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05.04.2003

Auf zum letzten Gefecht

Artikel aus dem "Magazin" vom 5. April 2003 Dieses Wochenende sind im Kanton Zürich Wahlen. Die SVP dürfte als Siegerinhervorgehen. Wird es ihr auch gelingen, zur führenden Stimme des Bürgertumszu werden? Text Miklós Gimes «Wir hatten noch nie so ruhige Wahlen», sagt Christoph Blocher eine Woche vor dem kantonalen Urnengang, mit einem Gesichtsausdruck, als sei ihm nicht ganz wohl dabei. Als verberge die Ruhe etwas Unheimliches. «Die Leute haben andere Sorgen», sage ich, «Arbeitslosigkeit, Krankenkassen, den Krieg. Die Stimmbürger können sich nicht vorstellen, wie ihnen die Politik helfen soll.» «Trotzdem bezahlen sie ihre Steuern, die dann die Politiker ausgeben», antwortet Christoph Blocher lachend. Wir sind am Ende des Gesprächs und schauen über den Zürichsee. An schönen Tagen kann man von hier aus die Berner Alpen sehen. Eine Privatseilbahn führt zum Parkplatz von Blochers Anwesen, der unterhalb des Gartens in den Hang gehauen wurde. «Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen», sage ich. «Die SVP wird bei den Wahlen zulegen.» «Ich bin nicht so sicher», sagt Blocher. Die jüngste nationale Umfrage rechnet für seine Partei mit einem weniger stürmischen Wachstum als noch im Januar. Ungeachtet dieses Trends hat die SVP letzten Sonntag in Basel Land und Genf starke Gewinne gemacht, und auch für die Zürcher Kantonalwahlen von diesem Wochenende wird ein Stimmenzuwachs prognostiziert. Dieser Triumph wird die Partei noch stärker mit der Frage konfrontieren, wohin ihr Alleingang führen soll. Bleibt sie eine Kampfpartei, oder stellt sie sich der Regierungsverantwortung? Und welche bürgerliche Partei ist bereit, in Grundsatzfragen mit der SVP Kompromisse einzugehen? Hinter Christoph Blochers unheimlicher Vorahnung könnte die Erkenntnis stehen, dass die Stunde der letzten Schlacht gekommen ist. Von den 180 Sitzen des Zürcher Kantonsrats hält die Schweizerische Volkspartei 61, sie ist mit Abstand die grösste Fraktion vor den Sozialdemokraten mit 44 und den Freisinnigen mit 36 Sitzen. Holt die SVP am Sonntag die erwarteten 70 Sitze, rückt sie in die Nähe einer regierungsfähigen Mehrheit. Will sie ihr Profil nicht verlieren, läuft sie Gefahr, ausgegrenzt zu werden, falls es ihr nicht gelingt, eine konservative Mehrheit zu zimmern. Entscheidend ist das Verhalten der FDP. Deshalb ist nicht erstaunlich, dass Christoph Blocher sein Verhältnis zum Freisinn in ganzseitigen Zeitungsinseraten oder mit Angriffen gegen den angeblichen Filz thematisiert. Diese Strategie, sagt Blocher, diene im Grunde genommen der Schadensbegrenzung, denn die FDP könne somit nicht zur Angriffsfläche der Linken werden. Was Blocher vorschwebt - und das ist das Entscheidende -, ist nichts anderes als eine Neuformierung der bürgerlichen Reihen. Und seit Wirtschaftsverbände und führende Bankiers den EU-Beitritt ablehnen, fühlt er sich in seinem Vorhaben erst recht bestärkt. Bruderkampf Der Aufstieg der SVP ist keine zehn Jahre alt. In der Stadt Zürich war es eine Hand voll junger Patrioten, die nach dem EWR-Nein von 1992 mit einem Aktivismus und einer Medienpräsenz, die sie der Jugendbewegung der Achtzigerjahre abgeschaut hatte, das rechte Feld beackerte und die Stadtzürcher SVP aus einer marginalen Partei, die eher durch den Alkoholkonsum ihrer Stadträte als durch politisches Profil Aufsehen erregt hatte, zu einer dynamischen Kraft machte. Seither hat sich die Zahl ihrer Gemeinderäte fast verfünffacht. Gleichzeitig hielt ein aggressiver Stil in der Politik Einzug, der Stil des permanenten Protestes und der Obstruktion. Zürich wurde zum Modell einer gesamtschweizerischen Entwicklung. In Sankt Gallen machte Toni Brunner die vorher inexistente SVP zur dritten Kraft im Kanton. Das Durchschnittsalter der