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06.09.2007

Die Stärken fördern

Referat von Bundesrat Christoph Blocher am Wirtschaftsforum der wufa, 6. September 2007 in Wil/SG 06.09.2007, Wil Wil. Bundesrat Christoph Blocher rief anlässlich des Wirtschaftsforums wufa auf, den Erfolg als Ziel zu sehen. Erfolgreiche Unternehmer sollen sich auf ihre Stärken und auf Weniges konzentrieren. Dies brauche die Stärke zur selbstkritischen Analyse, den Mut Dinge wegzulassen, sowie die Demut gegenüber der Sache. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Meine Damen und Herren 1. Was ist ein Unternehmer? Ein klassischer Unternehmer ist ein Mensch, dem eine Firma gehört und der diese auch selbst führt. Er ist Manager und Eigentümer in einem. Sein Dasein – man könnte etwas pathetisch auch von Schicksal reden – ist eng mit der Firma verbunden, weil sein Kapital in der Firma steckt und er diese auch führt. Das unterscheidet ihn vom Manager, der als Angestellter die Firma (nur) führt. Bei den börsenkotierten Unternehmen ist es allerdings anders. Dort gibt es den klassischen Unternehmer – der Eigentümer und Manager zugleich ist – selten. Führung und Eigentum fallen nicht zusammen. Der Eigentümer besteht darüber hinaus aus einer Vielzahl von Aktionären. Ohne die Leistungen von Managern in irgendeiner Form zu schmälern oder zu bewerten: Ein Unternehmer, der sein Kapital in der Firma hat, spürt eine ganz andere Verantwortung als ein Angestellter. Wenn ich aber heute zum Thema „Die Stärken fördern“ spreche, gelten die Gedanken für jeden, der eine führende Stellung in einem Unternehmen wahrnimmt. Ob Manager, Unternehmer, leitender Angestellter: Es gilt für alle Führungspersönlichkeiten. 2. Das Ziel ist das Ziel (oder der Erfolg) Es gibt den verführerischen Satz: „Der Weg ist das Ziel“. Nicht das tatsächliche Erreichen eines Ziels, also nicht der Erfolg, zählt, sondern der Weg. Das tönt angenehm und bequem, das erinnert uns an einen sonntäglichen Spaziergang. Der „Weg ist das Ziel“ meint, es ist nicht so wichtig, wohin wir gehen; vielleicht weiss man nicht einmal, ob der Weg überhaupt an ein Ziel führt. Hauptsache, man ist unterwegs und hat es gut miteinander, man geht miteinander. Für einen Unternehmer ist dies ein unbrauchbarer Satz. Leider wird er in der Politik häufig befolgt. Für den Unternehmer gilt: Das Ziel ist das Ziel. Das heisst: Auf die Zielerreichung, den Erfolg, die Auftragserfüllung allein kommt es an. 3. Wann habe ich Erfolg? * Die Konzentration auf die eigene Stärke ist – das sage ich aus Erfahrung – etwas vom Wichtigsten, um Erfolg zu haben. Dies ist einfach einzusehen: Muss ich hundert gleichwertige Dinge tun, kann ich jeder Sache nur einen Hundertstel meiner Energie widmen. Mache ich nur eine Sache, so kann ich meine ganze Energie dieser einen Sache widmen, also fliesst in diese Sache hundertmal mehr Energie. Da ist das Geheimnis der Konzentration. Sie ist für den Erfolg entscheidend. Bei voller Konzentration auf eine Sache wird das Risiko, dass sie scheitert, kleiner. Wer sich mit hundert verschiedenen Dingen abgibt, wird sich beruhigen, er habe ja noch 99 andere, falls eine Sache schief gehe. In der Regel funktionieren aber alle 100 schlecht. Die Erfahrung zeigt, dass diejenigen Unternehmen, die sich voll auf ihr Gebiet konzentriert haben, erfolgreicher waren. „Gemischtwarenläden“, die meinen, Maschinenfabriken, Banken, Hotels, Versicherungen und vieles mehr führen zu können, waren nicht erfolgreich. Es gab zwar Jahre – wirtschaftlich gute Jahre – da predigte man Diversifikation und meinte Risikoverteilung. Am Anfang – weil die Konjunktur beflügelte – funktionierte dies. Sobald die Wirtschaft lahmte – und erst dann zeigt sich die Tauglichkeit einer Strategie – brach dieses System regelmässig zusammen. Diversifikationen überfordern die Führung, vor allem die Spitze des Unternehmens. Man muss sich gleichzeitig verschiedenen Gebieten widmen. Aber der Mensch ist beschränkt. Bei zu vielen Gebieten leidet sowohl die notwendige Tiefe in der Bearbeitung als auch der Überblick. Wenn es überall brennt, dann kann man nirgends mehr löschen. * Der Unternehmer muss sich stets behaupten. Er ist von der Konkurrenz stets bedroht! Dadurch hat er stets Angst, es könnte scheitern. Aber hier etwas Tröstliches: Man muss nicht gut sein, sondern nur besser als die Konkurrenz! Sie werden einwenden: Wer sich auf eine Sache konzentriert, kann sich ja auch auf die falsche Sache konzentrieren und damit seinen Untergang erst recht einläuten. Natürlich kann ich mich auch auf das Falsche konzentrieren. Sich auf eine Sache festzulegen, ist noch keine Garantie auf Erfolg. Doch wer sich voll und ganz einer Sache widmet, läuft weniger Gefahr, dass er sich auf das Falsche konzentriert. Er merkt früher, ob es die richtige oder die falsche Sache ist. Natürlich: Man muss sich stets auf die Stärke – auf das, wo ich besser und anders bin, als der Konkurrent - konzentrieren. Nur, wie findet man das „Richtige“? Diese Frage ist zu vertiefen. Wo habe ich eine Stärke? Das heisst: Wo bin ich anders und besser als die Konkurrenten und ist diese Stärke auf dem Markt gefragt? Darum gehört die Konkurrenzanalyse zu den Grundvoraussetzungen für jeden, der selber erfolgreich sein will. Unternehmerisches Schaffen ist stets begleitet durch die bange Frage. Wo bin ich weniger schlecht als die Konkurrenz? Werfe ich dann all meine Kraft und die all meiner Mitarbeiter, alles Geld und alles, was ich habe auf meine Stärke, bin ich erfolgreich. Mit aller Kraft die Stärke meiner Position zu pflegen ist erfolgreicher als Schwächen auszumerzen. Dieser Weg erfordert freilich gründliche Analysen und viel Selbstkritik. Sie müssen bereit sein, sich und alles immer wieder zu hinterfragen. Sie müssen kontroverse Meinungen zulassen, Sie müssen sie sogar einfordern. Doch je mehr Sie sich in eine Frage vertiefen, desto besser erkennen Sie ihre Stärken. Die Erfolgschance zu erkennen, ist für jeden Unternehmer überlebensnotwendig. Aber wie gesagt: Ich muss nicht, absolut gesehen, stark sein. Es genügt, wenn ich besser bin als der Konkurrent. Weniger schwach! * Was heisst aber, „sich konzentrieren“? Die Kunst des sich Konzentrierens heisst: Weglassen! Weglassen können! Weglassen müssen! Abschneiden! Vernachlässigen! Das Falsche nicht tun! Nicht die Konzentration ist die Hauptschwierigkeit, sondern das Weglassen von Geschäftstätigkeiten. Konzentration heisst Abschied nehmen von Dingen, die auch gut, einem auch lieb sind, aber eben doch zu wenig wichtig. Man glaubt immer, man könne dies auch noch tun. Man überschätzt und überfordert sich in der Regel. Persönlich hilft stets die Konzentration auf Weniges. Was kann ich wegschneiden. Ordnung „im Fadezeinli“ machen. Vor allem aber muss man darauf dringen, dass sich der Verantwortliche auf den Auftrag konzentrieren kann. Zersplitterung ist ein häufiger Grund für das Scheitern. 4. Unternehmer sein heisst demütig sein Ein guter Chef zeichnet sich vor allem durch Demut aus. Demut gegenüber der Sache, gegenüber dem Auftrag - nicht so sehr gegenüber Personen und schon gar nicht gegenüber Personen, die nicht bei der Sache sind. Ebenso ist die Einsicht in die Beschränktheit des eigenen Handelns erforderlich. Unter diesen Voraussetzungen wird man fähig, ein Problem zu erkennen und zu analysieren. Man gewinnt die Kraft zu entscheiden und den Mut, seine Untergebenen auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören und mit diesen das Ziel zu erreichen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie die Kraft und den Mut und eben auch die Demut aufbringen, ihren Auftrag zu finden, ihre Stärken zu erkennen und ihre Ziele zu erreichen.

