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Federal Councillorship

19.06.2006

Wie viel Unternehmertum erträgt die Politik?

Referat von Bundesrat Christoph Blocher an der Generalversammlung des Verbandes der Schweizerischen Cementindustrie cemsuisse, 19. Juni 2006 in Bern 19.06.2006, Bern Bern. Bundesrat Christoph Blocher sprach sich an der Generalversammlung des Verbandes der Schweizerischen Cementindustrie cemsuisse für vermehrtes unternehmerisches Handeln in der Politik aus. Er zog Parallelen zwischen privaten Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung und zeigte auf, dass an beiden Orten nur mit einer deutlichen Führungsstruktur, Effizienz, sowie ausgeprägtem Kostenbewusstsein die Ziele erreicht werden können. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. 1. Wie viel Unternehmertum erträgt die Politik? Wie viel Unternehmertum erträgt die Politik? lautet die Frage meines Referats. Ich könnte jetzt sagen: Die Politik erträgt ziemlich wenig Unternehmertum und damit meine Ausführungen beenden. Aber wir wollen ja nicht die Bereitschaft der Politiker unternehmerisch zu denken als Massstab heranziehen. In meiner jetzt zweieinhalbjährigen Tätigkeit im Bundesrat habe ich feststellen können: Es ist mehr Unternehmertum möglich in der Verwaltung, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Dazu braucht es aber 1. eine entsprechende Führung. 2. eine klare Zuteilung der Verantwortungsbereiche. 3. ebenso klar definierte Ziele, die es zu erreichen gilt. Bevor ich auf einzelne Beispiele zu sprechen komme, möchte ich zuerst einmal das Grundsätzliche geklärt wissen. Ich habe festgestellt, dass heutzutage viele Begriffe und ihre eigentliche Bedeutung verschüttet sind. Wir müssen also zunächst einmal festhalten: Was ist ein Unternehmer und worin besteht das unternehmerische Handeln? 2. Was ist ein Unternehmer? Ein klassischer Unternehmer ist ein Mensch, dem eine Firma gehört und der diese auch selbst führt. Er ist Manager und Eigentümer in einem. Sein Dasein – man könnte etwas pathetisch auch von Schicksal reden – ist eng mit der Firma verbunden, weil sein Kapital in der Firma steckt. Das unterscheidet ihn vom Manager, der als Angestellter die Firma führt. Aufgrund der Erfahrungen der letzten 200 Jahre ist es wohl unbestritten, dass privatwirtschaftliche, florierende Unternehmen die besten Arbeitsplätze bereit stellen, hohen Verdienst, breiten Wohlstand, Reichtum, Steuersubstrat ermöglichen und damit die Voraussetzungen für einen sozialen Staat schaffen. Als Unternehmer sagte ich mir stets: „Meine sozialste Aufgabe ist, das Unternehmen erfolgreich zu führen“, denn erfolgreiche Unternehmen schaffen Beschäftigung und sind die Quelle für allgemeine Wohlfahrt. Als Bundesrat sage ich mir, es ist die sozialste Aufgabe, dafür zu sorgen, dass im Land möglichst viele Unternehmer ihr Unternehmen erfolgreich führen können. 3. Unternehmerisch handeln Der Erfolg eines Unternehmens ist abhängig von der Führung. Entscheidend ist die Führungspersönlichkeit oder das Management an der Spitze: „Es gibt keine schlechten Mitarbeiter, sondern nur schlechte Chefs!“ Das gilt überall: In den Unternehmen, in Organisationen, Verbänden und Parteien. Das gilt auch in den Schulen und Universitäten und – wenn Sie mir diese kollegiale Bemerkung erlauben – das gilt auch für den Bundesrat. Darum ist es die Hauptaufgabe des Unternehmers, ein gutes Management bereit zu stellen. Das heisst aber auch: Ein Versager an der Spitze des Unternehmens ist unverzüglich abzusetzen, denn die Spitze des Unternehmens sorgt für das Resultat – für das gute oder das schlechte. Wer Verantwortung übernimmt, muss also auch unangenehme Entscheidungen auf sich nehmen und bereit sein, diese Unannehmlichkeiten zu tragen. Wie aber kommt man zu Entscheidungen? Im Unternehmen läuft die Entscheidungsfindung zweistufig ab. Wir haben uns immer zwei Fragen zu stellen. Erstens: Wie ist es? (Wo stehen wir?) Und zweitens: Wie sollte es sein? (Wohin sollen wir kommen?). Wie es sein sollte, ist einfach und schnell gesagt. Besonders Politiker lassen sich gerne und sehr ausführlich darüber aus, wie es sein sollte. Weit anspruchsvoller ist es aber, den Ist-Zustand zu erkennen. In der Politik kommt dazu, dass die Benennung des Ist-Zustands oft mit Tabus belegt ist. Ich erinnere nur an das Beispiel des IV-Missbrauchs oder den Missstand im Asylwesen. Wenn erst einmal der Ist-Zustand erkannt und der Soll-Zustand benannt ist, gilt es die Differenzen zu beseitigen. Ist also entschieden, muss der Entscheid durchgesetzt werden. Sie mögen einwenden, dass es sich hierbei um Binsenwahrheiten handelt. Aber Hand aufs Herz: Diese Binsenwahrheiten sind weder in Unternehmen und schon gar nicht in der Verwaltung eine Selbstverständlichkeit. 4. Kostenbewusstsein stärken Warum ist es so schwierig in der Bundesverwaltung die Kosten zu senken? Bei dieser Frage sind wir wieder beim Zentralen jeder Entscheidungsfindung angelangt: Bevor ich einen Zustand ändere, muss ich den Ist-Zustand kennen. Das ist beim Bund gar nicht so einfach, besonders dann nicht, wenn es sich um die Kosten handelt, denn das Kostenbewusstsein ist erschreckend mangelhaft ausgeprägt. Weder besteht eine brauchbare Kostenrechnung, noch weiss man, welche Leistung im Staat wie viel kostet. Was für einen Privatunternehmer alles Selbstverständlichkeiten wären. Der Bundesrat will nun aber klarere Kostenrechnungen einführen. Ich hoffe, es gelingt. Als Unternehmer wusste ich: Kosten und Nutzen sind die wichtigen Entscheidungsfaktoren. Nicht so im Bund. Standardantworten – auf bisher kaum gestellte Fragen – finden Sie bis in die obersten Etagen hinauf, die zum Beispiel so lauten: „Im Bund muss man weder mit Abschreibungen noch Zinsen rechnen. Und auch die Personalkosten muss man nicht rechnen, denn die Leute sind ja sowieso da!“ Gezielte Kostensenkungen können auf dieser Basis gar nicht durchgeführt werden. Ich spreche von Kostensenkungen, die keinen Leistungsabbau bringen. Für jeden Handwerker ist es eine Selbstverständlichkeit, dass er in seinem Betrieb Leistung und Effizienz steigert, die Qualität erhöht und gleichzeitig die Kosten tief hält. Sollen nur beim Staat andere Regeln gelten? Warum soll ein Staat denn nicht fähig sein, effizienter zu arbeiten? Warum soll ein Bundesbetrieb sein Angebot nicht verbessern können, ohne gleich an der Preisschraube drehen zu müssen? Ich war von Anfang an überzeugt: Kostensenkungen wären möglich. Aber der Wille fehlt! Vor allem auch deshalb, weil der Druck, der auf dem Unternehmer lastet, beim Politiker fehlt. Der Politiker verlegt sich einfach auf höhere Steuern, Abgaben und Gebühren, um seine höheren Ausgaben zu finanzieren. Der Unternehmer versucht jedoch primär, mit den bestehenden Mitteln und Möglichkeiten bessere Ergebnisse zu erzielen. Dazu muss er auch bereit sein, Unannehmlichkeiten auf sich zu nehmen. Denn die Alternative heisst: Bankrott, Niedergang, Konkurs des Unternehmens. 5. Was uns Erfolg bringt Das schweizerische Erfolgsmodell basiert auf einem massvollen Staat mit freier, prosperierender Wirtschaft. Es gibt keinen vernünftigen Grund, davon abzuweichen! Wir sind uns bloss in den letzten 20 Jahren untreu geworden. Wir sollten uns wieder auf unser liberales Erbe besinnen: Auf Fleiss und Eigenverantwortung, Wettbewerb und offene Märkte, freie Preisbildung und stabile Geldpolitik, auf Privateigentum statt Umverteilung und mehr Freiheit und weniger Staat! Ich sagte Ihnen dies früher als Unternehmer und als Parlamentarier. Diese Überzeugung hat sich bei mir noch verstärkt, seit ich im Bundesrat bin. Im Unterschied zu vielen anderen Politikern sehe ich eine Verwaltung gar nicht als Gegensatz zu einem Unternehmen. Es braucht an beiden Orten eine deutliche Führungsstruktur, die klare Ziele erreicht durch Effizienz und ausgeprägtes Kostenbewusstsein. In diesem Sinn müssen wir uns nicht zaghaft fragen: Wie viel Unternehmertum erträgt die Politik. Sondern: Wir haben die Politik unternehmerisch zu gestalten. Punkt. Denn nur so schaffen wir eine prosperierende Wirtschaft, allgemeine Wohlfahrt und damit die Grundlage für einen Staat, der die ihm zustehenden Aufgaben bewältigen kann.

