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03.10.2007

Es ist eine wüste Sache abgelaufen

Man hat vor einem Monat versucht, ihn aus der Regierung zu kippen: Christoph Blocher über seine Bundesratskollegen, den SVP-Wahlkampf und Ehefrau Silvia. 03.10.2007, Neue Luzerner Zeitung, Eva Novak Nicht zuletzt dank Ihnen läuft der Wahlkampf für die SVP wie geschmiert. Sind Sie zufrieden? Ich spüre eine grosse Sympathiewelle, die ich eigentlich meinen Gegnern verdanke. Seit fast vier Jahren versuchen sie, mich aus dem Bundesrat zu drängen. Am 5. September wurde eine derartige Walze auf mich losgelassen, dass es die Leute als grosse Ungerechtigkeit empfanden. Die Partei hat das jetzt gekehrt und den Leuten gesagt: So, jetzt bestimmt ihr, ob der aus dem Bundesrat soll. Ihre Partei hat das nicht von langer Hand geplant? Sie nicht, die Gegner aber schon. Inzwischen glaube ich auch, dass es einen Geheimplan gegen mich gegeben hat. Wessen Idee war es, den Wahlkampf zu einem Entscheid für oder gegen Ihre Person zu machen? Das weiss ich nicht mehr. Die Überlegungen hatte die Parteileitung schon länger gemacht. Die Vorwürfe wurden immer heftiger. Als mich die Partei am 18. August fragte, ob ich das O.K. gebe zu dieser Kampagne, die darlegte, dass man den Plan gegen Blocher thematisiere, sagte ich zu. Von den Komplottvorwürfen gegen den ehemaligen Bundesanwalt wussten wir da noch nichts. Ihre Idee war es nicht? Nein, aber ich stimmte zu. Taten Sie dies um den Preis, dass sich Ihre Parteifreunde über den Personenkult ärgern? Damit musste man rechnen, dass einige es für übertrieben halten und sagen, sie seien auch jemand - obwohl es erstaunlich wenige sind. Personenkult ist das aber nicht. Diesen gibt es nur bei Personen, die nicht angegriffen und kritisiert werden. Da besteht bei mir keine Gefahr! (lacht) Sind Slogans wie "Blocher stärken - SVP wählen" kein Personenkult? Nein. Es ist eine Tatsache. Da geht es nicht um Christoph Blocher, sondern um die Politik, die ich vertrete. Sehr viele Nichtmitglieder der SVP sagen, ich müsse deswegen im Bundesrat bleiben. Deshalb hat die Partei diesen Slogan gewählt. Die Grünen und die Linken haben ja fast nur noch ein Programm, nämlich den Blocher rauszudrängen, weil er für die Werte der SVP steht. Mit Geissbock Zottel, dem Blocher-TV oder dem Engagement Ihrer Frau Silvia wendet die SVP im Wahlkampf amerikanische Methoden an, die von Sachthemen wegführen. Unterstützen Sie das? Wenn man sagen würde, der Blocher ist der Mister Schweiz, deshalb müsse man SVP wählen, gäbe ich Ihnen Recht. Aber Blocher steht für eine Politik: für das Asyl- und Ausländergesetz, das den Linken nicht passt; für Sicherheit, für Kostenreduktion, für Unabhängigkeit und gegen den EU-Beitritt. Das sind alles Sachthemen! Wenn meine Frau Vorträge hält, sind das ebenfalls politische Themen, mit denen eine Haltung zum Ausdruck kommt. Sie war Hausfrau, gab den Beruf auf und macht Frauen, in der gleichen Lage Mut ihren Weg zu gehen. Trotzdem: Dass sie den Wahlkampf ihres Mannes unterstützt, ist für die Schweiz neu und erinnert an die USA. Wir haben nicht Amerika im Kopf. Es ist eine natürliche Reaktion: Wir sind seit 40 Jahren verheiratet, mussten und wollten alles zusammen machen. Bei der EWR-Abstimmung etwa war meine Frau mein Stabschef. Davon erzählt sie, und das scheint für viele Menschen interessant zu sein. Dass eine Frau mit über 60 sagt, sie habe ein sehr befriedigendes Leben gehabt, weil - und nicht obwohl - sie Kinder aufgezogen hat. Will sich die SVP mit der für Samstag angekündigten Demo aufs Niveau linker Chaoten begeben, um die Schlagzeilen weiter zu beherrschen? Wenn linke Chaoten - wie Sie sagen - unseren Anlass stören wollen, ist das sicher nicht gut. Deswegen darauf zu verzichten, kommt