05.09.2007

Sind Jugendgewalt und Ausländerkriminalität nur Hirngespinste?

Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der SVP-Informationsveranstaltung, 5.September 2007, in Zollbrück BE 05.09.2007, Zollbrück Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Meine Damen und Herren 1. Alles nur Hirngespinste? Sind Jugendgewalt und Ausländerkriminalität nur Hirngespinste? Sind die laufenden Debatten allein ein aufgebauschtes Produkt der Medien und Parteien? Hat die Gewalt unter Jugendlichen etwa gar nicht zugenommen, sondern bloss die „Sensibilisierung“, man sei halt heute mehr auf dieses Problem fokussiert und deshalb eher bereit, Anzeige zu erstatten? Werden die Jugendlichen, wie andere wortreich bedauern, in die kriminelle Ecke gedrückt? Dazu vorneweg ein paar Bemerkungen. Die Kriminalität von Ausländern (und ich spreche hier von schweren Vergehen, Gewalt- und Drogendelikten) ist statistisch so augenfällig, dass es selbst notorischen Verharmlosern schwer fällt, das Ausmass zu leugnen. Zur Jugendgewalt: Ist die Zunahme von Jugendgewalttaten nur gefühlt und nicht belegt? Wir müssen diese Vermutung mit einem klaren Nein beantworten. Seit Ende der 80er Jahren haben sich die Gewalttaten (je nach Bereich) verdoppelt oder verdreifacht. Als Opfer sind viel häufiger Jugendliche betroffen. (Prof. Martin Killias, Tages-Anzeiger vom 7.8.2007). Auf der Täterseite ergibt sich ein ähnliches Bild: Die Zahl jugendlicher Straftäter ist markant gestiegen – und zwar trotz rückläufiger Anzeigenrate! 2. Statistiken Wir kommen zu folgenden Ergebnissen: Die Jugendgewalt und vor allem das Ausmass der Gewalt hat in den letzten Jahren massiv zugenommen. Jugendliche Ausländer, namentlich aus dem Balkan, gehören überdurchschnittlich oft zu den Tätern. Vier Pressemitteilungen aus den vier grössten Deutschschweizer Städten verdeutlichen das Problem: Bern, 30.1.2007 Die jüngste Kriminalstatistik zeigt: Jugendliche schlagen immer häufiger zu. «Es ist zu einer beliebten Freizeitbeschäftigung geworden, dass Jugendliche aus Fun und Langeweile zuschlagen und Leute ausnehmen», so Kripo-Chef Florian Walser. «Täter sind immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene, sehr oft mit Migrationshintergrund.» Winterthur, 1.2.2007 «Die Delinquenz von jugendlichen Ausländern in Winterthur hat sich erhöht.» (Polizeisprecher Peter Gull) Basel, 8.2.2007 Der Ausländeranteil bei den erwachsenen Tätern betrug im letzten Jahr rund 55 (2005: 57) Prozent. Bei den Jungen habe man zudem «keine Ausländer-Kriminalität, sondern eine Balkan-Kriminalität». Zürich, 8.2.2007 «Sorgenkind Nummer eins ist und bleibt die Jugendkriminalität», so der Zürcher Kripo-Chef Bernhard Herren. Namentlich Jugendliche aus den Balkanländern träten überproportional in Erscheinung. Bei den Delikten gegen Leib und Leben machen sie 52,6 Prozent von allen ausländischen tatverdächtigen Jugendlichen aus. Politiker, Beamte, Experten werfen oft mit Prozentzahlen und Statistiken um sich. Aber hinter all diesen Zahlen stecken Menschen und Schicksale. Es kennt jeder in seinem persönlichen Umfeld Opfer von Gewalt und Übergriffen. Für die Opfer und ihr Umfeld sind Statistiken verbunden mit viel Leid und teilweise furchtbaren Erlebnissen, die ein ganzes Leben zerstören können. Denken wir an die Vergewaltigungsfälle der letzten Monate. 3. Schicksale In der Stadt Zürich vergewaltigt eine Bande von Jugendlichen ein dreizehnjähriges Mädchen. Alle zwölf Verdächtige haben polizeiliche Vorakten, unter anderem wegen Raubdelikten. Die Medien und Behörden versuchen die Herkunft der Täter zu vertuschen. Erst Tage später schreibt der Tages-Anzeiger: „Unter den zwölf Verhafteten sind sechs Schweizer. Es soll sich um eingebürgerte Jugendliche aus dem Balkan und der Türkei handeln; die restlichen stammen ebenfalls aus dem Balkan sowie je einer aus Italien und der Dominikanischen Republik.“ (Tages-Anzeiger, 18.11.2006) Im November 2006 wird eine Massenvergewaltigung in Steffisburg (BE) bekannt. Die Beschuldigten: Zwei albanische Brüder (15 und 16 Jahre alt), ein Pakistani (15), ein Schweizer tamilischer Herkunft (16), ein Brasilianer (18) und zwei weitere 18jährige Ausländer. (Blick, 15.11.2006) Was haben diese Meldungen gemeinsam? * Das Ausmass der Jugendgewalt und die Brutalität haben erschreckend         zugenommen. * Viele der jugendlichen Täter sind Ausländer, namentlich aus dem Balkan. * Nach wie vor versuchen gewisse Medien und politische Kreise das Thema Gewalt von jungen Ausländern zu leugnen, zu vertuschen oder zu verharmlosen. 4. Verbrechen und Strafe Ich halte das Verleugnen der Ausländerkriminalität für eine gefährlich-feige Haltung. Wer ein Problem lösen will, muss das Problem beim Namen nennen können. Als zuständiger Justizminister halte ich es für wichtiger, die Bürger vor Kriminellen zu schützen – als Kriminelle mit allen möglichen und unmöglichen Therapieformen zu beglücken. Als zuständiger Justizminister, der auch für die Migration (Zuwanderung) verantwortlich ist, bin ich der Meinung, dass eine Ausschaffung von kriminellen Ausländern nicht nur möglich sein muss, sondern auch verpflichtend sein sollte. Wer Straftaten begeht, muss die Konsequenzen spüren. Und zwar unmittelbar auf die Tat. Wenn Monate oder sogar Jahre vergehen, bis jemand für seine Straftaten büssen muss, verfehlt die Strafe ihre beabsichtigte Wirkung. Wir haben festgestellt, dass sich viele jugendliche Opfer von Gewalt, Bedrohung und Nötigung aus Angst nicht melden. Sie getrauen sich weder mit den Eltern, der Schule noch mit der Polizei zu sprechen. Das ist eine verheerende Entwicklung. Wenn wir solche Entwicklungen zulassen, dann ernten wir die Saat. Es braucht eine verbesserte Zusammenarbeit der Jugendämter, der Einbürgerungsbehörden, der Polizei, des Strafvollzugs, der Schule, der Fürsorge. Es kann nicht sein, dass die eine Stelle ein Einbürgerungsverfahren behandelt und eine andere Stelle die gleiche Person wegen einer Gesetzesübertretung vorlädt – aber beide Stellen wissen nichts voneinander. Eine gegenseitige Information und ein Austausch von Daten ist unerlässlich! 5. Was ist zu tun? Wo haben wir also anzusetzen? Ein Missstand ist, dass die Strafverfolgung nicht immer effizient funktioniert. Es scheint nicht in erster Linie ein Problem der Gesetze zu sein, sondern des Vollzugs. Die Verfahren dauern zu lange, die angeordneten Sanktionen greifen oft zu kurz und verfehlen deshalb ihre Wirkung, die Koordination staatlicher Tätigkeiten ist mangelhaft. Die Folgen sind gravierend: Polizisten und andere Vollzugsleute sind frustriert, weil sie sehen, dass nichts passiert. Das lähmt die Arbeit. Resignation ist weit verbreitet. Auch bei Lehrern. Die ersten Ergebnisse bringen uns zu folgenden Schlüssen: 1. Die Eltern sind durch geeignete Massnahmen zu unterstützen und in die Verantwortung zu nehmen. Zu prüfen ist aber auch eine verstärkte Verpflichtung der Eltern zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung in der Erziehung. Denkbar wäre z.B. eine Verschärfung der zivilrechtlichen Haftung der Eltern bei Vernachlässigung elementarer Erziehungspflichten. 