06.06.2006

Der Föderalismus – Garant für die Vielfalt Graubündens

Referat von Bundesrat Christoph Blocher anlässlich der Einweihung des SRG-Studios "Chasa RTR" am 6. Juni 2006 in Chur 06.06.2006, Chur Chur. Anlässlich der Einweihung des SRG-Studios "Chasa RTR" referierte Bundesrat Christoph Blocher über den Kanton Graubünden, der mit seiner Vielfalt als Miniatur der Schweiz erscheine. Die regionalen Studios zeigten, dass auch die SRG der schweizerischen Vielfalt Rechnung trage. Bundesrat Christoph Blocher ermahnte die Medienschaffenden, die Vielfalt abzubilden und mit ihrer Arbeit dazu beizutragen, dass sie erhalten bleibe. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. Wahl- und Schicksalsheimat Graubünden Mein Weg nach Graubünden führte über die Ems Chemie. Aber es blieb nie bei einem rein beruflichen Verhältnis. Dieser Kanton ist zu einer Art Wahl- und Schicksalsheimat für mich geworden. Ich komme um dieses Graubünden nicht herum. Die Landschaft, die Menschen, ihre Knorrigkeit, ihre Dankbarkeit, ihre Unarten sind mir ans Herz gewachsen. Die Haupttätigkeit des Unternehmens befand sich nun mal – wie der Name sagt – in Graubünden. Ich hielt aber auch als späterer Eigentümer immer am Produktionsstandort Graubünden fest. Was mich besonders freute, war zu zeigen, dass man auch in einer Randregion ein Unternehmen erfolgreich führen kann. Ein Unternehmen notabene, dessen Produkte weit über 90 Prozent für den Weltmarkt bestimmt sind. Neben dieser eher etwas schicksalhaften Beziehung ist die Begeisterung für die Schönheit der Bündner Landschaften eine Herzensangelegenheit. Die Berge – und damit meine ich das alpine Gebirge – haben mich immer angezogen, obschon ich in einer eher milden, hügligen Gegend aufgewachsen bin. Die Schweizer Alpen stehen da wie ein unverrückbares Monument, etwas schroff, auch abweisend, aber in sich ruhend und selbstgewiss. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Ursprünge der Eidgenossenschaft aus der Mitte dieser Gebirgstäler heraus stammen. Ich habe mich dieser Welt und dieser Mentalität immer verbunden gefühlt. Darum freut es mich, dass ich das Ehrenbürgerrecht der höchstgelegenen Gemeinde Europas – Lü-Lüsai im Val Müstair – besitze. Neben der Natur und der Freude an der Bergwelt hat mich Graubünden stets auch als politisches Laboratorium interessiert. Dieser Kanton erscheint ja wie eine Verkleinerung der sonst schon kleinen Schweiz. Nicht nur in geographischer Hinsicht eine Miniatur des Landes: Dreisprachig, vielgliedrig, strikt föderativ, teilweise rivalisierend, manchmal auch von höflicher gegenseitiger Nichtbeachtung geprägt; eine unglaubliche Verschiedenartigkeit trotz der geographischen Kleinheit; mit Kulturschätzen, die sich in fast jeder Ortschaft finden lassen; weltoffen, ohne den Eigensinn zu verlieren; touristisch, ländlich, auch mondän, dann wieder selbstgenügsam. Es ist diese Palette der Andersartigkeit, der Vielfalt, die den Reiz Graubündens ausmacht. Graubünden ist ein besonderer Kanton. Darum braucht der Kanton eigene Medien – mehrere und nicht nur eines. Darum habe ich seinerzeit das Bündner Tagblatt gerettet – dies aus Liebe zum Kanton und nicht aus geschäftlichen Gründen. Handlungen aus Liebe statt aus kommerziellen Gründen sind einem Unternehmer eigentlich verboten! Föderalismus: bewährt und erfolgreich Man kann sich diese Vielfalt jedoch nicht ohne den Föderalismus vorstellen. Er bildet gleichsam die politische Voraussetzung – und zwar auf allen Ebenen: Innerhalb der Gemeinden und des Kantons. Damit sich dieser Föderalismus aber ausgestalten kann, muss sich eben auch das ganze Land föderalistisch verwalten. Die Schweiz definiert sich von unten nach oben. Am stärksten kommt diese Konstruktion im Föderalismus und der direkten Demokratie zum Ausdruck. Ich möchte deshalb festhalten, dass ich ein überzeugter Föderalist, ja ein Erzföderalist bin. Dies aus geschichtlichen und politischen Gründen, aber auch aus Gründen der Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Auch die Effizienz führt mich zum Föderalismus. Darum habe ich im Unternehmen stets föderalistische – keine zentralistischen – Strukturen bevorzugt. Das heisst möglichst autonome Unternehmenseinheiten! Der Föderalismus ist deshalb keine abstrakte Theorie, sondern ein vielfach erprobtes Erfolgsrezept. So wie die Schweiz als Ganzes ist auch der Kanton Graubünden ohne Föderalismus undenkbar. Beruflich, politisch, kulturell Ich habe meine beruflichen und politischen Beziehungen zu Graubünden kurz angedeutet. Mindestens so stark hat mich auch die Geschichte angezogen. Für den historisch interessierten Menschen bietet Graubünden eine aufschlussreiche und auch turbulente Vergangenheit. Man kann hier die Besiedlung des Alpenraums nachvollziehen. Wie die Romanen bedrängt wurden und sich trotzdem behauptet haben. Wie die Valser die unwegsamsten Gebirgstäler eroberten. Wie die Reformation den Kanton teilte. Wie der Kanton durch die Ausrichtung einzelner führender Familien nach verschiedenen europäischen Grossreichen zerrissen wurde. Wie die Engländer den Tourismus in die Schweiz brachten und uns ein stückweit mithalfen, die Schönheit unseres Landes zu entdecken. Wie die Bündner eine Reihe tüchtiger Zuckerbäcker – nicht wenige Emser waren darunter - und unternehmerische Persönlichkeiten (leider sind sie mehr in Basel als im Graubünden tätig) hervorbrachten. Wie das Bergell und teilweise das Puschlav als einzige italienischsprachige Täler der Schweiz die Ideen der Reformation übernahmen. Man könnte noch unzählige weitere Begebenheiten anführen. Umso beglückter bin ich über den Umstand, dass die Ems Chemie als grösstes bündnerisches Unternehmen den Ruf in die moderne Welt hinausträgt und gleichzeitig mit dem Schloss Rhäzüns ein kulturell und historisch bedeutsames Bauwerk pflegen und erhalten kann. Ein Schloss ist immer eine Verpflichtung, nämlich das Erbe zu bewahren und weiterzuführen. Gerade für weltweit tätige, erfolgreiche und moderne Unternehmen gilt: Wer die Geschichte – die Wurzeln – nicht kennt, kann die Zukunft nicht gestalten. Ein neues Studio Ich spreche hier anlässlich der Eröffnung eines neuen SRG-Studios und ich habe Ihnen gesagt, wie wichtig die Medien für die Schweiz – ein föderalistisches, direktdemokratisches Land - wie auch für den Kanton Graubünden sind. Es braucht konkurrenzierende Meinungen. Es braucht eine möglichst breite Information, schliesslich müssen die Menschen immer wieder über wichtige politische Sachverhalte abstimmen. Ich will Ihnen nichts vormachen, denn Sie wissen es längst: Ich bin kein Anhänger staatlicher Monopole und Medien – und dazu gehören auch das Schweizer Fernsehen und Radio. Ich bin für den Wettbewerb. Aber die regionalen Studios zeigen, dass auch die SRG der schweizerischen Vielfalt Rechnung trägt. Für Sie als Medienschaffende ist es eine Verpflichtung, dass Sie diese Vielfalt abbilden und durch ihre Arbeit dafür Sorge tragen, dass diese Vielfalt auch erhalten bleibt. Hüten Sie sich vor Einseitigkeit und Parteinahme. Zeigen Sie, was ist. Im Fall von Graubünden ein vielfältiger, aufregender und kantiger Kanton.

