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30.08.2002

«Herr Blocher, was wollen Sie wirklich?»

Initiative oder Gegenvorschlag - was ist nachhaltiger? Streitgespräch mit Ständerätin Vreni Spoerry (FDP/ZH) in der Neuen Zürcher Zeitung vom 30. August 2002 Am 22. September finden die Verfassungsabstimmungen über die Goldinitiative der SVP und den Gegenvorschlag der Bundesversammlung dazu statt. Als prominente Vertreter der beiden Seiten diskutieren hier Nationalrat Christoph Blocher (svp., Zürich) und Ständerätin Vreni Spoerry (Zürich, fdp.) über die Vorlagen. Die Gesprächsleitung oblag Katharina Fontana und Max Frenkel von der Inlandredaktion. Herr Blocher, worum geht es Ihnen eigentlich? Um die AHV oder die Verhinderung der Solidaritätsstiftung? Christoph Blocher: Die Grundfrage ist: Wollen wir das Volksvermögen der nicht mehr benötigten Währungsreserven für die AHV einsetzen - was allen zugute kommt - oder zu einem wesentlichen Teil für eine erpresste Stiftung verwenden und 7 Milliarden verschenken? Sie versprechen sich einen wesentlichen Beitrag an die AHV? Blocher: Beim jetzigen Goldpreis geht es um ungefähr 20 Milliarden Franken. Bei fünf- bis sechsprozentigem langfristigem Renditesatz gibt das ungefähr 1 bis 1,2 Milliarden pro Jahr. Das ist viel Geld. Dabei wird das Vermögen nicht nur dreissig Jahre genutzt - wie im Gegenvorschlag -, sondern für immer. Die Goldinitiative bestimmt, dass entweder das Vermögen bei der Nationalbank bleibt und der Ertrag in den AHV-Fonds fliesst oder das Vermögen in den AHV-Fonds geht, wo es heute per Gesetz ebenfalls erhalten bleiben muss, denn es darf nicht unter eine Jahresrente (Grössenordnung 30 Milliarden) absinken. Ohne die Erträge aus der Goldinitiative müssten die Mehrwertsteuer oder die Lohnabzüge entsprechend erhöht werden, um die Rente erhalten zu können. Wieso sagen Sie in Ihrer Initiative nicht, dass das Vermögen erhalten werden soll? Blocher: Weil es selbstverständlich ist. Entscheiden kann der Gesetzgeber lediglich noch, ob er das Vermögen real oder absolut in der Nationalbank oder im AHV-Fonds erhalten will. Wie ist das mit der Mehrwertsteuer? Ist diese Konstruktion geeignet, einen Beitrag an die Probleme der AHV zu leisten? Vreni Spoerry: Wenn versprochen wird, dass mit der Goldinitiative während zehn Jahren die Erhebung eines Mehrwertsteuerprozentes verhindert werden kann, dann muss man auf das Vermögen greifen, weil ein Mehrwertsteuerprozent 2,5 Milliarden Franken sind. Das aber ist nur möglich, wenn die Substanz aufgezehrt wird. Wenn man allein die Erträge verwendet, dann bekommt die AHV nur etwas mehr als beim Gegenvorschlag. Blocher: Mit der Goldinitiative ist Gewähr geboten, dass mindestens für die nächsten zehn Jahre keine Erhöhung der Lohnabzüge und keine Mehrwertsteuererhöhung nötig ist. Die Goldinitiative bringt in zehn Jahren ca. 10 Milliarden für die AHV. Der Gegenvorschlag dagegen lediglich 3,3 Milliarden. Und nach zehn Jahren müssten auf alle Zeiten hinaus stets mindestens 700 Millionen pro Jahr weniger Steuern oder Lohnprozente erhoben werden. So verteilt die Goldinitiative das Volksvermögen gerecht. Bei Ablehnung der Initiative müsste, um in zehn Jahren auf die 10 Milliarden zu kommen, bereits ab 2008 die Mehrwertsteuer um ein halbes Prozent erhöht werden. So sieht es der Bundesrat vor, um die Differenz auszugleichen. Spoerry: Wenn Sie die ganzen Erträge in die AHV geben, wird die Substanz nominell entwertet. Heute haben wir einen Umsatz der AHV von 30 Milliarden pro Jahr, und in zehn Jahren werden es 40 Milliarden sein - das ist die Folge der Demographie. Entsprechend kleiner ist das nominelle Vermögen, das dem gegenübersteht. Das kann dann auch nicht mehr ein halbes Mehrwertsteuerprozent ersetzen. Der grosse Vorteil des Gegenvorschlages ist, dass von den nominellen Erträgen zuerst die Teuerung zur Substanz zugeschlagen wird. Die Substanz ist dann in zehn Jahren nicht mehr 20 Milliarden, sondern je nach Teuerung 25 oder 30 Milliarden, und bringt auch die entsprechend real korrigierten Erträge. Bei Ihnen wird im Minimum das Volksvermögen inflationsbedingt verringert. Etwas anderes ist in der Initiative mindestens nicht vorgesehen. Blocher: Der Gesetzgeber ist frei, ob er das Vermögen inflationsbereinigt oder absolut erhalten will. Aber auf jeden Fall für immer. Spoerry: Aber immer nur für die AHV. Beim Gegenvorschlag jedoch kann die nächste Generation das real erhaltene Vermögen für ihre dannzumaligen Bedürfnisse einsetzen. Andere Wege der Goldverteilung Wenn die SVP sagt, sie möchte das Gold an das Volk verteilen, gäbe es dafür nicht direktere Wege? Blocher: Wir haben das geprüft. Zuerst wollten wir das Gold direkt den Bürgerinnen und Bürgern verteilen. Jeder bekäme dann etwa 3500 Franken. Das gibt aber Verteilungs- und Inflationsprobleme, und das Vermögen wäre auf einmal aufgebraucht. Über den AHV-Fonds kommt der Beitrag allen zugute, den Jungen, den Mittelalterlichen und den Alten, weil sie alle weniger für die AHV zahlen müssen, um die Renten zu sichern. Das ist besser, als es in alle Welt zu verteilen. Warum beschränken Sie sich im Text nicht auf die nicht mehr benötigten 1300 Tonnen? Sie ziehen die Nationalbank in die politische Diskussion. Blocher: Die Nationalbank bestimmt weiterhin, welche Währungsreserven sie nicht benötigt. Ob dies 1300 