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06.04.2011

Die Schweiz verdankt Basels Bürgermeister die Souveränität

Buchrezension für die Basler Zeitung Dass Basel seinen Bürgermeister Johann Rudolf Wettstein in hohen Ehren hält, erkennt man leicht an der nach ihm benannten Strasse, der Brücke und dem Platz. Wettstein stammte zwar aus keinem Basler Geschlecht: Sein Vater war als Weinbauer aus der Zürcher Oberländer Gemeinde Russikon zugewandert, brachte es zum Basler Spitalmeister und ermöglichte dem Sohn eine glänzende Laufbahn im Staatsdienst. Als Basler Bürgermeister gilt er für mich als wohl grösste diplomatische und politische Begabung der Alten Eidgenossenschaft. Zwar blieb Wettstein innenpolitisch dem absolutistischen Gedankengut von schroffer Trennung zwischen Obrigkeit und Untertanen verhaftet; er befürwortete sogar die Hinrichtung der Anführer im Bauernkrieg. Doch sein grosser Erfolg ist ein aussenpolitischer: Ihm verdankt die Schweiz nämlich die staatsrechtliche Anerkennung der Neutralität und Unabhängigkeit vom deutschen Reich. Umso erfreulicher ist, dass der Römerhof Verlag in seine Reihe ungewöhnlicher Biografien neuerdings auch Johann Rudolf Wettstein (1594-1666) aufgenommen hat. Es handelt sich dabei um eine Neuauflage der romanhaften Erzählung „Der Schweizerkönig“ von Mary Lavater-Sloman aus dem Jahr 1935. Diese aus Hamburg stammende, mit einem Stadtzürcher verheiratete Autorin schuf sich einen Namen mit zahlreichen Erzählungen über bedeutende Figuren der Schweizer Geschichte. Dabei machte Lavater-Slomann aus ihrer demokratischen Überzeugung und ihrer Ablehnung von Diktatur und Totalitarismus kein Geheimnis. So auch im Werk „Der Schweizerkönig“, wo Johann Rudolf Wettstein seinen Neffen Rudolf Burckhardt „in ärgerlicher Verblüffung“ fragt: „Einen Vogt wünschest Du uns, Ruedi, der das Volk mit der Peitsche der Gewalt zusammentreibt? ... Ehe ihr es euch verseht, würde die Peitschenschnur sich klatschend um euch schlingen und euch zusammenbündeln – zusammenbündeln zu einem wehrlosen, entmündigten Haufen!“ Im Mittelpunkt des Romans steht Wettsteins bedeutendste Leistung, nämlich die fast einjährige Mission an die Friedensgespräche von Münster und Osnabrück (1646-1648) nach den furchtbaren Schrecken des Dreissigjährigen Krieges. Aktenkundiges vermischt sich bei der Autorin geschickt mit Erfundenem; sie schiebt eine frei erdachte Liebesbeziehung dazwischen, auch wenn sie sich im Wesentlichen an Briefe, Tagebücher und offizielle Berichte hält. Die Basler Leserinnen und Leser dürfte speziell einiges an Lokalkolorit erfreuen. Beschrieben wird etwa die familiäre Atmosphäre im Wettsteinhaus in Riehen, aber auch Wettsteins frühes Entlaufen in Venezianische Dienste aus der Ehe mit der fünf Jahre älteren Anna Maria Falkner; sie wurde ihm später gleichwohl eine bedeutsame Stütze und war wie geschaffen für ihre Aufgaben als Gattin eines Bürgermeisters. Hübsch geraten ist auch die Szene der Ankunft im fernen Osnabrück, wo der begleitende Sohn Fritz „aus den Tiefen seines Proviantsackes das eifrig gehütete Päckchen heimatlicher