03.06.2006

Gesetzliche Lohnobergrenzen sind Unsinn

Am 31. Mai ist die Vernehmlassungsfrist zur Revision des Aktienrechts abgelaufen. Bundesrat Christoph Blocher äussert sich in einem Interview mit der «Finanz und Wirtschaft» über erste Eindrücke aus der Vernehmlassung, die anhaltende Diskussion um die Managerlöhne und die Problematik der hohen Dispoaktienbestände. 03.06.2006, Finanz und Wirtschaft, Corina Drack und Peter Morf Herr Bundesrat Blocher, am 31. Mai ist die Vernehmlassungsfrist zur Revision des Aktienrechts abgelaufen. Haben Sie schon einen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse? Einen genauen Überblick haben wir noch nicht. Im Ganzen ist der Entwurf gut aufgenommen worden. Die Kritik betrifft eine Vielzahl von Einzelregelungen und ist dort sehr heterogen. Verwaltungsratsbestimmte Kreise kritisieren wie erwartet die Stärkung der Corporate governance, das heisst derjenigen Normen, die die Aktionärsrechte stärken. Zudem wird vereinzelt moniert, dass der Entwurf recht detailliert ist. Wir werden prüfen, ob eine gewisse Entschlackung der Vorlage möglich ist. Gibt es grundsätzliche Opposition gegen den Entwurf? Nein, wie gesagt, es sind Einzelpunkte, die beanstandet werden. Die von den Verwaltungsräten grosser Unternehmen dominierten Wirtschaftsverbände beanstanden die jährliche Wiederwahl der Verwaltungsräte. Sie wollen auch keine Abschaffung des Depot- und Organstimmrechts. Umgekehrt fehlen im Vorentwurf Bestimmungen, die die Stimmverfälschung unterbinden, also zum Beispiel die Praxis, dass Aktien für die Zeit der Generalversammlung ausgeliehen werden (Security lending, die Red.). Diesen Kreisen sind auch die Quoren für die Auskunftspflicht, zur Einberufung von Generalversammlungen oder für die Aufnahme eines Traktandums zu niedrig. Aber: Man kann den Bär nicht waschen, ohne dass das Fell nass wird. Werden die Ziele der Vorlage nach der Vernehmlassung erreicht? Ja, schon, soweit ich das nach einer ersten Übersicht beurteilen kann. Welche Ziele waren das? Das Aktienrecht muss an die neuen Möglichkeiten der modernen Kommunikationsmittel beispielsweise zur Durchführung der GV, von Sitzungen und so weiter angepasst werden. Das wird allgemein begrüsst. Ausserdem müssen die Rechte der Eigentümer, das heisst der Aktionäre, gestärkt werden. So zum Beispiel die Information von Seiten des Managements und dessen Kontrolle. Hier geht es um eine Regelung der Beziehung zwischen dem Management und den Aktionären, was zwangsläufig zu verschiedenen Auffassungen führt. Kleine Gesellschaften sind nicht den gleichen Regeln zu unterstellen wie die globalen Konzerne. Auch wenn nach der Vernehmlassung einige Punkte überarbeitet werden müssen, werden diese Ziele mit dem neuen Aktienrecht erreicht. Welche Punkte müssen überarbeitet werden? Die aus Sicherheitsgründen vorgesehene Abschaffung der Inhaberaktien, die es zum Beispiel in den USA mit Ausnahme von zwei Bundesstaaten nicht gibt, müssen wir noch einmal prüfen. Die Frage ist, ob der Kampf gegen Geldwäscherei und Kriminalität das zulässt. Umgekehrt soll dafür die Begrenzung des Partizipationskapitals aufgehoben werden, um völlig anonymen Anlegern entgegenzukommen. Kritisiert wird zudem, dass an der Problematik der Dispo-Aktien nichts geändert wird. Dort bleiben die Aktionäre ja auch anonym. Werden Sie diesen Punkt ebenfalls überarbeiten? Wenn die Namenpapiere nicht eingetragen werden, also als so genannte Dispo-Aktien vorliegen, hat heute der Aktionär zwar kein Stimmrecht, behält aber das Vermögensrecht. Der Nachteil ist, dass die Verwaltung diese Aktionäre nicht kennt. Gewisse Kreise fordern, dass Dispo-Aktien nun auch die Vermögensrechte verlieren sollen. Das ist problematisch, denn wenn der Verwaltungsrat einen Aktionär aus irgendeinem Grund nicht eintragen will, würde dieser neben dem Stimm- auch noch das Vermögensrecht verlieren. Das stärkt das Management in einem nicht gerechtfertigten Ausmass. Weshalb? Im Ausland wird das teilweise auch praktiziert. Was die Sache nicht besser macht. Wollte man das tun, müsste man ein Verbot jeglicher Eintragungsbeschränkung erlassen, was niemand will. Ein nicht eingetragener Namenaktionär kommt dem Partizipationsschein-Inhaber gleich – er hat die Vermögensrechte, nicht die Stimmrechte. Dann kennt man wenigstens die Aktionäre. Die Kritik am hohen Dispo-Bestand geht ja dahin, dass die Gesellschaft ihre Aktionäre nicht kennt. Da stellt sich die Frage, ob die Verwaltung jeden kennen muss. Im Falle des Inhabertitels kennt das Management die Aktionäre auch nicht. Doch dieselben Kreise wollen die Inhaberaktie beibehalten. Sie hat aber – im Gegensatz zu den Dispo-Aktien – noch ein Stimmrecht! Aktivistische Aktionäre erhalten aber ein grösseres Gewicht. Im Fall Saurer hatte die Gesellschaft keinen Zugriff auf den Dispo-Bestand. Das Stimmrechtsgewicht der eingetragenen Aktien ist höher. Das macht die Unternehmen angreifbarer, auch für ungewollte Übernahmen. Grundsätzlich trifft das schon zu. Aber die Angst davor ist übertrieben. Ich kenne keine Übernahme, die wegen Dispo-Aktien gelungen wäre. Ein gut geführtes Unternehmen muss in der Regel keine Angst davor haben, denn mit der entsprechend hohen Börsenbewertung lässt sich mit einer Übernahme zu wenig herausholen. Ist für Sie der Status quo eine Alternative, also an den Inhaberpapieren festzuhalten und im Bereich der Dispo-Aktien nichts zu ändern? Das ist eine Möglichkeit, die wir prüfen werden. Es geht letztlich um die Frage, ob kriminelle Gelder in Aktien fliessen und dann die Besitzer erst noch stimmen können. Mit den Dispo-Aktien stellt sich dieses Problem nicht, weil sie nicht stimmberechtigt sind. Gibt es Anhaltspunkte, in welchem Umfang kriminelle Gelder so auf Unternehmen Einfluss nehmen? Mit Geldwäscherei und kriminellen Geldern operiert man im Dunkeln. Dass diese Leute auch anonyme Wertpapiere suchen, dürfte auf der Hand liegen! So geht die Gafi, ein internationales Gremium zur Bekämpfung der Geldwäscherei, davon aus, dass die Inhaberaktie zur Geldwäscherei verwendet wird. Die Schweiz sollte sich der weltweiten Kritik wegen Geldwäscherei und kriminellen Geldern nicht unnötig aussetzen. Mit der Aktienrechtsreform wollen Sie auch das Problem der überrissenen Managerlöhne in den Griff bekommen. Wie beurteilen Sie selbst diese Lohnexzesse? Ich habe mich als Bundesrat nicht dazu zu äussern, ob gewisse Manager zu viel verdienen oder nicht. Das ist Sache der Unternehmen, nicht der Politik. Mein Anliegen besteht darin, dass die Unternehmer, also die Eigentümer – und das sind in einer Aktiengesellschaft die Aktionäre –, in die Lage versetzt werden, ihre Eigentümerinteressen wahrzunehmen. Es ist Aufgabe des Staates, für den Schutz des Privateigentums zu sorgen. Hier bestehen bei der Aktiengesellschaft Lücken. Der Aktionär muss über die notwendigen Informationen verfügen und seinen Willen unverfälscht zum Ausdruck bringen können. Die Saläre der Manager sind Resultat der zu erbringenden