Tonnen Gold sind oder etwas anderes, hat sie zu bestimmen. Sie hat sich - erst nach Lancierung der Initiative - für 1300 Tonnen Gold entschieden. Also sind es 1300 Tonnen Gold. Spoerry: Aber Ihre Initiative stellt im dauernden Verfassungsrecht einen direkten Bezug her zwischen den Währungsreserven der Nationalbank und der AHV. Und es ist völlig klar, dass in diesem Fall die Politik in Versuchung geraten wird, bei künftigen Finanzierungsproblemen der AHV Druck auf die Nationalbank auszuüben. Die Lösung der AHV-Probleme Wir können also die Probleme der AHV so oder anders nicht lösen? Blocher: Natürlich löst auch die Goldinitiative nicht alle Probleme der AHV. Aber sie gewährleistet, dass mindestens zehn Jahre lang weder Rentenkürzungen noch eine Erhöhung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge, noch der Mehrwertsteuer nötig sind, was den Wirtschafts- und Arbeitsplatz Schweiz stärkt und den Leuten mehr zum Leben lässt. Spoerry: Wenn man von den teuerungskorrigierten Erträgen ausgeht, dann kann man in der absehbaren Zukunft mit höchstens 3 Prozent Ertrag rechnen, das sind 600 Millionen. Der Gegenvorschlag würde also 200 Millionen in die AHV geben, die Goldinitiative 600 Millionen, dafür gar nichts den Kantonen. Ein Mehrwertsteuerprozent beträgt 2,5 Milliarden. Deswegen ist Ihr Versprechen sehr kühn. Das Profil der Solidaritätsstiftung Widerstand gibt es bei der Zielsetzung der Stiftung: ein nicht fokussiertes Sammelsurium. Spoerry: Die Stiftung hat ein sehr klares Profil, aber sie schreibt nicht bestimmte Projekte vor. Sie bekämpft Armut und Krankheit, ermöglicht Jugendlichen Perspektiven, vor allem in benachteiligten Ländern, stärkt demokratische Strukturen und unterstützt ökologische Projekte. Sie kann in aussergewöhnlichen Notsituationen Soforthilfe leisten. All das im In- und im Ausland. Das Ziel ist gesellschaftliche Stabilität, weil diese die Voraussetzung ist für Sicherheit und Wohlstand hier im eigenen Land und natürlich noch viel mehr auf der Welt. Wenn wir dieses Ziel erreichen, dann machen wir etwas in unserem eigenen Interesse. Ich glaube, dass dafür der Einsatz von weniger als 1 Promille Mehrwertsteuer gut verwendetes Geld ist. Blocher: Mit der Stiftung kann durch den Stiftungsrat praktisch alles getan werden: Es ist ein Selbstbedienungsladen. Und dafür will man 7 Milliarden Volksvermögen nutzen. Dazu die Problematik: Die Stiftung wurde unter massivem Druck 1997 unter dem Traktandum "Nachrichtenlose Vermögen" in die Welt gesetzt. Darum muss auch die Hälfte heute ins Ausland gehen. Nie würde man eine solche Stiftung machen mit einer Steuererhöhung! Man käme in der Bevölkerung nämlich nicht durch. Spoerry: Aber wir fragen ja die Bevölkerung! Die Stimmberechtigten können am 22. September entscheiden, ob sie einen Teil der Erträge des unerwarteten Sondervermögens für die Stiftung verwenden wollen oder nicht. Die Volksmitsprache ist vollumfänglich gewährleistet. Was kann man mit einer solchen Stiftung überhaupt erreichen? Greift sie nicht Aufgaben auf, die eigentlich aus dem normalen Etat finanziert werden müssten? Spoerry: Die Stiftung ersetzt nicht staatliche Aufgaben. Aber sie kann dort, wo der Staat nicht alles erreichen kann, unterstützend eingreifen. Die Mittel werden zur Hälfte im Inland, zur Hälfte im Ausland eingesetzt. Auch im Inland sind wir mit neuen Phänomenen konfrontiert - wie etwa Gewalt an den Schulen, zunehmender Lese- und Schreibschwäche oder Armut von Familien -, die alle die Stabilität der Gesellschaft gefährden. "Ich nehme das nicht so ernst" Bei jeder Veranstaltung können wir feststellen, dass diese Art von Inlandeinsätzen, die Sie geschildert haben, die Leute nicht überzeugt. Wieso hat man diese hälftige Teilung gemacht? Spoerry: Das war ein politischer Kompromiss. Wenn wir alles ins Ausland geben würden - wodurch man meiner Meinung nach die Wirkung massiv verstärken könnte -, dann hätten wir den Vorwurf wahrscheinlich nicht zuletzt von Christoph Blocher hören müssen, das Volksvermögen der Schweiz werde restlos im Ausland verteilt. Ich kenne kleine private Organisationen, die mit Know-how vor Ort in den Slums von Delhi jungen Menschen eine Ausbildung verschaffen und die nachweisen können, dass diese Leute dadurch eine Stelle finden. Das sind Ansätze. Blocher: Natürlich kann man beim Geldverteilen für Projekte schwärmen. Doch ich nehme das nicht so ernst. Man kann viel Elend auf der Welt aufzählen, aber zu glauben, mit dieser Stiftung, die alles zulässt, werde hier etwas wesentlich verbessert… Spoerry: Und Sie glauben, mit dem Geld, das in diese Stiftung fliesst, dagegen die AHV sichern zu können… Blocher: Frau Spoerry, gerade in einer Zeit, wo wir wirtschaftlich nicht recht wissen, wie es herauskommt, ist es verantwortungsvoll, zu schauen, dass wir unsere Probleme lösen, statt 7 Milliarden in eine so diffuse Stiftung zu stecken und zu verschenken. Zur Erpressungsthese Spoerry: Das Volk kann in völliger Freiheit darüber entscheiden, ob es das will oder nicht. Die Stiftungsidee, und da treffe ich mich mit Herrn Blocher, ist in einem unglücklichen Zeitpunkt bekannt gegeben worden. Vielleicht sogar aus einer gewissen Drucksituation heraus, das bestreite ich nicht. Das ändert nichts daran, dass die Stabilität in der Gesellschaft unabhängig von der Geburtsstunde ein wichtiges Ziel ist. Wir haben