2. Die Zusammenarbeit zwischen den Behörden muss verbessert werden: Das gilt zunächst einmal für Migrations-, Einbürgerungs- und Polizeibehörden. Es darf nicht sein, dass diese Amtsstellen unabhängig voneinander vorgehen und die eine Behörde nicht weiss, was die andere tut. Hier ist vermehrte Koordination unabdingbar. Zentral erscheint aber die Zusammenarbeit zwischen den Schulen und der Polizei: Hier ist zu prüfen, ob für die Lehrkräfte bei Delikten einer bestimmten Schwere eine Anzeigepflicht geschaffen werden soll. Wenn auf Pausenplätzen gravierende Straftaten begangen werden, muss die Polizei darüber informiert werden. Diese Massnahmen haben aber nur dann Erfolg, wenn die Lehrerinnen und Lehrer in ihrer pädagogischen und erzieherischen Funktion gezielt geschult und unterstützt werden sowie im Zusammenspiel mit präventiven und intervenierenden und repressiven Massnahmen im Rahmen der Schulsozialarbeit umgesetzt werden. 3. Die Präventionsarbeit muss intensiviert werden, vorab an der Schule. Gewalt ist nicht nur als Thema in den Unterricht einzubauen, denkbar scheint insbesondere auch der Beizug erfahrener Polizeibeamter nach dem Vorbild des sog. Verkehrsunterrichts. Viele Präventionsmassnahmen erfordern ferner die aktive Beteiligung der Familien. Aus diesem Grund müssen Bemühungen vermehrt darauf ausgerichtet werden, auch fremdsprachige und wenig gebildete Familien ausländischer Herkunft für Präventionsmassnahmen zu erreichen. 4. Die Integration ausländischer Jugendlicher muss stärker forciert werden. Namentlich Sprachkenntnisse müssen so früh als möglich vermittelt werden. Wo die Integration aber konsequent verweigert wird, müssen effiziente ausländerrechtliche Massnahmen zur Verfügung stehen. Das muss bis zur Ausweisung führen können. 5. Die Strafverfahren sollen nach Möglichkeit verkürzt werden: Jugendliche müssen für begangenes Unrecht so rasch als möglich sanktioniert werden. Erfahrungen in der Jugendarbeit belegen, dass grosse zeitliche Distanzen zwischen Straftat und Sanktionsmassnahmen zusätzlich zu problematischem Verhalten führen. Dabei geht es nicht darum, um jeden Preis eine hohe Strafe zu fordern. Es müssen "massgeschneiderte", dem Täter angepasste Sanktionen verhängt werden. 6. Das neue Jugendstrafgesetz ist jetzt seit dem 1.1.2007 in Kraft. Es sieht eine breite Palette von Sanktionsmöglichkeiten vor, es können nun auch härtere Strafen verhängt werden (Freiheitsentzug bis zu vier Jahren: Art. 25 JStG; statt wie bisher Einschliessung bis zu einem Jahr: Art. 95 StGB alte Fassung). Die weiteren Entwicklungen in diesem Bereich sind genau zu beobachten. Sollte sich das neue Gesetz als unzureichend erweisen, sind möglichst rasch entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Wir wollen, dass Kriminelle und Integrationsverweigerer die Konsequenzen ihres Handelns spüren. Wir wollen, dass auch jugendliche Problemausländer hart angefasst werden, zum Schutz all jener Immigranten in unserem Land, die sich bemühen, die arbeiten, die die Leistung erbringen, sich an die Gesetze halten und sich mit der Schweiz identifizieren. Wir wollen, dass die Jugendkriminalität als gesellschaftliche Fehlentwicklung angegangen wird. Da sind wir alle gefordert: Schweizer und Ausländer. Eltern und Schulen. Behörden und Private.

04.09.2007

Zusammenarbeit zwischen privaten Sicherheitsfirmen und Polizei

Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der 100 Jahr-Jubiläumsfeier der Securitas AG, 4. September 2007, in Bern 04.09.2007, Bern Bern. An der Jubiläumsfeier der Securitas AG überbrachte Bundesrat Christoph Blocher die Gratulationen des Bundesrates zum 100-jährigen Bestehen des Unternehmens und sprach die verschiedenen Aufgaben an, die die Securitas im Auftrag der öffentlichen Hand - für Gemeinden, Städte, Kantone und für den Bund - übernimmt. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Sehr geehrter Herr Generaldirektor Winzenried Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Securitas Sehr geehrte Damen und Herren Es freut mich, Ihnen die Gratulationen des Bundesrates zum 100-jährigen Bestehen Ihres Unternehmens überbringen zu dürfen. 1. Schutz und Sicherheit als Urbedürfnis Das Bedürfnis der Menschen nach Schutz und Sicherheit besteht seit Beginn der Menschheit. Im Altertum und Mittelalter galt das Faustrecht. Entsprechend gefährlich war das Leben für die damaligen Menschen. Zunächst schützten sich die Stadt- und Dorfbewohner durch Nachtwachen vor Angriffen, Plünderungen, Raubüberfällen und Feuersbrunst. Erste Belege für den Einsatz von Nachtwächtern im deutschsprachigen Raum stammen aus dem Jahre 1430. Während der Industrialisierung um 1800 entstand ein grösserer Bedarf an Nachtwächtern. Dabei handelte es sich um private Wächter, die nachts auf Fabrikarealen für Ruhe und Ordnung sorgten. Um 1900 löste die staatliche Polizei das kommunale Nachtwachensystem ab. Der Schutzgedanke lebte aber in Form von Privatwächtern weiter, die für Auftraggeber nächtliche Kontrollgänge und Schliessdienste ausführten. 2. Die Gründung der Securitas AG 1907 war dann das Gründungsjahr der Securitas AG. Damals soll Ihre Firma 70 Mitarbeiter gezählt haben. Heute – 100 Jahre später – ist die Securitas, die grösste und bekannteste Sicherheitsunternehmung der Schweiz mit fast 9000 Mitarbeitenden. Sie sehen: Nachtwächter sterben nicht aus – im Gegenteil! 3. Vielfältige Aufgaben Doch neue Aufgaben sind seither hinzugekommen. Tatsächlich ist die Fülle von Dienstleistungen, die Sie anbieten gross: * Bewachungsdienste, * Veranstaltungsdienste - vom kleinen Firmenanlass bis zur grossen Sportveranstaltung. * Personenschutz, * aber auch viele präventive Dienstleistungen wie Brandverhütung oder Diebstahlsicherung. 4. Öffentliche Hand als Auftraggeber Aber nicht nur das. Die Securitas erfüllt seit jeher auch Aufgaben im Auftrag der öffentlichen Hand - für Gemeinden, Städte, Kantone und für den Bund. Wie den Annalen der Securitas AG zu entnehmen ist, unterstützte das Unternehmen die Polizei bereits am Eidgenössischen Schützenfest 1910 und an der Landesausstellung 1914. Diese Unterstützung hat sich seither stetig entwickelt, sodass heute das Public-Private-Partnership eine wichtige Voraussetzung für die Sicherheit des Landes ist. 5. Euro 08 Nehmen wir als Beispiel die Fussball-Europameisterschaft im nächsten Jahr. Während der Euro 08 werden Sicherheitsvorkehrungen im ganzen Land erforderlich sein: in den Stadien, bei den Hotels für Gäste und Mannschaften, bei den Trainingsplätzen, den Host-City-Installationen und den Public-Viewing-Zonen. Mit der Polizei allein lassen sich die immensen Sicherheitsaufgaben nicht erfüllen. Für die bevorstehende Euro 08 haben sich private Sicherheitsfirmen wie bei der EXPO 2002 in einem Konsortium zusammengeschlossen und schweizweit eine einheitliche Führungs- und Leistungsstruktur mit einer Ansprechstelle geschaffen. Diese Organisation verspricht den Veranstaltern und Vertretern der öffentlichen Sicherheit Vorteile bei der Umsetzung ihrer Sicherheitsaufgaben. 