Leistung beziehungsweise der erbrachten Leistung einerseits und des Marktwertes für Spitzenmanager andererseits. Es muss sichergestellt werden, dass die Information des Verwaltungsrats zu den Entschädigungen so ist, dass die Aktionäre entscheiden können und dass die Aktionärsstimmrechte nicht verfälscht werden. Für all das hat der Verwaltungsrat als Treuhänder der Eigentümer zu sorgen. Tut er es nicht, so verletzt er die Pflichten der Geschäftsführung. Für den Erfolg des Unternehmens ist die Führungsspitze massgebend. Darum sollen die Verwaltungsräte jährlich beurteilt und einzeln wiedergewählt werden. Damit wird natürlich auch indirekt über das Salär entschieden. Wäre es eine Lösung, wenn die Generalversammlung direkt über die Lohnhöhe abstimmte? Für die einzelnen Verwaltungsräte ist das neu indirekt der Fall. Ihre Saläre werden offen gelegt, und mit der Wahl kann der Aktionär indirekt darüber abstimmen. Offen gelegt werden soll auch der Lohn des Konzernchefs; für den Rest der Geschäftsleitung – deren Bezüge ja der Verwaltungsrat und nicht die Generalversammlung bestimmt – werden die Löhne in der Summe ausgewiesen. Das genügt. Zudem können die Statuten Richtlinien festlegen, wenn die Mehrheit der Aktionäre das wünscht. Bekommt die Salärfrage an den Generalversammlungen im Vergleich zu anderen, wichtigeren Fragen nicht einen zu hohen Stellenwert? Nur dort, wo es eben zu Exzessen kommt. Die eindeutigen Auswüchse, wo es um Bezüge von mehreren hundert Millionen Franken ging – und das erst noch mit schlechtem Geschäftsergebnis –, sind schon allein mit lückenloser Publizität der Bezüge praktisch nicht mehr möglich. Diese Transparenzvorlage wird auf den 1. Januar 2007 bereits in Kraft gesetzt. Die Tatsache, dass es Lohnexzesse gibt und gegeben hat und dass die Generalversammlung über den Lohn entscheiden soll, lässt darauf schliessen, dass der Markt für Topmanager nicht oder nur schlecht funktioniert. Der Markt besteht, aber er wird vielleicht zu wenig berücksichtigt. Auf oberster Ebene sind Abwerbungen über das Salär selten. Auf zweiter oder dritter Führungsebene schon eher. Wenn es einen Markt für Manager gibt, muss in Kauf genommen werden, dass man ab und zu einen an die Konkurrenz verliert. Es ist doch selbstverständlich, dass niemand die Bezüge aus einer fremden Kasse selbst bestimmen kann! Wenn der Markt funktionieren würde, bräuchte es keine Staatsintervention. Der funktionierende Managermarkt ist eines. Hier wird der Verwaltungsrat gefordert. Aber die Frage ist: Wer entscheidet? Es muss der Eigentümer sein. Und hier hat der Staat dafür zu sorgen, dass der Eigentümer entscheiden kann. Das ist vorab in Publikumsgesellschaften mit sehr breit gestreutem Aktionariat wichtig. Für den klassischen Unternehmer, den Alleineigentümer, ist das nicht notwendig. Das Thema Managerlöhne betrifft nicht nur die Aktionäre, sondern hat auch eine politische Dimension, indem einige wenige Bezüger von Spitzensalären den Forderungen nach noch mehr Regulierung Auftrieb verleihen. Hilft das neue Aktienrecht, die Diskussion zu versachlichen? Eindeutig. Die Hauptkritik der Öffentlichkeit ist, dass der Markt nicht berücksichtigt wird und sich die wenigen Topmanager die Jobs gegenseitig zu übersetzten Bedingungen zuschanzen. Diesem Eindruck der Öffentlichkeit kann Gegensteuer gegeben werden. Ich bin überzeugt, dass die Offenlegung an der Generalversammlung und die Mitbestimmung der Aktionäre auch die Leistungserbringung erhöhen. Ein Manager, der in einer Krise geholt wird, geht ein hohes Risiko ein und wird im Erfolgsfall grosszügig entlohnt. Schon deshalb, weil es nur wenige gibt, die das können und wollen! Doch das muss von Anfang an transparent gemacht werden, sodass die Öffentlichkeit im Erfolgsfall die Gründe der Bezüge nachvollziehen kann. Noch herrscht keine Transparenz. Durch die Exzesse ist ein Klima entstanden, das den Druck erhöht, weitergehende Bestimmungen wie die Festlegung einer oberen Lohngrenze in das Aktienrecht aufzunehmen. Spürten Sie den politischen Druck während der Vernehmlassung? Ja, eindeutig. Doch die Transparenzvorlage wird bereits am 1. Januar 2007 in Kraft treten. Gesetzliche Lohnfestsetzung, Obergrenzen und so weiter sind Unsinn. Es wird über den Lohn von Novartis-Chef Daniel Vasella oder von UBS-Verwaltungsratspräsident Marcel Ospel geredet, ohne ihn mit ihrer Leistung und dem Marktwert in Beziehung zu setzen! Das muss sich ändern. Kann das neue Aktienrecht Auswüchse verhindern? Die Aktionäre können besser entscheiden, ob es sich um Auswüchse handelt oder nicht. Es kann ja sein, dass die Aktionäre finden, der Manager sei so gut, dass er viel beziehen sollte. Braucht es überhaupt staatliche Eingriffe, wenn der Aktionär die Titel jederzeit verkaufen und so mit den Füssen abstimmen kann? Aufgabe des Staates ist der Schutz des Privateigentums. Einem Hausbesitzer kann man ja auch nicht das Grundstück verbauen mit dem Argument, er sei schliesslich frei, dieses Privateigentum jederzeit zu verkaufen – und das erst noch zu einem entwerteten Preis. Im Fall einer Publikumsgesellschaft wäre die Sachlage doch ein bisschen anders, der Aktienkurs würde fallen, was wiederum das Management unter Druck setzen würde. Gefallene Kurse bedeuten die Vernichtung von Werten der Eigentümer. Das ist doch keine Alternative. Die Aktionäre hätten im Fall einer Opposition nur die Möglichkeit, den Verwaltungsrat abzuwählen und so das Unternehmen zu destabilisieren, was auch nicht in ihrem Interesse sein kann. Ist damit die jährliche Wahl der Verwaltungsräte das geeignete Mittel, um die Lohnproblematik zu lösen? Kein Aktionär hat ein Interesse, sein Unternehmen zu destabilisieren. Er will Mehrwert! Ein Managementwechsel ist doch noch nicht eine Destabilisierung. Die Abwahl wird ein Extremfall bleiben. Doch eine maximal gute Lösung wird es für grosse kotierte Gesellschaften nie geben. Die Trennung von Unternehmensführung und Eigentum schafft immer Probleme. Man kann sie besser oder schlechter lösen. Der Entwurf des neuen Aktienrechts verbessert diesen Schutz eindeutig. Schwächt die jährliche Wahl der Verwaltungsräte nicht die Position gegenüber der Geschäftsleitung? In der Regel wird auch in Zukunft der VR als Gesamtheit beurteilt, aber einzeln gewählt. Hat der Einzelne eine bestimmte Aufgabe, zum Beispiel der Präsident, oder hat er besondere Verdienste oder besonderes Versagen, dann muss er selbst dafür geradestehen. Es darf nicht vergessen werden: Der Verwaltungsrat wird von Aktionären gewählt. Verwaltungsräte stehen in einem Auftragsverhältnis. Wie alle Angestellte haben sie einen Auftrag, an dem werden sie gemessen werden. Dann müsste man mit den Verwaltungsräten Verträge abschliessen? Die Wahl in den Verwaltungsrat mit einer bestimmten Entschädigung und mit den Pflichten gemäss Gesetz und Statuten begründet ein Mandatsverhältnis. Dieses Auftragsverhältnis kann durch die Wiederwahl jedes Jahr um ein weiteres Jahr verlängert werden oder eben auch nicht.