alle Vermutungen, die Leute jenseits des Atlantiks sich vorgestellt haben, mit dem Stiftungsgesetz ein für alle Mal begraben. Wo ist eigentlich die Erpressung, wenn der Erpresste das nicht tun will, was der Erpresser von ihm haben möchte? Blocher: Es ist das Wesen der Erpressung, dass es der Erpresste nicht tun will. Frau Spoerry weiss, dass die Stiftung aber das tun müsste: Herr Bundespräsident Koller hat am 5. März 1997 vor der Bundesversammlung, als die Schweiz unter ausserordentlichen erpresserischen Druck gesetzt wurde, leider dem Druck nachgegeben und verkündet, dass 7 Milliarden in eine Solidaritätsstiftung gehen sollen. Dies könne man für Verschiedenes gebrauchen, Bekämpfung von Rassendiskriminierung usw. und wörtlich "selbstredend auch für Holocaust- und Shoah-Opfer". Wenn wir die Stiftung machen, werden diese Kreise jedes Jahr kommen und uns um Erträge aus der Stiftung erpressen. Spoerry: Die Gesetzesmaterialien sind eindeutig: Es gibt keine "Wiedergutmachung". Die Stiftung geht die Probleme in der Zukunft an, nicht jene der Vergangenheit. Die Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit ist im Gesetz sichergestellt. "Die Banken haben's finanziert" Blocher: Der Stiftungszweck erwähnt aber ausdrücklich die Bezahlung für Folgen der Vergangenheit. Darum wollen die Banken diese Stiftung. Ich frage Sie, Frau Spoerry, Sie waren Mitglied des Verwaltungsrates der Credit Suisse, warum haben denn die Banken ein solches Interesse, den Abstimmungskampf zu finanzieren? Heute habe ich - durch einen Brief der UBS vom Juni 2002 - erfahren, dass sie sogar die Vorarbeiten zur Gründung der Solidaritätsstiftung finanziell unterstützten. Die Banken taten dies ja nicht als humanitäre Steigbügelhalter für die Schweiz und um die Armut zu bekämpfen! Ich verstehe, dass es um die Vorbereitung zum Abstimmungskampf… Blocher: Nein, ausdrücklich zur "Vorbereitung zur Gründung der Stiftung". Spoerry: Das ist mir unbekannt. Sicher ist ein wesentliches Motiv der Banken die Unabhängigkeit der Nationalbank. Die liegt ihnen am Herzen, und die ist mit dem Gegenvorschlag gewährleistet. Blocher: Die Goldinitiative ändert an der Unabhängigkeit der Nationalbank nichts. Spoerry: Doch. Eine Gefährdung ist nicht auszuschliessen. Dies zu verhindern, ist ein sehr wichtiges Anliegen des Finanzplatzes und auch der Politik. Es ist anzunehmen, Herr Blocher, dass auch Ihr Abstimmungskampf irgendwie finanziert wird. Blocher: Wir haben eine übliche Finanzaktion. Es sind natürlich relativ viele kleine Spenden. Dazu haben wir einen kleinen Beitrag von der Aktion für eine neutrale Schweiz eingesetzt. Ich werde das Defizit persönlich übernehmen. Die Folgen eines doppelten Nein Es könnte sein, dass wir jetzt eine völlig irrelevante Diskussion führen, weil am Abstimmungssonntag beide Vorlagen das Ständemehr nicht erreichen. Schliessen Sie sich am Montag darauf der SP an, dass das Nationalbankgold in die AHV einzubringen ist? Blocher: Nein, das ist nicht möglich. Ich kämpfe für die Annahme der Goldinitiative als gerechteste und verantwortungsvollste Lösung. Wenn zweimal Nein herauskommt, ist die Stiftung beerdigt, aber auch die ganzen Goldreserven können nicht mehr in die AHV gehen, mit all den negativen Folgen. Spoerry: Ich kämpfe bis zum 22. September für den Gegenvorschlag. Was nach einem doppelten Nein passiert, ist offen. Ich bin überzeugt, dass der Verteilkampf von neuem beginnen wird, weil bei zweimal Nein gar nicht eruierbar ist, was die Stimmenden mehrheitlich gewollt haben - ausser wohl, dass das Geld nicht in diese Stiftung und nicht vollumfänglich in die AHV fliessen soll.

27.08.2002

Kein Lottogewinn, sondern Volksvermögen

Streitgespräch mit Ständerätin Christine Beerli im Tages-Anzeiger vom 27. August 2002 Gold-Initiative oder Solidaritätsstiftung? SVP-Nationalrat Christoph Blocher im Wortduell mit FDP-Ständerätin Christine Beerli. Über die Geldnöte der AHV, die Erhöhung der Mehrwertsteuer und mögliche Erpressungsversuche. Am 22. September stimmen wir darüber ab, was mit den überschüssigen National- bankreserven geschehen soll. Alles Geld in die AHV? Oder nur die Erträge je zu einem Drittel an AHV, Kantone und Solidaritätsstiftung? Ein Streitgespräch. Mit Christine Beerli und Christoph Blocher sprachen Richard Aschinger und Gaby Szöllösy Wir sind in der glücklichen Lage, Geld verteilen zu können, das wir niemandem wegnehmen müssen. Eine Situation wie nach einem Lottogewinn. Warum tut sich die Schweiz da so schwer? Christine Beerli: Die Auseinandersetzung ist wichtig. Denn das Geld ist Volksvermögen, da bin ich mit der SVP einverstanden. Es ist ein Geschenk, das dem Volk zufällt, und wir sind gehalten, es so verantwortungsvoll wie möglich einzusetzen. Deshalb sieht der Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament vor, nur die Zinserträge des Vermögens zu verteilen, das Vermögen selbst soll über 30 Jahre lang teuerungsbereinigt erhalten bleiben. Die nächste Generation wird also neu entscheiden können, was damit geschehen soll. Wir schlagen eine nachhaltige Lösung vor. Christoph Blocher: Es geht doch weder um einen «Lottogewinn» noch um «Geschenke», sondern um vom Schweizervolk hart erarbeitetes Vermögen. Die Schweizerische Nationalbank hat aus heutiger Warte gesehen jahrzehntelang zu viel Reserven geäufnet. Schweizerinnen und Schweizer zahlten