Leckerli“ hervorzieht. So haben sich aus Wettsteins Zeit nicht nur die Souveränität, sondern auch die "Basler Leckerli" erhalten. Ich hoffe, dass man beidem weiterhin Sorge tragen wird ! Johann Rudolf Wettstein erhob geschickt die Vorladung eines Basler Bürgers vor das Reichskammergericht in Speyer zur Sache der eidgenössischen Tagsatzung. Gegen die zögerliche Vorsicht der heimischen Handelsherren packte er mit grösserer Weitsicht und erstaunlicher Tatkraft die einmalige Gelegenheit beim Schopf. Ihm ging es um nicht mehr und nicht weniger als um die seit dem Schwabenkrieg (1499) faktisch bestehende, nunmehr auch formell zu bestätigende Loslösung vom römischen Reich deutscher Nationen. Wettstein reiste 1646 ohne Einladung und vorerst ohne Legitimierung der katholischen Orte an die Westfälischen Friedensverhandlungen. Nach langwierigem, zähem Ringen mit den Abordnungen von Kaiserreich, Frankreich und Schweden erreichte er schliesslich die Bestätigung der vollen Souveränität und bewaffneten Neutralität der Schweiz. Der Roman von Mary Lavater-Sloman schildert packend das Wechselbad der Gefühle des Basler Bürgermeisters angesichts der Winkelzüge, Geheimdiplomatie und Intrigen der fremden Gesandten. Dennoch sicherte er sich bei ihnen durch taktsicheres, selbstbewusstes, aber jederzeit ehrliches Auftreten grössten Respekt, der ihm sogar den Ehrentitel „Schweizerkönig“ eintrug. Dabei musste Johann Rudolf Wettstein mit seinem kleinen Gefolge in bescheidensten Verhältnissen hausen. Die Basler hielten ihn so knapp wie nur möglich und warfen ihm in ihren Schreiben obendrein noch eine verschwenderische Hofhaltung vor. Dabei residierte der Basler Bürgermeister geradezu "ärmlich". So konnte er dem schwedischen Bevollmächtigten anlässlich eines Besuches lediglich einen Stuhl anbieten, an dem die eine Lehne fehlte. Nach Hause schrieb er darüber: "Ich bin übereilt worden, hätte sonst die andere zur Erhaltung der schweizerischen Reputation auch noch abgebrochen." Immer den Auftrag und das Ziel vor Augen, steckte Wettstein solch unerfreuliche Ereignisse ebenso weg wie seinen angeschlagenen Gesundheitszustand. Die Vorteile einer klugen Neutralitätspolitik waren ihm wohlbewusst, hatte sich doch Basel seit seinem Eintritt in den eidgenössischen Bund verpflichtet, bei Streitigkeiten stille zu sitzen und sich um Vermittlung zu bemühen. Durch ganz persönliches Bemühen errang Johann Rudolf Wettstein dank Augenmass, Hartnäckigkeit und diplomatischer Gewandtheit für die gesamte Schweiz Bedeutendes – trotz beschränkten Instruktionen und bloss halbeidgenössischer Vollmacht: nämlich die endgültige Loslösung vom Reich. Dies entsprach genau jenen Vorstellungen, wie sie Basels grosser Bürgermeister gleich zu Beginn des Westfälischen Kongresses formuliert hatte: „Es ist reichs- und weltkündig, dass die Eidgenossenschaft ein freier Stand ist, so nebst Gott einzig von sich selbst abhängt.“ Man wünschte sich dies als ewiges Verhandlungsmandat unseres Bundesrates! Mary Lavater-Sloman: Der Schweizerkönig Johann Rudolf Wettstein. Römerhof, Zürich 2011, 239 S., Fr. 36.-.

