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18.09.2009
06.09.2009
Warum der Schweizerische Bundespräsident weder ins Ausland reisen noch selbst verhandeln sollte
Artikel in der «Sonntagszeitung» vom 6. September 2009 Am 21. August 2009 trat Bundespräsident Merz in Libyen, wo seit Monaten zwei Schweizer an der Ausreise gehindert werden, vor die Medien. Merz erklärte selbstbewusst, er habe mit Libyen einen Staatsvertrag abgeschlossen. Wörtlich sagte er: "In diesem Jahr bin ich der Bundespräsident. Es galt, einen Führungsentscheid zu treffen. Ich habe ihn gefällt und übernehme dafür die volle Verantwortung mit allen ihren Konsequenzen." Diese Sätze des Bundespräsidenten zeigen drastisch die herrschende Orientierungslosigkeit. Im Bundeshaus weiss kaum noch jemand, was ein Schweizer Bundespräsident ist, was er zu tun und was er zu unterlassen hat. Und wie die Worte des Bundespräsidenten zeigen, weiss er selber es am allerwenigsten. Im Gegensatz zu anderen Staaten kennt die Schweiz keinen Staatspräsidenten. Diese sind nämlich Relikte früherer Kaiser- und Königreiche. Das war unser Land nie. Darum hat und will unser Land keinen Staatspräsidenten. Der Bundespräsident präsidiert für ein Jahr die Landesregierung – und weiter nichts. Er ist – und dies mit guten Gründen – für nichts Bedeutendes zuständig. Wie es in einem föderalistischen Bundesstaat sein muss, leitet er lediglich die Bundesratssitzungen und garantiert so das Funktionieren der Regierung. Die Schweiz wollte und will keinen Bundespräsidenten mit eigenen Vollmachten. Er ist primus inter pares. Das wussten frühere Generationen sehr wohl. Darum war es allgemein anerkannte und selbstverständliche Tradition, dass der Bundespräsident in seinem Amtsjahr nicht ins Ausland reist. Erst Bundesrat Ogi brach 1993 als Bundespräsident in jugendlichem Übermut mit dieser gescheiten und klugen Tradition. Und seither gefielen sich alle Bundespräsidenten an monarchisch anmutenden Staatsempfängen, reihten in ihren Büros stolz ihre Porträts mit ausländischen Staatsoberhäuptern auf und buhlten oft willfährig um Audienzen bei ausländischen Staatschefs. Dieser Rummel war nicht zum Vorteil der Schweiz – im Gegenteil. Und wie immer wenn die Führung versagt, ruft man in solchen Fällen reflexartig nach neuen Strukturen und nach Staatleitungsreformen. So will Bundesrat Couchepin einen mehrjährigen Bundespräsidenten, dem jeweils das Departement des Äusseren zu unterstellen wäre: "L'état c'est moi!" Nein. Wir brauchen keine neuen Strukturen, sondern fähigere Bundesräte. Ganz verheerend wird es, wenn Bundesräte oder gar der Bundespräsident selber verhandeln. Sowohl in der Wirtschaft wie in der Politik gilt der eiserne Grundsatz, der oberste Chef darf nie selber verhandeln. Der Chef, also die einzelnen Bundesräte, geben die Absicht bekannt, prüfen vorgelegte Varianten und führen die Verhandler – aber nie am Verhandlungstisch! Wo sich Bundesräte in Verhandlungen stürzen, kann es nur schief gehen. Sie werten sich auch selbst ab. Zum Verhandeln hat man Staatssekretäre, Botschafter, ernannte Minister und Amtsvorsteher, die Verträge zurückweisen können, ohne das Gesicht zu verlieren.