dies, zum Beispiel durch höhere Hypothekarzinsen und teurere Kredite. Also steht ihnen das jetzt nicht mehr benötigte Reservevermögen zu. Es gehört deshalb nicht zu einem wesentlichen Teil in irgendeine Stiftung, die in der halben Welt Geld verteilt. Am besten setzt man dieses Volksvermögen für die Not leidende AHV ein: Mit den Erträgen können so RentenKürzungen oder die Erhöhung von Lohnabzügen oder höhere Mehrwertsteuern für die AHV für mindestens die nächsten zehn Jahre vermieden werden. Beerli: Ich habe von einem Geschenk gesprochen, weil dieses Vermögen durch einen Aufwertungsgewinn zu Stande gekommen ist. Solange der Schweizerfranken an das Gold gebunden war, musste die Nationalbank laut Vorschriften dieses Gold in ihrem Tresor horten und zu einem fixen Preis bewerten, der unter dem Marktpreis lag. Erst seit wir gesetzlich die Goldbindung des Frankens aufgelöst haben, darf die Nationalbank das Gold zum viel höheren Marktpreis bewerten. Und das Gold verkaufen, das sie für ihre Währungspolitik nicht mehr braucht. Wir möchten die Zinsen dieses Goldvermögens ausgewogen einsetzen: ein Drittel für die AHV, ein Drittel für die Solidaritätsstiftung, und das letzte Drittel lassen wir den Kantonen zukommen. Herr Blocher, Sie wollen das Volksvermögen dem Volk zurückgeben. Das könnten Sie aber auch via Krankenkassenprämie oder über die Telefonrechnung. Es geht doch gar nicht primär um die Altersvorsoge, sondern die AHV bietet ein praktisches Verteilsystem. Blocher: Wir haben tatsächlich verschiedene Varianten geprüft, auch ob man das Geld direkt dem Volk verteilen soll, mit Checks an alle Bürgerinnen und Bürger. Aber das ist keine gute Lösung, so kämen mit einem Mal 19 Milliarden auf den Markt. Das würde wahrscheinlich zu einer Überhitzung führen. Und soll man einem Säugling gleich viel auszahlen wie einem Rentner? Ausserdem wäre das Vermögen dann aufgebraucht. Um das Modewort auch zu brauchen: Das wäre keine nachhaltige Lösung. Die AHV dient dem ganzen Volk. Wird die SVP-GoldInitiative angenommen, hat der Gesetzgeber zwei Möglichkeiten: Das ganze Vermögen bleibt bei der Nationalbank, und die Erträge gehen an die AHV, oder das Vermögen geht in den AHV-Fonds, und die Erträge werden dort für die Renten eingesetzt. Beerli: Was wollen Sie nun? Das Vermögen aufbrauchen oder nur die Zinsen der AHV zukommen lassen? Blocher: Auch bei uns werden nur die Erträge aufgebraucht. Es spielt doch keine so grosse Rolle, ob das Vermögen von der Nationalbank oder vom AHV-Fonds verwaltet wird. Der AHV-Fonds muss ja immer einen bestimmten Deckungsgrad aufweisen, sicher über 20 Milliarden. Das garantiert, dass auch dort die Gelder nicht nach Belieben aufgebraucht werden. Wichtig ist vor allem, dass die Gelder gut bewirtschaftet werden. Das nützt der ganzen Bevölkerung. Mit unserer Initiative wollen wir diese Erträge für alle Zeiten der AHV zuweisen. Der Gegenvorschlag ist hingegen auf 30 Jahre beschränkt, danach kann das Vermögen aufgebraucht werden. Beerli: Nur wenn die nächste Generation diese Verteilung abändern will, weil sie andere Prioritäten setzt. Es gibt aber noch einen andern Unterschied: Bei unserer Drittelslösung wird das Vermögen klar auf 1300 Tonnen Gold begrenzt. Bei Ihrer Initiative nicht. Der Initiativtext spricht von sämtlichen nicht mehr benötigten Währungsreserven. Das scheint mir ausserordentlich problematisch: Wenn die Währungsreserven mit der Altersvorsorge in Verbindung gebracht werden, kommt die Nationalbank dauernd unter Druck, neue Reserven freizugeben und der AHV zuzuführen. Ohne klare Abgrenzung der Summe wird die Nationalbank erpressbar. Blocher: Aber nur wenn man ganz schwache «Joggel» in der Nationalbank hätte! Die Nationalbank entscheidet auch bei unserer Initiative weiterhin, wie viele Währungsreserven sie braucht. Aber wenn sie überschüssige Reserven hat, dann sollen die Erträge davon in die Not leidende AHV fliessen. Die AHV ist das grösste Solidaritätswerk und kommt allen zugute. Der Gegenvorschlag will einen wesentlichen Teil in eine - übrigens erpresste - Stiftung legen und verteilen, ohne dass wir recht wissen, wofür. Gerade in der heutigen Zeit steckt die 1. Säule, die AHV, in grossen Schwierigkeiten; die 2. Säule ebenfalls. Deshalb sollten wir dieses Volksvermögen für unser grösstes Sozialwerk nutzen. Eine «erpresste» Stiftung, Frau Beerli? Beerli: Es stimmt, Alt- Bundesrat Arnold Koller hat die Stiftungsidee damals im Kontext der Holocaust-Debatte präsentiert. Das ist nicht wegzudiskutieren. Seither hat die Stiftung einen weiten Weg hinter sich. Was jetzt vorliegt, ist ein absolut zukunftsgerichtetes Werk, von dem vor allem die junge Generation profitieren soll. Deshalb wird auch mehr als die Hälfte der Stiftungsmitglieder unter 40 Jahre alt sein. Die Stiftung bewirkt eine Fortsetzung unserer humanitären Tradition und wird eine ähnliche Strahlungskraft haben wie das Rote Kreuz, auf das wir alle stolz sind. Und zwar gegen aussen wie gegen innen, denn die Hälfte der Gelder wird im Ausland eingesetzt, die andere Hälfte im Inland. Für Laien ist nach wie vor nebulös, wofür die Stiftung ihre Gelder verwenden soll. Was werden für Projekte unterstützt? Beerli: Das ist in der Tat noch nicht sehr konkret, was aber gar nicht schlecht ist. Laut Stiftungszweck unterstützt sie solidarisches Handeln im In- und Ausland und