hingegen nicht in Frage. Sie marschieren mit Samuel Schmid, obwohl dieser Bundesrat bleiben will, selbst wenn Sie abgewählt werden? Das ist doch keine Neuigkeit. Wenn Bundesrat Schmid will, kann er in der Regierung bleiben. Aber er könnte nicht in der Fraktion bleiben, wenn die SVP in die Opposition muss. Das gilt auch für jeden anderen aus der SVP, den das Parlament an meiner Stelle in den Bundesrat wählen könnte. Hat sich Ihr Verhältnis zu Schmid seither wieder abgekühlt? Nein, nein. Ein fraktionsloser Schmid könnte weniger bewirken, aber es wäre immerhin besser als irgendein Linker. Und wie steht es um Ihr Verhältnis zu Pascal Couchepin? Teilen Sie die Meinung ihrer Partei, der Walliser habe gegen Sie komplottiert? Ich will weder auf Details noch auf Namen eingehen. Fest steht: Am 5. September ist eine wüste Sache abgelaufen. An diesem Tag wurde der Eindruck erweckt, der Justizminister stecke in einer strafbaren Verschwörung gegen den früheren Bundesanwalt. Das wäre ein schwer wiegendes Delikt. Was haben Sie konkret befürchtet? Hätte Nationalrat Mörgeli nicht am nächsten Tag die Dokumente vorweisen und zeigen können, dass die Vorwürfe von GPK-Subkommisssionspräsidentin Meier-Schatz "Chabis" waren, stünde ich heute nicht mehr als Justizminister vor Ihnen. Vor einer solchen Vorverurteilung können Sie sich als Bundesrat nicht während Monaten halten. Schon selbst nur bei einem so schwerwiegenden Verdacht müssten Sie zurücktreten. Das war auch das Ziel! Sie wären also selbst bei einem Verdacht zurückgetreten? Ja, dies wäre die Konsequenz gewesen, wenn dieser Vorwurf über Monate aufrecht erhalten wäre. Frau Meier-Schatz hat ja ausdrücklich davon gesprochen, die Beschaffung der Unterlagen werde Monate benötigen. Was erwarten Sie von der heutigen Debatte im Nationalrat? Es ist schon viel Luft draussen. Ich nehme an, dass die anderen Parteien auf den süffigsten Teil - nämlich den absurden Vorwurf, ich sei in einer Verschwörung gegen den ehemaligen Bundesanwalt involviert - verzichten werden. Wenn ich vor dem Parlament spreche, gibt mir das die Gelegenheit, Dinge richtigzustellen. Empfinden Sie die Tatsache, dass die Bundespräsidentin für Sie sprechen wird, als Bevormundung? Zum "Putschversuch" und zur Kollegialität zu sprechen, ist der Part von Bundespräsidentin Calmy-Rey. Was aber die Bundesanwaltschaft betrifft, werde ich sprechen. Von welchem Putchversuch sprechen Sie? Dass nach der Bundesratssitzung vom 5. September nach aussen der Eindruck erweckt wurde, ich sei in den Roschacher-Komplott involviert, war der Versuch, mich aus der Regierung zu kippen. Die SVP-Interpellation spricht von "Putschversuch". Sollte das in Ihrer Abwahl gipfeln? Nein, in einem selbstverschuldeten Rücktritt. Das wäre das eleganteste Manöver meiner Gegner gewesen. Ich verstehe die Idee dahinter, auch wenn ich nicht weiss, wer der Spiritus Rector dahinter war. Zuerst versuchte man, mich aus dem Bundesrat zu drängen, weil man eine andere Politik wollte und merkte, dass es nicht geht. Mich zum Rücktritt zu drängen, wäre für die Gegner eine willkommene Lösung gewesen: "Man muss nun den bekannten SVP-Bundesrat nicht abwählen, er muss selber gehen", wäre die Redewendung gewesen. Damit trifft man auch die Partei, weil man sagen kann, sie habe einen kriminellen Justizminister gestellt. Rechnen Sie mit einer Abwahl? Nein, ich rechne nicht damit, schliesse es aber auch nicht aus. Auf jeden Fall verzicht ich nicht auf die meines Erachtens richtige Politik, nur damit mich die Gegner wiederwählen. Wie schlimm wäre es für sie, nicht zum Vizepräsidenten gewählt und damit nicht Bundespräsident zu werden? Es ist nicht so, dass ich nach einer Nichtwahl ein Fest veranstalten würde. Alles hat eine Bedeutung. Wenn dies geschehen würde, würde das