05.04.2011

Wahre Kunst ist freie Kunst!

Interview mit dem Magazin «Schweizer Monat» im April 2011 mit René Scheu

30.03.2011

Mein Interview im Rahmen der Basler Fasnacht mit «Malefyz-Bâlaari 2009»

Link zum Interview: Hand uff's Härz (erschti Staffle)

22.03.2011

Lässt sich die Konkordanz wiederbeleben?

Mein Artikel in der NZZ über Konkordanz vom 22. März 2011 Im schweizerischen Vielparteiensystem hat eine Partei nie allein die Mehrheit hinter sich, deshalb ist die Konkordanz – d.h. die Regierungsbildung aus mehreren nicht gleichgesinnten Parteien – die typisch schweizerische Regierungsform. Sie gilt im Bund, in Kantonen und Gemeinden.  So bildeten 1959 bis 1999 je zwei Vertreter der drei grössten Parteien (damals CVP, FDP, SP) und ein Vertreter der viertgrössten Partei (damals SVP) den Bundesrat, womit über Jahrzehnte etwa 80 Prozent der Wähler in der Regierung vertreten waren. Lange bewährte politische Praxis Auch wenn die Konkordanz heute geradezu ideologisch verklärt und etwas heuchlerisch gar als Geisteshaltung hochstilisiert wird, so steht hinter der Konkordanz eine einfache praktische Logik: Sind 80 Prozent der Wähler in der Regierung vertreten, so geht man davon aus, dass die zahlreichen divergierenden Meinungen der Wähler in die Regierung eingebracht werden. Und es ist einfacher, in einem Gremium von sieben Personen vertiefte Diskussionen zu führen und sinnvolle Mehrheitskompromisse zu erreichen als im Parlament mit 246 Vertretern. Zudem ist die Chance gross, dass diese auch vor dem Parlament und der Opposition – in der Schweiz ist dies das Volk – bestehen können. Die konkordante Regierungstätigkeit mit der direkten Mitbestimmungsmöglichkeit des Volkes bildet die Grundlage für die sprichwörtliche schweizerische Rechtssicherheit. Und diese ist mit ein Grund für die einzigartige politische Stabilität und – damit einhergehend – das bemerkenswert hohe  Niveau des Wohlstandes. Wie gross in früheren Jahren die Übereinstimmung von Volk, Parlament und Regierung war, zeigt allein die Tatsache, dass zwischen 1950 und 1980 keine einzige Volksinitiative vom Schweizer Stimmvolk angenommen wurde. Pervertierung der Konkordanz Im Gegensatz zur Koalitionsregierung regieren bei der Konkordanzregierung Vertreter verschiedener Parteien miteinander, nicht weil sie gleicher Meinung wären, sondern gerade obwohl sie verschiedener Auffassung sind. Sie regieren allein deshalb zusammen, weil sie ein möglichst breites Spektrum der Wähler bzw. der politischen Haltung der Parlamentarier abdecken. Das heisst nun aber auch: Es muss um den Kompromiss gestritten und gerungen werden, um schliesslich zu einem Entscheid zu kommen. Es ist wohl unbestritten, dass in den vergangenen zwanzig Jahren die Regierungsvertreter weder in erster Linie klare, standhafte, voneinander divergierende Auffassungen vertreten noch mit der erforderlichen Robustheit intensiv um Kompromisse gerungen haben. Die Meinungsbildung ist und war eher oberflächlich, stark von der Verwaltung gesteuert, und wegen des unsinnig ausgedehnten Amtsgeheimnisses wird die Beschaffenheit des Kompromisses nicht transparent. Oft wird im Bundesrat – "zur Förderung der Kollegialität" – gar nicht abgestimmt, damit "niemand zu den Verlierern" gehört. So weiss das Gremium am Schluss oft nicht recht, was eigentlich beschlossen worden ist und wer wofür war. Die Information der Öffentlichkeit ist entsprechend zwiespältig und vernebelt. Allein schon die Verpflichtung zu klaren Entscheiden und etwas mehr Transparenz würden die Regierungsfähigkeit und das Vertrauen in die Regierung merklich verbessern. Europapolitik als