Wasser zufliesst, geraten die Chinesen regelmässig komplett aus dem Häuschen: «Die staunen dann immer ganz begeistert, ich müsse der glücklichste Mann auf der Welt sein!» Den ganzen Hügel gesichert Die Restaurierung von Fresken ist aber eher das Dessert. Als die Ems-Chemie die Burg übernahm, galt es zunächst, die Räumlichkeiten sicher und überhaupt wieder bewohnbar zu machen. Neben einem neuen Dach war deshalb zunächst auch ein noch grundlegenderer Eingriff vonnöten: «Das Schloss steht auf dem Fels eines Bergsturzes», erklärt Blocher. Das ganze war nicht mehr stabil: «Man erzählt, ein Teil des Schlosses sei im Mittelalter einmal mitsamt dem Hang abgerutscht.» Um die Liegenschaft zu sichern, musste deshalb zunächst der ganze Hügel mit Ankern «geklammert» werden, was Querbohrungen durch den ganzen Hügel erforderte. Erst dann, sowie nach der Restaurierung des Dachs, ging es daran, die Räumlichkeiten wieder wohnbar zu machen. Diverse Böden mussten ausgetauscht, sanitäre Anlagen – «da hielten wirs einfach und simpel, es ging vorallem darum, die Raumstrukturen nicht zu zerstören» – und ein Heizsystem installiert werden. «Erdwärme kam nicht in Frage, wir stehen ja auf einem Geröllfels.» Das Schloss wird deshalb mit einigen antiken Kachelöfen, die noch in Betrieb sind, sowie, wo nötig, mit Elektroöfen geheizt. «Im Winter ist es trotzdem kalt», meint Silvia Blocher. Sie sitzt deshalb am liebsten im gemütlichen grünen Salon, den sich die Blochers in einer bequem ausgebauten Dreizimmerwohnung im Schloss eingerichtet haben. Christoph Blocher hält sich derweilen gern im Saal mit dem blauen Kachelofen auf. «Dieser Raum hat schon hitzige politische Diskussionen gehört», meint Blocher: «Unter anderem haben der damalige Präsident der Nationalbank Paul Stopper und der Ems-Chemie-Gründer Werner Oswald in den siebziger Jahren auf dem Ofenbänkli über die Währungspolitik verhandelt.» Blocher schreibt hier auch seit Jahren seine Albisgüetli-Rede. «Die 700 Jahre, die der Raum schon erlebt hat, die übertragen sich beim Schreiben!»

13.11.2010

Abgeschottet oder Insel der Glückseligkeit?

Die Schweiz in Europa Meine Replik auf den Beitrag von Adolf Muschg für die "BaZ" vom 13.11.10 Beitrag von Adolf Muschg, BaZ 6.11.10 In einem Streitgespräch entfuhr Adolf Muschg kürzlich der Ausspruch, die EU sei etwas für „intelligente Leute“. Die Missfallenskundgebung im Publikum galt wohl dem versteckten Vorwurf, dass sich die Dummen für eine unabhängige Schweiz entschieden hätten. In den letzten Monaten sprach ich nicht nur mit Dichtern und Professoren, sondern gerade auch in der Europäischen Union mit Unternehmern, Gewerbetreibenden, Taxifahrern, Rentnern. Sie sind wütend über andere EU-Staaten, ihre Zukunftssorgen sind gross, das Ansehen ihrer Politiker ist klein. Sie sehen die Schwäche des Euro, die unglaubliche Verschuldung der meisten EU-Staaten und die hilflosen Rettungsaktionen mit Milliarden, die niemand besitzt. Und sie beneiden die Schweiz, weil sie nicht dabei sei. Der angeblich abgeschottete Sonderfall wird plötzlich zum Vorbild und zur "Insel der Glückseligkeit" – aber leider auch zum Objekt des Neides. Fehlkonstruktion Was sich gegenwärtig in der Europäischen Union zeigt, ist mehr als eine Krise. Die EU offenbart nun mit aller Deutlichkeit ihre intellektuelle Fehlkonstruktion. Sie harmonisiert, behandelt gleich, was ungleich ist, verteilt um, merzt den Wettbewerb aus – kurz: Sie verletzt ständig die liberalen Grundsätze. Der schlimmste Sündenfall war die Schaffung des Euro, einer