28.08.2009
Wichtig ist, dass sich so ein Desaster nicht wiederholt
Interview in der "Aargauer Zeitung" vom 28.8.2009 Von Fabian Renz SVP-Stratege Christoph Blocher über Lehren aus der Gaddafi-Affäre, über fehlende Kollegialität im Bundesrat und über seine persönlichen Pläne Für alt Bundesrat Christoph Blocher ist nicht Hans-Rudolf Merz, sondern Micheline Calmy-Rey hauptverantwortlich für die Libyen-Krise. Herr Blocher, ursprünglich hätten Sie 2009 Bundespräsident werden sollen. Sind Sie froh, dass nun stattdessen Hans-Rudolf Merz mit Peer Steinbrück und Gaddafi zu tun hat? Christoph Blocher: Im Gegenteil. Das sind interessante Führungsaufgaben. Bei all diesen Aktionen überlege ich mir, wie ich es gelöst hätte. Ich lege ja meine Meinung wöchentlich auf www.teleblocher.ch dar. Noch werden in Libyen zwei Schweizer festgehalten. Falls es nun klappt mit der Rückkehr: Werden Sie Merz zu seinem Coup in Tripolis gratulieren? Blocher: Ich nehme nicht an, dass er dies erwartet. Natürlich müssen solche Aktionen möglich sein. Noch weiss man nicht, was eigentlich in Genf bei der Verhaftung von Gaddafis Sohn passiert ist. Fest steht, dass der Bundesrat das Ganze schlecht koordiniert hat. Wer trägt die Schuld? Blocher: In der Verantwortung stehen der Gesamtbundesrat und vor allem das Aussendepartement von Frau Calmy-Rey, das in dieser Sache nichts erreicht hat. Es wurde auch kein sorgfältiges Verhandlungsmandat verabschiedet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Merz ohne Wissen des Aussendepartements nach Tripolis gereist ist. Soll der Gesamtbundesrat das von Merz ausgehandelte Entschuldigungs-Papier annullieren? Blocher: Nein, man kann nicht den eigenen Bundespräsidenten gegenüber einem anderen Land derart desavouieren. Wichtig ist, dass sich so ein Desaster nicht wiederholt. Merz’ Bundesratskolleginnen gingen öffentlich auf Distanz zu ihm. Spüren Sie, dem man oft Bruch des Kollegialitätsprinzips vorgeworfen hat, eine gewisse Schadenfreude? Blocher: Das nicht gerade. Aber wenn ich daran denke, wofür ich alles kritisiert wurde . . . als ich an einer Pressekonferenz einmal eine Miene verzog, warf man mir vor, es handle sich um einen Verstoss gegen das Kollegialitätsprinzip. Bei solchen Distanzierungen, wie man sie kürzlich gelesen hat, wäre ich wohl geköpft worden. Themawechsel: Wie steht es mit Ihrer Volksinitiative zur Zerschlagung der Grossbanken? SVP-Präsident Toni Brunner ist da zurückgekrebst. Blocher: Nein: die Verminderung des Klumpenrisikos, das von den beiden Grossbanken ausgeht, ist nach wie vor für die Schweiz überlebensnotwendig. Toni Brunner hat wohl einfach darauf hingewiesen, dass die SVP jetzt zuerst mit Nachdruck den parlamentarischen Weg verfolgt. Die Initiative wird aber kommen? Blocher: Wenn wir im Parlament nicht durchkommen, muss etwas geschehen. Das Anliegen ist für unser Land zentral. Natürlich: Jetzt, wo es den Banken nicht mehr ganz so schlecht geht, steckt die Politik bezüglich Bankenplatz den Kopf wieder in den Sand. Eine allfällige Volksinitiative sollte nicht von der SVP allein, sondern überparteilich lanciert werden. Sie streben tatsächlich eine SP SVP-Koalition an? Blocher: Nicht nur. Aber wenn es hier SP-Kreise darunter hat, warum nicht. Ich habe da keine Berührungsängste. Apropos SP: Die Sozialdemokraten haben Strafanzeige gegen die früheren UBS-Chefs Marcel Ospel und Peter Kurer erhoben . . . Blocher: Die SVP hat schon lange parlamentarisch vom Bund verlangt, zu prüfen, ob Strafklagen gegen die frühere Führungsschicht der UBS angebracht sind. Wir haben nichts dagegen, dass das abgeklärt wird. Aber wie ist Ihre persönliche Meinung? Gehören Ospel und Kurer vor Gericht? Blocher: Ich konnte bis jetzt nicht feststellen, dass die