Wendepunkt Bis Ende der achtziger Jahre funktionierte das System der Konkordanz ganz ordentlich. Die zentralen Werte wie Unabhängigkeit, Freiheit, Volksrechte, direkte Demokratie, Neutralität, galten bis zu diesem Zeitpunkt – zumindest bei den nicht sozialistischen Politikern – als selbstverständlich. Ab Ende der achtziger Jahre wurden sie plötzlich in Frage gestellt, was dann in der Europafrage unter anderem bei der EWR-Abstimmung 1992 klar zu Tage trat. Die SVP konnte nicht nur diese Vorlage nicht mittragen, sondern lehnte als einzige Regierungspartei das strategische Ziel des EU-Beitritts konsequent ab. Gerade weil sie das Volksmehr in dieser Frage hinter sich wusste, wurde sie durch die Classe politique zunehmend isoliert. So wurde ihr schon 1999 als weitaus stärkste Partei den ihr gemäss Konkordanz zustehenden zweiten Sitz im Bundesrat nicht zugestanden. Aushöhlung der Konkordanz Nach aussen versuchte man die Konkordanz zwar dem Schein nach bestmöglich zu wahren, womit man sie aber entwertete: So wählte man quasi SVP nur noch als Etikette, d.h. man wählte Vertreter, die zwar Mitglied der SVP waren, aber deren Meinung im Widerspruch zur eigenen Partei standen. So bestimmte das Parlament im Jahre 2000 gegen den Willen der SVP mit Samuel Schmid einen SVP-Mann, der in wesentlichen Fragen den Kurs seiner Partei nicht mittrug. Als 2003 der Schreibende als zweiter Vertreter in den Bundesrat gewählt wurde, war das verbreitete Motiv dahinter leider nicht die Wiederherstellung der Konkordanz, sondern die Einbindung zur Schwächung der SVP. Weil dies nicht gelang und die SVP 2007 mit einem historisch hohen Wähleranteil die Wahlen erneut gewann, wurde ich als deren Vertreter 2007 abgewählt und durch eine Kandidatin ersetzt, die zwar damals das gleiche Parteibuch trug, aber in allen wesentlichen politischen – vor allem aussenpolitischen –Fragen die gegenteilige Meinung der SVP vertrat. Damit errichtete man erneut eine Scheinkonkordanz. Zwar waren auch in der Vergangenheit zuweilen inoffizielle Kandidaten in den Bundesrat gewählt worden. Immer aber wurden diese entweder – wie im Falle von Francis Matthey – zum Verzicht gezwungen und durch einen parteigenehmen Kandidaten ersetzt oder aber stillschweigend – im Fall von Otto Stich sogar ausdrücklich – im nachhinein von der Partei anerkannt. Dies auch deshalb, weil bei den inoffiziellen Kandidaten mindestens ein Teil der eigenen Partei hinter diesem stand, was bei der letzten Bundesratswahl 2007 nicht mehr der Fall war. Wiederbelebung der Konkordanz Eine echte Konkordanz, die nicht die bröckelnde Fassade, sondern die Substanz wieder in den Vordergrund stellt, wäre ein grosser Fortschritt zur Glaubwürdigkeit der schweizerischen Politik. Wo die Konkordanz mehr zelebriert als gelebt und damit in Wirklichkeit umgangen wird, macht sich die unterdrückte Meinung auf andere Weise bemerkbar. Etwa in der Annahme einer zunehmenden Anzahl von Initiativen, die dem politischen Kurs der von der Regierung bewusst ferngehaltenen Meinung entsprechen. Zu erinnern ist an die Annahme der Verwahrungs-initiative, der Unverjährbarkeitsinitiative, der Minarettinitiative und der Ausschaffungs-initiative. In all diesen Fällen vertrat die SVP als einzige Regierungspartei die Volksmehrheit. Aber natürlich besteht keine Verpflichtung zur echten Konkordanz. Eine Alternative wäre, dass sich die Mitteparteien zu einer Koalitionsregierung ohne SVP entschliessen würden. Die SVP wäre dann darauf angewiesen, die Mehrheiten für Sachfragen noch vermehrt in der Bevölkerung zu suchen, was in der Aussen- und Ausländerpolitik leider schon heute der Fall ist.

