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06.12.2010
05.12.2010
Die Wahlen 2011 werden jetzt noch wichtiger
Interview im «SonntagsBlick» vom 5. Dezember mit M. Odermatt und K. Wittmann<br><br> Herr Blocher, vor einer Woche brachte die SVP zum ersten Mal eine eigene ausländerpolitische Initiative ins Ziel. Worauf führen Sie diesen Sieg zurück? Christoph Blocher: Die Abstimmung ist ein Misstrauensvotum gegen die Behörden. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung in der Ausländerpolitik wird jedes Jahr deutlicher – nicht nur wegen der Zuwanderung von Kriminalität, aber das auch - und weil die Behörden nicht handeln. Die SVP hat die absolute Mehrheit der Stimmbürger auf ihrer Seite, wenn sie aufs richtige Thema setzt. Was bedeutet das für die Zukunft? Die Wahlen 2011 werden jetzt noch wichtiger. Es nützt nichts, wenn vom Volk gute Initiativen verabschiedet, diese aber in Bern nicht vollzogen werden. Darum muss die SVP die Wahlen gewinnen, SVP-Parlamentarier müssen dafür sorgen, dass die Anliegen der Bürger durchgesetzt werden. Warum scheiterte der Gegenvorschlag trotz breiter politischer und publizistischer Unterstützung fast aller Medien? Die Gegenseite hat ihre Argumentation viermal geändert. Zuerst - ich war noch Bundesrat – die Initiative brauche es nicht. Dann nach der Anti-Minarett-Initiative hiess es, das Anliegen sei gerechtfertigt, aber so könne man es nicht machen. Schliesslich meinten die Gegner, unsere Initiative sei zu unmenschlich. Zum Schluss behaupteten sie, der Gegenvorschlag sei noch härter als die Initiative. Das ist unglaubwürdig. Ihre Gegner behaupten, Sie hätten das Volk mit einer 10 Millionen Franken teuren Kampagne gekauft. Das ist auch gar viel! Wir haben noch nicht alle Abrechungen auf dem Tisch, ich rechne aber damit, dass wir am Ende rund vier Millionen ausgegeben haben werden. Unser Vorgehen zur Finanzierung ist immer das Gleiche. Und zwar? Wir gehen mit unserer geplanten Kampagne zu Leuten und fragen, ob sie uns dabei unterstützen wollen: Dann bezahlen sie konkret. Auch ich bezahle persönlich. Mir ist die Schweiz etwas wert. Nicht wie den feinen Damen und Herren, die sich wegen Geldmangel beklagen, aber nichts bezahlen – weil ihnen die Schweiz eben nichts wert ist. Die SP hat viele Millionäre in ihrer Fraktion. Auch ich würde gerne den Textteil für uns haben und auf die bezahlten Inserate verzichten. Können wir einmal tauschen? Tauschen? Was denn? Ich würde gern mal auszählen, wie viele Artikel gegen die Ausschaffungsinitiative und für den Gegenvorschlag veröffentlicht wurden. Und dann berechnen, wie viel es gekostet hätte, wenn unsere Gegner das hätten kaufen müssen – als Inserate. Warum legt die SVP nicht einfach die Karten auf den Tisch und legt offen, wer in diesem Abstimmungskampf wie viel bezahlt hat? Weil jeder geächtet wird, der uns unterstützt. Wenn wir die Namen bekannt geben, bekämen wir von diesen Leuten kein Geld mehr. Simonetta Sommaruga will eine Arbeitsgruppe zur Umsetzung der Initiative ins Leben rufen. Das müsste doch ganz in Ihrem Sinne sein... Ich hatte Freude, als ich sie am Sonntag hörte. Sie sagte «Das Volk hat entschieden, das wird umgesetzt und sie bilde eine Arbeitsgruppe mit den Initianten." Aber bis heute hat sie vieles verspielt. Wie meinen Sie das? Sie will die SVP "einbinden", damit wir nachgeben. Das