befähigt die junge Generation, verantwortungsbewusst die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Konkrete Leitlinien wird dann der Stiftungsrat definieren. Fest steht aber - und das ist ganz wichtig -, dass die Stiftung keine Hilfe an Einzelpersonen oder Gruppen finanziert, sondern in Projekte investiert. Und dass sie nicht Entschädigungen für Versäumnisse der Vergangenheit entrichtet. Also keine Zahlungen beispielsweise an Holocaust-Opfer leistet. Herr Blocher, Sie schütteln den Kopf. Blocher: Alt-Bundesrat Koller hat damals vor der Bundesversammlung versprochen, man errichte eine Solidaritätsstiftung «selbstredend auch für die Holocaust- und Shoa-Opfer». Das wurde in Amerika sehr wohl gehört, Ich brauche nicht Prophet zu sein, um sagen zu können: Machen wir die Stiftung, werden wir von diesen Kreisen jedes Jahr unter Druck gesetzt. Denn sie wollen etwas aus diesen Erträgen sehen. Unter dem Titel «Stiftung» ist ja auch alles möglich. Die Linderung von Krankheiten, von Ausgrenzung, von Gewalt, von Menschenrechtsverletzungen. Man will Strukturen für funktionsfähige Demokratien aufbauen, Bildung unterstützen. Da hat alles drin Platz. Beerli: Das ist nicht wahr. Es besteht kein Rechtsanspruch auf irgendwelche Stiftungsleistungen. Ein konkretes Beispiel, Frau Beerli: Ostdeutschland und Tschechien leiden unter den schweren Überschwemmungen der letzten Tage. Könnte da die Stiftung helfen? Beerli: Wenn ein Projekt besteht und der Stiftungsrat das Projekt für gut befindet, dann kann er durchaus unbürokratische Hilfe in Notsituationen leisten. Blocher: Da helfen die Schweizer auch ohne Stiftung. Sie spenden unverzüglich der Glückskette. Das ist echte Solidarität. Beerli: Ich will noch ein Beispiel aus dem Inland anfügen: Es gibt heute viele Familien, deren Eltern mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind. Das kann schreckliche Folgen haben, denken Sie an Eltern, die ihre Babys aus Überforderung schütteln. Da könnte man analog zum Nottelefon für Kinder auch eines für Eltern einrichten. Das sind ausserordentlich wichtige Dinge, für die wir aber keine Bundesgelder einsetzen können. Warum nicht? Beerli: Weil das keine Staatsaufgabe ist, auch das Nottelefon für Kinder kriegt keine Gelder vom Bund. Der Vorteil der Stiftung liegt übrigens auch darin, dass sie nicht selbst teure Strukturen aufbauen, sondern mit bestehenden Organisationen zusammenarbeiten würde. Beispielsweise mit der Pro Juventute oder andern Hilfswerken. Blocher: Ich zweifle nicht daran, dass es Tausende von Organisationen gibt, die das Geld abholen werden. Nur: Dieses Geld geht den Schweizerinnen und Schweizern ab. Denn die Millionen, die Sie für die Stiftung einsetzen wollen, fehlen bei der AHV. Dann bleibt nur noch, entweder die Rente zu kürzen oder die Lohnabzüge oder die Mehrwertsteuern zu erhöhen. Ist das sozial? Beerli: Herr Blocher, auch mit Ihrer Initiative müssen wir die Mehrwertsteuer erhöhen, das wissen Sie ganz genau. Die höchstens 750 Millionen Zinserträge pro Jahr lösen die Finanzprobleme der AHV nicht. Die AHV braucht weitergehende Sanierungs-Massnahmen, und daran arbeiten wir im Moment im Rahmen der 11. AHV-Revision. Wir versuchen, die Strukturen so zu bereinigen, dass sich die AHV langfristig selbst finanziert. Blocher: Die Rentenanstalt gibt jetzt bekannt, dass die Rendite von 1985 bis 2002 im Kollektivgeschäft sechs Prozent betrug. Unsere firmeneigene Pensionskasse erwirtschaftete seit ihrer Gründung in den 50er-Jahren über fünf Prozent pro Jahr. Die Erträge werden also mehr als eine Milliarde sein. Das ist ein Drittel bis ein halbes Mehrwertsteuerprozent, das man auf alle Zeiten nicht erheben müsste. Beerli: Sie sprechen immer von der Erhöhung der Mehrwertsteuer. Bei Ihrer Lösung gehen aber die Kantone leer aus. Wir hingegen berücksichtigen die Kantone mit einem Drittel. Damit können diese zum Teil auch Steuersenkungen vorsehen oder wenigstens neue Steuern vermeiden. Deshalb hat sich die Konferenz der Kantonsregierungen auch hinter unseren Vorschlag gestellt. Blocher: Ich verstehe, dass die Kantone sich gerne auch ein Stück dieses Kuchens abschneiden würden. Aber ich bin überzeugt, dass sie das Geld nicht für den Schuldenabbau verwenden würden. Damit stiegen nur die Ausgaben. Frau Beerli, in dieser Abstimmung gibt es drei mögliche Resultate. Was wäre für Sie das schlimmste Resultat? Beerli: Die Gold-Initiative, denn sie lässt offen, ob das Vermögen aufgebraucht wird, und bringt wenig, weil man die Mehrwertsteuer trotzdem erhöhen muss. Deshalb ist sie für mich ganz klar die schlechteste Lösung. Herr Blocher? Blocher: Die Annahme des Gegenvorschlags wäre das Schlimmste: Die Stiftung wird zur dauernden Erpressung aus dem Ausland führen, und der AHV fehlen dann diese Beträge. Dies ausgerechnet in der heutigen schlechten Wirtschafts- und Finanzlage mit riesigen Schuldenbergen! Heisst das, dass Sie beide mit einem doppelten Nein leben könnten? Beerli: Werden die Initiative und der Gegenvorschlag dazu abgelehnt, so beginnt das ganze Gerangel über das Goldvermögen von vorne. Und es besteht erneut die Gefahr, dass das Familiensilber verscherbelt wird. Blocher: Bei einem doppelten Nein wäre wohl die Stiftung vom Tisch. Aber auch der volle Einsatz für die AHV wäre nicht mehr möglich. Frau Beerli hat Recht, der Tanz würde von neuem beginnen.