16.03.2011

«Jetzt heisst es, Nerven behalten und warten bis man den Überblick hat»

Interview im «Tages-Anzeiger» vom 16. März 2011 mit Matthias Chapman zur Schweizer AKW-Politik Herr Blocher, Sie kennen Japan von der Firma Ihrer Tochter her. Stehen Sie in Kontakt mit Leuten der EMS-Chemie dort? EMS hat regelmässig Kontakt. Was hören Sie von dort? Die Fabrik steht südöstlich von Tokio, ist also nicht betroffen.  Büros hat EMS in Tokio. Die Mitarbeiter mit Familien in Tokio können meines Wissens ins Werk, wenn sie wollen. Aber im Moment gibt es dazu keine zwingenden Gründe. Mit den Geschehnissen in Japan wird die Debatte für und wider neue AKW erneut heftig debattiert. Was sagen Sie dazu? Jetzt müssen wir zuerst einmal abwarten. Während Katastrophen darf man keine langfristigen Entscheide treffen, die nicht nötig sind. Es heisst: Warten bis man den Überblick hat, bis man sieht, was passiert ist.  Dann werden die Erkenntnisse geprüft, um herauszufinden was das für unsere Kraftwerke und Energieversorgung heisst. Nerven behalten! Halten Sie es für möglich, dass hiesige Kraftwerke geschlossen werden müssen? Die Situation in Japan ist ganz anders, das weiss man. Japan ist eine Erdbebenregion. Vieles ist wegen des Tsunami zerstört, das kann es in der Schweiz nicht geben. Schweizerische Anlagen halten zudem Erdbeben bis Stärke 7 jedenfalls aus. Das ist viel, weil wir weniger Erdbebengefährdet sind. Die Sicherheit unserer Anlagen wird ja laufend überprüft. Vielleicht muss dies nach Erkenntnissen aus Japan  verbessert werden. Möglich ist natürlich immer alles. Aber es muss auch sinnvoll sein. Sie waren quasi Totengräber des Projekts für ein neues Kernkraftwerk in Kaiseraugst. Wurden sie damals plötzlich zum AKW-Gegner? Nein, überhaupt nicht. Es ging um ein "sittliches Begräbnis": Die Situation war so verfahren, dass der Bau des AKW Kaiseraugst unmöglich war. Sie meinen den Widerstand des Volkes? Das auch. Aber noch mehr die Tatsache, dass dadurch die ganzen Verfahren in der Bürokratie steckengeblieben sind. Man kam einfach nicht mehr weiter. Zudem war die geplante Anlage inzwischen schon technisch veraltet. Es machte schlicht keinen Sinn mehr. Darum sagte ich:  Wenn man das AKW Kaiseraugst nicht bauen kann, dann muss man es beerdigen. AKW-Gegner feierten das damals als ihren eigenen Sieg. Für mich ging es weder um eine Feier noch um einen Sieg. Was hiess der Stopp damals für die Schweizer Energiepolitik? Wir kauften danach in Frankreich Kernenergiestrom, konnten langjährige Lieferverträge vereinbaren, und so die Stromlücke schliessen. Bis heute! Aber die Abhängigkeit wurde erhöht. Meines Wissens laufen die Verträge in rund 10 Jahren aus, dann wird es kritisch, v.a. wenn Beznau I und II sowie Mühleberg nicht erneuert werden sollten. Eben erst schien es, als könnten Mehrheiten für neue AKW zustande kommen. Befürchten Sie, dass es damit schon wieder vorbei ist? Wenn das Volk entscheidet, dass es keine neuen AKW will, dann gilt es und dann muss es auch mit den Konsequenzen leben. Das heisst  Stromknappheit, sicher höhere Preise für den Strom, grosse negative Folgen für Wirtschaft, Löhne, Arbeitsplätze, Mietausgaben etc. Ist es richtig, dass Bundesrätin Doris Leuthard die laufenden Bewilligungsverfahren sistierte? Ich hätte das Wort sistieren zwar nicht verwendet. Die Gefahr ist, dass die Beamten dies als Arbeitsstopp verstehen. Aber, dass man die Erkenntnisse Japans bis ins Detail miteinbezieht und berücksichtigt, da hat sie recht. Welche Strompolitik verfolgen Sie und Ihre Partei? Unsere Bedingung ist: Sichere, genügende und kostengünstige Energie. Zur Sicherheit gehört nicht nur die technische Sicherheit, sondern auch die grösstmögliche Unabhängigkeit. Oel kommt aus Lybien, Saudiarabien, Gaslieferungen aus Russland! Wir sind für alle Energieformen zu haben, die das Ziel erreichen. Es besteht in absehbarer Zeit kein äquivalenter Ersatz zu Kernkraftwerken. Es muss also nicht um jeden Preis ein neues AKW her? Wir, ich meine die SVP, hängen nicht an der Kernenergie als solches. Bis jetzt zeichnet sich einfach kein anderer Weg ab. Es gibt Szenarien für die Energiewende. Das ist noch weit weg. Das erfolgreichste auf lange Frist ist die Nutzung von Erdwärme. Aber bis es wirtschaftlich gereift ist, dauert es noch lange. Andere - z.Bsp. Photovoltaikstrom - ist sehr teuer. Der Preis ist nicht gleichgültig. Wären Sie gerne Uvek-Vorsteher gewesen? Im Moment schon. (lacht). In dieser schwierigen Situation, würde ich mich gerne in diese Probleme einlesen und sie lösen. Was ist passiert in den japanischen Kraftwerken? Was sind Erdbebenschäden? Was Tsunami? Und was heisst das für die Schweizer Anlagen? Ich weiss: Neues Leben blüht aus den Ruinen! Kommt es nach den Gesamterneuerungswahlen im Bundesrat vom kommenden Dezember zu einem Gerangel um das Uvek? Nein. Das glaube ich nicht. Das mit der Zukunft der Schweizer Kernenergie ist ja für viele auch eine undankbare Geschichte. Das sah ich schon damals bei SP-Bundesrat Willy Ritschard. Er war in den 70er Jahren überzeugter AKW-Befürworter. Musste die Kernenergie gegen seine eigene Partei verteidigen. Da kam ihm manchmal der Verleider. Wie wichtig wird das Thema „neue AKW in der Schweiz“ im Wahlkampf? Es gibt jetzt nichts zu entscheiden. Und weil alle die Situation prüfen wollen, gibt es keinen Kampf. Eine Diskussion unter Gleichgesinnten ist relativ langweilig! Können Sie sich eine Zukunft ohne Atomstrom vorstellen? Ich schaue nicht in die Steckdose, was da rauskommt (lacht). Wie gesagt: Sollten wir auf anderem Weg zu sicheren, genügendem und günstigem Strom kommen, dann brauchen wir keine AKW mehr. Bis jetzt konnte uns dies niemand zeigen. Herr Blocher, treten Sie nun zu den Wahlen im Herbst an? (lacht) Wie gesagt, das wird erst Ende April entschieden. Machen Sie ihre Entscheidung vom Ausgang der Zürcher Wahlen abhängig? Nein. Aber man soll erst entscheiden, wenn es nötig ist. Wie bei den AKW. Sie wissen es schon, aber sagen es noch nicht. Meine Frau würde sagen, „solche Dinge schiebt er stets vor sich her“.