hat sie unterdessen erklärt. Wenn sie aber verlangt, dass wir mithelfen, die Initiative zu verwässern, bin ich dagegen, in dieser Gruppe mitzumachen. Wir fordern, dass das Begehren umgesetzt wird. Ohne Wenn und Aber. Dafür ist Frau Sommaruga gewählt. Dann würden Sie auch selbst in die Arbeitsgruppe gehen? Wir haben gute Leute, die wir schicken können. Als ehemaliger Justizminister wären Sie doch prädestiniert! Wenn wir jemanden finden, der es besser macht als ich und sich durchsetzen kann, dann soll er oder sie es machen. Im Übrigen liegt uns noch keine Einladung vor. Glauben Sie nach dem Triumph vom Sonntag an einen Sieg bei den Nationalratswahlen 2011? Ich bin nicht intelligenter als andere Leute und auch kein Prophet. Aber wir werden wahrscheinlich die Wahlgewinner sein – es sei denn, wir würden noch alle kriminell (lacht). Wenn keine Katastrophe geschieht, dann sollten wir im nächsten Oktober gut abschliessen. Können Sie das etwas genauer beziffern? Unser Ziel ist 30 Prozent. Wir wissen aber, dass das schwierig sein wird. Es wäre schon eine riesige Leistung, die hohen 28,9 Prozent vom letzten Mal zu halten. Was uns sehr zuversichtlich stimmt, ist die Tatsache, dass wir bei den kantonalen Wahlen in den vergangenen drei Jahren von allen Regierungsparteien am besten abgeschnitten haben. Was würde das bedeuten – die SVP als 30-Prozent-Partei? Ich bin überzeugt, dass das in Bern vieles auslösen würde. Die Mitteparteien werden endlich näher an uns heranrücken müssen, um nicht unterzugehen. Wieso? Weil sie sich dann fragen müssten, ob die faktische Mitte-Links-Koalition gegen die SVP, die heute ja in den wesentlichen Fragen des Landes gilt, aufgekündigt werden soll. Das müssen Sie uns erklären. Die Mitte muss sich fragen, ob sie weiterhin in Fragen wie z.B. EU, Migration, Schule, Landesverteidigung mit der SP gegen die SVP regieren wollen. Dazu kommt: Die SP ist für die Abschaffung der Armee. Und sie will den Kapitalismus überwinden. (Keine europäische Sozialdemokratische Partei möchte das noch). Und faselt wieder vom demokratischen Sozialismus! Strebt die SVP nach den Wahlen eine Mitte-Rechts-Regierung an? Die SVP ist für die echte Konkordanz. Aber ich weiss nicht, wie man mit der SP nach diesen Parteibeschlüssen in einer Regierung noch einen Kompromiss nach links zustande bringen kann. Erreicht die SVP 30 Prozent. Fordert Sie dann einen vierten Bundesrat? (lacht) Wir sind schon mit zwei zufrieden. Mehr fordern wir erst mit 40 Prozent. Mit welchen Themen geht die SVP in den Wahlkampf? Die Themen – kein EU-Beitritt, Ausländerpolitik in Ordnung bringen, keine neuen Steuern – sind immer noch so aktuell wie im Wahlkampf 2007. Dann nehmen wir das Problem der schlechten Schulen auf. Ein EU-Beitritt steht doch schon lang nicht mehr zur Debatte! Die meisten Politiker in Bern haben die Absicht, der EU beizutreten. Auch wenn sie nicht wagen, dies öffentlich zuzugeben, denn 70 Prozent der Bevölkerung sind gegen einen Beitritt. Ich sehe hier grosse Auseinandersetzungen auf uns zu kommen. Welche? Ende Jahr kommt der Bericht der Expertenkommission. Wenn es nach dem Willen der Europäischen Union geht, soll die Schweiz künftig automatisch EU-Recht übernehmen. Wir würden zum Satelliten der Europäischen Union. Das werden wir nicht zulassen. Wie wollen Sie vorgehen? Es ist noch nicht klar, wie ein