01.06.2006

Freier Wettbewerb IST fairer Wettbewerb. Warum der Bundesrat für die Privatisierung der Swisscom eintritt

01.06.2006, Bern Bern. Vor dem Verband der schweizerischen Telekommunikationsbenützer asut sprach sich Bundesrat Christoph Blocher für eine baldige Privatisierung der Swisscom aus. Es sei die Aufgabe unserer Zeit, wieder vermehrt die Marktwirtschaft und ihre grosse soziale Bedeutung für die Wohlfahrt der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Bundesrat Christoph Blocher forderte die asut auf, sich auch weiterhin für den freien Wettbewerb einzustetzen. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. 1. Ein Geständnis Obwohl ich schon früher vor Ihrem Verband gesprochen habe, musste ich mich bei Ihrer erneuten Anfrage zuerst "an den Kopf langen". Was ist schon wieder "asut"? Etwa ein arabisches Tellergericht? Dann erinnerte ich mich wieder: "asut" steht für "association suisse des utilisateurs de télécommunication" oder auf deutsch "Schweizerischer Verband der Telekommunikationsbenützer". Gut und schön. Was um alles in der Welt ist aber ein "utilisateur de télécommunication", ein "Telekommunikationsbenützer"? Man klärte mich wiederum auf: Jeder, der in irgendeiner Form Informationen austauscht, ohne diese materiell zu transportieren. Ein Brief schreiben ist also eine materielle Form der Kommunikation. Als Briefschreiber bin ich folglich kein utilisateur de télécommunication. Telefoniere ich dagegen, betreibe ich eine immaterielle Form des Austausches. Insofern gehöre auch ich zu den Telekommunikationsbenützern. Braucht es einen Verband für Telefonierer? Offenbar ja. Denn die "asut" ist in eigenen Worten "ein politisch neutraler Firmenverband von Benutzern und Anbietern in der Telekommunikation". Die spezielle Ausrichtung des Verbandes liege bei den Benutzerinteressen. Und hier setzt sich die "asut" zwei Hauptziele: Erstens, die Förderung des freien und fairen Wettbewerbs im Schweizer Telekommunikationsmarkt. Zweitens, die Vertretung der Interessen der Benutzer und Anbieter gegenüber den Regulierungs- und politischen Behörden. Sie vertreten also die Interessen der Benutzer und Anbieter gegenüber der Politik. Das ist wichtig und gut. Dass Sie sich gleichzeitig für Anbieter und Benutzer einsetzen, ist löblich. Die Behörden sind ja permanent am Regulieren und es ist immer wieder erstaunlich, was es angeblich alles zu regulieren gibt. Darum ist es nötig, dass die von der Regulierung Betroffenen sich Gehör verschaffen. 2. Jeder Buchstabe ein Monopol Gegründet wurde Ihr Verband 1974 und sein erstes und wohl auch wichtigstes Ziel mündet in der Forderung nach einem freien und fairen Wettbewerb im Schweizer Telekommunikationsmarkt. Vor dreissig Jahren herrschte in unserem Land tatsächlich noch der totale Monopolbetrieb. Service Public war nur durch Monopole denkbar. Durch eine PTT, die mit jedem Buchstaben ein Monopol für sich beanspruchte: P für Post. T für Telegraphie. Für Telefon. Die Post muss uns an der heutigen Veranstaltung nicht beschäftigen, denn sie erledigt den materiellen Austausch von Informationen, ist also kein Telekommunikations-Anbieter. Also bleibt noch das zweite T - das Telefonieren. Das staatliche Monopol erstreckte sich – das werden wohl noch die meisten der hier Anwesenden wissen – bis in unsere Wohnzimmer. Das Monopol materialisierte sich gewissermassen auf unseren Kommoden: Das Monopol war grau, hatte eine runde Wählscheibe, eine Gabel, worin ein ebenfalls grauer Hörer lag. Manchmal kam das Monopol auch in schwarzer Farbe daher. Es war jedenfalls so, dass ausschliesslich die PTT ihre eigenen Telefonmodelle verkaufen durfte. Insofern war den Benutzern die Entscheidung abgenommen. Ich verstehe also, dass sich 1974 ein paar Firmen zusammentaten, um diesen Zustand zu beenden. Heute kann tatsächlich jeder Kunde frei zwischen verschiedensten Anbietern auswählen! Die Telefone sind bunt, schrill, gediegen, mit allem möglichen technischen Schnickschnack ausgestattet, mit Schnur, ohne Schnur, mit Display, ohne Display, mit Anrufbeantworter, ohne Anrufbeantworter – dies dank Liberalisierung und Wettbewerb. Die Nostalgiker dürfen natürlich weiterhin ein graues Telefon mit grauem Hörer und geringelter Schnur benutzen – ebenfalls dank Liberalisierung und Wettbewerb. Das Telefon ist das eine, telefonieren das andere. Hier interessiert den Benutzer vor allem der Preis. Was kostet mich eine Minute "Telekommunikation"? Studien haben ergeben, dass wir heute durchschnittlich 40 Prozent günstiger telefonieren. 1978 – also vier Jahre nach Gründung der asut – zahlte man noch 9.60 Franken, um in die USA zu telefonieren. Wohlverstanden: 9.60 Fr. pro Minute. Der Vorteil solcher Preise war, das man sich wenigstens auf das Wesentliche im Gespräch konzentrierte. Heute telefonieren Sie am Wochenende für ca. 10 Rappen pro Minute in die Vereinigten Staaten. Mit der Liberalisierung kam der Wettbewerb, mit dem Wettbewerb bessere Produkte und günstigere Tarife. 3. Ein Bisschen privatisiert. Zur Swisscom Unser Telekommunikationsmarkt ist erst ein Bisschen privatisiert. Und genau darin liegt sein Problem. Der Staat ist nach wie vor Mehrheitsaktionär der Swisscom und diese verfügt über ein Teil-Monopol durch die so genannte "letzte Meile". Die Frage nach der Verselbständigung der Swisscom hat Ende letzten Jahres einige Emotionen aufgewühlt. Die Swisscom stand damals kurz vor der Übernahme der Eircom, einer irischen Telefongesellschaft. Eine Investition von mehreren Milliarden. Die SWISSCOM, die Wachstumsschwierigkeiten hat, wollte eine gleiche Gesellschaft mit den gleichen Schwierigkeiten kaufen. Damit löst man kein einziges Problem. Man wird zwar grösser, betreibt aber reine Bilanzkosmetik! Der Bundesrat als Vertreter des Mehrheitsaktionärs musste handeln. Er stoppte das Vorhaben. Es gelang: Die SWISSCOM verzichtete auf den verhängnisvollen Kauf, änderte die Strategie und wechselte die Spitze aus. Alles im Interesse der SWISSCOM. Eine schnelle, wirkungsvolle und strategisch wichtige Weichenstellung. Doch ein Problem ist geblieben: Der Staat – der Bund – als Mehrheitsaktionär der SWISSCOM. Mehrheitsaktionär eines Unternehmens , das im freien Wettbewerb stehen und bestehen soll. 4. Der Staat als Unternehmer? In einem freien Wettbewerb darf der Staat nicht als Unternehmer auftreten. Er ist grundsätzlich der falsche Eigentümer. Erst recht, wenn damit eine internationale und damit zwangsläufig risikoreiche Tätigkeit verbunden ist. Bundesräte sind und bleiben politische Behörden und sind nicht dafür gewählt, Unternehmen zu führen. Aber unabhängig davon, ob wir fähig sind oder nicht, dem Bundesrat obliegt nun mal die Verantwortung über die zum Staat gehörenden Unternehmen. Diese Verantwortung nicht wahrzunehmen – sei es aus Unfähigkeit, Furcht oder Schlamperei – auch das geht nicht. Darum musste der Bundesrat entschieden und er hat entschieden! Wann die SWISSCOM endlich die staatlichen Fesseln abwerfen kann, wird sich zeigen. Der Bundesrat ist der Meinung, dass es bald geschehen sollte, ebenso die heutige SWISSCOM-Führung. Dann endlich herrscht Wettbewerb. 5. Freier Wettbewerb = Fairer Wettbewerb Ich kann Sie also nur unterstützen in Ihren Bemühungen für einen freien und fairen Wettbewerb. Möchte aber gleich anfügen: Ein freier Wettbewerb ist immer die fairste Form des Wettbewerbs. Wettbewerb heisst Marktwirtschaft: Alle haben gleiche staatliche Bedingungen. Der Bessere, der Günstigere, der Tüchtigere gewinnt! Fairness darf nur nicht heissen, wir sitzen zusammen und teilen den Kuchen schön gleichmässig unter uns auf. Fairness heisst nicht, die Wettbewerber nehmen aufeinander Rücksicht und wir sind alle eine grosse, harmonische Familie. Der freie Wettbewerb ist anstrengend und unbequem. Jeder Unternehmer, der Ihnen erzählt, er schätze den Wettbewerb, lügt. Ziel jeden Unternehmers muss es sein, den anderen Wettbewerber auszuschalten. Am liebsten möchte man alleine sein. Das ist nichts Verwerfliches. Das muss so sein. Nur einer hat hier drin nichts zu suchen: der Staat! Er verzerrt den Wettbewerb. Er straft den Tüchtigen! Wie ich gesehen habe, zählt ihr Verband einige hundert Mitglieder. Darunter auch die Swisscom. Gut so, denn die heutige Führung will die Unabhängigkeit vom Staat. Nur die Politik blockiert (noch). Interessant finde ich auch, dass ein Medienkonzern (Ringier AG) auf Ihrer Mitgliederliste figuriert, der die Privatisierung stets redaktionell massiv bekämpft hat. Vielleicht sollte man dort einmal Ihre Verbandsstatuten laut verlesen. Der Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit – und Freiheit heisst immer frei von staatlichen Einflüssen – ist eine soziale Einrichtung. Die Neigung der Politik, und namentlich der Politiker, in die Marktwirtschaft einzugreifen, war und ist gross. Immer wieder und überall versucht man diesen Markt zu "gestalten", zu formen, zu bemuttern, zu helfen. Das sind alles unsoziale Taten, die als soziales Geschwätz daherkommen. Es ist die Aufgabe unserer Zeit, wieder vermehrt die Marktwirtschaft und ihre grosse soziale Bedeutung für die Wohlfahrt der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Vor lauter gut gemeintem, "sozialem" und ideologischem Gebaren wird leicht vergessen, wie sozial die Marktwirtschaft ist. Nur sie gewährleistet eine funktionierende Versorgung der Menschen mit Gütern. Wo sie nicht existierte, gingen Staaten und Völker gleichermassen bankrott. Die Aufrechterhaltung der Marktwirtschaft ist die soziale Forderung unserer Tage! Dazu gehört auch ein freier Wettbewerb. Setzen Sie sich weiterhin für dieses Ziel ein.