6. Sicherheit bei Grossanlässen Private Sicherheitsunternehmen arbeiten aber nicht nur ergänzend zur Polizei. Sie erledigen auch Aufgaben im Auftrag eines Gemeinwesens und arbeiten so anstelle der Polizei. Erwähnt sei hier einmal der interkantonale Häftlingstransport, der von der Arbeitsgemeinschaft Securitas/SBB im Auftrag der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren betrieben und vom Bund zu rund 1/3 mitfinanziert wird. Dieses so genannte Jail-Transport-System hat gezeigt, dass es als System zwischen privaten und polizeilichen Stellen bestens funktionieren und menschenrechtskonform betrieben werden kann. 7. Securitas und Bundesamt für Migration Weiter greift das Bundesamt für Migration auf die Securitas AG zurück, um die Empfangsstellen in den Asylbewerberzentren an der schweizerischen Grenze zu betreiben. Bei Kollektivbefragungen in Wabern stellt sie den Schutz der Personen sicher und überprüft in Zusammenarbeit mit der Polizei die Liste der zu befragenden Personen. Zum Seitenanfang Zum Seitenanfang 8. Anforderungen an Sicherheitsfirmen Die Beispiele zeigen: Der Staat muss nicht alle seine Sicherheitsaufgaben selber wahrnehmen. Er kann damit auch private Sicherheitsfirmen beauftragen. Private Sicherheitsunternehmen sind faktischer Bestandteil der inneren Sicherheit geworden und sollen es auch bleiben. Aber natürlich müssen solche Unternehmen zuverlässig sein und rechtlich einwandfrei arbeiten. Es ist daher notwendig, dass nur Firmen zum Zug kommen, die folgende Anforderungen erfüllen: 1. Seriosität und Integrität – unzuverlässige Firmen würden auf Dauer keine Akzeptanz bei den Bürgern finden. 2. Berufliche Qualifikation – das Personal muss über eine praxisbezogene Aus- und Weiterbildung verfügen. Nur Professionalität garantiert auf Dauer Markterfolg. 3. Qualität der Leistungserbringung – die Firmen müssen mit einem geeigneten Qualitätssicherungssystem das eingesetzte Personal überwachen und kontrollieren. 9. Verordnung des Bundes Hinsichtlich der Vergabe von Bundesaufträgen an private Sicherheitsfirmen wird der Bundesrat eine Verordnung erlassen, die noch in diesem Jahr in Kraft treten soll. Die Verordnung hat zum Ziel, die Mindestvoraussetzungen festzulegen, unter denen der Bund öffentlich-rechtliche Schutz- und Sicherheitsaufgaben im In- und Ausland an private Sicherheitsfirmen vergeben kann. Insbesondere müssen neben den bereits genannten Anforderungen wie * guter Ruf des Aktionariates * Seriosität der Ausbildung * internes Kontrollsystem weitere Voraussetzungen erfüllt werden, wie * die Beachtung eines firmeneigenen Verhaltenskodexes * das Vorweisen gesunder finanzieller Verhältnisse * eine ausreichende Haftpflichtversicherung 10. Grenzen Wo aber ist die Grenze der Übertragung polizeilicher Aufgaben auf Private? Die Aufträge für die öffentliche Hand haben in den letzten Jahren an Bedeutung und Umfang gewonnen. Die Mitarbeiter der privaten Sicherheitsunternehmen üben dabei in der Regel keine hoheitlichen polizeilichen Befugnisse aus. Und über die Frage der hoheitlichen Befugnisse dreht sich heute vor allem die politische Diskussion. Es ist sachlich zu analysieren, welche Funktionen zu den unverzichtbaren Kernaufgaben des Staates gehören, weil sie regelmässigen polizeilichen Zwang erfordern. Die Befugnis zur Ausübung des voraus planbaren unmittelbaren Zwangs muss bei der Polizei bleiben. Dies gilt nicht nur mit Blick auf bewaffnete Einsätze, sondern auch von solchen Interventionen, welche in die Privat- und Intimsphären der Bürgerinnen und Bürgen eingreifen. Die Übertragung derartiger Eingriffsbefugnisse auf Private ist ausgeschlossen, weil dadurch die Exklusivität des Gewaltmonopols des Staates verloren ginge. Die Übertragung von polizeilichen Aufgaben auf Private ist indessen dort möglich, wo deren Ausübung keine spezifisch polizeilichen Interventionsbefugnisse voraussetzt: Zu nennen sind Bewachungs- und Kontrolltätigkeiten. Es geht aber auch um Hilfstätigkeiten wie z.B. im Strassenverkehr, die Suche nach vermissten Personen und Sachen, und selbst bei Personenkontrollen ist zu überlegen, in wie weit diese nicht auch von Privaten durchgeführt werden können. 11. Dank Im Namen der Landesregierung danke ich der Securitas AG für ihren grossen Beitrag an die öffentliche Sicherheit. Sie hat dazu beigetragen, dem Image der Schweiz als sicheres Land im Ausland nachhaltig Geltung zu verschaffen. Für die Zukunft wünsche ich ihr weiterhin unternehmerischen Erfolg.

02.09.2007

«Ich gehe von der Wiederwahl aus»

Er ist der umstrittenste aller Bundesräte: Im Gespräch mit SonntagsBlick erklärt Christoph Blocher, dass er von einer zweiten Amtszeit ausgeht, wie er das Land verändern will und welche Rolle sein Frau bei all dem spielt. 02.09.2007, SonntagsBlick, Marc Walder und Christian Dorer Gratulation, Herr Bundesrat! Wozu? Zu Ihrer Wiederwahl. Wir haben gerechnet und können schon jetzt feststellen: Es reicht locker. Locker nicht, aber ich gehe von der Wiederwahl aus. Also geben Sie zu, dass die Anzeigenkampagne der SVP nur der Mobilisierung dient? Das ist ja nicht verboten. Die SVP zeigt auf, dass ein Geheimplan besteht wie man Blocher aus dem Bundesrat werfen will. Nur weil er eine Politik macht, die den Gegnern nicht passt, die aber – wie die Abstimmung über das Asylgesetz zeigte – vom Volk getragen wird. Aber das ist doch nicht neu! Für die Linke waren Sie noch nie wählbar. Neu sprechen die Grünen von «Omertà», von einem Bündnis des Schweigens. Das will die SVP öffentlich machen. War die Mobilisierungskampagne Ihre Idee? Nein. Aber die SVP hat mich gefragt, ob ich einverstanden bin. Woher kommt eigentlich das Geld für solche landesweiten Feldzüge? Es gibt Leute, die unterstützen gute politische Kampagne. Man muss sie sauber entwerfen und dann vorlegen, dann gibts Spender. Das macht die SVP. Bevor ich Bundesrat war, habe ich persönlich solche Kampagnen mitfinanziert. Jetzt tue ich dies nicht mehr. Viele Parlamentarier glauben, Sie seien Ihres Amtes nicht würdig: Sie haben zwei Albaner zu Unrecht als Kriminelle bezeichnet, sie haben in der Türkei das Schweizer Antirassismus-Gesetz kritisiert ... Jetzt wird auf die Person gespielt um die politische Abwahl zu verdecken. Es wird noch viel Dreck geworfen werden. Der Grund ist nicht schlechte Arbeit, sondern weil ihnen die Politik nicht passt, weil ich den Asylmissbrauch unterbinde, weil ich die Ausländerkriminalität bekämpfe, weil ich die hohen Staatsausgaben senken möchte und die Schweiz nicht in der EU haben will. Keine andere Partei wirbt so sehr mit ihrem Bundesrat. Kein anderer Bundesrat wird so angefeindet. Die SVP-Werbung ist das Produkt ihrer Gegner. Was, wenn Sie trotz aller Umfragen abgewählt werden? Dann schliesst man einen grossen Teil der Bevölkereung aus dem Bundesrat aus. Man treibt sie in die Opposition, und es bleibt nur die Politik ausserhalb der Regierungsverantwortung. Wie würden alles blockieren? Ich will die