entsprechendes Abkommen zwischen der Schweiz und der EU umgesetzt werden soll. Aber wenn die Schweiz einen solchen Vertrag abschliesst, muss er dem Parlament vorgelegt werden. Er wird eine Referendumsklausel haben – und dieses Referendum würden wir ergreifen. Sie bezweifeln also, dass die Schweiz in den nächsten Jahrzehnten der EU beitreten wird? Ich bin überzeugt, dass wir es leichter haben als in den letzten zwei Jahrzehnten, einen Beitritt zu verhindern. Vor zwanzig Jahren, als wir über den EWR abstimmten, war die EU noch eine lockere Wirtschaftsgemeinschaft. Heute ist sie ein staatenähnliches Gebilde mit einer Währungsunion, die nicht funktioniert und mit Staaten, die faktisch bankrott sind. Warum sollte die Schweiz einer solchen Organisation beitreten? Diese Tage diskutiert Ihre Partei, mit welchem konkreten Projekt sie in die Wahlen 2011 ziehen soll. Was empfiehlt der Strategiechef? Im Moment haben wir einen Basar von Ideen. Den wollen wir auch. Aber über Strategien spricht man nicht - man hat sie. Soll die SVP die Kündigung der Personenfreizügigkeit anpeilen? Ich bin der Meinung, die Verträge mit der EU sollten angepasst werden. Dazu müssen sie vielleicht zuerst gekündigt werden. Vieles ist nicht in Ordnung, z.B. dass ein EU-Zuwanderer ab dem ersten Tag Arbeitslosenentschädigung beziehen kann, die überfüllten Hochschulen und die Grenzgängerregelung. Was halten Sie von der Idee, das Strafrecht mittels Volksinitiative zu verschärfen? Derzeit kämpft die SVP im Parlament. Wenn die SVP die Wahlen 2011 gewinnt, finden wir wahrscheinlich Unterstützung bei den anderen Parteien. Dann dürfte sich eine eigene Initiative erübrigen.
03.12.2010
Il n’est pas vague!
Interview avec 24 Heures et la Tribune de Genève, 03.12.10 Après la victoire de dimanche, vous êtes euphorique. Non. Le Conseil fédéral, son administration et le parlement ont reçu une mission claire: mettre en œuvre l’initiative. Or, j’entends les perdants nous expliquer que ce sera difficile et que les initiants devraient expliquer comment. N’est-ce pas normal avec un texte d’initiative aussi vague… Il n’est pas vague ! L’UDC ne participera donc pas au groupe de travail que la ministre de la justice Simonetta Sommaruga mettra sur pied avant Noël ? C’est moi qui ai introduit la pratique du groupe de travail après le vote sur l’internement à vie des criminels dangereux. Mais mon but était de permettre aux partisans du texte de contrôler sa mise en œuvre. La motivation de Madame Sommaruga est autre. Opposée à notre solution, elle attend des compromis. Nous serons là pour contrôler que la loi d’application corresponde aux attentes de la population. ************************************** Bel échec à Bâle : votre tentative de prendre le contrôle de la Basler Zeitung (BAZ) a bien mal fini. La solution trouvée aujourd’hui, avec l’entrepreneur Moritz Suter, me convient. Pour le reste je n’ai été engagé que pour l’assainissement du groupe Basler Zeitung Medien. Christoph Blocher en simple consultant, c’est difficile à croire. Pourtant c’est la vérité. Je n’ai pas investi un seul franc dans la BaZ. Mais de nombreux proches étaient impliqués: Tito Tettamanti comme investisseur, Markus Somm, votre biographe, comme rédacteur en chef. Ca ressemble plutôt à une stratégie pour s’emparer du quotidien. Je suis vraiment un homme tout puissant (rire). La