30.05.2006

Die Einflüsse des Asyl- und des Ausländergesetzes auf die Schweizer Gastronomie

Rede von Bundesrat Christoph Blocher an der Delegiertenversammlung der GastroSuisse vom 30. Mai 2006, in Zürich 30.05.2006, Zürich Zürich. An der Delegiertenversammlung der GastroSuisse informierte Bundesrat Christoph Blocher Vertreterinnen und Vertreter der Branche über die beiden Referenden zum neuen Ausländergesetz und zur grossen Asylgesetz-Revision. Er erläuterte die Hauptstossrichtung der beiden neuen Gesetze und ging auf die spezifischen Punkte ein, die das Gastronomie- und das Tourismusgewerbe besonders interessierten. Er sei sich der Bedeutung des Gastgewerbes für die schweizerische Volkswirtschaft und der Wichtigkeit der ausländischen Arbeitskräfte für die Branche bewusst. Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen. 1. Aufschwung spürbar Man sagt nicht ohne Grund in der Schweiz: Wenn es der Bauwirtschaft gut geht, geht es der ganzen Volkswirtschaft gut. Die Umkehrung des Satzes ist allerdings genauso wahr: Sobald die Baubranche kriselt, ist Krise, möglicherweise sogar eine Rezession angesagt. Man könnte diese Formel anpassen und auf Ihren Bereich anwenden: Wenn es dem schweizerischen Tourismus gut geht – dann geht es nicht nur der Schweiz gut, sondern der ganzen Welt. Schliesslich ist der Tourismus aus dem Ausland nach wie vor ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und die Menschen reisen dann, wenn sie in ihren Heimatländern über sichere Arbeitsplätze, gute Löhne und positive Aussichten verfügen. Die Weltwirtschaft zeigt zur Zeit tatsächlich gute bis erfreuliche Kennzahlen. Für etwas trübere Stimmung sorgen bloss der hohe Ölpreis und der schwache Dollar. Der allgemeine Aufschwung hat auch die Schweizer Gastronomie erfasst. Erstmals seit 2001 legt die Zahl der Übernachtungen wieder kräftig zu. Nach einer guten Wintersaison 2005/2006 soll nun auch im Sommer vor allem das Geschäft mit ausländischen Touristen nochmals anziehen. Es werden vermehrt deutsche Gäste erwartet, aber auch die Amerikaner reisen nach dem Einbruch rund um den Terroranschlag 2001 wieder verstärkt nach Europa. Bei der Zusammensetzung der ausländischen Gästezahlen zeigt sich der rasante Wandel in der Welt sehr deutlich. Wer hätte vor fünfzehn Jahren gedacht, dass heute Russland und die Volksrepublik China zu den stärksten Wachstumsmärkten zählen? Die Russen gehören sogar zu jenen Touristen, die pro Person und Tag am meisten Geld ausgeben. Umgekehrt blieb in den letzten Jahren vor allem die Kundschaft aus Deutschland aus. Die finanziellen Lasten der Wiedervereinigung schlugen sich auf die deutsche Volkswirtschaft nieder und die Ferienbudgets gehören nun mal zu den ersten Posten, wo die Bürger sparen. Bei den eigentlich reisefreudigen Deutschen wirkte sich das besonders stark auf die Schweiz aus, zumal unser Land als teuer gilt und der preisbewusste Tourist möglicherweise in ein anderes Land ausweicht. 2. Qualitätstourismus Allerdings kann der Massentourismus oder Billigtourismus ohnehin nie eine brauchbare Strategie für die Schweiz abgeben. Qualität ist unser Markenzeichen. Nicht nur in der Entwicklung und Ausarbeitung von Gütern. Qualität soll auch die Massgabe in der Hotellerie und Restauration sein. Qualität ist immer gefragt. Sie ist weit weniger konjunkturabhängig, denn kaufkräftige Kunden, die Wert auf exzellenten Service und Top-Infrastruktur legen, gibt es immer. Dazu kommt unsere einmalig schöne Landschaft. Wer das Matterhorn sehen will, muss in die Schweiz kommen. Wo gibt es ein vergleichbares Hochtal wie das Engadin zu besuchen? Welches Land bietet auf so wenig Raum eine derart vielfältige Landschaft und Vegetation? Der deutsche Komponist Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) besuchte im 19. Jahrhundert die Innerschweiz und schrieb begeistert: „Ich bin auf dem Rigi, weiter braucht' ich nichts zu sagen, denn Ihr kennt den Berg. Wenn es nur nicht alles so unbegreiflich schön wäre!“ Wer dieses „unbegreiflich Schöne“ sehen will, wird in die Schweiz kommen müssen – oder in der Schweiz bleiben. Ich persönlich gehöre ja zu jenen, die ihre Ferien am liebsten im eigenen Land verbringen. Und ich bin offensichtlich nicht der einzige. Die Schweiz ist ein beliebtes Ferienziel. Für alle. Für Schweizerinnen und Schweizer wie auch für die ausländischen Gäste. Und diese kommen nach wie vor, Jahr für Jahr, Generation für Generation in unser Land. Sogar die Pioniere des schweizerischen Tourismus, die Engländer, kehren zurück. Die Zahl der britischen Gäste ist in letzter Zeit wieder markant gestiegen. Ich kann Ihnen also nur viel Erfolg wünschen und gute Geschäfte. Setzen Sie auf Ihre Stärken und der Erfolg wird Ihnen treu bleiben. 3. Zwei Vorlagen von Bedeutung Ich bin heute jedoch hier, um Sie in meiner Funktion als Justizminister über zwei wichtige Vorlagen zu informieren. Im September stehen zwei Referenden zur Abstimmung. Nämlich das Referendum zum neuen Ausländergesetz und ein zweites zur grossen Asylgesetz-Revision. Beide Geschäfte sind für Sie als Vertreterinnen und Vertreter der Gastronomie von Bedeutung. Aus naheliegenden Gründen: Wie bereits oben erwähnt, kommt eine Vielzahl der Touristen aus dem Ausland. Hier haben wir ein grosses Interesse, dass deren Einreise und deren Aufenthalt aus gesetzlicher Sicht so reibungslos wie möglich vonstatten geht. Der Tourist definiert sich – um es einmal salopp zu definieren – dadurch, dass er in ein Land einreist und später – hoffentlich zufrieden – wieder ausreist. Das Ausländergesetz befasst sich in seinem Kern mit einer anderen Frage: mit der Zuwanderung. Wir haben als Staat ein Interesse an einem möglichst freien Personenverkehr. Andererseits braucht es Regeln und Kontrollen, wenn es um die Immigration geht. Die politische Herausforderung besteht darin, diese beiden legitimen Bedürfnisse – freier Personenverkehr und kontrollierte Zuwanderung – miteinander auszubalancieren. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle kurz die Hauptstossrichtung der beiden neuen Gesetze erläutern, um dann noch auf die spezifischen Punkte einzugehen, die Sie von der Gastronomie und dem Tourismus her interessieren. 