Parlament sagen: Wir haben dich schon in die Regierung gewählt, aber du bist nicht ganz vollwertig. Das gäbe eine gewisse Freiheit. Wie das sein wird, schaue ich im Dezember an. Dazu brauche ich keine Strategie. Heisst das, Sie drohen mit Teilopposition? Nein, ich sage nur, dass es eine Bedeutung hat. Wenn ich auf den Weg des Präsidenten geschickt werde, weiss ich: In diesem Jahr muss ich die Regierung vertreten. Das muss jetzt einfach sein, da kann ich weniger Eigenes machen. Wenn mir das Parlament diesen Weg verwehrt, heisst das: Dann musst du nicht die Regierung vertreten. Das ist eher aussergewöhnlich, so halb ausgestossen zu werden. Wie das aber im Detail aussieht, weiss ich nicht. Damit würde Ihnen das Parlament zu verstehen geben, es sehe Sie nicht als vollwertigen Bundesrat an, und Sie würden sich im Gegenzug auch nicht als vollwertiger Bundesrat verhalten? Ja, das müsste wohl so sein. Dazu brauche ich aber keine grossen Pläne - und auch keinen Geheimplan... (lacht)

02.10.2007

Gewaltentrennung und Bundesanwaltschaft

Die Bundesanwaltschaft als Teil der Exekutive 02.10.2007, Beitrag von Bundesrat Christoph Blocher in der Neuen Zürcher Zeitung vom 2. Oktober 2007 Eine ungeteilte Aufsicht mit klaren Kompetenzen stärkt die Qualität der Bundesanwaltschaft. Die Unterstellung unter den Bundesrat stärkt den Rechtsstaat: Ein Beschuldigter hat so Gewähr, von einem unvoreingenommenen Gericht beurteilt zu werden, vor dem sich der Bundesanwalt als Vertreter des Staates und der Verteidiger des Beschuldigten gegenüberstehen. Der EJPD-Vorsteher spricht sich daher für die Aufsicht durch den Bundesrat aus. Am 21. September 2007 hat der Bundesrat den Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über die Organisation der Strafbehörden des Bundes in die Vernehmlassung geschickt. Damit sollen unter anderem die Strafverfolgungsbehörden des Bundes organisatorisch an die neue Schweizerische Strafprozessordnung angepasst werden. Die Vernehmlassungsvorlage unterstellt die Bundesanwaltschaft der ungeteilten Aufsicht des Bundesrates. Geteilte Aufsicht - fehlende Verantwortung Die Bundesanwaltschaft stand seit ihrer Schaffung im Jahre 1889 bis zum Inkrafttreten der Effizienzvorlage am 1. Januar 2002 unter der alleinigen Aufsicht des Bundesrates. Seit 2002 ist die Aufsichtsverantwortung geteilt: Die administrative Aufsicht liegt nach wie vor beim Bundesrat, während die so genannte Fachaufsicht den Gerichten (zuerst der Anklagekammer des Bundesgerichts, seit dem 1. April 2004 der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts) übertragen wurde. Die Oberaufsicht haben die Geschäftsprüfungskommissionen der Eidgenössischen Räte. Diese Mehrfachunterstellung hat sich nicht bewährt: Sie ist bestes Beispiel dafür, dass in der Führung Verantwortung unteilbar ist. Schwierige Kompetenzabgrenzungen und Unklarheiten sind das Ergebnis. So hat bei Mängeln die Beschwerdekammer nach eigenem Bekunden kaum Möglichkeiten, unmittelbar organisatorische oder disziplinarische Massnahmen anzuordnen, da die administrative Aufsicht beim Bundesrat liegt. Das EJPD, das die Aufsicht für den Bundesrat wahrnimmt, hat seinerseits nur beschränkte Möglichkeiten, den finanziellen und personellen Bedarf der Bundesanwaltschaft zu steuern, weil es über die faktische Geschäftsentwicklung (Fallzahlen und deren Aufwand) keine Kenntnis hat. Diese und weitere Unklarheiten führen dazu, dass eine effiziente und kohärente Aufsicht erschwert wird und die Bundesanwaltschaft letztlich einer griffigen Kontrolle entzogen ist. In Anbetracht ihrer Macht, in die persönlichen Freiheiten des Bürgers einzugreifen, ist dies eine bedenkliche Feststellung. Gefährdung der richterlichen Unabhängigkeit Gegen die heutige Regelung der Mehrfachunterstellung spricht ebenso