situation à Bâle est claire. Le journal local est menacé. Je sais que le groupe de la Neue Zürcher Zeitung (NZZ), et peut-être même Tamedia étaient intéressés. C’est alors que Tito Tettamanti est entré en jeu pour empêcher le rachat de ce quotidien par un groupe de presse. Tout comme il avait déjà fait pour Jean Frey (ndlr : à l’époque éditeur de la Weltwoche) au début des années 2000. Son but est de favoriser la diversité de la presse et d’empêcher le monopole des grands groupes. Une bonne chose pour la démocratie. Vous voulez combattre les grands groupes. Pourtant, il semble qu’ils sont les seuls à pouvoir maintenir des titres régionaux. La Weltwoche démontre qu’un titre peut s’en sortir et rester indépendant. L’intégrer dans un grand groupe lui permettrait d’avoir de meilleurs résultats financiers. Mais sa qualité, son indépendance en pâtiraient. Vous avez un hebdomadaire (la Weltwoche), une télévision sur internet. Vous vous intéressez maintenant à la presse quotidienne. Et il faudrait croire que vous n’avez pas de plans pour vous emparer de certains médias? Première précision : je n’ai aucune participation dans la Weltwoche. L’UDC avait certes envisagé de créer un quotidien à l’époque. Mais nous avons dû abandonner: partir de zéro était financièrement trop difficile. Allez-vous alors vous attaquer à la télévision, comme Silvio Berlusconi ? Je le répète. Cela ne m’intéresse pas d’avoir mon propre journal ou ma propre télévision. Je ne nourris pas les mêmes rêves que les dictateurs d’Allemagne de l’Est. Ce qui me dérange, c’est le monopole des grands groupes de presse ou du service public. La télé publique est avantagée. Le Berlusconi suisse, c’était Moritz Leuenberger. En tant que ministre, il gérait également des nominations et attribuait les concessions pour les radios et télévisions privées. Vous imaginez l’influence! Mais lui n’a pas lancé de TeleMoritz, alors que vous, vous avez TeleBlocher. C’est une petite émission de 20 minutes sur Internet qui ne coûte rien. On est bien loin de l’influence des journalistes dans les grands groupes de presse et le service public dont le courant dominant est de centre gauche. Même si ce n’est pas décrété par la direction, les journalistes sont tentés par l’autocensure. S’il ne reste plus qu’un employeur, mieux vaut ne pas le fâcher…Cette monoculture n’est pas bonne pour le débat d’idées et la démocratie directe. La presse a-t-elle encore du pouvoir, forge-t-elle vraiment les opinions ? L’influence existe. Nous devons dépenser beaucoup d’argent en annonce pour faire passer notre message. Les autres peuvent compter sur les journalistes. Vous jouez un peu les « Calimero »…Vos thèmes favoris sont traités dans les journaux. Je ne me plains pas. Mais lors de la récente campagne concernant l’initiative sur le renvoi des étrangers criminels la grande majorité des articles et des prises se position nous étaient défavorables. Ce qui me chagrine, c’est de publier des annonces dans des journaux qui écrivent contre nous. Mais comme c’est le prix à payer pour être entendu, je l’accepte. En fin de compte, c’est ca que vous voulez. Payer moins cher pour vos publicités en instaurant une presse pro-UDC. Non. Ce qui m’importe, c’est la diversité et l’indépendance des médias. Plus que la question gauche-droite, c’est la question de la diversité qui est centrale.