20.08.2002

Schloss Rhäzüns bleibt geschlossen

Interview mit dem "Rhiiblatt" vom 20. August 2002 Anlässlich eines SVP-Anlasses ist Christoph Blocher, Nationalrat ZH, am Dienstag, 20. August, im Gemeindezentrum Tamins anwesend gewesen. Das "Rhiiblatt" befragte Blocher exklusiv. Der erste Teil des Interviews besteht aus Fragen über die AHV-Goldinitiative, und im zweiten Teil beantwortete Blocher regionale Fragen, wie die über mögliche Führungen im Schloss Rhäzüns. Mit Christoph Blocher sprach Linus Fetz Gold im Wert von 20 Milliarden Franken lagert unter dem Bundeshaus. Die AHV-Goldinitiative die Blocher unterstützt, beabsichtigt, das Gold für die Sicherung der AHV einzusetzen. Dadurch sollen gemäss Initiativkomitee die Renten bis mindestens im Jahr 2012 ohne zusätzliche Lohn- und Mehrwertsteuerprozente gesichert werden. Wäre es nicht sinnvoller, dieses Geld langfristiger anzulegen, wie beispielsweise in den Nachkriegsjahren für die Wasserkraftwerke? Christoph Blocher: Nein, es wäre unsinnig, das Geld den privaten Wasserkraft-Betreibern nachzuschiessen. Die erste Säule, die AHV, ist jetzt Not leidend. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns in einer schlechten Wirtschaftslage befinden. Sie sagen, das Geld sei Volksvermögen und gehöre dem Schweizervolk. Abgesehen von ein paar wenigen Lohnprozenten profitieren davon jedoch vor allem die Menschen in unserem Land, die über 55 Jahre alt sind. Gehören die jüngeren Generationen, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, nicht zum Schweizervolk? Blocher: Mit der Auflösung des Goldes für die AHV würden nicht nur die Senioren profitieren, sondern auch die Jungen. Sie müssten weniger Mehrwertsteuern bezahlen und könnten morgen die Rente geniessen. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe, am 22. September ein Ja für die AHV-Goldinitiative in die Urne zu legen? Blocher: Das Volk würde so sein Eigentum zurückerhalten. Alle Familien, Männer und Frauen profitieren. Wir müssten mindestens 20 Milliarden Franken weniger Mehrwertsteuern zahlen. So bleiben jedem Bürger 3000 bis 3500 Franken mehr zum Leben. Unser Land bleibt so auch unabhängig, und das Volksvermögen wird nicht für eine erpresste Stiftung verschleudert. "Wir mischen uns nicht in die Angelegenheiten der Gemeinden ein." Welche Stellung nimmt die EMS zu der Standortgemeinde Domat/ Ems, zu Tamins, Bonaduz, Rhäzüns und Felsberg ein? Blocher: Dadurch, dass die Arbeitnehmer in den umliegenden Gemeinden wohnen, halten wir einen guten Kontakt. Wir mischen uns jedoch nicht in die Angelegenheiten der Gemeinden ein. Eine Ausnahme war die Ortsplanung in Domat/Ems, wo wir uns für eine mögliche Erweiterung des Unternehmens eingeengt fühlten. Waren Sie auch schon Golfspielen in Domat/Ems? Blocher: Nein, bisher noch nie. Im Moment kann ich mir diesen Sport nicht leisten ... "Ich war schon auf allen Emser Hügeln." Waren Sie bereits auf einem der Domat/Emser Hügel? Blocher: Ja, ich war schon auf allen Emser Hügeln. Nicht nur auf den Hügeln im Feld, sondern auch auf denen mit den Kirchen - sogar schon mitten in der Nacht! In wieweit interessieren Sie sich für die lokalen Ereignisse hier? Blocher: Ich informiere mich vor allem über die lokalen Ereignisse in der Region, indem ich das "Bündner Tagblatt" lese. "Ich halte nicht viel von Logos." Die Gemeinde Domat/Ems hat ein neues Logo kreiert. Kennen Sie es, und was halten Sie davon? Blocher: Von meinem Mitarbeiter habe ich es mir geben lassen. Ich halte nicht viel von Logos. Mir gefallen die alten Wappen besser. Das Schloss Rhäzüns hat eine wichtige geschichtliche Rolle für die Region und den Kanton Graubünden gespielt. Wann findet die erste öffentliche Führung durch das Schloss statt? Blocher: So lange das Schloss Rhäzüns der EMS gehört, gibt es keine öffentlichen Führungen. Der Grund dafür ist, dass das Schloss aus Wohn- , Schlafräumen und Esssälen besteht. Eine Ausnahme mache ich mit den Viertklässlern von Rhäzüns, die ich jedes Jahr ins Schloss einlade, sodass innerhalb von 30 Jahren eine ganz Generation Rhäzünser das Schloss besichtigen kann.

18.08.2002

«Wenn die SVP so bestimmt, dann muss ich es tun»

Für Christoph Blocher ist klar, dass seine Partei beim Rücktritt von Bundesrätin Dreifuss antreten wird. Interview mit NZZ am Sonntag vom 18. August 2002 Interview: René Zeller Bundesrätin Dreifuss denkt laut über ihren Rücktritt nach. Was heisst das für die SVP? Christoph Blocher: Wenn Frau Dreifuss zurücktritt, wird die SVP selbstverständlich antreten müssen. Die SVP ist heute die wählerstärkste Partei. Sie erhebt daher Anspruch auf zwei Sitze im Bundesrat, schon allein auf Grund ihrer Stärke. Wenn man die Konkordanz als Massstab nimmt und den drei grossen Parteien unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung eine Doppelvertretung zumisst, dann müsste die CVP einen Sitz abgeben. Das steht aber nicht zur Debatte. Blocher: Nein. Die Konkordanz wird aber schon seit 1999 nicht mehr eingehalten. Also zählt die politische Ausrichtung. Wenn die Konkordanz gemäss Wählerstärke nicht ausschlaggebend ist, müssen sich FDP und CVP entscheiden, ob sie mit der SP eine Mitte-Links-Regierung wollen oder mit der SVP eine Mitte-Rechts-Regierung. Dazu muss die SVP bei den Bundesratswahlen antreten, sonst können sich FDP und CVP ja nicht entscheiden. Sie müssen uns wissen lassen, ob sie uns verstärkt in der Regierungsverantwortung oder weiterhin teilweise in der Opposition haben wollen. Wie wollen Sie FDP und CVP überzeugen, dass Korrekturbedarf besteht? Blocher: Die Bilanz der selbst ernannten Koalition der Vernunft aus SP, FDP und CVP ist kläglich. Schauen Sie die Krankenkassenprämien, die Steuererhöhungen, den Schuldenberg, die Asylpolitik, die Swiss-Milliarden, den Expo-Kredit und die