sehr, dass eine dauernde und direkte Aufsicht durch das Bundesstrafgericht dessen eigene richterliche Unabhängigkeit gefährdet. Die Bundesanwaltschaft tritt regelmässig als Partei vor den Kammern des Gerichts auf. Bis heute ist unklar, in welchem Verhältnis die fachliche Aufsichtsfunktion der Beschwerdekammer zu ihrer Funktion als Beschwerdeinstanz steht. Ein Beispiel: Als Aufsichtsbehörde erteilt die Beschwerdekammer der Bundesanwaltschaft Weisungen, wie sie Beweise zu erheben hat. Als Beschwerdeinstanz hat die Kammer die Rechtmässigkeit einer Beweiserhebung zu beurteilen, die gemäss jenen Weisungen erfolgt ist. Bei einer solchen Ausgangslage drängt sich die Frage auf, wie frei der Spruchkörper in seiner Beurteilung noch ist. Offensichtlich besteht hier ein Spannungsverhältnis, das daher rührt, dass das Gericht im Rahmen der Aufsicht mit der anklägerischen Partei regen Kontakt unterhalten, dieser Weisungen erteilen und Bilanz über abgeschlossene Fälle ziehen muss, während es als Spruchbehörde gegenüber beiden Parteien in gleichem Ausmass Unbefangenheit und damit Unabhängigkeit zu gewährleisten hat. Dieses Dilemma beschränkt sich nicht nur auf die Beschwerdekammer, sondern trifft letztlich die Strafkammer als urteilender Spruchkörper genauso sehr. Nachteile für die beschuldigte Person Diese rechtsstaatliche Problematik verdeutlicht die Sicht der Betroffenen: Die beschuldigten Personen sehen sich heute bei ihrer Verteidigung in die Lage versetzt, die Qualität der Arbeit der Bundesanwaltschaft vor einem Gericht in Zweifel ziehen zu müssen, welches im Rahmen seiner Aufsichtsfunktion ebendiese zu gewährleisten hat. Diese Ausgangslage vermag das Vertrauen in die Justiz nicht zu stärken, sondern zu beeinträchtigen. Was für das Bundesstrafgericht gilt, hätte ebenso Geltung bei einer Aufsicht durch das Bundesgericht, wie sie in letzter Zeit verschiedentlich vorgeschlagen worden ist. Teil der Exekutive Damit ist gleichzeitig auch gesagt, dass die Bundesanwaltschaft keine richterliche Behörde und demnach nicht Teil der Judikative ist. Von Gesetzes wegen ist sie vielmehr eine Einheit der dezentralen Bundesverwaltung − wie dies der Staatsrechtler Giovanni Biaggini in der NZZ vom 25. September 2007 zutreffend dargelegt hat. Es erscheint nur folgerichtig, die Bundesanwaltschaft erneut der Aufsicht durch den Bundesrat zu unterstellen. Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft Damit die Strafverfolgungsbehörde nicht für politische oder anderweitige Zwecke instrumentalisiert wird, muss ihre Unabhängigkeit im Einzelfall gewährleistet sein. Das gilt unbesehen davon, wem die Bundesanwaltschaft auch immer unterstellt ist. Deshalb schliesst der Vernehmlassungsentwurf denn auch konkrete Anweisungen des Bundesrates oder seines Beauftragten bezüglich die Einleitung, die Durchführung und den Abschluss einzelner Verfahren, die Vertretung der Anklage vor Gericht und die Ergreifung von Rechts¬mitteln ausdrücklich aus. Stärkung der Rechtsstaatlichkeit Die vom Bundesrat vorgeschlagene Aufsichtsregelung vermag das Vertrauen in die Justiz in mehrfacher Hinsicht zu stärken: Einerseits verhilft sie dem Anspruch der beschuldigten Partei auf ein unabhängiges Gericht zum Durchbruch. Gleichzeitig erfährt die Arbeit der Bundesanwaltschaft durch eine glaubwürdige richterliche Kontrolle im Einzelfall eine Aufwertung. Der Bürger hat Vertrauen, dass die Bundesanwaltschaft wirksam beaufsichtigt wird. Mittels klarer gesetzlicher Ausgestaltung kann schliesslich die Gefahr einer politischen Einflussnahme durch das Aufsichtsorgan im Einzelfall vermieden werden. Das anstehende Gesetzgebungsprojekt bietet die Chance, die rechtsstaatlichen Institutionen des Bundes zu stärken und das Funktionieren der Bundesanwaltschaft zu gewährleisten.