beiden kriminell gehandelt haben. Nach meinem Eindruck hatten sie schlicht den Überblick verloren. Das Anliegen der SP ist nicht ernst zu nehmen. Sie hat einfach grundsätzlich etwas gegen Banken und Verwaltungsräte. Typisch ist auch, dass man nun auf die losgeht, die bereits das Unternehmen verlassen mussten. Andere lässt man in Ruhe. Sie erteilen dem Bundesrat schlechte Noten. Wie beurteilen Sie eigentlich die Arbeit Ihres eigenen Mannes in der Regierung, Ueli Maurer? Blocher: Er hatte einen guten Start. Für eine Bilanz ist es zwar noch etwas früh. Er geht aber überlegt vor und ist in der Bevölkerung beliebt. Seine Armee-Abbaupläne entsprechen ja wohl kaum der SVP-Politik. Blocher: Er hat keine Abbaupläne. Wir haben mit ihm gesprochen. Seine Erklärung in einem Interview, er müsse den Armeebestand auf 60 000 bis 80 000 Mann verringern, wurde so umgedeutet, als wolle er dies tun. Das Gegenteil ist der Fall: Er sieht, dass diese Massnahme unverantwortlich wäre. Die Zeitung hat dies dann aber umgedeutet, wie wenn Maurer selber die Armee reduzieren wolle. Die Sache ist etwas unglücklich gelaufen. Für Sie selbst steht eine Rückkehr in den Bundesrat nicht mehr zur Debatte? Blocher: Das Parlament hat klargemacht, dass es mich nicht will. Aber vielleicht in einer Volkswahl, wie sie die SVP ja anstrebt? Blocher: Wissen Sie, bis die Volkswahl kommt, dauert es im Minimum fünf Jahre. Wie steht es mit einem Comeback in den Nationalrat im Jahr 2011? Blocher: Darüber entscheide ich im Frühjahr 2011. Ich weiss, dass es starke Kräfte gibt, die das gerne möchten. Wichtig ist auf alle Fälle, dass die SVP zulegt. Sie ist die einzige Partei, die noch zur Schweiz steht. Welche Marke streben Sie an? Blocher: Wir müssen ein paar Prozente zulegen. Ob es jetzt zwei, vier oder fünf sind, ist nicht so wichtig. Die 30-Prozent-Marke wollen Sie aber knacken? Blocher: Die sollte zu knacken sein, richtig. Wären heute Wahlen, würde die SVP weit darüberliegen!
02.08.2009
L’art de bien négocier
Essay «Le Matin» 2.8.2009 STRATÉGIE. UBS, conventions de double imposition: depuis quelques mois, la Suisse ne cesse de négocier avec d’autres Etats. Les conseils de Christoph Blocher Point de départ: quelles sont les erreurs les plus courantes lorsqu’on négocie? Pourquoi le résultat des négociations semble – la plupart du temps après coup – mauvais, voire catastrophique? Parce que les principes essentiels sont ignorés. Préparatifs Bien des gens croient que, pour obtenir un résultat, l’essentiel est de maîtriser la technique de négociation. Malgré le respect dû aux techniques de tractation et à la psychologie des négociations, elles ne sont guère décisives. Ce qui compte avant tout pour réussir à conclure de manière satisfaisante, ce sont les préparatifs. En effet, le succès est fonction du sérieux de la préparation. Déterminer ce que je veux Un bon résultat de négociation a une particularité: il doit correspondre à vos objectifs personnels, s’accorder à votre désir individuel. Voilà pourquoi il est primordial de se soucier en premier lieu de l’objectif. Qu’est-ce que je veux? Quelles sont les possibilités d’y arriver? Cela semble évident, or c’est souvent précisément ce qui est négligé. Si on analyse empiriquement les revers subis lors de négociations au plan politique ou économique, on s’aperçoit que ni l’objectif ni les variantes pour y arriver n’ont été déterminés. On négocie au petit bonheur la chance sans être au clair sur sa propre stratégie. On arrive certes à un accord, on parle de percée et de consensus, mais plus tard, on remarque malheureusement que l’on est tombé d’accord sur quelque chose qu’on ne voulait pas. C’est ainsi que plus de la moitié de toutes les fusions et acquisitions – annoncées