Europapolitik an. Dies kam immer gegen den Widerstand der SVP zustande. Soll denn die wählerstärkste Partei, die in wichtigen Fragen wie Uno-Beitritt und Armee-Auslandeinsätzen fast die Hälfte der Stimmberechtigten hinter sich hat, nicht zwei Sitze im Bundesrat haben? Ist eine Kampfkandidatur der SVP gegen die SP bereits beschlossene Sache? Blocher: Beschlossen nicht, aber ich brauche nicht Prophet zu sein, um zu sehen, dass die SVP so beschliessen wird. Ich gehe davon aus, dass sowohl die leitenden Parteigremien als auch unsere Fraktion in diesem Sinne entscheiden werden. Wir können nicht die grösste Partei sein und uns mit einem Bundesratssitz begnügen. Sonst würden wir uns um die Verantwortung drücken. Sie traten 1999 als Kampfkandidat gegen Ruth Dreifuss an und reüssierten nicht. Treten Sie nochmals selber an? Blocher: Wir haben viele fähige Kandidaten. Wenn es aber notwendig ist und die Partei so bestimmt, dann muss ich es selbstverständlich tun, wenn auch ungern. Ich fühle mich hierzu verpflichtet. Ich bin das letzte Mal sowohl gegen Ruth Dreifuss als auch gegen Moritz Leuenberger angetreten. Aber FDP und CVP haben sich damals für eine Linksregierung entschieden. Eine Kandidatur Blocher: Ist das Ihr voller Ernst? Blocher: Wenn das die einzige Lösung ist, selbstverständlich. Bundesratswahlen sind für mich keine Karrierespielchen, zu dem sie leider weitgehend verkommen sind. Für mich wäre eine Wahl unangenehm und belastend, aber ich müsste es auf mich nehmen. Behält die SVP nur einen Sitz, muss sie an anderer Stelle für eine freie, sichere und wohlhabende Schweiz kämpfen. Wenn Bundesrat Villiger vorher zurücktreten sollte: Wird die SVP auch der FDP einen Sitz streitig machen? Blocher: Dieser Fall ist für die SVP weniger klar. Mindestens im freisinnigen Programm sind viele Punkte positiver als bei der SP, aber die FDP hat nicht mehr die Kraft, danach zu leben. Meines Erachtens könnten wir beim Rücktritt Kaspar Villigers nur darauf verzichten, der FDP einen Sitz streitig zu machen, wenn uns diese Partei zusichert, dass der SVP bei der nächsten Vakanz zulasten von SP oder CVP ein zweiter Sitz zusteht. Versprechen der Parteien sind allerdings erfahrungsgemäss genau unter die Lupe zu nehmen. SVP-Präsident Ueli Maurer hat in der Presse erklärt, die SVP sollte niemanden verheizen und sich in Sachen Bundesrat eher auf die Gesamterneuerungswahlen im Dezember 2003 konzentrieren. Blocher: Ueli Maurer hat mir gesagt, er habe lediglich zum Ausdruck gebracht, dass noch nichts beschlossen und für die Kandidaten die Gefahr gross sei, nicht gewählt zu werden. Zwar gibt es auch bei uns Leute, die nicht antreten können, weil sie glauben, im Falle einer Niederlage politisch erledigt zu sein. Aber wissen Sie: Eine markante Persönlichkeit, die aus politischer Überzeugung antritt, weil sie im Interesse der Sache antreten muss und nicht nur aus Karrieregründen, kann auch eine Wahlniederlage gut ertragen. Das Parlament hat Ihnen 1999 die kalte Schulter gezeigt. Warum sollte das gleiche Parlament nun anders entscheiden? Blocher: Ich bin überzeugt, dass in bürgerlichen Kreisen die Einsicht um sich greift, so könne es nicht weitergehen. Die Bilanz der sogenannten Koalition der Vernunft gegen die SVP ist sichtbar zu negativ. Vor drei Jahren wurde zudem geltend gemacht, es stehe dem Parlament nicht an, ein amtierendes Bundesratsmitglied abzuwählen. Es müsse schon eine Vakanz eintreten. Dann wäre sie ja da. Die SVP muss ihre klare Bereitschaft mit einer fähigen Kandidatur belegen. Wir wollen nicht die Oppositions-Rolle einnehmen und sagen, was getan werden müsste, ohne auch bereit zu sein, unsere Positionen in der Regierung zu vertreten. Warum stellen Sie sich nochmals zur Verfügung? Weil Sie wissen, dass das Parlament Blocher sowieso niemals wählen wird? Blocher: Ich tue es nur, wenn kein anderer fähiger Kandidat bereit ist, diesen Kampf an vorderster Front zu führen, und sofern die Fraktion es beschliesst. Natürlich ist es wahrscheinlich, dass ich nicht gewählt würde. Aber wenn die SVP zum Schluss kommt, es müsse nochmals Blocher sein, dann werde ich es tun.

14.08.2002

«Was ist so dumm daran, solidarisch zu sein, Christoph Blocher?»

Interview mit der Thurgauer Zeitung vom Mittwoch, 14. August 2002 Im September entscheidet der Souverän, was mit den überschüssigen Gold-Reserven geschehen soll. Zur Auswahl stehen die Gold-Initiative und deren Gegenvorschlag. SVP-Nationalrat Christoph Blocher sieht in der Gold-Initiative "die gerechteste Lösung". Mit Christoph Blocher sprach Thomas Münzel Wenn die überschüssigen Goldreserven im Wert von zirka 20 Milliarden Franken Volksvermögen darstellen, dann wäre doch die gerechteste Lösung diejenige, dass man jeder Schweizerin und jedem Schweizer gut 3500 Franken bar auf die Hand auszahlen würde. Was halten Sie von diesem Vorschlag, Christoph Blocher? Christoph Blocher: Wir haben diesen Vorschlag auch geprüft. Es ist keine abwegige Lösung. Auf jeden Fall ist sie besser als der Gegenvorschlag des Bundesrates. Es hat sich aber gezeigt, dass dieser Vorschlag zwei Schwierigkeiten in sich birgt. Zum einen stellt sich die Frage, ob es richtig ist, dass jede Person gleich viel Geld bekommt - also der eintägige Säugling genau so viel, wie die 80-jährige Frau oder der 80-jährige Mann, welche natürlich an diese Goldreserven mehr beigetragen haben als der Säugling. Und wie sieht es aus in Bezug auf die Ausländer, welche ja auch werktätig waren? Zusammengefasst gesagt geht es hier also um das Verteilproblem. Abgesehen davon haben wir aber auch noch andere Gründe: Was passiert, wenn man plötzlich 20 Milliarden Franken in den Geldkreislauf bringt, wenn während eines Jahres plötzlich für 20 Milliarden mehr konsumiert wird? Ist eine Inflation, eine Überhitzung zu