02.10.2007

Bündner des Jahres

Bern. Kurzansprache von Bundesrat Christoph Blocher bei der Preisübergabe, Bündner des Jahres 2007, 2. Oktober 2007, in Bern. 02.10.2007, Bern Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Geschätzte Damen und Herren Liebe Bündnerinnen und Bündner Zunächst einmal und ohne Einschränkung: Herzlichen Dank für Ihre Auszeichnung zum „Bündner des Jahres 2007“. Ich habe mich gefreut. Meine Frau hat sich gefreut. Meine Kinder, die ja teilweise das Unternehmererbe im Kanton Graubünden weiterführen, ebenso. Sie haben also mit dieser Wahl Freude bereitet. Das ist schon mal positiv. Wie anfangs erwähnt: Ich habe mich ohne Einschränkung über diese Auszeichnung gefreut. Denn für die Einschränkungen bin offensichtlich nicht ich, sondern die Jury zuständig. Wie ich der schriftlichen Begründung entnehmen konnte, hielt der Verlag Exclusiv (der diesen Preis initiiert und vergeben hat) ausdrücklich fest, man habe „Blocher nicht als Politiker, sondern als Kulturförderer“ auszeichnen wollen. Diese Unterscheidung ist löblich und gefällt mir wenigstens aus drei Gründen. Erstens, könnte man das eigentlich häufiger machen bei Preisverleihungen. Dass in der Laudatio mindestens so ausführlich darauf eingegangen wird, wofür ein Preisträger seinen Preis eben nicht erhält. Ich kann mir vorstellen, dass die Spannung und das Interesse an solchen Veranstaltungen sprunghaft ansteigen würde. Dieses Verfahren liesse sich auch beliebig erweitern, beispielsweise auf Jubiläen, Nachrufe oder Rücktrittsreden für Politiker. Der zweite Grund, warum ich diese Unterscheidung „Kulturförderer-Politiker“ begrüsse, darf ich Ihrer Weitsicht zuschreiben. Es hätte gut sein können, dass Sie heute gar keinen Politiker Blocher mehr als „Bündner des Jahres“ zu feiern gehabt hätten. Denn eigentlich sollte ich ja im September aus meinem Amt entfernt werden, und Sie hätten, wenn schon, die „Intrige des Jahres“ begehen können. (Eine Rubrik, die vielleicht zukunftsweisend werden könnte.) Jetzt aber, drittens, ganz ohne Ironie: Die Kultur in Graubünden liegt mir tatsächlich am Herzen. Mein beruflicher Weg führte mich ja in diesen Kanton und ich war und bin mit der Südostschweiz weit mehr verbunden als nur rein unternehmerisch. Diese Beziehung zur Landschaft und den Leuten – und die Kultur ist so etwas wie das Geflecht, das diesen Kanton durchwirkt wie die Blutbahnen einen Körper – also diese Beziehung hat sich im Laufe der Jahre verstärkt und vertieft. Für mich war Graubünden immer der Urtyp des Schweizer Sonderfalls. Weil dieser Kanton so vielfältig ist und eigensinnig in der besten Bedeutung des Wortes. Natürlich habe ich mich seinerzeit nicht aus Berechnung in der Kulturförderung engagiert, um später mal den Titel „Bündner des Jahres“ einzuheimsen. Aber ganz so uneigennützig war mein Engagement auch wieder nicht. Denn ich liebe die Musik, die klassische und die Volksmusik im Speziellen. Ich habe gesehen, dass vor zwei Jahren Armin Caduff, der Begründer der Compagnia Rossini, ebenfalls die Ehre dieser Auszeichnung widerfuhr. Ich bin ein grosser Bewunderer seines Könnens und seines Schaffens. Allerdings musste Armin Caduff sich 2005 gegen eine tierisch harte Konkurrenz durchsetzen: Schliesslich war damals auch der „Bündner Bär“ als möglicher Preisträger nominiert… Ich durfte in diesem Jahr selber eine für mich spezielle Laudatio halten – und zwar auf den Schweizer des Jahres. Die Einladung erfolgte auf Wunsch des Preisträgers, Köbi Kuhn. Die Voraussetzung für eine Laudatio hätte besser nicht sein können: Ich kannte Köbi Kuhn nur als öffentliche Person und von Fussball verstehe ich erwiesenermassen wenig – ich habe auch keinen Fernseher zu Hause. Trotzdem sagte ich freudig zu: Weil mich Köbi Kuhn schon länger angesprochen hat, nämlich als Mensch. Ich hätte auch sagen können (in Anlehnung an die Jurybegründung dieses Anlasses): Ich möchte nicht den Fussballtrainer, sondern den Menschen Köbi Kuhn würdigen. Denn der Mensch steckt in all unseren Tätigkeiten – und insofern muss ich Sie enttäuschen: Der Kulturförderer Christoph Blocher und der Politiker Christoph Blocher sind ein und dieselbe Person. Ich habe darum an die Auszeichnung Köbi Kuhns erinnert, weil es – wenigstens für mich – wesentlich einfacher ist, jemanden für seine Leistungen zu würdigen, als eine Würdigung über mich ergehen zu lassen. Das hat wohl mit meiner politischen Biographie zu tun: Ich habe im Verlaufe der Jahre vor allem gelernt, mit Schmähreden umzugehen. Mit Lobreden habe ich weniger Übung. Doch ich bin mit Interesse Ihren Ausführungen gefolgt, und eine solche Preisverleihung könnte uns vor allem eines lehren: Manchmal sollte man eine Ehrung ganz einfach in Demut und Dankbarkeit entgegen nehmen. Was ich hiermit tue.