Schweiz bewahren und voranbringen, nicht blockieren. In der Opposition hat man ein eigenes Programm und müsste in wesentlichen Fragen das Referendum ergreifen. CVP und FDP müssten mit der Linken regieren. Ich glaube, das wollen sie nicht. Es wäre für sie gefährlich. Ein Politiker muss doch nicht gefährlich sein! Darum wollen wir die Opposition nicht, aber wenn sie einem aufgedrängt wird, muss man es in Kauf nehmen. Missstände jedoch, die ich heute direkt im Bundesrat anspreche, müsste ich dann öffentlich machen. Und da würde meine Erfahrung in der Regierung helfen: Ich kenne jetzt den Betrieb. Die SVP würde sich dabei totlaufen: Es braucht enorm viel Einsatz und Geld, ständig gegen alles zu opponieren. Natürlich. Aber wenn die Schweiz das braucht, nimmt man es auf sich. Macht die Opposition die Arbeit gut und überzeugend, kommt die Opposition früher oder später an die Macht. Sie nützt sich weniger schnell ab als die Regierung. Und falls Sie wieder gewählt werden, Herr Blocher: Welches Departement hätten Sie dann gern? Ich würde gerne das schwierigste übernehmen, das mit den grössten Problemen. Alle Sozialwerke zusammen nehmen und dafür sorgen, dass diese finanzierbar sind. Vom Alter her, wäre ich der Richtige. Was wollen Sie damit sagen? Das ist die undankbarste aber wichtigste Aufgabe. In vier oder acht Jahren ist man da verheizt. Ein junger Politiker kann sich das nicht leisten. Und was würden Sie in diesem Amt verwirklichen? Dafür sorgen, dass wir die Sozialwerke auch langfristig ohne zusätzliche Lohnprozente oder höhere Mehrwertsteuern finanzieren können. Sie würden also die Renten kürzen? Angesichts der guten Wirtschaftslage drängt sich bei der AHV keine Massnahme auf. Längerfristig gibt es nur drei Möglichkeiten: Renten kürzen, Lohn- oder Mehrwertsteuern erhöhen oder länger arbeiten. Ich glaube, Letzteres ist das sozial Erträglichste. Arbeiten bis 67? Das müssen dann die Berechnungen ergeben. Bei der IV wäre die Unterbindung der missbräuchlichen und leichtfertigen Rentenbezüge in den Vordergrund zu stellen, wie die 5. IV-Revision dies will. Hand aufs Herz: Bundesrat war immer Ihr Traum. (Energisch) Nein. Klar ist, als Unternehmer hat man im Ganzen gesehen mehr innere Befriedigung... ...als wenn man an der Führung eines Landes mitbeteiligt ist? Sie überschätzen den Bundesrat. Die Schweiz führt sich selber. Das Wesen des Staats sind die Bürger. Der Bundesrat ist die Exekutive: in erster Linie oberste Führung der Verwaltung. Als Unternehmer trägt man das volle Risiko, aber sie können auch entscheiden. Vor allem hat man es mit weniger Intrigen zu tun. Ihre Frau hat dieser Tage gleich mehrere Auftritte. Spannen Sie sie in den Wahlkampf ein? Meine Frau lässt sich nicht einspannen. Sie erzählt über die Politik in ihrem Leben, weil sie oft dazu angefragt wird. Sie ist Teil Ihres Wahlkampfes. Sie tut es schon seit zwei Jahren. Dass die SVP sie in Wahlzeiten mehr anfragt, kann man der Partei nicht verübeln. Bisher galt: Bundesratsgattinnen halten sich im Hintergrund. Jede Bundesratsgattin kann tun, was sie für richtig hält. Früher war meine Frau gebunden - mit Haus, Kindern, Geschäft, Unterstützung für mich in der Politik. Sie hat, wie viele andere auch, ihren Beruf aufgegeben für die Familie. Sie hat aber Kindererziehen nie als minderwertige Funktion angesehen. Ihre Erfahrung ist für viele Frauen eine Hilfe. Ihre Frau könnte zur SVP-Wahllokomotive werden. Umso besser! Sie ist ein überzeugtes SVP-Mitglied. Vielen Politikern wäre der Auftritt ihrer Frau peinlich. Mir nicht. Sie macht die Sache überzeugend, die Zuhörer sind begeistert. Im EWR-Abstimmungskampf war sie meine Stabschefin, auch heute gebe ich ihr meine Reden zum Lesen. Sie war ja Lehrerin, sie merkt sofort, wenn etwas zu kompliziert ist für die Leute. Das ist hilfreich. In der direkten Demokratie sind alle gefordert. Wird Sie auch dieses Interview gegenlesen? Wenn die Zeit reicht, hoffentlich. Was wären Sie ohne Ihre Frau? Das weiss man nie. Sicher nicht der Gleiche. Ich hätte die vielen Führungsaufgaben in Wirtschaft, Politik, Armee, Familie und so weiter nicht wahrnehmen können, wenn sie nicht alles mitgetragen und mich nicht unterstützt hätte. Frauen sind für Männer wichtig! Lassen Sie uns die Wahlkampfthemen durchgehen. Zuerst der Punkt Steuergerechtigkeit: Sie geben sich als Bundesrat des kleinen Mannes aus, zugleich befürworten Sie Steuererleichterungen für Reiche. Ich will Steuererleichterung für alle! Wenn es uns gelingt, dass wir viele reiche Leute haben, dann zahlen diese Steuern somit kann man für alle die Steuern senken. Natürlich ärgere ich mich auch, dass ein reicher Ausländer viel weniger Steuern bezahlt als ich. Aber, wenn man ihm diese Vorzüge nicht gibt, geht er in ein anderes Land. Reiche Leute sind eben als Steuerzahler begehrt. Für reiche Schweizer gibt es ebenfalls Möglichkeiten, Steuern zu umgehen, für den Normalbürger aber nicht. Ich weiss nicht, wo ich etwas umgehen könnte! Aber Reiche können in steuergünstige Länder oder Kantone ziehen. Wahlkampfthema Jugendgewalt: Die Delikte nehmen nicht zu, aber sie werden brutaler. Reden wir Klartext: Einfache Körperverletzung, Raub und Drohung nehmen zu, und zwar vor allem bei Jugendlichen und Ausländern. 55 Prozent der Verurteilten sind Ausländer. Wahlkampfthema Klimawandel: Da hört man nichts von Ihnen. Da sprechen andere genug. Ich halte nichts von dieser Angstmacherei. Wollen Sie abstreiten, dass sich die Atmosphäre erwärmt? Das Klima verändert sich ständig. Man darf den Einfluss des Menschen nicht überschätzen. Aber selbstverständlich habe ich nichts dagegen, dass wir etwas für weniger Abgase und saubere Luft etwas tun. Klimaforscher warnen eindringlich. Muss da die Politik nicht reagieren? Die Schweiz tut ja schon enorm viel. Man darf aber nicht vor lauter Weltuntergangsstimmung den Kopf verlieren und falsche Entscheide treffen. Entscheide, die den Leuten den Arbeitsplatz und die Lebensmöglichkeit nimmt. Wahlkampfthema Familienpolitik: Da vertreten Sie ein sehr konservatives Leitbild. Schon der Begriff «Familienpolitik» ist mir suspekt. Lasst die Familien in Ruhe und verpolitisiert sie nicht. Die Politik muss Rahmenbedingungen für Familien schaffen. Es braucht Kinderkrippen, sonst können sich viele Frauen die Arbeit nicht leisten. Der Staat sorgt dafür, dass Familien nach ihren eigenen Modellen leben können. Für die Kinder sind die Eltern verantwortlich, der Staat für gute Ausbildung, Man kann die Kinder nicht einfach dem Staat übergeben. Wer die Kinder aus existenziellen Gründen nicht betreuen kann, bei dem muss der Staat für Krippenplätze sorgen. Es ist ein fürsorgerisches Anliegen. Sollen Frauen nicht mehr arbeiten, wenn sie Kinder haben? Das muss jede Frau selber entscheiden. Aber sie muss dann auch für die Kinderbetreuung sorgen.  Warum sollen Leute, die keine Kinder haben, mit ihren Steuern dafür zahlen. Wenn eine Frau ihren Beruf wichtiger findet als das Wohl ihrer Kinder, dann muss sie auch bereit sein, den Lohn für die Krippe einzusetzen.