Parteiaktivisten liege bei 28 Jahren, erzählt Blocher stolz. Obwohl 1994 die rotgrüne Ära im Zürcher Gemeinderat vorbei war, liess sich die SVP nicht in eine bürgerliche Politik einbinden. Im Gegenteil: Je stärker die SVP wurde, desto näher rückten Freisinn und Sozialdemokraten. Ergebnis dieser Entwicklung ist eine SVP, die sich vom Freisinn abgrenzt. «Die Jungen wollten immer gegen die FDP los, «das sind doppelzüngige Cheibe», haben sie gesagt», erzählt Blocher. «Ihr müsst nicht die FDP angreifen wegen ein paar Leuten, ihr müsst den Sozialismus bekämpfen», hat er ihnen entgegnet. Doch als die Delegierten der SVP gegen Blochers Einwände für die kantonalen Wahlen drei Regierungsratskandidaten aufstellten, mochte der Parteipräsident nicht streiten, obwohl ihm klar ist, dass der dritte Mann vermutlich keine Chance hat. Die FDP, inzwischen von der SVP als stärkste bürgerliche Partei überholt, konnte in der Stadt einen Teil der an die SVP verlorenen Wähler durch liberale Stimmen ersetzen. Einer der Architekten dieser Strategie der Öffnung ist Urs Lauffer, Fraktionschef der Freisinnigen im Gemeinderat, der in der Zwischenzeit in den Kantonsrat gewechselt hat. Anfänglich habe er gestaunt, wie kollegial und zugänglich die Kantonsräte der SVP gewesen seien, erzählt Lauffer. In 90 Prozent der Abstimmungen im Rat habe der Bürgerblock auch funktioniert. Umso mehr habe ihn befremdet, dass in den wirklichen Fragen die SVP auf Fundamentalopposition gemacht habe. «Die SVP hat jedes Budget zurückgewiesen und ihren eigenen Regierungsrat im Regen stehen lassen.» Die SVP habe sich vier Jahre lang um die Verantwortung gedrückt, dem Volk zu sagen, wo und wie viel man sparen müsse. Deshalb machtUrs Lauffer ein Wahlsieg der SVP keine Angst, obwohl er auf Kosten der FDP gehen kann. «Die SVP wird in die Verantwortung gedrängt werden. Niemand wird mehr bereit sein, ihr die Kohlen aus dem Feuer zu holen.» «Und was bedeutet das  für die FDP?» «Dass sie unbeirrt ihren Weg geht und sich für ihre Politik dort Partner sucht, wo sie sich ergeben.» Christoph Blochers politische Karriere begann vor rund dreissig Jahren, als der frisch promovierte Jurist vor der Gemeindeversammlung in Meilen gegen die Zonenplanung wetterte. «Die Jungen haben Heuchelei nicht gern» sagt er, «das war immer schon so. Ich war in den Sechzigerjahren nicht auf der linken Seite, aber auch wir haben uns gegen die Doppelzüngigkeit in der Politik aufgelehnt. Das ist wahrscheinlich der hinterste Grund, warum ich bei der SVP bin und nicht bei der FDP.» Blocher ist der letzte wahre 68er der Schweizer Politik. Mit derselben Radikalität, die ihn bei linken Studenten, «die mit dem roten Büchlein hinter Mao hergerannt sind», herausforderte, hat er seine Ziele verfolgt. Anfänglich habe er mehr Freunde in der FDP gehabt, sagt er. FDP-Nationalrat Otto Fischer, mit dem er die Auns gegründet und den Kampf gegen den EWR durchgezogen hat, sei sein engster Kampfgefährte gewesen. «Doch die FDP hat am Internationalismus festgehalten, und es ist zum Bruch gekommen. Dann kam die Ära Steinegger mit all den Mehrausgaben. Das konnten wir nicht mehr mitmachen. Aber wenn wir zulegen und die Freisinnigen verlieren, wird sich das ändern. Dann wird die freisinnige Basis sagen, wir wollen eine andere Politik. Dann werden die Leute abtreten müssen, die den Freisinn mit ihrer Linkspolitik in den Keller geführt haben.» Und mit der Radikalität des alten 68ers wird Blocher dem Freisinn die Europafrage stellen. «Da müssen sich die Freisinnigen entscheiden. Sie haben immer noch einen Parteitagsbeschluss, dass sie in die EU wollen. Jetzt wollen sie vor den Wahlen das Thema ausklammern. Das geht nicht.» Christoph Blocher nimmt einen Schluck Wasser und schaut aus dem Fenster über den Zürichsee. «Sie müssen sich entscheiden», sagt er. «Sonst werden sie zerrieben.»