26.09.2007

Die geltenden Gesetze konsequent anwenden

Zürcher Landzeitung: «Auch in der Schweiz ist töten nicht erlaubt», sagt Justizminister Christoph Blocher zur aktuellen Diskussion über Sterbehilfe. Erstrebenswert sei ein Ausbau des Angebots der Palliativmedizin. 26.09.2007, Beitrag von Bundesrat Christoph Blocher in der Zürichsee-Zeitung vom 26. September 2007 Die unschönen Begleiterscheinungen von Suizidhilfe und Sterbetourismus sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Tatsächlich ist es etwa für die Anwohner in der Nähe von Sterbewohnungen unzumutbar, fast täglich zuschauen zu müssen, wie fremde Leute herkommen, von ihren Angehörigen Abschied nehmen und wenig später im Sarg weggetragen werden. Es lohnt sich, hier wieder einmal auf die bestehende Rechtslage und die Notwendigkeit der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu achten! Der Betrieb einer Sterbewohnung oder eines Sterbehauses in einer Wohnzone verletzt das seelische Empfinden. Um sich davor zu schützen, können die betroffenen Nachbarn zu den im Zivilgesetzbuch vorgesehenen nachbarrechtlichen Mitteln (Art. 679 und 684) greifen. Zudem können die Behörden gestützt auf das Raumplanungs- und Baurecht auf eine zonenkonforme Nutzung beharren und den Betrieb von Sterbewohnungen unterbinden, was in Stäfa anscheinend geschehen ist. Missbräuche verhindern Zunächst ist darauf hinzuweisen, und das kann nicht genug betont werden: Auch in der Schweiz ist töten verboten! Auch wenn die Schweiz - als eines der wenigen europäischen Länder - die Beihilfe zum Suizid aus uneigennützigen Gründen für straflos erklärt, ist mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass töten nicht erlaubt ist. Diese liberale Regelung will zwar niemand in Frage stellen. Aber mit der Zunahme der organisierten Suizidbeihilfe und dem Aufkommen des Sterbetourismus sind auch Missbrauchsgefahren verbunden. Doch auch hier bietet das geltende Straf- und Gesundheitsrecht genügend Kontroll- und Interventionsmöglichkeiten, die es auszuschöpfen gilt. Wenn zum Beispiel die Grenzen von der uneigennützigen - und damit straflosen Beihilfe zur Selbsttötung - zur Fremdtötung überschritten werden oder bei der Verschreibung des todbringenden Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital (NAP) der Sterbewunsch nicht sorgfältig und fachkundig abgeklärt wird, sind die Behörden gefordert. Sache der Behörden Es ist unerlässlich, dass auch nach jeder Selbsttötung die Strafverfolgungsbehörden sorgfältig und umfassend die Todesart abklären, da bei einem aussergewöhnlichen Todesfall eine strafbare Handlung von Dritten grundsätzlich nie ausgeschlossen werden kann. Diese Behörden haben einen Augenschein vor Ort zu nehmen, Einvernahmen durchzuführen und eine Untersuchung der Leiche durch einen sachverständigen Arzt anzuordnen, um den Sachverhalt abzuklären. Ebenso müssen die Gesundheitsbehörden konsequent gegen Sorgfaltspflichtverletzungen von Ärzten vorgehen und ihnen allenfalls die Bewilligung zur Berufsausübung entziehen. Aufsichtsgesetz: keine Lösung Statt alle Handlungsmöglichkeiten zu nutzen und die geltenden Gesetze konsequent anzuwenden, wird in Teilen der Öffentlichkeit immer wieder der Erlass eines Bundesgesetzes über die Zulassung und Beaufsichtigung von Suizidhilfeorganisationen gefordert. Der Bundesrat lehnt die Schaffung eines Aufsichtsgesetzes ab, denn es bietet keine taugliche und brauchbare Lösung, um Missbräuche zu verhindern. Die Gefahr ist gross, dass dadurch lediglich von der eigentlichen Aufgabe abgewichen wird, die geltenden Gesetze konsequent anzuwenden. Ein Aufsichtsgesetz könnte sogar die verantwortlichen Behörden dazu verleiten, die Fälle nicht mit der notwendigen Konsequenz und Gründlichkeit abzuklären, da „staatlich qualifizierte“ und beaufsichtigte Organisationen über jeglichen Zweifel und Verdacht erhaben