02.09.2007

90 Jahre SVP Zürich

Zürich. Anlässlich der Feier zum 90. Geburtstag der SVP Zürich ging Bundesrat Christoph Blocher auf die schwierigen Zeiten, in welchen die Zürcher Bauernpartei gegründet wurde, und deren Erfolge und Rückschläge ein. Die Partei habe frühzeitig im Sozialismus die wichtigste Bedrohung für die Grundfesten der Schweiz entdeckt. Das Jubiläum solle Anlass sein, sich der Bedeutung der Säulen der Schweiz bewusst zu werden. 02.09.2007, Zürich Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Meine Damen und Herren 90 Jahre ist es her, dass an einem Sonntag, mitten im 1. Weltkrieg (1914 – 1918), in der Zürcher Tonhalle die Zürcher Bauernpartei gegründet wurde. 1. Gründung in schwerer Zeit Die Zürcher SVP ist also – wie die Schweiz auch – in einer „arglistigen Zeit“, in einer Situation grosser Not, entstanden. Besonders für die ländliche Bevölkerung war die Zeit schwer: Seit dem Ausbau der Eisenbahnen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts steckte der Bauernstand in der Krise. Billiges ausländisches Getreide überschwemmte den einheimischen Markt. Missernten und die Einschleppung verheerender Rebschädlinge verschärften die Lage zusätzlich. Auf der einen Seite gehörten mächtige Industrie-, Finanz- und Eisenbahnbarone zu den Hauptgewinnern jener Zeit. Auf der anderen Seite organisierten sich sozialistische Gewerkschaften und die sozialdemokratische Partei. Der Zürcher Bauer schrieb 1919: „Die Sozialisten wollen billige Lebensmittel, und zwar um jeden Preis, also auch dann, wenn die bäuerliche Bevölkerung dabei zugrunde geht.“1 In den Vertretern des Kapitals und der Grossindustrie sah die Bauernpartei eine ebenso grosse Gefahr für den Weiterbestand der Bauernschaft. „Auch jene wollen billige Lebensmittel, denn ’billige Lebensmittel – billige Arbeitskräfte – hoher Kapitalgewinn’ sagen sich die Herren.“2 Trotz der drückenden Lage war die Landbevölkerung in sich nicht geeint. Politisch bekämpfte sich der bäuerlich-ländliche Mittelstand oft in unterschiedlichen Parteilagern: Die einen stimmten mit den Freisinnigen, die andern für die Demokraten. Doch konnten und wollten diese beiden Parteien die Sorgen der Landbevölkerung je länger je weniger aufnehmen und vertreten: Nach Meinung unserer Parteigründer vertraten die Demokraten vorwiegend die Interessen von „fest besoldeten Theoretikern“, und die Freisinnigen waren „zu träge, um sich gegen den freiheitsfeindlichen Sozialismus entschieden zu wehren“. 2. Die Anfänge Von Anfang an musste sich die Bauernpartei gegen den Vorwurf der Medien und anderer Parteien wehren, bloss als Vertretung einer Berufsgruppe egoistische Interessenpolitik zu betreiben. Doch die Bauernpartei galt von Anfang an auch als glühendste Verfechterin der Landesverteidigung und entschiedene Verteidigerin der Demokratie, in der sie einen „festen Eckpfeiler des Staates zum Nutz und Frommen aller“3 sahen. Als die Bauernpartei schon bei ihrem ersten Wahlgang 1917 auf Anhieb 47 Kantonsrats-mandate gewann, war das Medienecho um so giftiger und der Neid der anderen Parteien umso grösser. Sie sehen: Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Der Neid ist auch heute nicht geringer geworden. 1917 entstand also die heutige SVP des Kantons Zürich. Sie belebte die damalige Parteienlandschaft im Kanton Zürich, die aus den Freisinnigen, den Demokraten (die sich später zur Freisinnig-demokratischen Partei, FDP, zusammen schlossen, den Sozialisten (heute Sozialdemokratische Partei, SP) und dann den kleineren, konfessionell geprägten Parteien EVP und CSP. Warum brauchte es also noch eine weitere politische Kraft? Weil sich die Menschen nicht vertreten fühlten. Die SVP ist von unten entstanden, aus einem breiten Bedürfnis heraus. Die geistigen Grundhaltungen bei der Geburtsstunde der SVP und unseres Landes Schweiz ähneln sich: Es ist eine Mischung aus Trotz und Rebellentum. Die Gründer der Zürcher SVP sahen, wie die Bürgerlichen (damals die Freisinnigen und die Demokraten) nach links schielten. So beklagte der „Zürcher Bauer“ drei Jahre vor der Parteigründung – bei den Nationalratswahlen 1914: „In Winterthur zeigten die Bürgerlichen klar und deutlich, dass sie lieber mit der sozialistischen Partei zusammenspannen als mit den Bauern. Bei gleichem Anlass in Zürich haben wir erfahren, dass die Bürgerlichen überhaupt dem Land keine Vertretung gönnen, wo sie in städtischer Mehrheit sind.“4 3. Eine Partei findet sich Drei Hauptbeweggründe sind bei der Geburtsstunde der Schweizerischen Volkspartei klar auszumachen. Es sind: * Klassische standespolitische Interessen * Die Sammlung der bodenständigen, heimatverbundenen, freiheitsliebenden Kräfte in der bewegten Zeit des 1. Weltkrieges und am Vorabend der sozialistischen Revolution in Russland * Es ging um den Wert der Schweiz, um die Werte Heimat, Familie, Arbeit Die Gründerväter sahen sich – wie sie erklärten - als Partei des „vaterlandstreuen und bodenständigen Zürchervolkes“. Unter all den markanten Erscheinungen, die samt und sonders zur seit 1848 erfolgreichen, freisinnigen Grossfamilie gehört hatten, aber sich nach der Jahrhundertwende abwandten, ragt wohl der Bauernknecht Fritz Bopp aus Bülach hervor. Schon 1907 gründete er im Bezirk Bülach eine Bauernpartei und führte diese dort zur absoluten Mehrheit. In seiner armseligen Knechte-Kammer hatte er sich durch Selbststudium vom Bauernknecht zum Zeitungsredaktor, Gerichtspräsidenten und Nationalrat hochgearbeitet. Er rief in Bern gegen die Verschleuderung der Steuergelder auf, liess es aber nicht beim Schwatzen bewenden, sondern schickte aus Protest und Vorbild seine Taggelder als Parlamentarier an den Bund zurück. Bopp verschmähte jedes fotographische Porträt von sich mit der Begründung: „Jede Tore-bueb laat sich hüt efäng fotografiere!.“ Sein Urteil über eine grosse Zahl von Nationalrats-kollegen war schonungslos, aber ehrlich, wenn er ausrief: „Ich sehe manche gespreizte Null in ihrer ganzen durchsichtigen Hohlheit schimmern.“ 4. Erfolge und Rückschläge Schon Mitte der 20er Jahre ereilte auch die Bauernpartei das, was alle Parteien immer wieder durchzustehen haben: Rückschläge, Querelen, Auseinandersetzungen und Spaltungen. In diesen Turbulenzen übernahm dann 1925 ein Mann das Präsidium, der die Partei in ein ruhigeres Gewässer führte und der SVP ein eigentliches Programm verpasste: Der Stäfener Rudolf Reichling. Er übernahm die Anliegen seiner Vorgänger und verstärkte die patriotische Ausrichtung. Der politische Gegenentwurf war der Sozialismus. Hauptgegner war die Linke, heute wären dies Sozialdemokraten und Grüne. Das hiess in einem Satz: "Alle Bauern, Handwerker, Gewerbetreibende, sowie die auf vaterländischem Boden stehendem und dem Grundsatz des Privateigentums huldigenden Intellektuellen, Angestellten und Arbeiter wollen von ihr gesammelt werden zu vereinter Arbeit für das Gesamtwohl."5 5. Gegen Sozialisten jeglicher Couleur 6Die Partei entdeckte frühzeitig im Sozialismus die wichtigste Bedrohung für die Grundfesten der Schweiz: Selbstbestimmung, Freiheit, Föderalismus, Eigenverantwortung, die liberale Wirtschaftsordnung. So viel hat sich auch bis heute nicht geändert. Es ist so: Die ewige politische Grundfrage bleibt: Wie viel Staat braucht der Mensch? Wie viel Staat – wie viel Freiheit wollen wir? Schon die jugendliche Bauernpartei ruhte in ihren Grundsätzen und konnte so auch später allen totalitären Versuchungen widerstehen. Besonders aktuell war dies dann in den 30er-Jahren, als die Partei festlegte: "Nicht Sichel und Hammer und nicht das Hakenkreuz, nicht das Dogma einer Partei und nicht die staatliche Diktatur können unsere Losung sein". Scharen wir uns entschlossen unter dem weissen Kreuz im roten Feld, dem Symbol der Demokratie, dem Zeichen der inneren Verbundenheit und der gegenseitigen Verantwortung. In diesem Zeichen werden wir den politischen Gegner überwinden und siegen!"7 – so das Bekenntnis im Jahr 1933 – im Jahre der Machtübernahme durch Hitler. 