gemeinsamen Währung für Länder mit völlig unterschiedlichen Finanz-, Steuer- und Wirtschaftsordnungen. Lange konnte man die Mangelhaftigkeit dieses Euro-Konstruktes überspielen und verdecken. Doch jetzt ist der Traum der europäischen Eliten in Politik, Verwaltung, Medien, Kultur und Gesellschaft gescheitert. Das Experiment, verschiedenste volkswirtschaftliche Mentalitäten und Kulturen unter ein einheitliches, gleichmacherisches Recht und unter eine gleiche Währung zu zwingen, konnte nicht erfolgreich sein. Dramatische Folgen Die Folgen der gewaltigen Umverteilung sind dramatisch. Der Tüchtige finanziert jene, die über ihre Verhältnisse leben. Die Empfänger verliessen und verlassen sich auf die Geber, sie tricksten und fälschten Statistiken und Bilanzen, arbeiteten immer weniger, gingen immer früher in Rente und schufen statt Arbeitsstellen in der Wirtschaft massenhaft Staatsstellen. Kommt es zum Kollaps, werden Milliarden von Euros bereitgestellt, um den Bankrott von EU-Mitgliedsländern vorläufig abzuwenden – was andere zu noch splendiderem Verhalten in der Zukunft animiert. Einschreiten kann niemand. Seit Jahren ist der Euro für die einen Länder zu stark und für die andern zu schwach. Weil eben alle verschieden sind, aber trotzdem die gleiche Währung haben. Das musste bald zu gewaltigen Fehlentwicklungen führen. Kein Staat konnte durch die eigene Notenbank und eine eigene Währung eingreifen; man hat ihnen ja beides genommen. Ein Ausstieg aus der Währung ist in der EU nicht vorgesehen. Es zeigt sich die alte Weisheit: Politische Währungen ohne wirtschaftlich solides Fundament waren in der Geschichte noch nie über längere Zeit erfolgreich. Und die Schweiz? Noch steht die Schweiz wesentlich besser da. Doch unsere Politiker brauchen sich darauf nicht allzu viel einzubilden. Dass die kleine Schweiz nicht im Schlamassel der EU versinkt, ist nicht der weit vorausschauenden Weisheit von Politikern, Verwaltung, Wirtschaftsfunktionären, Medien oder „Intellektuellen“  zu verdanken. Denn diese wollten und wollen mehrheitlich in die EU und haben auch ein Beitrittsgesuch in Brüssel deponiert. Grosse, zentralistische, gleichmacherische Systeme üben auf die Eliten ihre Faszination aus. Nein, die bessere Stellung der Schweiz verdanken wir allein der besonderen Staatsform der Schweiz, einer freiheitlichen Verfassung, die auf der Basis der Souveränität und der Neutralität eines direktdemokratischen Kleinstaats mit betont föderalistischer Struktur beruht. Sie gibt den Bürgern und den 26 Kantonen die letzte Entscheidungsmacht. Europa begreifen Es waren denn auch Volk und Stände, die in der wichtigsten Volksabstimmung des letzten Jahrhunderts – am 6. Dezember 1992 – mit ihrem Nein zum Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) den Politikern den Eintritt in den Vorhof zur EU versperrten. Wir verdanken die bessere Situation also dem liberalen, bürgerfreundlichen, föderalistischen Sonderfall Schweiz. Und heute wollen alle in die Schweiz: die Reichen, die Armen, die Flüchtlinge, die Erwerbstätigen, die Selbständigerwerbenden, die legalen und illegalen Einwanderer. Unser Kleinstaat steht immer noch da. Denn unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger haben vielleicht mehr von Europa begriffen als Generationen von Brüsseler Bürokraten. Sie haben sich instinktiv an einen grossen Schweizer Denker gehalten, dem möglicherweise nicht einmal Professor Adolf Muschg die Intelligenz absprechen könnte. Der Basler Kulturhistoriker Jacob Burckhardt schrieb schon vor über hundert Jahren: „Retter Europas ist vor allem, wer es vor der Gefahr der politisch-religiös-sozialen Zwangseinheit und Zwangsnivellierung rettet, die seine spezifische Eigenschaft, nämlich den vielartigen Reichtum seines Geistes, bedroht.“