zu sein scheinen. Liberale Regelung bewährt sich Die liberale Regelung der Suizidhilfe in der Schweiz hat zwar zur Entstehung von Suizidhilfeorganisationen geführt und ist eine Hauptursache für das Aufkommen des Sterbetourismus. Doch wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass sich diese Regelung bewährt hat und dass von keiner Seite deren Aufhebung gefordert wird. Zudem sind die Regelungen der verschiedenen Formen der Sterbehilfe aufeinander abgestimmt. Indem der Staat die Beihilfe zum Suizid ohne selbstsüchtige Beweggründe zulässt, hilft er nicht nur dem Einzelnen in dieser Situation seinen Willen frei zu bilden und danach zu handeln. Gerade die Straflosigkeit der uneigennützigen Beihilfe zum Suizid erleichtert es, ohne Abstriche am absoluten Tötungsverbot festzuhalten. Tötungsverbot nicht gelockert Der Schutz des menschlichen Lebens gehört zu den vornehmsten und primären Aufgaben des Staates. Bisher haben es sowohl der Bundesrat wie das Parlament entschieden abgelehnt, das unserer Rechtsordnung zugrunde liegende absolute Tötungsverbot zu lockern. Zwar waren die parlamentarischen Vorstösse zur Legalisierung der direkten aktiven Sterbehilfe restriktiv formuliert. Nur in extremen Ausnahmefällen sollten jene von einer Strafe befreit werden, die aus Mitleid einen unheilbar und schwer kranken, vor dem Tode stehenden Menschen, auf sein eindringliches Verlangen hin von einem unerträglichen und menschenunwürdigen Leiden befreien. Dass diese Vorstösse abgelehnt wurden, ist auf den breiten Konsens zurückzuführen, dass selbst eine äusserst restriktive Strafbefreiung der direkten aktiven Sterbehilfe ein Tabu brechen, Hemmschwellen senken und gefährliche Schleusen zur unfreiwilligen Sterbe-„Hilfe“ öffnen würde. Standesrecht besser geeignet Die indirekte aktive und die passive Sterbehilfe dagegen gehören seit langem zum Schweizer Spitalalltag und sind in den standesrechtlichen Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften detailliert geregelt. Dennoch fordern parlamentarische Vorstösse, diese unter bestimmten Voraussetzungen straflosen Formen der Sterbehilfe auch ausdrücklich im Strafgesetzbuch zu regeln. Die Befürworter einer Regelung im Strafgesetzbuch sind sich allerdings uneinig, ob eine restriktivere oder liberalere Lösung anzustreben ist, und bezeichnenderweise schweigen sich die Vorstösse über den genauen Inhalt einer solchen Regelung aus. Recht setzt klare Schranken Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich Sterbehilfe in der Schweiz nicht in einem rechtsfreien Raum ereignet. Die geltenden Regeln sind in der Bundesverfassung, im Bundesrecht und im kantonalen Recht, in Gemeindebeschlüssen sowie im medizinischen Standesrecht gegeben und setzen klare Schranken. Hinsichtlich der Strafbarkeit der direkten aktiven Sterbehilfe besteht keine Rechtsunsicherheit. Sie ist verboten. Unvermeidliche Grenzzonen (z.B. im Grenzbereich zwischen Schmerztherapie und gezielter Lebensverkürzung) lassen sich nicht durch gesetzliche Regelungen aus der Welt schaffen. Jede Regelung würde letztlich dazu führen, dass Töten in Ausnahmefällen grundsätzlich erlaubt wäre. Töten muss aber grundsätzlich verboten bleiben. Um allfälligen Missbräuchen und stossenden Begleiterscheinungen der organisierten Suizidhilfe und des Sterbetourismus zu begegnen, sind keine neuen Gesetze erforderlich. Vielmehr müssen insbesondere die Strafverfolgungs- und Gesundheitsbehörden in allen Kantonen die Kontroll- und Interventionsmöglichkeiten des geltenden Rechts voll ausschöpfen. Erstrebenswert ist hingegen ein Ausbau des Angebots der Palliativmedizin. Denn eine umfassende Unterstützung und Betreuung todkranker Patienten ermöglicht es diesen Menschen, in Würde zu leben und zu sterben. Die Palliativmedizin trägt damit dazu bei, den Sterbewunsch und die Nachfrage nach Suizidhilfe abzuschwächen.