20.03.2003

Uno-Vorlage Volk nochmals vorlegen

Interview mit "Schaffhauser Nachrichten" vom 20. März 2003 SVP-Nationalrat Christoph Blocher ist mit der Neutralitätspolitik des Bundesrates im Irak-Konflikt nicht einverstanden. Interview: Beni Gafner Herr Blocher, wie empfinden Sie die Neutralitätspolitik des Bundesrates im Zusammenhang mit dem Irak-Konflikt? Christoph Blocher: Als aussen Stehender völlig chaotisch und widersprüchlich. Im Ausland werde ich bereits gefragt, ob die Schweiz eigentlich noch neutral sei. Von der dauerhaften Neutralität, die uns die Verfassung vorschreibt, ist nichts mehr zu spüren. In dieser Auseinandersetzung um den Irak ergreift der Bundesrat einzeln und gesamthaft dauernd Partei. Es ist unglaublich, wie schnell der Bundesrat seit dem Uno-Beitritt die Grundsätze der Neutralität verlässt. Es kommt jetzt aus, dass der Bundesrat gar nicht neutral sein will. Woran denken Sie konkret? Blocher: Zuerst nahm der Bundesrat gegen die USA Stellung, dann gingen Stellungnahmen raus, die besagten, die Schweiz stehe hinter der Mehrheit des Sicherheitsrates. Stellen Sie sich vor, die Mehrheit im Sicherheitsrat hätte beschlossen, dieser Krieg gegen den Irak sei zu führen. Dann wären wir auf der Seite Amerikas und Englands gewesen, aber gegen Frankreich und Russland. Hätte es aber eine Mehrheit für Russland und Frankreich gegeben, hätten wir gegen den Krieg sein müssen und damit gegen die Krieg führenden Staaten USA und England. Man merkt: Es ist ausgeschlossen, in der politischen Uno zu sein und die Neutralität aufrechterhalten zu wollen. Der Bundesrat hat aber gesagt, man könne in der politischen Uno sein und neutral bleiben. Er ging sogar noch weiter, indem er versprach, die schweizerische Neutralität werde bei einer Uno-Mitgliedschaft sogar noch gestärkt. Jetzt erleben wir das Gegenteil. Aber welche Rolle spielt die Uno- Mitgliedschaft der Schweiz in dieser neutralitätspolitischen Frage? Man könnte auch ausserhalb der Uno eine schlechte Neutralitätspolitik betreiben. Blocher: Der Bundesrat meint nun, die Schweiz müsse als Uno-Mitglied überall mitmischen und mitreden. Das hätte sie ausserhalb der Uno nicht gemacht, weil sie sich alleine auf die Neutralität hätte besinnen müssen. Ein schlechtes Beispiel des Bundesrates ist für mich auch das Einreiseverbot, das er gegen Saddam Hussein erlassen hat. Der Bundesrat hat ebenfalls gesagt, in einem Krieg sei bei den Überflugsrechten der USA von Fall zu Fall zu entscheiden. Unsere Neutralität sagt doch aber ganz klar, egal, ob der Uno-Sicherheitsrat zustimmt oder nicht, die Überflugsrechte kommen nicht in Frage. Welches ist Ihre Folgerung? Blocher: Der Fall ist eindeutig: Der Bundesrat hat im Uno-Abstimmungskampf das Volk falsch orientiert - um es einmal vornehm auszudrücken. Das Schweizervolk hat dem Uno-Beitritt zugestimmt, weil ihm gesagt wurde, die Neutralität werde gestärkt. Wir Gegner haben dieses Hauptargument bestritten. Jetzt sieht man, dass man die Neutralität nicht einhalten kann. Die Schlussfolgerung ist: Wir müssen diese Uno-Vorlage dem Volk nochmals vorlegen. Eine erneute Uno-Abstimmung? Wie das? Blocher: Darauf arbeiten wir hin. Nationalrat Hans Fehr wird nächstens eine entsprechende Motion einreichen. Diese wird vom Nationalrat voraussichtlich abgelehnt. Dann werden wir eine Volksinitiative lancieren müssen, wir haben keine andere Möglichkeit. Die Neutralität dürfen wir nicht preisgeben! Wer ist "wir"? Sie und Hans Fehr, die SVP oder die Auns? Blocher: Das wissen wir noch nicht. Es werden sicher viele unserer Partei die Motion Fehr unterzeichnen. Das habe auch ich getan. Wird eine Volksinitiative nötig, wird die Auns bei der Unterschriftensammlung bestimmt sehr aktiv helfen, denn die Neutralität wird nun stark verletzt. Der Bundesrat hat ja seinerzeit gesagt, es wäre kein grosses Problem, aus der Uno auch wieder auszutreten. Mit anderen Worten: Sie akzeptieren den vor kurzem gefällten Volksentscheid über den Uno-Beitritt nicht?Blocher: Doch, den akzeptieren wir. Aber der Entscheid kam unter falschen Voraussetzungen zustande. Deshalb soll das Volk unter richtigen Voraussetzungen nochmals abstimmen können.Sind Sie überzeugt, dass das Volk einen Uno-Austritt will? Blocher: Wenn heute über einen Uno-Beitritt abgestimmt würde, hätte dieser keine Chance. Auch die bewaffneten Auslandseinsätze unserer Soldaten hätten heute keine Chance, davon bin ich überzeugt. Denn man merkt jetzt, in welch heikle Situation die Schweiz bei dieser Neutralitätspolitik im Uno-Rahmen geraten könnte. Austreten ist allerdings schwieriger als gar nicht erst eintreten, das ist mir schon klar. Aber wissen Sie: Bis das Volk in drei oder vier Jahren abstimmen kann, werden wir noch viel erleben, das in diese neutralitätsrechtlich problematische Richtung geht.