erwarten? Es ist schwierig abzusehen, was passieren könnte. Deshalb besteht unsere Lösung darin, das Geld auf einem anderem Weg allen zu- gute kommen zu lassen. Denn von der AHV profitieren alle und die Mehrwertsteuer - die man nicht erhöhen muss - begünstigt auch alle. Darum ist die Gold-Initiative die gerechteste Lösung. Man könnte Ihnen vorwerfen, dass Sie eine etwas verengte Optik haben, da es ja noch andere Problemfelder im Bundeshaushalt gibt. Beispielsweise die Invalidenrente oder die enorme Staatsverschuldung von über 110 Milliarden Franken. Blocher: Natürlich gibt es 1000 Möglichkeiten das Geld zu verteilen. Die Ausgangs-Frage bleibt aber bestehen: Wem gehört denn das Geld? Wenn man das Geld der Invalidenversicherung geben würde, so würden - im Gegensatz zur AHV - nicht alle gleich davon profitieren. Natürlich könnte man mit dem Gold auch die Staatsschulden abbauen. Profitiert von diesem Schuldenabbau hätte der Steuerzahler. Auf Grund der Goldreserven, die die Nationalbank unter anderem dank des Goldmonopols hat, ist aber der Steuerzahler und derjenige, der diesen Betrag erbracht hat, nicht der gleiche. Ich will aber nicht päpstlicher sein als der Papst: Wenn man beschlossen hätte, das Gold dem Bund und den Kantonen zu geben, um die Schulden zu reduzieren, dann hätte man aber gleichzeitig auch die Verpflichtung eingehen müssen, dass die abgebauten Schulden nicht sofort wieder aufgebaut werden. Aber das wollte man nicht garantieren. Man wollte dem Staat die Freiheit geben, wieder neue Schulden zu machen. Das hiesse aber nichts anderes als eine höhere Staatsquote und erst noch Steuererhöhungen für die AHV. Und das ist wirtschaftlich schädlich und trifft wieder das ganze Volk negativ. "Die Gold-Initiative lenkt von der nötigen Hauptdiskussion ab, wie die AHV echt und langfristig zu konsolidieren sei", meint Bundespräsident Kaspar Villiger. Betreiben Sie eine Pflästerlipolitik? Blocher: Bis jetzt hat man für die AHV nichts anderes gemacht, als dauernd die Lohnabzüge und die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Und eine neue Mehrwertsteuer-Erhöhung für die AHV ist bereits geplant. Natürlich löst die Gold-Initiative nicht alle Probleme der AHV. Das wäre Sand in die Augen gestreut. Doch die Initiative führt dazu, dass die Renten sicherer sind - ohne Mehrwertsteuererhöhung. Das heisst, dass wir mindestens für die nächsten 10 Jahre - und wenn die Wirtschaft funktioniert auch noch länger - keine zusätzlichen Steuern, Lohnabzüge oder Rentenkürzungen für die AHV machen müssen. Das ist nicht nichts. Inwieweit stimmt der Vorwurf, der SVP gehe es weniger um die AHV, als viel mehr um die Verhinderung der Solidaritätsstiftung? Blocher: Wir haben zwar diesen Vorschlag unabhängig von der Solidaritätsstiftung gemacht. Aber es ist schon wahr, dass das Dümmste des Gegenvorschlages die Solidaritätsstiftung ist. Diese ist nach einer Hauruckübung des Bundesrates im März 1997 bekannt gegeben worden und zwar unter heftigem, erpresserischem Druck aus Amerika, dem der Bundesrat psychisch nicht mehr gewachsen war. Der Bundesrat wollte einen Befreiungsschlag führen und hat dann über den Kanal nach Amerika versprochen, dass die Schweiz einen Drittel der überschüssigen Goldreserven in diese Solidaritätsstiftung geben werde. Welche dann "selbstredend auch für Holocaust-Opfer" verwendet werden könnte... ... Die Stiftung sieht aber keine Gelder zur Abgeltung von Ansprüchen von Holocaustopfern vor... Blocher: ... Doch, doch. Die Formulierung des Stiftungsgesetzes ist so gedacht, dass dies möglich ist. Und die entsprechenden Kreise werden jedes Jahr die Stiftung erpressen. Die Stiftung ist zudem ein Selbstbedienungsladen par excellence. Was ist denn so dumm daran, solidarisch zu sein? Blocher: Das ist nicht dumm. Doch was heisst eigentlich das - leider sehr abgedroschene - Wort "solidarisch"? Solidarisch sein heisst, dass ich persönlich mit meinem Vermögen, mit meinem Einsatz für andere hinstehe. Und solidarisch heisst nicht, dass ein paar Stiftungsräte oder Politiker Geld verteilen, das anderen gehört. Geld, dass dann in irgendwelchen Kanälen verschwindet. Die Kantone haben einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf die Nationalbank-Gewinne. Weshalb wollen Sie den Kantonen Geld vorenthalten, das ihnen zusteht? Blocher: Die Kantone verlieren mit der Gold-Initiative keinen Rappen. Gemäss Bundesverfassung teilen sich Bund und Kantone die Gewinnausschüttungen für Währungsreserven, die für Währungszwecke gebraucht werden. Zwei Drittel erhalten die Kantone, ein Drittel der Bund. Für Währungen, welche nicht für Währungszwecke benötigt werden, braucht es eine eigene verfassungsrechtliche Lösung, weil kein Anspruch der Kantone und des Bundes besteht. Deshalb musste man ja auch eine eigene Verfassungsbestimmung machen. Die Kantone ihrerseits haben ja sehr frühzeitig gesagt, dass sie mit der Drittelslösung, welche der Gegenvorschlag des Bundesrates vorsieht, einverstanden seien. Wenn es so wäre, dass sie Rechts-Anspruch hätten auf zwei Drittel dieser Reserven, dann hätten die Regierungsvertreter das gar nicht über Nacht versprechen dürfen. Denkbar ist, dass der Souverän sowohl die Gold-Initiative wie auch den Gegenvorschlag bachab schickt. Was dann? Blocher: Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine ist die, dass man die Goldreserven einfach in der Nationalbank belässt, ohne zu wissen, was damit zu tun ist. Und die andere ist die, dass der Zank ums Gold wieder von vorne beginnt. Sicher ist aber, dass dann dieser eine Drittel der Goldreserven nicht für die Solidaritätsstiftung verwendet werden darf. Ich halte es aber nicht für ausgeschlossen, dass dann plötzlich gewisse Kreise verlangen, dass alles Geld für die Solidaritätsstiftung verwendet werden soll.