25.11.2010
«Ich renoviere seit 30 Jahren»
Christoph Blocher im Schloss Rhäzüns Beitrag im «Haus Club Magazin» vom 25. November 2010 mit Filippo Leutenegger Der Alt-Bundesrat öffnet exklusiv für Haus Club Magazin-Leser die Tore zur mittelalterlichen Burg in Rhätien. Es sei ein Bild des Jammers gewesen, meint Christoph Blocher: «Als die Ems-Chemie das Schloss übernahm, war alles in einem ziemlich schlechten Zustand». Diverse Umnutzungen waren schuld: Vor dem 2. Weltkrieg wurde das Schloss, damals in Privatbesitz, jungen Auslandschweizern als Ferienlager zur Verfügung gestellt – und die respräsentativen Räume im Laufe der Geschichte ohne Rücksicht auf antike Kassettendecken und Wandmalereien unterteilt und zerstückelt. «Vor der Kosmetik waren aber zunächst handfestere Arbeiten nötig. Das Dach musste als Erstes gemacht werden.» Jetzt sind neu ungefähr hundertjährige Ziegel drauf, «weil das Schloss ja nicht geschleckt wirken darf. Wenn das so neu renoviert aussieht, gefällts mir nicht.» Christoph Blocher weiss genau, was er will und was es am Schloss Rhäzüns zu bewahren gilt. Das Fassadenfresko «Die Bärenhatz» aus dem 14. Jahrhundert an der Wehrturmaussenwand beispielsweise: «mühsam und risikoreich war das!» Erst musste natürlich ein Gerüst her – keine einfache Sache an solch einem stotzigen Hügel. Aufgrund eines alten Drucks war die Originalmalerei der «Bärenhatz» bekannt. «Drei bis vier Restauratoren sassen dann monatelang bei Wind und Wetter auf dem Gerüst und applizierten mit Tupfpinseln das neue Fresko.» Christoph Blocher lässt gleich noch eine Anekdote folgen: «Die Farbe hatten sie in winzigen Kaffeerahmbehälterli, stellen Sie sich das einmal vor! Um die Farbe möglichst originalgetreu aufzutragen!» Ob das nicht ein Vermögen gekostet habe? «Ach wissen Sie, die Einzelheiten darf man bei einem solchen Gebäude nicht zählen.» Trotzdem lässt sich Christoph Blocher dazu bewegen, eine ungefähre Zahl zu den bisherigen Investitionen zu nennen: «Wenn man alles zusammenrechnet, komme ich Handgelenk mal Pi auf ungefähr eine halbe Million im Jahr für Renovationen und Unterhalt.» Es sei ein Fass ohne Boden, man müsse Kompromisse machen: «Sehen Sie, das Bärenhatz-Fresko, das haben wir vor dreissig Jahren machen lassen. Jetzt ist es schon wieder verblasst, eigentlich steht jetzt schon die Restauration von der Restauration an – eine endlose Geschichte.» Die Christoph Blocher aber nach wie vor Freude macht. «Wissen Sie, die Aufgabe, wenn man die Mittel hat, ist es doch, solche Räumlichkeiten für die Nachwelt zu bewahren.» Weshalb das Schloss dann nicht öffentlich zugänglich sei? Der Alt-Bundesrat reagiert zum einzigen Mal an diesem Nachmittag ungehalten: «Sie würden auch nicht Krethi und Plethi durch Ihre Stube trampen lassen! Ausserdem wäre dann die Exklusivität des "Emser Gästehauses" weg, so bleibt das Schloss geheimnisvoll und speziell.» Ganz verschliesst Christoph Blocher die Räumlichkeiten aber nicht. Jedes Jahr dürfen die Rhäzünser Viertklässler einmal durch die Repräsentationsräume trapsen. Anstrengende Denkmalpflege Für die jährliche halbe Million für Renovationen und Unterhalt werden keine Subventionen bezogen. Auf Beiträge von der Denkmalpflege oder vom Kanton verzichten er und die Ems-Chemie lieber – und findet markige Worte: «Die reden sonst nur drein!» Am schlimmsten sei das im Raum mit dem Tristan-und-Isolde-Fresko gewesen: «Da meinten sie doch tatsächlich, die Mitte des Freskos sei weiss zu lassen!» Grund für das Loch im Fresko wäre gewesen, dass einst ein Durchgang durch die Wand gebrochen worden war und die Malerei deshalb nicht mehr originalgetreu restauriert werden könne. «Dabei hatten wir