17.03.2003

Saluto e valutazione della situazione «I bambini e gli stupidi dicono la verità

18a Assemblea ordinaria dei membri del 17 maggio 2003

14.03.2003

Blocher: Landwirtschaft umbauen

Interview mit dem "Tages-Anzeiger" vom 14. März 2003 Die heutige Agrarpolitik sei total verknorzt, sagt SVP-Nationalrat Christoph Blocher. Er fordert einen Systemwechsel und will eine Milliarde jährlich sparen. Mit Christoph Blocher sprachen Beat Bühlmann und Gaby Szöllösy Die SVP hat Bundesrat Villiger beauftragt, fünf Milliarden zu sparen. Die Landwirtschaft soll davon ausgenommen werden? Blocher: Mit einem neuen System könnte man auch bei der Landwirtschaft weniger Geld ausgeben, und die Bauern würden mehr verdienen, ohne ihre Bauernhöfe verlottern lassen zu müssen. Wie soll das gehen? Blocher: Indem wir die Bürokratie in der Landwirtschaft beseitigen! Das sieht man doch bei der Agrarpolitik 2007: Die Landwirtschaft geht wohl letztlich wieder leer aus. Das ist eine Sozialgesetzgebung mit Umweltschutz, Naturerhaltung, bürokratischen Kontrollen und unnötigem Zeug. Vor einem halben Jahr hat ausgerechnet die SVP nochmals 60 Millionen Franken gefordert, um die tiefen Milchpreise zu kompensieren. Blocher: Mit dem heutigen System muss sie das tun. Die Landwirtschaftpolitik ist dermassen staatlich verknorzt, dass sie niemanden befriedigt. Sie wird zu teuer, und trotzdem verarmen die Bauern. Werden Sie der AP 2007, wie sie nächste Woche in den Nationalrat kommt, trotzdem zustimmen? Blocher: Ja. Obschon ich der Auffassung bin, dass dieses System in die Sackgasse führt. Die Landwirtschaft ist heute überfordert: Sie muss die Vergandung verhindern, die Entvölkerung der abgelegenen Gebiete stoppen, die Nahrungsmittelversorgung gewährleisten und zahlreiche Auflagen erfüllen. Sie wollen die Vefassung korrigieren? Blocher: Nein, dieser Auftrag ist für mich unbestritten. Ich will nicht, dass das Land vergandet. Also muss der Bauer, der es bewirtschaftet, pro Fläche dafür bezahlt werden. So wie heute? Dann sparen Sie ja nichts. Blocher: Die minimale Bewirtschaftung muss man abgelten, die heutigen Direktzahlungen vielleicht sogar erhöhen. Hingegen will ich bei meinem Modell die Nahrungsmittelproduktion ganz dem Bauern überlassen, ohne Lenkung, staatliche Unterstützung und Bevormundung. Bei den Produkten soll der Markt möglichst frei spielen. So können wir den bürokratischen Ballast kurzerhand streichen. Es ist ja verrückt, wie viele Formulare der Bauer jeden Tag auszufüllen hat. Das verteuert die Produktion. Welche Vorschriften sind denn überflüssig? Blocher: Zum Beispiel, dass man dem Bauer vorschreibt, wie viele Kühe er pro hundert Quadratmeter Land halten darf. Oder ab welchem Tag er mähen darf. Das ist doch absurd. Es braucht Vorschriften, damit der Boden nicht vergiftet wird, aber die gelten ja für alle, auch für Industrielle. Der Bauer soll wieder Unternehmer sein dürfen. Wer kontrolliert, ob die Bauern diese Minimalvorschriften einhalten, wenn Sie die ganze Bürokratie aufheben? Blocher: Es braucht keine speziellen Kontrollapparate für die Landwirtschaft. Die Produkte werden ohnehin schon heute von den Grossverteilern und der Lebensmittelkontrolle überprüft. Also keine Vorschriften für die Tierhaltung? Blocher: Nur generelle Vorschriften, wie sie im Tierschutzgesetz festgeschrieben sind. Keine Beiträge für regelmässigen Auslauf der Tiere? Blocher: Das ist unnötig. Wenn der Konsument beispielsweise Eier von glücklichen Hühnern will, so werden die Grossverteiler das von den Bauern verlangen. Der Staat muss hier nicht eingreifen. Also auch keine Ökobeiträge mehr. Ohne diese hat jedoch die naturnahe Landwirtschaft