23.09.2007

«Auch meine Kinder wurden bedroht»

Polizei- und Justizdepartement prüft Frühwarnsystem für Entführungsfalle 23.09.2007, Sonntag, David Sieber und Othmar von Matt Politiker beklagen sich, in letzter Zeit vermehrt bedroht zu werden. Überrascht Sie das? Nach 30 Jahren Politik kann ich sagen, dass dies leider immer wieder vorkommt; Bedrohungen gegen exponierte Leute gibt es immer. Auch ich muss mit Drohbriefen leben. Das meldet man der Polizei und spricht nicht darüber. Auf keinen Fall sollte man solche Vorfälle publik machen, um keine Nachahmer nachzuziehen. In den Achtzigerjahren während der Jugendunruhen wurde man sogar tätlich angegriffen. Da demolierten zum Beispiel ein paar Leute das Auto, in welchem ich sass. Von solchen Zuständen sind wir heute weit entfernt. Müssten Sie als Justiz- und Polizeiminister nicht mit einem Aufruf dafür sorgen, dass sich die Wogen glätten? Wegen der Bedrohungen? Nur nicht eingreifen. Das gäbe garantiert mehr und neue Bedrohungen. Nochmals: Die Situation ist derzeit nicht besorgniserregend. Ich mache mir viel mehr Sorgen um Jugendgewalt, Kindsentführungen, Gewalt im Alltag wie Messerstechereien etc. Hier bin ich tätig. Wie? Mein Departement prüft zum Beispiel ein Frühwarnsystem für Entführungsfälle. Das prüfen wir mit den Kantonen. Allerdings nehmen wir auch die Einwände, dass dies erst recht Nachahmer auf den Plan ruft, ernst. Diese Bedenken äussern Experten. Wie soll so ein System funktionieren? Ähnlich wie in den USA und Kanada. Sobald ein Entführungsfall bekannt wird, wird die Bevölkerung aufgerufen, die Augen offen zu halten und Beobachtungen der Polizei zu melden. Der Entführer soll sich nicht mehr bewegen können. Im Fall von Ylenia hätte ein solches System aber nichts genützt. Der mutmassliche Täter hat sich in einem Wald versteckt und sich das Leben genommen. Es gilt auch zu beachten, dass eine "stille Fahndung" in gewissen Fällen besser ist. Um Delikte gegen Kinder zu verhindern, braucht es aber weitere Massnahmen. Nicht nur polizeiliche. Welche? Sie setzen im Familiären an. Zum Beispiel: Wie kann man die kleinen Kinder lehren, solche Annäherungsversuche abzuwehren? Aber damit allein ist es auch nicht getan. Sind Sie persönlich gegen ein solches Alarmsystem? Spontan nein. Aber ich würdige jetzt die Gründe dafür und dagegen und prüfe die organisatorischen Details. Die tägliche Frage bleibt: Wie kann man solches möglichst verhindern. Ich bin ja Vater von vier Kindern. Wir haben eine solche bedrohliche Situation selbst erlebt. Es ist damals in den Siebzigerjahren gut abgelaufen. Man konnte rechtzeitig die Polizei einschalten, die den Betroffenen verhaftet hat. In diesem Fall war es wichtig, darüber zu schweigen. Aber der Gefahr waren wir uns umso mehr bewusst. Die SP hat ausgerechnet, dass die SVP 15 Millionen Franken in den Wahlkampf steckt. Das weiss ich nicht. Diese Summe scheint mir auch gar hoch. Da muss wohl auch Reklame der Kantone dabei sein und vielleicht auch noch ein Teil der SP-Ausgaben. Zahlen Sie mit? In der Sonntagsschule sangen wir: "Nun sag ich’s noch einmal…“ Also nochmals: Nein. Seit ich Bundesrat bin, bezahle ich persönlich an keine Kampagnen mehr. Und Ihre Frau? Auch meine Frau nicht. Und meine Kinder bis in die zehnte Generation auch nicht. (lacht) Nationalratspräsidentin Christine Egerszegi fragt sich, wer die Kolumne Ihrer Frau, die im letzten "Sonntag" erschienen ist, geschrieben hat. Ich bin erstaunt: Anscheinend ist die Kolumne so gut, dass Frau Nationalratspräsidentin Egerszegi diese nicht selber hätte schreiben können. Oder sie will gar sagen, eine Frau, die kein politisches Amt habe, könne keine solchen Kolumnen schreiben? Das wäre dann eine Beleidigung für die Schweizer Frauen! Als Nationalratspräsidentin sollte man keine Unterstellungen machen, zumal dann nicht, wenn man unter Berufung auf das Amt danach vielsagend schweigt. Ich habe aus der Nähe verfolgt, mit welch tiefer Erfahrung meine Frau - als Mutter von vier Kindern und mit sechs Enkeln - diese Kolumne geschrieben hat.