en règle générale à grands cris – conclues dans le monde entier se sont révélé être des flops à long terme. Des intentions nébuleuses et des objectifs confus comme par exemple, «la taille de la nouvelle entreprise» et des détails spectaculaires ont servi de ligne de conduite. Mais voilà, l’objectif déterminant, soit le renforcement de sa propre entreprise et l’augmentation du rendement, n’a pas été atteint. Car en définitive, il n’y a que cela qui compte. Etudier les variantes En négociation, je suis fort si je peux dire non. Celui qui n’a pas prévu de scénario de retrait se met lui-même sous pression. Le négociateur de l’autre côté de la table deviendra fort car il sait une chose: mon vis-à-vis a un besoin vital de conclure. Par contre, celui qui se préoccupe à l’avance des variantes existantes a une certitude: il y a toujours des alternatives. «Tous les chemins mènent à Rome» est un adage qui s’applique aussi au quotidien. Souvent – surtout en politique – on entend dire que «c’est la seule solution possible». Généralement cette affirmation est utilisée pour persuader les citoyens - c’est presque une forme de chantage. Pourtant, pareille affirmation est toujours mensongère. Il n’existe jamais une seule et unique voie! Celui qui ne détecte qu’une solution est soit dépourvu d’imagination, soit débutant Que veut donc mon interlocuteur? Les préparatifs comprennent aussi l’étude de l’adversaire. Il est essentiel de déterminer ce qu’il veut. Un simple exemple: je désire vendre ma voiture à bon prix. Il y a une différence si mon interlocuteur veut absolument une voiture ou s’il se contente d’en examiner une parmi tant d’autres. Bien entendu, souvent l’acheteur ne dévoile pas son intention. Il s’agit donc de la découvrir. Lors de négociations de haut vol - songez à des achats d’entreprise ou des traités internationaux – l’analyse des intérêts du vis-à-vis et l’examen des avantages qu’il peut espérer retirer d’un accord, ont une grande importance. Cela permet d’élaborer précisément des mandats pour les négociateurs et de développer des stratégies raffinées. Malheureusement, chaque jour on constate que cela n’est que fort rarement fait avec soin, même dans les plus hautes sphères. Conséquence: un échec avoué ou dissimulé! Qui négocie? Au quotidien – pensez aux achats que vous effectuez chaque jour – c’est toujours la personne directement intéressée qui négocie. Pour des affaires plus importantes, l’acquisition d’une maison et, plus sûrement encore, lors de l’achat d’une entreprise ou pour toutes les affaires d’Etat, ce n’est jamais la personne prenant la décision finale quant au résultat de la tractation qui devrait négocier. Bien négocier est fatiguant, épuisant. Face à des situations semblant sans issue, des intermédiaires peuvent toujours faire valoir qu’ils ne sont pas habilités à conclure, qu’ils doivent retourner «dans les étages, là où les décisions sont prises». Cela donne du temps pour réfléchir. Tout cela est hors de portée des décideurs s’ils sont eux mêmes présents aux pourparlers. Voilà pourquoi il faut s’en tenir au principe intangible qui veut que le chef de l’entreprise ne négocie jamais en personne. Le chef dit ce qu’il veut, approuve des variantes et dirige les négociateurs – mais pas à la table des négociations. Il suffit que le chef se montre au dernier moment pour conclure, signer et participer à la cérémonie de clôture. Ainsi, c’est une absurdité que des conseillers fédéraux se lancent dans des négociations. Cela ne peut que mal finir et nuire à la Suisse. Pour négocier, on dispose de secrétaires d’Etat, d’ambassadeurs, de ministres et de chefs d’offices. On tire les ficelles en coulisse et on soutient ainsi efficacement les négociateurs.
01.08.2009