4. Geregelte Zuwanderung Die Ausländer-, aber insbesondere die Asylpolitik, beschäftigt die Schweizerinnen und Schweizer seit Jahren. Nicht die Aufnahme von Flüchtlingen, nicht die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte, welche in der Schweiz ordnungsgemäss eine Aufenthaltsbewilligung erhalten haben, sind Stein des Anstosses: Nein, all jene, die sich über den Asylantrag oder auf andere Weise einen illegalen Aufenthalt erschlichen haben. Diese Zahl ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Und hier wollen die beiden Gesetzesvorlagen entgegen wirken. Es ist das Anliegen jedes Staates, für seine Bürger zu sorgen. Darum bestimmt heute auch jede Regierung auf dieser Welt, wann Ausländer eine Aufenthaltsbewilligung erhalten und wann nicht. Mit Ausländern, welche eine Aufenthaltsbewilligung korrekt beantragten und eine solche Bewilligung auch erhielten, hat die Schweiz im Grossen und Ganzen keine Probleme. Wir stehen mit einem Ausländeranteil von rund 22 Prozent an der Spitze der europäischen Staaten! Trotzdem kennt unser Land keine gettoähnlichen Banlieues mit schwerwiegenden Ausschreitungen und fremdenfeindlichen Übergriffen. Das verdanken wir vor allem einer funktionierenden Wirtschaftsordnung, die es fertig bringt, überhaupt so viele Menschen zu beschäftigen. Trotz des hohen Ausländeranteils blieb die Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren eine der niedrigsten in Europa. Aber – und auch das gilt es in diesem Zusammenhang zu erwähnen – die Arbeitslosigkeit unter Ausländern ist konstant etwa drei Mal so hoch wie diejenige von Schweizerinnen und Schweizern. Mit dem Ja zu den Bilateralen II haben die Stimmbürger auch der Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Staaten zugestimmt. Das neue Ausländergesetz regelt im Wesentlichen noch, unter welchen Voraussetzungen die aussereuropäischen Bürger eine Arbeitsbewilligung und unter welchen Voraussetzungen sie Familiennachzug geltend machen können. Ebenso soll geregelt werden, was gegen illegal Anwesende zu tun ist, damit sie das Land verlassen und die Schweiz für diese Personen grundsätzlich an Attraktivität verliert. Bei der grosszügigen Lösung gegenüber den EU-Bürgern – sie werden in Zukunft der einheimischen Bevölkerung rechtlich praktisch gleichgestellt – versteht es sich doch von selbst, dass völlig offene Grenzen gegenüber allen Staaten der Welt nicht in Frage kommen kann. Leider war es nicht möglich, die Linken und Grünen ins Boot zu holen. Sie sind für eine andere Ausländerpolitik: Sie plädieren die totale Personenfreizügigkeit. Eine solche globale Öffnung würde aber unser ganzes Sozialsystem kollabieren lassen. Das muss in dieser Deutlichkeit gesagt sein. 5. Wider den Missbrauch im Asylwesen Die Schweiz hat nie nur jenen Menschen eine Aufenthaltsbewilligung erteilt, nach denen unser Arbeitsmarkt verlangte. Wir haben auch stets Leute aufgenommen, die in ihrem eigenen Land an Leib und Leben verfolgt waren. Die Schweiz versteht sich als grosszügiges Flüchtlingsland für die wirklich Verfolgten. Denken Sie an alle die Glaubensflüchtlinge in der Reformationszeit. Es waren tüchtige Leute. Auf sie gehen ganze Industriezweige der Schweiz zurück. So die Uhrenherstellung, aber auch grosse Anteile der schweizerischen Chemie- und Pharmaindustrie. Später fanden auch politisch Verfolgte im Zweiten Weltkrieg Schutz in der Schweiz. Trotz aller Unzulänglichkeit der Behörden: Kein Staat der Welt hat pro Kopf mehr Flüchtlinge aufgenommen als unser Land. Später kamen die Menschen aus den kommunistischen Staaten. Ich verweise auf die Ungarn, die vor genau 50 Jahren in der Schweiz Zuflucht fanden. Nein, die humanitäre Tradition gegenüber Flüchtlingen bestreitet keiner. Niemand will einer verfolgten Person die Aufnahme verweigern. Aber was wir nicht gelöst haben, sind die enormen Missbräuche, die im Bereich Asylwesen wuchern. Bis vor zwei Jahren wurden diese Missbräuche von den Politikern stets bestritten – und noch heute gibt es Kreise, die diese unschöne Wirklichkeit leugnen. Was aber nichts an der Tatsache ändert, dass bloss etwa 10 Prozent der Asylsuchenden als echte Flüchtlinge anerkannt werden. Der Asylrechtsmissbrauch steht nicht isoliert da. Er ist oft auch der Ausgangsort zum Erschleichen von Sozialhilfe, um zumindest eine vorläufige Aufnahme zu erwirken, dahinter verbergen sich auch einträgliche Schleppergeschäfte und organisierte Kriminalität namentlich im Drogenhandel. Was aber den einzelnen Bürger ganz tief verärgert, ist das schamlose Ausnützen der Gastfreundschaft. Das neue Asylgesetz gewährleistet und garantiert Schutz für echte Flüchtlinge in unserem Land, aber eben so die Beseitigung der eklatanten Missstände im Asylwesen. Hier geht es vor allem um die vorsätzliche Vernichtung der Reisepapiere. Die meisten haben ihre Pässe versteckt oder vernichtet. Warum? Weil derjenige, der seine Papiere nicht vorweist gegenüber den anderen im Vorteil ist, weil die Abklärung der Identität sehr viel Zeit beansprucht. Das Verfahren wird verzögert, der Aufenthalt verlängert und die Schweiz zahlt darüber hinaus Sozialhilfe. Selbst wenn das Gesuch negativ entschieden wird, kann die Person das Land noch lange nicht verlassen, da ihr die Dokumente fehlen oder weil sie sich schlicht weigert, freiwillig zurückzureisen. Dumm sind nicht diejenigen, die dieses System ausnützen, sondern diejenigen, die dieses System zur Verfügung stellen. Darum ändern wir die gesetzlichen Grundlagen. 6. Tourismus und Personalbedarf Über die Bedeutung des Gastgewerbes für die schweizerische Volkswirtschaft braucht man vor diesem Publikum keine Worte zu verlieren. Die Wichtigkeit der ausländischen Arbeitskräfte kann für die Branche auf der anderen Seite gar nicht überschätzt werden: Über die Hälfte aller in den Bereichen Hotellerie und Restauration geleisteten Arbeitsstunden werden von Personen mit einem ausländischen Pass erbracht. Um seine Personalbedürfnisse abdecken zu können, hat das Gastgewerbe bei den Vorbereitungen zum neuen Ausländergesetz stets die Möglichkeit für Bewilligungen an Hilfskräften aus Ländern von ausserhalb der EU-EFTA gefordert. Ein Grund dafür war, dass Personen aus Drittstaaten - im Gegensatz zu EU-Bürgern - weniger berufliche und geographische Mobilität geniessen. Sie können so bei besseren konjunkturellen Bedingungen nicht einfach aus den Randgebieten in die Zentren wechseln oder gar in einer anderen Branche eine Stelle suchen. Lohnvergleiche mit anderen Wirtschaftszweigen zeigen aber auch das Gastgewerbe in den hinteren Rängen. Dabei drückt der hohe Anteil an Personal mit