keine Chance. Blocher: Jene, die nur das Minimum machen wollen, also beispielsweise ihre Wiese nur ein- bis zweimal im Jahr mähen, betreiben zwangsläufig extensive Landwirtschaft. Das ist ökologischer. Jene hingegen, die sich entscheiden, Nahrungsmittel herzustellen, müssen im freien Markt mit Weltmarktpreisen auskommen. Blocher: Das kommt auch auf die Zollgesetzgebung an, und die können wir ja nicht alleine bestimmen. Sicher würde die Konkurrenz grösser, der Preisdruck nähme zu. Weil die Bauern aber nicht mehr so viele Auflagen zu erfüllen hätten, sänken ihre Produktionskosten, und die Kreativität stiege. Sie sind auch für die Aufhebung von Fleischkontingenten? Jede Metzgerei darf so viel importieren wie sie will? Blocher: Im heutigen System nicht. Im neuen wäre das der Idealfall. An wen verkaufen dann die Schweizer Bauern ihr teures Fleisch? Blocher: Ich habe deutsche Geschäftskunden, die immer, wenn sie in der Schweiz sind, Fleisch einkaufen. Obwohl es bei uns teurer ist. Aber die sagen, die Qualität sei besser und insofern das Fleisch den höheren Preis wert. Das werden wohl eher Ausnahmefälle sein. Blocher: Warum denn? Und wenn schon: Die Schweizer Bauern müssen ja auch nicht die ganze Welt versorgen. Vor allem die Bergbauern kämen bei Ihrem Modell stark unter Druck. Der Strukturwandel würde rasant beschleunigt. Blocher: Wahrscheinlich gäbe es mehr Bauern, die nur den Boden bewirtschaften, aber keine Nahrungsmittel produzieren. Und nebenbei einen anderen Job ausüben. Doch die Abgeltung müsste wie bis anhin im Berggebiet höher sein als im Mittelland. Im Übrigen ist es schon heute so, dass im Berggebiet nur noch wenige Vollerwerbsbetriebe existieren können. Sie machen die Bergbauern faktisch zu Staatsangestellten. Blocher: Es ist nicht mehr als recht, dass sie für die gemeinwirtschaftlichen Leistungen entlöhnt werden. Zudem ist es ihnen unbenommen, sich zusätzlich mit innovativen Leistungen auf dem Markt zu behaupten und zum Beispiel neue Käsesorten zu kreieren. Der Staat muss sich da nicht einmischen. Der Bauer wäre für diesen Bereich Unternehmer und könnte sich von allen Vorschriften lösen. Keine Qualitätsvorschriften? Nach etlichen Skandalen sind die Konsumenten sensibilisiert. Sie wollen Qualitätsprodukte. Blocher: Wenn der Markt das verlangt, so werden die Bauern ökologisch produzieren. Qualitätskriterien müssen die Bauern und Grossverteiler untereinander abmachen. Wie viel wollen Sie denn mit diesen Ideen sparen? Heute gibt der Bund 4 Milliarden jährlich für die Landwirtschaft aus. Blocher: Die Direktzahlungen würden etwas steigen. Im Idealfall würden alle Auflagen und Produktesubventionen gestrichen. Und viel sparen könnte man im Bereich Bürokratie. Selbst wenn Sie das ganze Bundesamt für Landwirtschaft und alle Forschungs- und Beratungsinstitute streichen, sparen Sie nur rund 220 Millionen. Blocher: Ich bin überzeugt, dass man insgesamt in der Landwirtschaft eine Milliarde sparen kann, und trotzdem kriegen die Bauern mehr. Davon müssen Sie die Bauern erst überzeugen. Sie werden nicht einverstanden sein mit Ihren Ideen. Blocher: Die tüchtigen durchaus. Die untüchtigen vielleicht weniger. Aber auch die Bauern erkennen die Lage: Sie müssen aufpassen, dass man ihnen nicht überall immer mehr abzwackt, sodass am Schluss gar nichts mehr bleibt. Diese Gefahr besteht. Der Bauernverbandspräsident Hansjörg Walter hat offenbar in der Fraktion bereits Protest angemeldet. Blocher: Wir haben darüber nur am Rande gesprochen. Er sagt, grundsätzlich sei dies richtig, aber die Zeit sei noch nicht reif. Es ist klar, der Bauernverband wird jetzt nicht sofort auf diese Linie einschwenken.