Referenzmaterial! Und auch sonst hätten sie mir diesen schönen Raum zerstört!» Ein Stützbalken an der Decke sei nämlich morsch gewesen und habe ersetzt werden müssen. «Jetzt stellen Sie sich vor: Da meinten die doch wirklich, statt einen neuen, ähnlichen Holzbalken einzusetzen, müsse man zeigen, dass das nicht mehr der Originalzustand sei – und stattdessen einen rot gestrichenen Metallträger einbauen! Da sträuben sich einem doch alle Haare!» Christoph Blocher hat noch weitere Ankedoten zum kantonalen Amtsstellen parat – und zeigt dabei auch gleich Selbstironie: Das Eingangsfresko über dem Tor zeigt sämtliche Wappen der vergangenen Schlossherren. Mitten drin ist der Habsburger-Adler abgebildet – «die waren ja auch am längsten Schlossbesitzer. Als es um die Restauration ging, meinte eine Amtsstelle doch tatsächlich, da dürfe der Habsburger-Adler nicht mehr drauf! Da müsse stattdessen der Bündner Steinbock hin! Aber solche Geschichtsklitterung, da weigere ich mich! Da mache ich nicht mit! Am Schluss hat das Amt – nach Ordner füllender Korrespondez – gemeint: ‹Herr Blocher, machen Sie was Sie wollen, wenn Sie nur das Blocher-Wappen nicht draufmalen!› Jetzt ist der Adler wieder drauf!» In den Sessel im grossen Napoleon-Zimmer setzt er sich aber doch gern – auch wenn es historisch nicht erwiesen ist, ob der französische Kaiser jemals hier war. «Aber für die chinesischen Kunden der Ems, für die ist das Napoleon-Zimmer das Grösste, auch wegen der Aussicht, sehen Sie: Da fliesst der Rhein direkt auf uns zu!» Und da in der chinesischen Tradition die Häuser als die glücklichsten gälten, auf welche Wasser zufliesst, geraten die Chinesen regelmässig komplett aus dem Häuschen: «Die staunen dann immer ganz begeistert, ich müsse der glücklichste Mann auf der Welt sein!» Den ganzen Hügel gesichert Die Restaurierung von Fresken ist aber eher das Dessert. Als die Ems-Chemie die Burg übernahm, galt es zunächst, die Räumlichkeiten sicher und überhaupt wieder bewohnbar zu machen. Neben einem neuen Dach war deshalb zunächst auch ein noch grundlegenderer Eingriff vonnöten: «Das Schloss steht auf dem Fels eines Bergsturzes», erklärt Blocher. Das ganze war nicht mehr stabil: «Man erzählt, ein Teil des Schlosses sei im Mittelalter einmal mitsamt dem Hang abgerutscht.» Um die Liegenschaft zu sichern, musste deshalb zunächst der ganze Hügel mit Ankern «geklammert» werden, was Querbohrungen durch den ganzen Hügel erforderte. Erst dann, sowie nach der Restaurierung des Dachs, ging es daran, die Räumlichkeiten wieder wohnbar zu machen. Diverse Böden mussten ausgetauscht, sanitäre Anlagen – «da hielten wirs einfach und simpel, es ging vorallem darum, die Raumstrukturen nicht zu zerstören» – und ein Heizsystem installiert werden. «Erdwärme kam nicht in Frage, wir stehen ja auf einem Geröllfels.» Das Schloss wird deshalb mit einigen antiken Kachelöfen, die noch in Betrieb sind, sowie, wo nötig, mit Elektroöfen geheizt. «Im Winter ist es trotzdem kalt», meint Silvia Blocher. Sie sitzt deshalb am liebsten im gemütlichen grünen Salon, den sich die Blochers in einer bequem ausgebauten Dreizimmerwohnung im Schloss eingerichtet haben. Christoph Blocher hält sich derweilen gern im Saal mit dem blauen Kachelofen auf. «Dieser Raum hat schon hitzige politische Diskussionen gehört», meint Blocher: «Unter anderem haben der damalige Präsident der Nationalbank Paul Stopper und der Ems-Chemie-Gründer Werner Oswald in den siebziger Jahren auf dem Ofenbänkli über die Währungspolitik verhandelt.» Blocher schreibt hier auch seit Jahren seine Albisgüetli-Rede. «Die 700 Jahre, die der Raum schon erlebt hat, die übertragen sich beim Schreiben!»
13.11.2010