6. An die Bürger denken Nur weil wir hier heute ein Jubiläum feiern, sollten Schwächen und Versagen in der Parteigeschichte nicht verschwiegen werden. Auch die Zürcher SVP hatte immer wieder Krisen. Vor allem dann, wenn sie aus Opportunismus, aus wahltaktischen oder Bequemlichkeitsgründen ihre Grundsätze vernachlässigte. Nicht der politische Gegner schwächte die SVP, sondern in der Krise war sie es stets selber. Das ist die dauernde Gefahr der Politiker und Parteien: Kaum kehrt etwas Erfolg ein, denken sie an sich selbst, ihre Karriere und den eigenen Vorteil, vergessen ihren Auftrag, wollen beliebt und in der Presse gelobt sein und vergessen die Sorgen der Menschen. Sie sehen: Es gibt nichts Neues unter der Sonne! Schauen Sie heute in die Parteienlandschaft: Wer Ohren hat, der höre, wer Augen hat, der sehe. Besonders gross müssen Aug und Ohr nicht sein, um die Missstände im Land oder in den Parteien zu sehen und zu finden. 7. Die 70er Jahre: Krise und Wiederauferstehung Ein Jahr nach den Zürchern – im Jahre 1918 – würde die Berner Bauern-Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) gegründet. Im grossen Agrarkanton wurde sie rasch zur vorherrschenden Partei und überragte in der SVP-Fraktion die Zürcher bis in die 90er Jahre an Bedeutung und Zahl der Vertreter. Bis in die 90er Jahre war die SVP politisch nur in der Hälfte der schweizerischen Kantone vertreten. Erst die Auseinandersetzung um die Europäische Union und namentlich der erfolgreiche Kampf gegen den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum brachte die breite Präsenz in allen Kantonen. 1971 integrierte die Schweizer BGB die Bündner und Glarner Demokraten und wurde so zur Schweizerischen Volkspartei (SVP). Bei den Nationalratswahlen 1975 brach die SVP jedoch dramatisch ein. Gesamtschweizerisch erreichte sie lediglich noch 9,9 %. Damit war sogar ihr einziger Bundesratssitz stark gefährdet. Von Angst und Weh begleitet, setzte eine heftige innerparteiliche Diskussion ein: Wie üblich, glaubten viele in der Partei, man müsse das konservative Gedankengut aufgeben und mit mehr modernistischem, progressiv–liberalem Gedankengut neue – vor allem eher linke – Wähler ansprechen. Die Diskussion wandte sich immer mehr ab von den Sorgen der Bürger. Im Mittelpunkt standen nur noch Polit- und Marketingüberlegungen. Auch die Zürcher SVP, die mit nur gerade vier Mandaten aus den Nationalratswahlen 1975 hervorgegangen war, machte sich ernste Gedanken über die Zukunft der Partei und deren Ausrichtung, aber hielt das Parteimarketing als die falsche Orientierung. Nach heftigen Auseinandersetzungen in der SVP, nach Austritten und Turbulenzen, nach Versöhnungen, Beschwörungen, Kompromissen und nach zahlreichen Grundsatzdiskussionen mit verunsicherten Parteiexponenten, die zur Anpassung nach links neigten, setzte sich schliesslich der liberal-konservative Kurs der Zürcher SVP in der Partei durch, auch wenn die Diskussion – namentlich mit Berner und Zürcher Parteiexponenten – bis Mitte der 90er Jahre immer wieder aufflammte. Die Zürcher legten überzeugend dar: Man braucht keine weltanschauliche Öffnung, keine Anbiederung an die diffuse, unzuverlässige Mitte, wo sich genügend Parteien tummeln und die Zürcher machten ein für allemal klar, ein Weg nach links ist für das Land verhängnisvoll. Das liberal-konservative bürgerliche Gedankengut, die Idee der Selbstverantwortung der Bürgerinnen und Bürger sei keineswegs veraltet, sondern zukunftsweisend Zürich wehrte sich gegen eine ideologische Öffnung, aber verfolgte eine thematische Öffnung auf vorhandenem solidem Gedankengut. Das Menschenbild galt es nicht zu ändern. Die SVP sollte sich nicht nur mit den Themen Landwirtschaft und Landesverteidigung und Finanzen befassen, sondern auch mit allen anderen Gebieten: Staats- und Bildungspolitik, Sicherheits- und Sozialpolitik, der breiten Wirtschaftpolitik usw. Auch in der Zürcher Partei selbst war das Vorgehen nicht unumstritten. Zahlreiche Arbeits-tagungen, Diskussionen, interne Debatten sowie heftige Attacken von aussen schweissten die Basis aber immer mehr zusammen. Mitten in diese Zeit – Anfang 1977 – fiel der überraschende Tod des damaligen zürcherischen Parteipräsidenten, Nationalrat Werner Leutenegger, Geschäftsführer des kantonalen Gewerbeverbandes. Die anschliessende Präsidentenwahl wurde zur Abstimmung über die ideologische Ausrichtung der Partei. In einer heftigen Kampfwahl wurde schliesslich im Februar 1977 Christoph Blocher zum Parteipräsidenten gewählt und blieb dies bis zur Wahl in den Bundesrat im Jahr 2004. Anfänglich wurde die Parteiorganisation gestrafft, die Ortssektionen und Bezirks-parteien wurden gestärkt und grosser Wert auf die politische Knochenarbeit gelegt. Oberster Führungsgrundsatz war: Je weniger die Partei an sich denkt, desto eher denken die Wähler an die Partei. Im Detail hiess das: Entschädigungen, Sitzungsgelder, Spesen wurden abgeschafft und das Parteisekretariat professionalisiert. Die Zürcher Kantonalpartei begann in nationalen Fragen der Partei voranzugehen. Sie nahm gesamtschweizerischen Einfluss. Die jährlichen Albisgüetli-Tagungen entwickelten sich zu national bedeutungsvollen Anlässen. Erinnert sei auch an die denkwürdige Delegiertenversammlung im Jahre 1992 mit über 500 Delegierten, wo die Zürcher Kantonalpartei als erste schweizerische Partei zur Überraschung aller Politbeobachter den Mut aufbrachte, den EWR-Vertrag abzulehnen. Da in den Zeitungsspalten der zunehmend erfolgreichen Zürcher SVP (sie steigerte ihre Sitzzahl im Nationalrat von den vier Sitzen 1975 auf 13 Mandate im Jahre 1999) immer weniger Platz eingeräumt wurde, musste die Partei den Kampf mit Veranstaltungen und auf dem Inserateweg führen. Die Wählerinnen und Wähler belohnten die SVP – trotz aller Gegenattacken – mit ständig steigenden Stimmenzahlen. Die Zürcher SVP wurde so immer mehr zur Partei all jener Leute, die mit beiden Beinen im Leben stehen und ihren Alltag stets aufs Neue erfolgreich bewältigen. Die Zürcher Schweizerische Volkspartei wurde immer mehr zur Partei des Mittelstandes und der arbeitenden Bevölkerung. Gezielt wurde – namentlich unter der Führung von Nationalrat Walter Frey – die Stadtpartei ausgebaut, so dass die SVP sowohl auf der Landschaft als auch in den Agglomerationsgemeinden und der Stadt Zürich zur grossen Partei wurde. Aus den Nationalratswahlen 2003 ging sie mit dem fast unglaublichen Stimmenanteil von 33,6% aus den Wahlen hervor! 