12.11.2010

Blochers Abrechnung mit der Finanzwelt

Interview im «Magazin Stocks» vom 12. November 2010 Stocks: Die Person Christoph Blocher als Politiker polarisiert ungemein, fällt der Name Christoph Blocher als Unternehmer, applaudiert man anerkennend. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz? Christoph Blocher: Die Wirtschaft hat erfolgreiche Leute gern, die Politik nicht. Wie definieren Sie Erfolg? Im Gegensatz zur Politik ist der Erfolg in der Wirtschaft messbar. Ich bin seit 30 Jahren selbständiger Unternehmer und habe bei Null angefangen. Mit der Ems-Chemie habe ich ein Unternehmen übernommen, dass damals vor dem Bankrott stand – und habe dieses, auch mit Hilfe von Bankkrediten zum Erfolg geführt. Erfolg hat man als Unternehmer aber auch dann, wenn das Geschäft nach dem persönlichen Rückzug weiterläuft – und auch das ist mir gelungen. Ich habe tüchtige Kinder, die noch erfolgreicher sind als ich. Haben Sie nie Gegenwind gespürt? Natürlich war mein Vorgehen nicht immer unumstritten, doch der wirtschaftliche Erfolg wird letztlich auch von Gegnern akzeptiert. Gute Politiker – um auf Ihre Einstiegsfrage zurückzukommen – reifen erst dann zu Persönlichkeiten, wenn sie umstritten sind. Schauen Sie die Geschichte an, ohne dass ich mich mit diesen Namen messen will: Winston Churchill oder Helmut Schmidt, einer der besten Kanzler, die Deutschland je hatte, waren unglaublich umstritten. Als Politiker will ich etwas bewegen. Beispielsweise, dass die Schweiz nicht der EU beitritt und folglich auch keinen Euro hat. Bei den aktuellen Turbulenzen um die Einheitswährung lachen Sie sich sicher heimlich ins Fäustchen. Nein, ich habe Turbulenzen nicht gern. Wir sind mit diesen Ländern wirtschaftlich verbunden. Mich plagt lediglich, dass man das Dilemma nicht früher gesehen hat – das wäre möglich gewesen. Ich habe mich bisher noch nie so intensiv für etwas eingesetzt, wie für eine neutrale, unabhängige und direkt-demokratische Schweiz. Zu Beginn dieses Kampfes war ich nicht sicher, ob ich recht habe. Heute schon? In der Schweiz behaupteten Anfang der Neunzigerjahre namhafte Leute, darunter Ökonomen oder gar Bundesräte, dass die Schweiz ohne EU-Beitritt verarmen und untergehen werde. Und heute haben wir genau das gegenteilige Problem: Eine starke Wirtschaft und eine starke Währung. Alle beneiden uns um diese Situation. Die Schaffung des Euro war ein Fehler. Sind Sie in Euro investiert? Nein. Dann stört Sie der starke Franken nicht? Doch. Nehmen Sie Ems-Chemie als Beispiel: 96 Prozent des Umsatz werden im Ausland erzielt, zwei Drittel davon im Euro­raum. Vielleicht ist es ein Vorteil des Alters, dass ich die Frankenstärke trotzdem nicht so ernst nehme. Für den Moment bedeutet sie Gewinnschmälerungen, über die Jahre gleicht es sich wieder aus. Für die Schweizer Wirtschaft ist der Franken aber zu einem echten Problem geworden. Der starke Franken hat uns gezwungen, gescheite Massnahmen zu treffen. Wenn eine Wirtschaft nur wegen der schwachen Währung stark wird, ist das kurzfristig vielleicht vorteilhaft, aber auf die Länge eine gesunde Entwicklung. Namentlich die Schweizer Maschinen-Industrie profitierte in den vergangenen Jahren von einem schwachen Franken – aber das ist keine industrielle Grundlage. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat das Problem drastischer gesehen und Euro-Stützungskäufe getätigt. Ich war immer gegen diese Interventionen. Es wurden ja unglaubliche Summen eingesetzt. Aus Schweizer Optik ja, für den weltweiten Devisenmarkt fast vernachlässigbar. Genau. Kommt hinzu, dass der Markt, seit die SNB mit den Interventionen aufgehört hat, viel ruhiger verläuft. Eine Studie der UBS kam kürzlich zum Schluss, dass der Euro nur durch einen Austritt Deutschlands zu retten wäre. So absolut würde ich das nicht formulieren, aber die Aussage geht in die richtige Richtung. Die Konstruktion einer gemeinsamen Währung ist verrückt – man hat aus politischen Gründen etwas geschaffen, das in der Weltgeschichte noch nie Bestand gehabt hat. Es wurden Konvergenzkritierien definiert, die heute niemand mehr einhält – das kann nicht funktionieren. Wie haben Sie das Säbelrasseln namens «Wäh­rungs­krieg» erlebt? Das ist für mich kein neues Phänomen. Gebärden sich aber nicht die USA äusserst scheinheilig? Natürlich, die USA profitieren von einem schwachen Dollar. Aber China steht länger je mehr auf die Hinterbeine – und sie machen das geschickt, indem sie für Dollar Rohstoffe auf 30 bis 40 Jahre hinaus kaufen. Die USA konnten bisher trotz grosser Verschuldung immer wieder neue Kredite aufnehmen und genossen hohes Vertrauen. Dieses ist nun am Bröckeln, weil die grössten kreditgebenden Länder mit dem Dollar viel verloren haben. Hören wir Sympathien für China heraus? Ich kenne das Land sehr gut und war einer der ersten, der nach der Öffnung dort war. Zwischen 1983 und 2003 haben wir dort 117 Fabriken gebaut. Sympathien für einen sozialistischen Staat. In der Wirtschaftspolitik sind die Chinesen alles andere als Sozialisten. Da macht jeder was er will und kann. Das muss nicht unbedingt positiv sein. Einverstanden. Sie erlebten keine negativen Auswüchse? Die Anarchie ist grundsätzlich bewunderswert, weil sie die höchste Form der Freiheit darstellt. Aber am Schluss kann es auch im Chaos enden. Deshalb greift in China der Staat mit wesentlichen marktwirtschaftlichen Methoden durch, bändigt die Überhitzung und reguliert die Geldmenge. Gutes Stichwort: Die Drosselung der Geldmenge ist in Europa und den USA derzeit kein Thema. Ihre Einschätzung? Das ist sehr gefährlich. Wie lange kann die Tiefzinspolitik noch verfolgt werden? Die Frage ist vielmehr: Haben die Notenbanken die Grösse, um das Geld wieder zurücknehmen zu können? Ihre Antwort? Ich befürchte: Nein. Die europäischen Länder haben ja keine eigenen Notenbanken mehr. Deutschland müsste jetzt eigentlich handeln und Geld abschöpfen können, der Wirtschaft geht es gut. Doch die Europäische Zentralbank wird nichts unternehmen. Deshalb noch einmal: Die EU ist eine intellektuelle Fehlkonstruktion. Sie liefern das Stichwort Fehlkonstruktion. Passt dieses auch zu den neuen Banken-Regulatorien? Der internationale Ansatz «Basel III» konzentriert sich auf mehr Eigenmittel – das begrüsse ich. Wenn weltweit alle mitmachen, kann man ungleiche Konkurrenzverhältnisse nicht mehr als Ausrede gelten lassen. Glauben Sie daran, dass alle mitmachen? Das ist eine berechtigte Frage. So oder so muss die Schweiz ihren Weg gehen. Ich bin Industrieller: Mir käme es doch nie in den Sinn, mit 10 oder 14 Prozent Eigenkapitalquote wirtschaften zu wollen – ich habe aus Sicherheitsgründen immer 40 bis 60 Prozent angestrebt. Die Regulatorien werden zur Folge haben, dass Bankenkrisen weniger schnell ausbrechen – sie werden aber nicht verunmöglicht. Mit