tieferen Qualifikationen den Durchschnittslohn nach unten. Um im Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt mit anderen Branchen bestehen zu können, müssen die Löhne aber konkurrenzfähig sein. In den letzten Jahren hatten die schweizerische Hotellerie und Restauration keine Schwierigkeiten, das notwendige Personal im eigenen Land oder in der EU/EFTA zu finden. Allein im letzten Jahr sind mehr als 5'900 Personen aus diesen Staaten mit Bewilligungen von über einem Jahr zum Stellenantritt im Gastgewerbe in die Schweiz eingereist. Stellen für die Dauer zwischen vier und zwölf Monaten haben 19'600 Personen aus diesen Ländern angetreten. Dabei stammen die Arbeitskräfte sogar fast ausschliesslich aus den "alten EU-Ländern". Vor gut zwei Monaten ist zudem das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU auf die neuen Mitgliedstaaten ausgedehnt worden. Dies verschafft der schweizerischen Wirtschaft den Zutritt zu einem zusätzlichen riesigen Arbeitskräftereservoir von 75 Mio. Einwohnern. Sowohl während des Zeitraums vor Inkrafttreten des Protokolls als auch seit dessen Inkrafttreten werden die Höchstzahlen für Kurzaufenthalter stark beansprucht. Es handelt sich dabei in erster Linie um Hilfskräfte in der Landwirtschaft, aber auch der Tourismus und das Gastgewerbe (in erster Linie saisonale Tätigkeiten) verzeichnen eine steigende Nachfrage nach Hilfskräften. Die Öffnung des Schweizer Arbeitsmarktes gegenüber Mittel- und Osteuropa gibt den inländischen Unternehmen zudem die Möglichkeit, auf ein stark erweitertes Arbeitskräfteangebot zurückzugreifen. Dies umfasst sowohl den qualifizierten als auch den Hilfskräftebereich. Die Schweizer Unternehmen sind somit gegenüber den Europäischen Konkurrenten nicht mehr benachteiligt. 7. Konkrete Massnahmen Die nächste EU-Erweiterung um Rumänien und Bulgarien wird diesen Rekrutierungsraum in absehbarer Zeit womöglich noch einmal vergrössern. So kann weit in die Zukunft hinein auch der Bedarf an Hilfskräften, den insbesondere die Landwirtschaft und das Gastgewerbe aufweisen, abgedeckt werden. Bei genauer Betrachtung stellt man fest, dass das neue Ausländergesetz - als ein Teil des dualen Zulassungssystems - für Ihre Branche grundsätzlich keine wesentlichen Änderungen bringen wird. Im Rahmen der Personenfreizügigkeit können die Personalbedürfnisse abgedeckt werden. Bei besonderen Anliegen haben die Behörden mit den Branchenverbänden stets nach Lösungen gesucht und werden dies auch weiterhin tun. So sind z. B. im letzten Jahr 250 Spezialitätenköche aus verschiedenen, teilweise weit entfernten Ländern zugelassen worden. Sie setzen mit ihren Kenntnissen und Fertigkeiten in der schweizerischen Gastronomielandschaft exotische Farbtupfer. Solche Fachkräfte werden auch unter dem neuen Ausländergesetz in die Schweiz einreisen können. Damit kann das kulinarische Angebot auch für Touristen aus fernen Ländern ergänzt werden. Die berufliche und sprachliche Integration ausländischer Personen stellt einen wichtigen Teil des neuen Ausländergesetzes dar. Das Gastgewerbe kann von diesen Massnahmen bei Arbeitskräften im unteren Qualifikationsbereich profitieren. Auch für Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene stellt das Gastgewerbe mit rund 40 % aller Erwerbsverhältnisse (ca. 3000 Stellen) die wichtigste Branche dar. In den letzten Jahren wurden daher in verschiedenen Kantonen Ausbildungsprojekte im Gastrobereich für diese Personengruppen aufgebaut. Weil der Bund die Erwerbsquote von anerkannten Flüchtlingen erhöhen will, wird das Bundesamt für Migration ab 1. September 2006 verschiedene Pilotprojekte mit Berufs- und Branchenverbänden durchführen. So werden 15 Flüchtlinge während neun Monate eine Fachausbildung in den Bereichen Küche, Service und Hauswirtschaft absolvieren. Mit der seit 1. April 2006 in Kraft getretenen revidierten Begrenzungsverordnung wurden die vorläufig Aufgenommenen im Bezug auf die Arbeitsmarktzulassung Ausländern mit einer Jahresaufenthaltsbewilligung gleichgestellt. Dadurch verbessern sich die Chancen dieser Personengruppe auf dem Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden. 8. Ziel: Weniger Missbrauch, bessere Integration Trotzdem gilt es festzuhalten: Die bisherige Ausländerpolitik bereitet auch Probleme: * Die Integration der ausländischen Wohnbevölkerung ist teilweise mangelhaft. * Die Arbeitslosigkeit unter den Ausländerinnen und Ausländern ist mit 7,4 Prozent (Stand Januar 2006) zu hoch. Besonders problematisch ist die teilweise noch höhere Arbeitslosigkeit bei ausländischen Jugendlichen aus gewissen Staaten. * Die Straffälligkeit von Ausländern ist nach wie vor hoch. * Die Zahl der ausländischen IV-Bezüger ist mit rund 35 Prozent überproportional hoch. Die Hauptgründe hierfür sind: * Viele illegal Anwesende * Viele Asylsuchende, die keine Asylgründe haben * Schlecht qualifizierte ehemalige Saisonniers aus früheren Jahren * Schlecht integrierte ausländische Jugendliche mit schulischen Schwierigkeiten insbesondere wegen mangelhaften Sprachkenntnissen * lückenhafte Grenzkontrolle * Kriminaltouristen Hier setzt die Revision des Ausländergesetzes an. Unter anderem: Mit einer beschränkten Zulassung von gut qualifizierten Arbeitskräften, die von der Wirtschaft benötigt werden. Mit Massnahmen gegen Illegalität, wie generell erhöhten Strafandrohungen und der Verweigerung der Eheschliessung bei Scheinehen. Aber auch mit einem früherem Familiennachzug und damit besserer Integration. Nach der Zulassung wird der Berufs-, Stellen- und Kantonswechsel vereinfacht; bürokratische Bewilligungsverfahren werden abgebaut. Ich habe eingangs der spezifischen Ausführungen festgehalten: Wir haben verschiedene Bedürfnisse und Sorgen aufeinander abzustimmen. Wir wollen gute und qualifizierte Arbeitskräfte. Wir wollen möglichst einfache Reisebedingungen. Wir wollen gute Gastgeber sein. Wir wünschen uns einen liberalen, wenig regulierten Arbeitsmarkt. Wir wollen echten Flüchtlingen Zuflucht bieten. Gleichzeitig dürfen wir gegenüber den realen Problemen nicht die Augen verschliessen. Mit Blauäugigkeit schaffen wir keine Lösungen. Das neue Ausländergesetz und die Asylgesetzrevision sind Vorlagen, die den genannten Bedürfnissen Rechnung tragen, sich aber auch nicht scheuen, entsprechende Massnahmen zur Behebung von Missbräuchen und Problemen einzuleiten. Beide Vorlagen verdienen Ihre Unterstützung.