8. Konsequent auf Kurs Der konsequente Weg für Selbstbestimmung, direkte Demokratie, Neutralität, Föderalismus wurde vor allem in den 90er Jahren für den Erfolg der Partei entscheidend. Als alle anderen Parteien und die gesamte politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche Prominenz die Schweiz in die EU, die UNO, ja sogar in die NATO führen wollten, ging die Zürcher SVP einen anderen Weg. Sie konnte davon zuerst die Schweizerische Partei und dann schliesslich an der Urne die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger überzeugen: Das Schweizervolk lehnte am 6. Dezember 1992 bei einer Stimmbeteiligung von 78,7% den EWR ab und schloss damit das Tor für den Beitritt der Schweiz in die Europäische Union. Dieser heftigen Auseinandersetzung, die den Höhepunkt der Verunglimpfungen brachte, war die Geburtsstunde zahlreicher neuer SVP-Parteien in der Zentralschweiz, der Ostschweiz und der Romandie. Die Zürcher SVP unterstützte anfänglich diese neuen Parteien mit Rat, Tat und oft auch finanziell. Der politische Boden dieser Parteien war solid. Einstehen für die Schweiz war damals in der veröffentlichten Meinung nicht modern. Die SVP aber hielt Stand. An der 1. Augustfeier 1991 – im 700sten Jahr der Eidgenossenschaft – wurde auf dem Rütli durch die Classe politique der Sonderfall Schweiz rhetorisch zu Graben getragen. Einstehen für den Sonderfall Schweiz war zum Spiessrutenlaufen geworden. Die Zürcher SVP gab massiv Gegensteuer. Die Albisgüetli-Rede von 1992 trug den programmatischen Titel: „Anpassung oder Widerstand“? In der Innenpolitik wurde die Zürcher SVP zum Bollwerk gegen den Sozialismus und gegen die innere Zersetzung. Die Bürger – nicht der Staat – sollen im Mittelpunkt stehen. Eigenverantwortung, Unternehmertum, Kreativität, Erfolg wurde propagiert. Diese Ausrichtung hat die Schweiz geformt und bildet das Fundament, das unserem Land (arm, praktisch ohne natürliche Bodenschätze, ohne Meeranstoss, kleinräumig) einen solchen Wohlstand schaffen konnte. Und „schaffen“ ist durchaus wörtlich gemeint. In diesem Sinne hielt die Partei an dem fest, was die politischen Vorfahren schon 1919 proklamierten: „Und nichts als harte Arbeit ist es, die ein Volk nährt und sittlich stark macht.“8 Mit Sorge erfüllt die SVP, wenn in einem Staat das Gefühl aufkommt, man sei der Betrogene, wenn man arbeitet gegenüber anderen, die mit allen Tricks versuchen, sich von der Allgemeinheit aushalten zu lassen. Dann haben wir ein Sozialsystem, das diesen Namen nicht mehr verdient. Missbräuche zu stoppen trat in der politischen Arbeit immer mehr in den Vordergrund, sei es im Sozialwesen, im Asylwesen, bei der Invalidenversicherung, in der Entwicklungshilfe oder anderswo. Für die SVP gilt aber auch, dass für diejenigen, die nicht für sich selber sorgen können und durch alle Maschen fallen, gesorgt wird. Sie weiss aber auch, dass man die Schwachen nicht stärkt, indem man die Starken schwächt. Jeder Franken Fürsorge muss irgendwo erwirtschaftet werden und einem anderen gewissermassen abgenommen werden. Daraus leitet sich die soziale Überzeugung der SVP ab. * Sozial ist zuerst einmal derjenige, der für sich und seine Nächsten schaut. * Sozial ist, wer arbeitet. * Sozial ist, wer Arbeit schafft. * Sozial ist, wer in Eigenverantwortung lebt. * Sozial ist, wer selber wohltätig ist und nicht derjenige, der sich für staatliche Sozialleistungen brüstet, für die andere aufkommen müssen. 9. Für Grundsätze einstehen Grundsätze bleiben bestehen – sonst wären sie keine Grundsätze. Die SVP ist die Partei der Grundsätze. Darin liegt ihre Glaubwürdigkeit und Kraft. 1922 trat die Bauernpartei mit folgenden Schlagwörtern in den Nationalratswahlkampf: „Bauernpolitik ist eine Politik der Arbeit“9 , „Kampf gegen Rot“10 und „Verteidigung unserer Volksrechte“11. Müssten wir 2007 ein Komma daran ändern? Nein. Grundsätze bleiben bestehen und für Grundsätze steht man ein. Zu den Kantonsratswahlen von 1932 trat die Bauernpartei mit der Parole an: "Für Sicherheit, Ruhe und Ordnung, für einen einfachen, gesunden Finanzhaushalt, für eine entschiedene vaterländisch-bürgerliche Politik"12. Müssten wir an dieser Parole einen Buchstaben ändern? Nein. Die SVP ist die Partei, die Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger fordert. Für unsere Zeit hat die SVP die Richtung vorgegeben: Wir haben ein Problem mit importierter Gewalt – also muss sie reexportiert werden. 10. Besinnung auf unser Fundament Gerade an einem Anlass wie heute, an dem wir ein Jubiläum feiern, dürfen wir uns wieder bewusst werden, was uns die Säulen der Schweiz zu bedeuten haben. * Wir wollen eine Demokratie, eine Volksherrschaft – und zwar ohne Abstriche. * Wir wollen Freiheit und Selbstbestimmung – wir brauchen kein fremdes Recht und wollen unsere Handlungsfreiheit bewahren. * Wir pflegen aussenpolitisch die dauernde Neutralität – und zwar ohne modische Zusätze („aktive“ Neutralität). * Wir halten an unseren Grundsätzen und Werten fest und halten durch – auch gegen alle modischen Strömungen und moralischen Erpressungsversuche. Ich zitiere zum Abschluss noch ein Werbeflugblatt der Bauernpartei aus dem Jahr 1919:13 Ihr wollt arbeiten und leben; Ihr hasst das Saugen an der Staatskrippe. Ihr wollt ein einfaches, sittlich kräftiges Schweizervolk: Menschen mit eigener Arbeits- und Verantwortungsfreude! Ihr bekämpft die Auswüchse des Kapitalismus und verdammt die zertrümmernden Wahnideen der Sozialisten. Ihr verlangt einen festen Kurs in der Politik und duldet kein Wanken zwischen der vaterländisch-bürgerlichen und der sozialistischen Politik. Ihr duldet das Verschleudern der Staatsgelder durch eine leichtsinnige Geldverteilerei und eine ruinierende Lohnpolitik nicht. Ihr fordert einen sparsamen Haushalt des Staates und des Bundes. Ihr verwerft das staatliche Eingreifen in Eure Betriebe, weil es den Bureaukratismus gross züchtet und die eigene Verantwortung lähmt. Die SVP muss auf Kurs bleiben. Für eine sichere, unabhängige, erfolgreiche Schweiz. Für einen prosperierenden Kanton Zürich. Für die Volksrechte. Für unsere einzigartige Demokratie. Für unser Land. Für die Bürgerinnen und Bürger. Der heutige Tag ist nicht das Ende der bisherigen Aufgabe, sondern der Anfang für neue! Der Kanton Zürich, die Schweiz, die Bürgerinnen, die Bürger brauchen die SVP! ______________________________________________________________ 1 Der Zürcher Bauer, Der Bauer und die Nationalratswahlen, Nr. 73, 24. September 1919. 2 Der Zürcher Bauer, Der Bauer und die Nationalratswahlen, Nr. 73, 24. September 1919. 3 Der Zürcher Bauer, Zum 8. Juli, Nr. 27A, 5. Juli 1917, S. 314. 4 Der Zürcher Bauer, Zu den eidgenössischen Wahlen, Nr. 42, 16. Oktober 1914, S. 505f. 5 Der Zürcher Bauer, Kantonal zürcherische Bauernpartei, Parteiprogramm, Nr. 95, 20. Oktober 1931. 6 Der Zürcher Bauer, Die Zürcherische Bauernpartei an ihre Mitglieder und Gesinnungsgenossen, Nr. 25, 22. Juni.1917, S. 290. 7 "Demokratie oder Diktatur", "Der Zürcher Bauer" Nr. 40 vom 7. April 1933. 8 Der Zürcher Bauer, Bauernpolitik, Nr. 81, 22. Oktober 1919. 9 Der Zürcher Bauer, Kämpft für Liste 6, Nr. 86, 28. Oktober 1922. 10 Der Zürcher Bauer, Der 29. Oktober, Nr. 83, 18. Oktober 1922. 11 Der Zürcher Bauer, Der 29. Oktober, Nr. 83, 18. Oktober 1922. 12 "Regierungsratwahl 1932", "Der Zürcher Bauer" Nr. 41 vom 12. April 1932. 13 Der Zürcher Bauer, Werbeflugblatt der Bauernpartei 1919, Nr. 82, 25. Oktober 1919