dem «Swiss Finish» sind Sie zufrieden? Fakt ist: Die Schweiz muss eigenmächtig handeln. Was müssen Banken vortreffen, damit sie, wenn es ihnen schlecht geht, untergehen können und der Staat nicht verpflichtet ist, Garantien zu leisten. Ich sehe mit Freuden, dass mein Denkansatz zu greifen beginnt, nachdem ich anfänglich als Schwarzmaler bezeichnet worden bin. Wie hat sich die ausgedrückt? Noch vor nicht allzu langer Zeit behauptete die Credit Suisse, eine Bank von dieser Grösse könne nicht untergehen. Das ist Schwachsinn: Jedes Unternehmen muss untergehen können, sonst fehlt jegliche Triebfeder zur Rettung. Die Banken sind aber auch mit dem «Swiss Finish» unverändert gross und folglich ein Systemrisiko. Die Banken müssen aufgegliedert werden. Genau das passiert nicht. Aber es kommt Bewegung in die Sache. Als UBS-Chef Oswald Grübel kürzlich gefragt wurde, was passieren würde, wenn die von Blocher vorgeschlagene Holding-Struktur umgesetzt werden müsse, antwortete er: «Die Aktienkurs wird steigen.» Begründet hat er es mit dem zusätzlichen Vertrauen in die Bank. Ich bin fast vom Stuhl gefallen... Auch die CS liess durchblicken, dass mit Clariden Leu oder der Neuen Aargauer Bank eine solche Holding-Struktur möglich wäre. Eben. Es findet allmählich ein Umdenken statt. Anders sind die US-Investmentbanker nicht in den Griff zu bekommen. Erst wenn sie bei einer unabhängigen Bank Kredite zu marktkonformen Zinsen holen müssen, wird der Erfolgsdruck grösser. Sie sprechen darauf an, dass beide Grossbanken zuletzt wieder Verluste im Investmentbanking verzeichneten... ... und dort unter dem Strich noch nie Geld verdient haben. Auch Grübel musste in der bereits erwähnten Gesprächsrunde zugeben, dass er mit der CS immerhin einmal «Breakeven» erreicht habe. Wenn dies das Erfolgsrezept der Banken ist, dann gute Nacht. Aber – und jetzt komme ich zum Positiven der Finanzkrise: Alles ist vernünftiger geworden. Ist das Ihr Ernst? Ja. Wenn ein Bankenpräsident zugibt, dass in einem Bereich noch nie Gewinne gemacht wurden, ist das ein erster Schritt. Die Banken wären ja zudem dumm, wenn sie das «Too-big-to-Fail»-Problem nicht zugeben würden. Es braucht doch keine Instanz des Staates: Dieser will Einblick und redet bei jeder Gelegenheit mit. Die Bankenaufsicht wird aber auch weiterhin nicht funktionieren – sie hat das auf der ganzen Welt noch nie getan. Aber sie wird weiter dreinreden. Natürlich, so sind Politiker. Es kann doch in Bern niemand das Risiko einer Bank beurteilen, wenn er nicht selbst drinsitzt. Sie kritisieren die Finma, obwohl die Banken selbst bewiesen haben, dass sie das Risiko auch nicht einschätzen konnten. Fehler sind doch ganz natürlich: Auch in der Industrie läuft jedes Unternehmen stets Gefahr, dass es zu Grunde geht. Ich kenne kein Unternehmen, dass 2000 Jahre Bestand hat. (lacht) Doch: Eine Ausnahme gibt es – die katholische Kirche. Aber die legen die Bilanz erst im Himmel vor – und dann bin ich gespannt, was alles zum Vorschein kommt... Die Banken hatten den Erfolgsdruck nicht – sie sagten sich: Wir sind so gross, man lässt uns nicht fallen. Und das geht nicht. Hätte man also in den USA, wo die Banken weniger systemrelevant sind, mehr als nur Lehman Brothers fallenlassen sollen? Eindeutig. Das würde die Banken dazu bringen, vorsichtiger zu geschäften. Ich bin gegen die Rettung von Unternehmen. Glauben Sie daran, dass die Banken heute kostenbewusster geworden sind? Ich zweifle noch dran, die Banken sind in diesem Punkt wenig hellhörig. Es ist zu