10.03.2003

Eine innovative Platzierung

Interview mit "Stocks" vom 10. Januar 2003 Von Daniel Krähenbühl Stocks: Der Entscheid gegen ein Going Private widerstrebt Ihnen offensichtlich. Christoph Blocher: Mir läge es viel näher, die Firma von der Börse zu nehmen. Wir könnten die Firma in den nächsten Jahren auch problemlos alleine führen. Im Interesse der Firma muss dies aber sein, um ein Wachstum, eine nachhaltige Gewinnentwicklung und eine langfristig solide Situation zu gewährleisten. Kontrolle ist offenbar etwas sehr Wichtiges für Sie. Christoph Blocher: Ja. Es hätte die Krisen in diversen grossen Firmen nicht gegeben, wenn diese starke Aktionäre gehabt hätten. Wenn es von der Expansion her nicht anders geht, bin ich bereit, meinen Aktienanteil unter 50 Prozent abzubauen. Man kann auch mit 40 oder 30 Prozent noch eine wichtige Verantwortung tragen. Ems muss aber einen beherrschenden Aktionär behalten, das ist ihre Stärke. Haben Sie sich deshalb für eine Einheits-Namen und nicht für eine Inhaber-Aktie entschieden? Christoph Blocher: Ja. Man weiss halt bei einer Namenaktie ,wer die Aktionäre sind. Der Entscheid ist aber nicht in Stein gemeisselt. Sie wollen die Aktien "innovativ platzieren". Was heisst das? Christoph Blocher: Das Stupideste wäre, wenn wir morgen die Aktien auf den Markt werfen würden. Zum momentanen Kurs werden wir das sowieso nicht tun. Eine Möglichkeit wäre eine Versteigerung. Vielleicht gibt es aber auch noch ganz andere Formen. Wir müssen uns das in den nächsten Monaten noch überlegen, um dann Mitte Jahr für eine Platzierung bereit zu sein, die dem Aktionär möglichst viel bringt und steueroptimiert ist. Welcher Verkaufspreis schwebt Ihnen vor? Christoph Blocher: Ems hat zwar keine schlechte Kursentwicklung gemacht. Aber im Moment sind die Aktien allgemein weit unten. Jetzt muss man Titel kaufen und nicht verkaufen. Aber Sie beginnen noch in diesem Jahr mit dem Verkauf Ihrer Aktien? Christoph Blocher: Bei so tiefen Kursen sicher nicht. Es besteht auch keine Notwendigkeit. Was bringt Ems als breite Publikumsgesellschaft den Aktionären? Christoph Blocher: Die Vorzugs-Stimmrechte fallen weg. Wenn ich meinen Anteil auf 50,1 Prozent abbaue, haben die anderen Aktionäre einen massiven Einfluss auf die Firma. Und die Investoren wissen gleichzeitig, dass sie nach wie vor einen starken Aktionär haben, der auf ihre Vermögenswerte achtet.