einfach, wenn man behauptet, dass die Leute mit weniger Lohn nicht halten sind. Ist das Lohnsystem mit den hohen variablen Komponenten falsch? Nein. Ich war der Erste, der Bonuszahlungen eingeführt hat. Aber: Leistungsbonus ist nicht das gleiche wie Gewinnbonus. Wenn der Bonus nur einseitig an den Gewinn gekoppelt ist, findet eine zu kurzfristige Denkweise statt. Das zu Ende gehende Börsen-Jahrzehnt war turbulent und auch geprägt von Ihrer Zusammenarbeit mit Martin Ebner und seinen Visionen. Welche Visionen haben Sie heute? Ich bin mit diesem Begriff sehr zurückhaltend. Alt-Bundeskanzler Schmidt sagte: Wenn einer Visionen hat, soll er zum Psychiater. Obwohl ich in die Pharma Vision sehr erfolgreich investierte, war ich beim Namen immer sehr skeptisch. Ihr Börsen-Erfolgsrezept? Kapital will investiert sein. Ich rate aber allen Leuten, die nicht genügend Geld haben, vom Aktienkauf ab. Das Thema «Volksaktie» ist vom Tisch? Absolut. Trotzdem wollen wir einen Investment-Tipp. Ich investierte in Firmen, die schlecht laufen... ... also beispielsweise die UBS. (lacht) In Banken investiere ich grundsätzlich nicht, ich suche den Industriesektor. Die UBS-Aktie wäre aber ein Kauf? Schon vor einem Jahr sagte ich: Die Bank kann nicht mehr viel falsch machen. Sie ist gewillt, es zieht Seriosität ein. Mit Grübel wurde der derzeit tüchtigste Banker an die Spitze geholt, den die Schweiz derzeit hat. Wie oft standen Sie selbst wieder davor, operativ irgendwo einzugreifen? In die eigenen Firmen komme ich sicher nicht mehr zurück. Meine neugegründete Firma konzentriert sich auf Investitionen und Beteiligungen – da kann es schon sein, dass ich auch mal aus dem Hintergrund führe. Wenn eine grössere Chance käme, würde ich nicht per se «Nein» sagen. Nach dem vorherigen Werbespot sehen wir, sollte es der Credit Suisse in zehn Jahren schlecht gehen, folglich das Duo Grübel/Blocher an der Spitze? Nein. Von Banken verstehe ich heute zu wenig. Dafür kennen Sie die Ems-Chemie. Sind Sie neidisch auf den Erfolg Ihrer Tochter? Nein, nicht neidisch, sondern stolz. Wenn ich heute behaupte, meine Kinder würden die Firmen besser führen als ich, dann soll das auch ein Provokation sein. Bei der Ems-Chemie stammen die heutigen Produkte notabene alle noch aus meiner Ära. Magdalena Martullo muss sich also erst noch beweisen? Ja. Jetzt müssen neuen Produkte her – aber dafür wird sie auf jeden Fall sorgen. Wir diskutieren über Ihre Kinder. Wie wichtig ist Ihnen die Familie? Ich bin ein konservativer Mensch. Für mich ist die Familie eine Rückzugsposition – ohne Familie vereinsamt man. Aber ich bin für Führung, auch in der Familie. Der Auftrag steht im Mittelpunkt, das ist mein Führungsgrundsatz und Erfolgsgeheimnis. Zu Hause ist meine Frau der Chef, in meinen Bereichen bin ich es. Gemeinsam Verantwortung tragen funktioniert nie. Selbstverwirklichung ist eine egozentrische Krankheit der Politiker... ... und Manager? Ja, immer dann, wenn es gut läuft. Und wenn es schlecht läuft... ... holt man die repräsentativen Figuren. Ihr Top-Ereignis im vergangenen Jahrzehnt? Die Erlebnisse mit Martin Ebner. Sie haben mir gezeigt, wie gefährlich es ist, wenn man von den traditionellen Grundsätzen abweicht. Die da heissen? Auf wenig konzentrieren – und mit viel Eigenkapital ausgestattet arbeiten. Das Gegenteil davon hat die weltweite Finanzkrise ausgelöst. Welche Schlagezeile lesen wir in zehn Jahren über die Wirtschaftsnation Schweiz? Nach wie vor ein Wunder... (kurze Pause) so lange wir unabhängig bleiben (lacht).